Richard Wagner in der Revolution 1848/49


Seminararbeit, 2004

20 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die politische Entwicklung Wagners bis 1843

3. Wagner als Hofkapellmeister in Dresden (1843-49)
3.1. August Röckel – Wagners Lehrmeister
3.2. Wagners politisches Konzept

4. Wagner in den Revolutionsjahren 1848/49
4.1. Eigennütziger Revolutionsauftakt
4.2. Wagner als Autor, Redner und Publizist
4.3. Der Dresdener Maiaufstand 1849 – Wagner auf den Barrikaden

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anhang: Das Leben Richard Wagners - Eine Zeittafel

1. Einleitung

Richard Wagner als eine der bedeutenden Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts liefert bis heute Zündstoff für äußerst kontroverse Diskussionen. Die Abweichungen bei der Deutung Wagners in der Forschung sind gar so extrem, dass der große deutsche Wagner-Forscher Martin Gregor-Dellin vom „Genie des Widerspruchs“[1] spricht. Da mir als Musiker in erster Linie Wagners kompositorisches Schaffen bekannt war, während ich z.B. von seiner Beteiligung an der bürgerlichen Revolution 1848/49 kaum etwas wusste, entwickelte ich Interesse, diesen so umstrittenen Menschen auch von seiner politischen Seite näher kennen zu lernen.

Ergebnis meiner Bemühungen ist diese Hausarbeit, die einen Überblick über Wagners politische Ansichten und seine konkrete Beteiligung an der Revolution liefert, wobei ich größtenteils chronologisch vorgegangen bin. Ich habe zunächst versucht zu klären, wie Wagners politisches Interesse entstanden ist, bin darauf eingegangen, welche Eindrücke und Persönlichkeiten ihn in seinem Denken beeinflusst haben, und habe dann versucht, sein persönliches politisches Konzept zu erläutern. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die detaillierte Analyse Wagners revolutionärer Betätigung in den Revolutionsjahren 1848/49.

Allgemeine Kenntnisse zur Revolution in Deutschland, speziell Sachsen, setze ich voraus, es ist nicht mein Ziel, einen Überblick über den Revolutionsverlauf in Sachsen zu bieten, sondern intensiv auf den Menschen Wagner in dieser Revolution einzugehen.

Die Literaturlage zum Thema erwies sich anfangs als enorm umfangreich, mittlerweile musste ich aber feststellen, dass sich die Wagner-Forschung und so auch die Literatur hauptsächlich mit seinem musikalischen Schaffen bzw. mit dem Nationalismus und Antisemitismus, der mit Wagner in Verbindung steht, beschäftigt, während seine Zeit als Revolutionär eher selten abgehandelt wird.

Ein glücklicher Umstand ist die Tatsache, dass ich mich Wagners Autobiographie „Mein Leben“ bedienen konnte. Ich habe stets versucht, parallel zur Sekundärliteratur auch die persönlichen Eindrücke Wagners mit einzubeziehen, wenngleich man hierbei beachten sollte, dass er diese Biographie im Auftrag König Ludwigs II. erst lange Zeit nach den Ereignissen geschrieben hat[2], und die Authentizität zumindest in einigen Punkten hinterfragt werden muss.

Leider sind Wagners gesammelte Schriften und Briefe der Revolutionsjahre in der Bibliothek nicht vorhanden, so dass ich mich hier auf die Sekundärliteratur stützen musste.

2. Die politische Entwicklung Wagners bis 1843

Richard Wagners Leben begann - und das mag für die spätere Entwicklung seines politischen Interesses von Bedeutung sein - in der von den Auswirkungen der französischen bürgerlichen Revolution und der industriellen Revolution in England geprägten Zeit des frühen 19. Jahrhunderts. Die Umstände der ersten Lebensjahre Wagners waren bestimmt vom nationalen Befreiungskampf des deutschen Volkes gegen die napoleonische Fremdherrschaft.

Familie Wagner[3] musste in den Kriegswirren aufs Land fliehen, und noch im ersten Lebensjahr starb Wagners Vater in Folge des Krieges an Typhus.

