Das Zinsverbot im Koran. Ausschlaggebende Wertvorstellungen und Umsetzung im islamischen Bankwesen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Zinsverbot bei Platon und Aristoteles

3. Zinsverbot im Neuen Testament

4. Zinsverbot im Judentum

5. Zinsverbot im Koran

6. Das islamische Bankwesen

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Verlangen von Zinsen gehört in der westlichen Wirtschaft zum täglichen Finanzgeschäft dazu. Ein großer Teil unserer Wirtschaft wird durch den Leitzins gesteuert. Dieser wird nach den jeweils gegebenen wirtschaftlichen Herausforderungen den entsprechenden Situationen angepasst. In Krisenzeiten wird er gesenkt, um den Geldfluss zu gewährleisten und in Blütezeiten wird er erhöht, um zum Sparen für Krisenzeiten zu animieren. Doch wie kann ein Wirtschaftssystem funktionieren, wenn die Zinsnahme verboten ist? Im Islam ist das Verlangen von Zinsen für Gläubige untersagt und trotzdem hat sich mit dem islamischen Bankwesen ein Finanzierungsmodell entwickelt, das den Gläubigen des Islam eine Möglichkeit der Finanzierung und des Investment bieten kann, ohne Zinsen zu verlangen. Wo dieses Zinsverbot herkommt und wie es im islamischen Bankwesen umgesetzt wird, ist Teil dieser Hausarbeit. Diesbezüglich werde ich einen Exkurs zu der griechischen Antike, zum Christentum und zum Judentum unternehmen, weil das Christentum und der Islam ihren Ursprung im Judentum haben.1 Ferner möchte ich darlegen, welche Regelungen und Ansichten es zum Zinsnehmen dort gegeben hat und wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben. Anschließend werde ich das Zinsverbot im Islam anhand des Korans analysieren und untersuchen, was die Ursachen der Eigenschaften und Wertvorstellungen im Islam für das immer noch geltende Zinsverbot sind. Des Weiteren werde ich untersuchen, in wieweit sich das Zinsverbot im islamischen Bankwesen widerspiegelt und welche Methoden entwickelt wurden, um reguläre Bankgeschäfte zu tätigen. Die Klärung dieser Untersuchungen soll der Schwerpunkt dieser Hausarbeit sein und im Folgenden abgehandelt werden. Dazu verwende ich themenbezogene Fachliteratur aus den Disziplinen Wirtschaft, Ethik und Religion.

2. Zinsverbot bei Platon und Aristoteles

Platons Theorien beschäftigen nach über zwei Jahrtausenden immer noch die heutigen Philosophen und diese zeigen sich von der weitreichenden Denkweise Platons beeindruckt2. Für seine Haltung zum Zins ist dabei seine Lehre von der Tugend und Gerechtigkeit ausschlaggebend. Durch die gerechten Handlungen und die anerzogenen Tugenden des Einzelnen entsteht für ihn die ideale Polis. Jede gerechte Handlung des Individuums führt zum Erblühen der Polis und jede ungerechte Tat führt zum Gegenteil, deshalb muss jeder Mensch möglichst immer gerecht handeln, um das Ziel einer starken Polis zu erreichen3.

In Platons Aussage „[…], noch jemand einem, dem er nicht traut, Geld verpfänden noch gegen Zinsen es ausleihen, […]“4 wird deutlich, dass er die Zinsnahme ablehnt. Diese Ablehnung kann ausgehend von seinen Lehren folglich nur entstehen, weil er die Zinsnahme als nicht gerecht empfand und sie somit schädlich für den Staatsverband ist. Es lässt sich vermuten, dass aus seiner Sicht die Zinsnahme zur ungerechten Verteilung der Güter zwischen den Bürgern führte und somit die Gerechtigkeit im Staat aus dem Gleichgewicht gebracht werden konnte. Allerdings forderte er die Verdoppelung der Schuldsumme5 und damit einen Zinssatz von 100 Prozent, falls die Schulden nicht zur vereinbarten Zeit zurückgezahlt wurden. Diese Ausnahme Platons sollte sicherstellen, dass die Darlehen rechtzeitig wieder zurückgezahlt wurden.

