Die Person des Unternehmensgründers

Probleme und Grenzen einer personenzentrierten Gründungsforschung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

44 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Vorwort – unverbindliches Gedankenexperiment

1 Die personenzentrierten Ansätze im Gesamtkontext der Gründungsforschung

2 Was ist ein Unternehmer? – zur Anthropologie der Gründungsforschung
2.1 Was tut ein Unternehmer? – die ökonomisch-funktionale Perspektive
2.2 Warum tut ein Unternehmer das, was er tut? – die motivationale Perspektive

3 Die Person des Unternehmensgründers
3.1 Empirie
3.2 Theorie
a Der Merkmalsansatz
b Der Verhaltensansatz

4 Zwischenfazit

5 Eigene Untersuchung

6 Ergebnis

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Geographie als integratives Element der personenzentrierten Gründungsforschung?

Abb. 2 Bausteine der Gründungsforschung

Abb. 3 Systematisierter Überblick über zentrale Erklärungsansätze

Abb. 4 Persönlichkeitsmerkmale und Gründungsaktivität

Abb. 5 Branchenerfahrung als Schlüsselfaktor des Gründungserfolgs

Abb. 6 Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Humankapitalausstattung

Abb. 7

Betriebliche Überlebenschancen in Abhängigkeit von Unterstützungsleistungen aus dem sozialen Netzwerk

Abb. 8 Komplementäransatz zur Integration von Merkmals- und Verhaltensansatz

Vorwort – unverbindliches Gedankenexperiment

„Die Kulturgeographie [als die der Wirtschaftsgeographie übergeordnete disziplinäre Kategorie, d. V.] [...] stellt Systemzusammenhänge zwischen Mensch, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Technik dar, die sich sowohl im Raum manifestieren, als auch nicht räumlich manifestierte Funktionsnetze und Prozeßbeziehungen bilden, deren räumliche und gesellschaftliche Gültigkeit für verschiedene Dimensionen [...] untersucht wird.“ [Leser (2001), S. 424]

In exakt diesem Schnittfeld bewegt sich auch die Gründung neuer Unternehmen. Ökonomische „Organisationen“ [vgl. Bygrave & Hofer (1991)] sind zunächst einmal nichts anderes als das (zumeist) räumlich manifestierte Ergebnis eines durch gesellschaftliche, öko-nomische, politische (und gelegentlich auch technische) Faktoren beeinflussten menschlichen Handelns und damit materieller Ausdruck von Mensch-Umwelt-Beziehungen. Die in der Gründungsforschung zu beobachtende Tendenz, diese Manifestation nicht mehr als ein-maligen Akt, sondern als kontinuierlichen Prozess zu begreifen [vgl. z. B. Shaver & Scott (1991)], unterstreicht zudem die kognitive Nähe zu einer Geographie, die wie kaum eine zweite Disziplin einem Denken in Prozesssystemen verhaftet ist.

Trotz dieser grundsätzlich viel versprechenden Voraussetzungen sind in der geographischen Relevanz für die Gründungsforschung noch starke bereichsbezogene Unterschiede festzu-stellen. Anders als eher auf der strukturellen Ebene angesiedelte Themenkomplexe[1] fristet gerade die Gründerperson – zumindest in ihrer individuellen Reinform quasi der natürliche Feind einer räumlich und damit auch personell aggregierenden Wissenschaft – in der Geo-graphie konzeptionell ein Schattendasein. Es wird naturgemäß nicht als Aufgabe der Geo-graphie wahrgenommen, die Dispositionen, Ressourcen, Motivlagen und das Verhalten der Gründerperson auf der individuellen Ebene fassbar zu machen. Hier verlässt man sich auf die Konzepte von Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, und so wird deren Präzision zur conditio sine qua non einer geographischen Auseinandersetzung mit der Gründerperson: erst wenn diese Disziplinen konsistente Aussagen darüber machen können, wer aus welcher Motivation heraus, wie und mit welchem Erfolg den Schritt in die Selbständigkeit wagt, kann die Geographie die in ihrer wirtschaftspolitischen Relevanz nicht zu unterschätzenden Prozesse der Entstehung, Verteilung und Veränderung unternehmerischer Potentiale auch in räumlichen Kategorien nachvollziehen. Wie diese Arbeit zeigen wird, ist diese Leistung von den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bisher aber allenfalls in Ansätzen erbracht worden.