Ein Freund der Familie, der Maler und Schauspieler Ludwig Geyer, nahm sich der Familie an und so war die spätere Kindheit und Jugend Wagners in erster Linie geprägt von der künstlerischen Hinwendung zur Dichtung und Musik, nicht aber von politischem Interesse.

Richard Wagners Interesse an Geschichte und Politik entwickelte sich seit dem Jahre 1830 im Zusammenhang mit der Julirevolution in Frankreich und den Aufständen in Polen.[4] „Die geschichtliche Welt begann für mich von diesem Tage an; und natürlich nahm ich volle Partei für die Revolution“[5], schrieb Wagner später selbst zu diesen Ereignissen. Ihn begeisterte die Auseinandersetzung zwischen „dem Alten, Überlebten und dem Neuen, Hoffnungsvollen der Menschheit“[6].

In der folgenden Zeit fanden auch in Sachsen revolutionäre Unruhen und Straßenkämpfe statt, die zwar eher spontanen und unorganisierten Charakter hatten und letztlich vom Militär erfolgreich bekämpft wurden, aber dennoch kleine Erfolge (Reformen) im Rahmen einer beginnenden bürgerlichen Umwälzung in Sachsen erreichen konnten.[7] Es ist bekannt, dass sich Wagner an solchen Demonstrationen beteiligte, wobei hier sein zwiespältiges Verhältnis zur Gewaltausübung bei solchen Ereignissen zu Tage tritt. Wagner war in seinem Innersten stets Pazifist, ließ sich aber von dem „rein dämonische(n) solcher Volkswutanfälle“[8] begeistern und beging Gewalttaten, die er später bereute.

Eine Person, durch welche Richard Wagner in dieser Zeit sehr beeinflusst wurde, war sein Jugendfreund Heinrich Laube[9]. Laube, Schriftsteller und einer der wichtigsten Vertreter des „Jungen Deutschland“[10], kam 1833 als Redakteur der „Zeitung für die elegante Welt“ nach Leipzig. Obwohl sie sich nicht immer einig waren, verband sie die Sympathie für eine liberale politische Anschauung im Sinne der „polnischen Sache“[11] und Wagner beschäftigte sich mit der Lektüre Laubes Schriften[12].

Dass ihn die Beschäftigung mit politischem Gedankengut - ohne dieses zunächst genau einordnen zu wollen - nicht mehr loslässt, zeigt sich auch während seiner Lehr- und Wanderjahre, die ihn u.a. nach Magdeburg, Königsberg, Riga, Berlin, Dessau, Leipzig und Dresden führen. Auch wenn die in dieser Zeit entstandenen Werke nicht von großer Bedeutung sind, so zeigen die „Polonia“-Ouvertüre, in der seine Begeisterung für den polnischen Freiheitskampf nachklingt, und die Ouvertüre „Rule Britannia“ als Huldigung des bürgerlichen Englands gegenüber der Heiligen Allianz sein zunehmendes Interesse an politischen Aspekten und wohl auch deren musikalischer Verarbeitung.[13]

Nachhaltig prägenden Einfluss auf Wagners Leben und seine politischen Ansichten hatten im weiteren Verlauf vor allem die Jahre 1839 bis 1842, die er in Paris verlebte. Schulden, die er während seiner Zeit in Magdeburg und Königsberg gemacht hatte, zwangen ihn zu einer abenteuerlichen Flucht aus Riga und führten ihn und seine Frau Minna[14] in die französische Hauptstadt. Die Jahre, die er dort verlebte, sind in erster Linie von Not und Armut geprägt. Sein Plan, Paris mit seinen Opern zu „erobern“, scheiterte, und so musste sich Wagner mit Gelegenheits- und Auftragswerken über Wasser halten, was aber auch von so wenig Erfolg gekrönt war, dass Wagner letztlich gar sein gesamtes Eigentum ins Pfandhaus gab. In dieser Situation der totalen Abhängigkeit eines besitzlosen Künstlers von den Besitzenden erschien im Jahre 1840 Pierre-Joseph Proudhons[15] Schrift „Was ist Eigentum?“. Die darin enthaltene Grundanschauung, Eigentum sei Diebstahl, prägte Wagner nachhaltig, so dass er in seiner Situation einen ausgeprägten Hass gegen ungemäß konzentriertes Eigentum entwickelte, was zu einem wichtigen Element seiner sozialrevolutionären Gedanken wurde.[16]