Die Stellung Aristoteles zum Zins ist nicht eindeutig und daher umstritten. Er sah Geld als zwangsläufiges Produkt der Weiterentwicklung des Tauschhandels6. Doch die Vermehrung des Geldes durch den Zins ohne eine Tätigkeit auszuführen, empfand er als unnatürlich. Dieser Zuwachs erachtete er als nicht zweckmäßig, da das Geld nicht zu diesem Zweck erfunden worden war7. Des Weiteren zielt die Zinsnahme auf die Bereicherung über die notwendige Menge für den Einzelnen hinaus ab8. Umstritten ist diese Interpretation, weil Aristoteles in seinen Theorien davon sprach, dass die Tugend sich aus der Mitte von zwei Gegensätzen bildet. Deshalb wird angenommen, dass Aristoteles nur den Wucher und nicht die Zinsnahme an sich als unsittlich empfand9. Diese Theorie steht dann aber wieder im Widerspruch zu seiner Ansicht, dass die Vermehrung des Geldes ohne erbrachte Tätigkeit unnatürlich ist.

3. Zinsverbot im Neuen Testament

Auch im Neuen Testament ist für das Christentum ein Zinsverbot festgehalten. Es wird davon gesprochen, dass der Einzelne, wenn er gefragt wird, dem Anderen es doch leihen soll10 und dafür aber nichts zurückverlangen soll, was über den Schuldbetrag hinausgeht.11 Allerdings steht bei dem Zinsverbot nicht mehr das Argument der Gerechtigkeit im Vordergrund sondern die Nächstenliebe, weil sich ein „Konzept der einer universalen Bruderschaft“12 herausbildete. In der Theorie wurde nicht mehr zwischen Brüdern und Fremden unterschieden sondern das Zinsverbot auf die Gesamtheit der Menschen anhand der Nächstenliebe ausgedehnt. Zudem erklärten die Kirchenväter nach dem Neuen Testament die Bereicherung als Sünde, die auch schon auf Erden verurteilt werden müsse. Dessen ungeachtet wurde das Zinsverbot offiziell im Jahre 850 durch die Kirche beim Konzil von Pavia für die christliche Bevölkerung festgehalten und den Wucherern bei Verstoß dagegen mit der Exkommunikation gedroht.13 Das kanonische Zinsverbot wurde in einigen Teilgebieten zunächst noch nicht als Recht umgesetzt, denn dies geschah erst mit der Frühscholastik im 12. Jahrhundert, die das kanonische Kirchenrecht erstmals zusammenfasste.14 Doch mit der Zeit wollten viele Christen das Verbot nicht akzeptieren und es entwickelten sich allgemeine von der Gesellschaft tolerierte Varianten und Umgehungsstrategien für die Zinsnahme heraus. So durften Zinsen eingefordert werden, wenn die Zahlung nicht fristgerecht erfolgte. Zudem galt das Verbot nicht für Juden und durfte zur Finanzierung von Kriegen ignoriert werden. Ebenso war es Priester erlaubt, Zinsen auf Schuldbeträge einzufordern, solange diese dazu dienten, Kirchengut zurück zu erwerben.15 Zusätzlich wurden Praktiken zur Umgehung des Verbots immer ausgefallener, zum Beispiel wurden Schuldscheine oftmals mit höheren Summen ausgestellt als der Schuldner erhalten hatte oder der Schuldner musste einen Pfand zur Verfügung stellen, den der Gläubiger uneingeschränkt nutzen durfte.16 Trotz der Verfahrensweisen in der Praxis blieb das Verbot seitens der Kirche bis 1830 bestehen. Erst Papst Pius VIII. entschied, dass es das Zinsverbot im alltäglichen Leben nicht mehr zu verfolgen galt und machte dazu allerdings keine Beweggründe öffentlich.17 Vermutlich lag es daran, dass der Staat eine immer wichtigere Rolle in der Gesellschaft einnahm und sich durch den aufblühenden Handel die Weltanschauung der Christen von der Sparsamkeit und Enthaltsamkeit hin zum Streben nach Wohlstand wandelten.18 Somit wurde das Zinsverbot nicht mehr vorrangig als ethisches Werteproblem gesehen, sondern wandelte sich zu einem Thema der öffentlichen Gesellschaft und der Politik.19 Diese Entwicklung kam 1983 zum Abschluss als die katholische Kirche das Zinsverbot endgültig aus ihren Gesetzbüchern entfernte.20