Abb. 1 Geographie als integratives Element der personenzentrierten Gründungsforschung?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Zusammenhang mit der Gründerperson wird zumeist auf zwei strikt getrennten Ebenen argumentiert: zum einen sucht man in der individuellen Sphäre des Gründers nach Erklärungen für den Weg in die Selbständigkeit und den damit verbundenen Erfolg. Zum anderen konzipiert man den Gründer als einen in ein Netz von sozialen Einflüssen eingebetteten Akteur. Diese perspektivische Trennung ist rein analytischer Natur und sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass grundsätzlich beide Faktoren gleichzeitig wirksam sind. Individuelle und soziokulturelle Einflusssphären fallen im Gründerindividuum (und damit auch in der Kategorie Raum) zusammen. Diese Koexistenz und die vielschichtigen Wechsel-beziehungen zwischen individuellen und soziokulturellen Faktoren sind bis heute wohl eine entscheidende Hürde für die personenzentrierte Gründungsforschung. Weder rein individua-listisch noch rein kollektivistisch argumentierende Ansätze können für ihren Erklärungsgehalt eine angemessene Gültigkeit beanspruchen [vgl. Bühler (1999), Kap. 2]. Liegt nicht auch hierin ein integratives Potential für die Geographie? Gerade das Aufeinandertreffen von individuellen Inventaren, die im räumlichen Aggregat das Gründerpotential einer Region aus-machen, und soziokulturellen Faktoren, die ebenfalls häufig einen regional prägenden Charakter entfalten, könnte als ein entscheidender Bestimmungsgrund einer regionalen Gründerkulisse[2] in Betracht gezogen und gegebenenfalls mit einer strukturellen Gründungs-kulisse (gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen, Gründungsinfrastruktur, usw.) verknüpft werden (vgl. Abb. 1, S. iv). Diese Vorgehensweise müsste allerdings die Abkehr vom bisherigen Ansatzpluralismus und die gezielte Entwicklung eigenständiger Konzepte beinhalten.

Diese Sichtweise soll verdeutlichen, warum es auch für Studenten einer in der Gründungs-forschung engagierten Wirtschaftsgeographie durchaus interessant sein kann, die wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Erklärungsansätze zur Person des Unternehmensgründers zu durchforsten, um aus deren Stärken und Schwächen zu lernen. Ziel dieser Arbeit ist es nicht, eine geographische Konzeption zur Gründerperson vorzulegen.[3] Vielmehr verfolgt diese Arbeit die Zielsetzung, die grundsätzlichen Probleme aufzuzeigen, die einer wissenschaft-lichen Erfassung der Gründerperson inhärent sind, und damit einen kleinen Beitrag zur Systematisierung der Wissenschaft personenorientierte Gründungsforschung zu leisten. Zu diesem Zweck werden zunächst einige nicht-empirische Erklärungsansätze in ihrer maß-geblichen Rolle als Menschenbilder der Gründungsforschung diskutiert. Im Anschluss wird versucht, die Vielzahl von Ansätzen, die sich auf diesen Unternehmerbildern fußen, mit Hilfe zweier Metatheorien (‚Merkmals’- und ‚Verhaltensansatz’) zu ordnen. Eine zusammen-fassende Darstellung der wichtigsten empirischen Befunde wird dabei die Probleme der personenzentrierten Gründungsforschung verdeutlichen. Auf der Basis einer sich daraus ableitenden Fragestellung wurde eine eigene qualitative Untersuchung durchgeführt, deren zentrale Ergebnisse zum Abschluss mit denjenigen des theoretischen Teils verknüpft werden.

Die Person des Unternehmensgründers

in der Gründungsforschung

1 Die personenzentrierten Ansätze im Gesamtkontext der Gründungsforschung

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Neugründung und dem dauerhaften Bestand von Unternehmen bewegt sich im Schnittfeld unterschiedlichster Fachdisziplinen. Neben in diesem Zusammenhang wohl naturgemäß mit der Vorreiterrolle betrauten Betriebs- und Volkswirten sind es vor allem Soziologen, Psychologen, aber auch Wirtschafts-geographen, Wirtschaftshistoriker und Juristen, die ihren Beitrag leisten bei der Klärung der Frage, ob und wie das Gründungsgeschehen und sein Erfolg erklärt, prognostiziert oder gar stimuliert werden können [vgl. Preisendörfer in Preisendörfer (Hrsg.) (1996), S. 9]. Die zentralen Themenkomplexe sind dabei zum einen die Gründungsaktivität – d. h. die Prozesse der Gründung neuer Betriebe – und zum anderen der Gründungserfolg – d. h. die Bestands-erhaltung und Entwicklung neu gegründeter Unternehmen. Über diese Grenze hinweg verläuft eine analytische Gliederung in umwelt- und betriebsorientierte und personen-zentrierte Ansätze (vgl. Abb. 2, S. 3):

„Nachfrage- bzw. umweltorientierte Ansätze befassen sich mit den (auf unterschiedlichen Ebenen lokalisierbaren) strukturellen Bedingungen, die Betriebsgründungen mehr oder weniger stimulieren. Demgegenüber richten angebots- bzw. personenzentrierte Ansätze ihr Hauptaugenmerk auf die handelnden Akteure, also auf das Reservoir unternehmerischer Talente und auf dessen Ausschöpfung.“ [Preisendörfer in Preisendörfer (Hrsg.) (1996), S. 10]