3. Wagner als Hofkapellmeister in Dresden (1843-49)

3.1. August Röckel – Wagners Lehrmeister

Wagner Zeit in Dresden ist von Anfang an verbunden mit einem immer lebhafteren Interesse an politischen Fragen. Seine Anstellung als Hofkapellmeister am königlich sächsischen Hof führte ihn mit August Röckel[17] zusammen, der auf Wagners Drängen etwa zeitgleich die Stelle als Musikdirektor an der Dresdener Oper übernahm. Wagner hatte nur wenige Freunde in Dresden, Röckel war einer seiner engsten. Er hatte auf die politische Entwicklung Wagners entscheidenden Einfluss, und wird nicht umsonst als „Wagners Lehrmeister in Demokratie“[18] bezeichnet.

Röckel verbrachte viele Jahre in Frankreich, erlebte dort die Julirevolution hautnah und hatte die Möglichkeit, deren Führer persönlich kennen zu lernen. Später lebte er in England, wo er intensiv die dortigen sozialen Reformbewegungen studierte. Erfüllt vom Geist der freien Institutionen dieses Landes, waren ihm die Zustände in Deutschland zuwider.[19]

Er brachte Wagner Autoren wie Stirner[20], Weitling[21], und vor allem Proudhon nahe, und vermittelte ihm Grundkenntnisse der sozialistischen und anarchistischen Politik- und Gesellschaftsauffassungen. Wagner, der zu dieser Zeit vermutlich keinen dieser Autoren wirklich gelesen und studiert hatte, übernahm Röckels sozialrevolutionäre Anschauungen, was sich darin beweist, dass sich in Wagners späteren Revolutionsschriften das gesamte Gedankengut dieser Jahre spurenhaft wiederfindet.[22]

Röckel war es auch, der Wagner mit der Dresdener Parteienlandschaft in Berührung brachte, in der er später selbst aktiv wurde.

Die Literatur ist sich einig, wenn es um die Bedeutung Röckels für Wagner geht. Dellin schreibt: „Röckel war der entscheidenste Sozialist und Demokrat, der je in Wagners Lebenskreis trat.“[23]

Auch die Tatsache, dass Wagners Tun in Dresden immer auch von einer nationalen Komponente durchzogen war, ist teils auf Röckel zurückzuführen. Natürlich muss dieser Nationalismus im Kontext einer bürgerlichen Emanzipationsbewegung gegen den Adel und Partikularismus für die Verwirklichung der nationalen Einheit nach Innen gesehen werden, für die sich Wagner besonders begeisterte.[24]

[...]


[1] Gregor-Dellin, Martin: Wagners Bild in der Literatur, in: Dahlhaus, Carl / Voss, Egon (Hrsg.): Wagnerliteratur – Wagnerforschung, München 1983, S.157

[2] vgl. Opelt, Franz-Peter: Richard Wagner - Revolutionär oder Staatsmusiker?, Frankfurt am Main 1987, S. 114

[3] Mutter: Johanna Rosine Wagner, geborene Pätz (1778-1848), Vater: Friedrich Wagner, Jurist und Polizeiaktuar, (1770-1813), sowie 8 Kinder, Richard Wilhelm Wagner ist das jüngste Kind

[4] Unter dem Eindruck der Julirevolution in Frankreich kommt es im Herbst 1830 zu einer Erhebung polnischer Offiziere und Intellektueller gegen die russische Herrschaft des Zaren Nikolaus I.