4. Zinsverbot im Judentum

Während der Zeit des christlichen Zinsverbotes waren die Juden oft die einzigen Personen, die Geld verleihen durften. Dies scheint auf den ersten Blick verwirrend, da in der Thora gleich an mehreren Stellen ein Zinsverbot angesprochen wird. So heißt es zum Beispiel „Verlange keine Zinsen von ihm“21 und „Fordere keine Zinsen von ihm, wenn du ihm Geld leihst, und verlange die Nahrungsmittel, die du ihm gibst, nicht mit einem Aufschlag zurück […]“22.

[...]


1 Said, Abdullah: Das koranische Zinsverbot. Ein Entwicklungshemmnis für islamisch geprägte Länder auf dem Weg zu einer modernen Volkswirtschaft?. Saarbrücken 2008, 25.

2 Vgl. Said: Das koranische Zinsverbot, 12.

3 Vgl. Said: Das koranische Zinsverbot,.13.

4 Platon: Naomi. In: König, B.(Hg.): Platon (=Sämtliche Werke, Bd. 4). Hamburg 1994, 301.

5 Vgl. Platon: Naomi, 516.

6 Vgl. Eichhoff, Isabell: Religion Wirtschaft Ethik. Wirtschaftliche Aspekte von Judentum, Christentum und Islam. Saarbrücken 2006, 13.

7 Vgl. Braun, Christian: Vom Wucherverbot zur Zinsanalyse. Winterthur 1994, 17.

8 Vgl. Paraskewopoulos, S: Die wirtschaftliche Position des Judentums nach dem Alten Testament. In: Gutmann, G./ Schüller, A.(Hg.): Ethik und Ordnungsfragender Wirtschaft. Baden Baden 1989, 146.

9 Vgl. Schoppe, S.G.: Kanonisches Zinsverbot und wirtschaftliche Entwicklung. In: Gutmann, G./ Schüller, A.(Hg.):Ethik und Ordnungsfragen der Wirtschaft. Baden Baden 1989, 159.

10 Mt 5, 42.

11 Lk 6, 35.

12 Vgl. Braun: Vom Wucherverbot zur Zinsanalyse, 33.

13 Vgl. Noonan, John T.: The scholastic analysis of usury. Cambridge 1957, 70.

14 Vgl. Schoppe, S.G.: Kanonisches Zinsverbot und wirtschaftliche Entwicklung, 162.

15 Vgl. Said: Das koranische Zinsverbot, 20.

16 Vgl. Said: Das koranische Zinsverbot, 20.

17 Vgl. Pawlas, Andreas: Die Lutherische Berufs- und Wirtschaftsethik. Eine Einführung. Neunkirchen-Vluyn 2000, 108.

18 Vgl. Said: Das koranische Zinsverbot, 21.

19 Vgl. Eichhoff: Religion Wirtschaft Ethik, 63.

20 Vgl. Geitmann, R.: Bibel, Kirchen und Zinswirtschaft, online verfügbar unter: http://www.cgw.de/pdf/geitmann-bibelkirchenzins.pdf, 1989, Stand: 15.07.2014, 7-8.

21 2. Mose 22, 24.

22 3. Mose 25, 35-37.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Zinsverbot im Koran. Ausschlaggebende Wertvorstellungen und Umsetzung im islamischen Bankwesen
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg  (Institut für Theologie und Ethik)
Veranstaltung
Grundlagen der Religionssoziologie
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
15
Katalognummer
V343869
ISBN (eBook)
9783668339330
ISBN (Buch)
9783668339347
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Koran, Zinsverbot, Islamisches Bankwesen, Islamic Banking, Geschichte des Zinsverbots
Arbeit zitieren
Georg Kahl (Autor:in), 2014, Das Zinsverbot im Koran. Ausschlaggebende Wertvorstellungen und Umsetzung im islamischen Bankwesen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343869

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