[5] zitiert in: Gregor-Dellin, Martin: Wagner – Chronik. Daten zu Leben und Werk, München 1972, S. 15

[6] Wagner, Richard: Mein Leben, Leipzig 1958, S. 68

[7] vgl. Zwahr, Hartmut: Revolutionen in Sachsen. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte, Weimar 1996, S. 44ff

[8] Wagner, Richard: Mein Leben, Leipzig 1958, S.70

[9] Laube, Heinrich (1806-1884): Schriftsteller, Dramaturg, Theaterleiter. Im Vormärz als Wortführer der literarisch-politischen Bewegung "Junges Deutschland" wiederholt verhaftet, 1848 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung.

[10] Junges Deutschland: Gruppierung deutscher Dichter des Vormärz, die etwa von 1830 bis 1850 bestand. Sie traten für demokratische Freiheitsrechte, soziale Gerechtigkeit sowie für die Überwindung überkommener religiöser und moralischer Vorstellungen ein.

[11] vgl. oben S. 4 - Aufstände in Polen

[12] "Das neue Jahrhundert" (1833), "Das junge Europa“ (1833-1837)

[13] vgl. Opelt, Franz-Peter: Richard Wagner - Revolutionär oder Staatsmusiker?, Frankfurt am Main 1987, S. 22f

[14] Hochzeit Wagners mit Minna Planer (1809-1866), Schauspielerin, am 24.11.1836 in Königsberg

[15] Proudhon, Pierre-Joseph (1809-1865): politischer Denker, Autor, Publizist; Mitbegründer des Sozialismus; Er erstrebt eine Entwicklung zum Sozialismus ohne Gewalt, getragen von der freien Entscheidung der Arbeiter. Proudhon lehnt jede staatliche Gewalt ab und prägt die Überzeugung der Anarchisten, wonach die unbegrenzte Freiheit der Menschen die Grundvoraussetzung für eine sozialistische Ordnung ist. (trat damit in Gegensatz zu Marx)

[16] vgl. Gregor-Dellin, Martin: Richard Wagner - sein Leben, sein Werk, sein Jahrhundert, Berlin 1987, S. 142f

[17] Röckel, August (1814-1876): Dirigent, Komponist und politischer Schriftsteller. Von 1843-48 Musikdirektor in Dresden, Herausgeber der „Volksblätter“. Wegen seiner Beteiligung am Maiaufstand 1849 verhaftet und zum Tode verurteilt, später dann zu lebenslanger Haft im Zuchthaus Waldheim begnadigt. Werk: Sachsens Erhebung und das Zuchthaus von Waldheim.

[18] Bauer, Hans-Joachim: Richard-Wagner-Lexikon, Bergisch Gladbach 1988, S.384

[19] vgl. Richter, Karl: Richard Wagner. Visionen, Arun 1993

[20] Stirner, Max (1806-1856): Deutscher Theologe und Philosoph, Konzeption eines ethischen Egoismus. Hauptwerk: „Der Einzige und sein Eigenthum“

[21] Weitling, Wilhelm (1808-1871): Sozialist und Schriftsteller

[22] vgl. Gregor-Dellin, Martin: Richard Wagner - sein Leben, sein Werk, sein Jahrhundert, Berlin 1987, S.182ff

[23] Gregor-Dellin, Martin: Richard Wagner - sein Leben, sein Werk, sein Jahrhundert, Berlin 1987, S.183f

[24] vgl. Gregor-Dellin, Martin: Richard Wagner - sein Leben, sein Werk, sein Jahrhundert, Berlin 1987, S. 185

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Richard Wagner in der Revolution 1848/49
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Veranstaltung
Proseminar
Note
gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V34437
ISBN (eBook)
9783638346559
ISBN (Buch)
9783638842877
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Richard, Wagner, Revolution, Proseminar, Nazi, Musiker, Politiker, Politik, Barrikaden, Oper, Tannhäuser
Arbeit zitieren
Matthias Buchholz (Autor:in), 2004, Richard Wagner in der Revolution 1848/49, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34437

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