Neben dieser grob skizzierten Untergliederung spielen die personenzentrierten Ansätze auch in einer übergeordneten Differentierung zwischen entrepreneurship research (Gründungs-forschung) und entrepreneurship education (Gründerausbildung) eine wichtige Rolle. Während die Gründungsforschung aus einem rein akademischen Blickwinkel heraus die Faktoren und Zusammenhänge zu analysieren versucht, die das Gründungsgeschehen bestimmen, verfolgt die vorzugsweise an universitären Gründerlehrstühlen beheimatete Gründerausbildung mit der Vermittlung von gründungsrelevantem Wissen an potentielle Unternehmensgründer eine eher pragmatische Zielsetzung. Die personenorientierte Gründungsforschung ist in diesem Zusammenhang auch als Grundlagenforschung der Gründerausbildung zu verstehen, da das Wissen um personenbezogene Erfolgsfaktoren quasi als Voraussetzung einer zielgerichteten Gründerausbildung anzusehen ist [vgl. z. B. Braun in Preisendörfer (Hrsg.) (1996)].

Abb. 2 Bausteine der Gründungsforschung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gegenstand dieser Arbeit ist die personenzentrierte Forschungstradition der entrepreneurship research. Im Sinne einer systematischen Annäherung an einen Bereich, der sich als wahrer Pluralismus unterschiedlichster Partialansätze darstellt, wagen wir zunächst einen Schritt zurück und vergegenwärtigen uns die Wurzeln, die nicht nur entscheidende Einflüsse auf die Entwicklung der gesamten Forschungsrichtung ausgeübt haben, sondern gleichzeitig mögliche Antworten auf eine in diesem Zusammenhang wohl nicht ganz unwesentliche Frage anbieten: Was ist eigentlich ein Unternehmer?

2 Was ist ein Unternehmer? – zur Anthropologie der Gründungs-forschung

„Begriffliche Uneinheitlichkeit ist [...] ein Dilemma der wissenschaftlichen Behandlung des Gegen-standes ‚Unternehmer’. So findet man in der Literatur nicht selten die Klage, daß es eine allgemein akzeptierte Auffassung vom Unternehmer nicht gebe.“ [Anderseck (2000), S. 8].

Die Suche nach einer allgemein akzeptierten Auffassung des Unternehmerbegriffs würde zwangsläufig zu einem essentialistischen Unternehmerbegriff führen, der ein vermeintlich objektivierbares Wesen des Unternehmers zum Vorschein bringt. Wie sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch zeigen wird ist dies jedoch unmöglich, und aus einem erkenntnis-theoretischen Blickwinkel heraus auch ohnehin nicht wünschenswert, denn:

„In der modernen Wissenschaft gelten Begriffe als Werkzeuge, die man sich herstellt, um bestimmte Probleme zu lösen. Sie sind Netze, mit denen wir diejenigen Eigenschaften einfangen, die uns interessieren.“ [ebd. S. 9]

Auch ‚diejenigen Eigenschaften, die uns interessieren’, sind nicht ohne weiteres objektivier-bar, da ‚wir’ ja nicht ‚alle’ sind. Entsprechend der Multidisziplinärität des Untersuchungs-gegenstands ist es nachvollziehbar, dass den unterschiedlichen fachlichen Herangehensweisen je spezielle unternehmerische Idealtypen zugrunde gelegt wurden, die wiederum je spezifische Gesichtspunkte des Unternehmertums überhöhen und auf diese Weise die Person des Unternehmers einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung erst zugänglich machen. In diesem Zusammenhang sind vor allem die von den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften vorgelegten Entwürfe zu nennen. Während die zuerst Genannten das Wesen des Unter-nehmers aus seinen Aufgaben in der Wirtschaftslandschaft heraus ableiten, zielt der kultur-soziologisch-psychologische Unternehmertypus in erster Linie auf die Motivation unter-nehmerischen Handelns ab. Die einschlägigen Konzeptionen definieren sich also als Antworten auf zwei Fragen:

(1) Was tut ein Unternehmer?

(2) Warum tut ein Unternehmer das, was er tut?

Die hier vorgestellten Entwürfe sind zunächst einmal nur heuristische Begriffserfüllungen im Sinne Andersecks [vgl. oben] ohne empirische Überprüfung [vgl. Klandt (1984), S. 35] und könnten daher auch als Menschenbilder der Gründungsforschung aufgefasst werden. Unabhängig von humanistischen Bildungsidealen sind die anthropologischen Prämissen einer wissenschaftlichen Disziplin in der Regel von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da sie in einem erstaunlich pragmatischen Sinne über die Herangehensweise an die jeweilige Thematik entscheiden. Auch in der personenzentierten Gründungsforschung hängt die Auswahl der empirisch zu untersuchenden Variablen von der Frage ab, ob man den Unternehmer funktional oder motivational konstruiert. Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung besitzen Unternehmerbilder auch deshalb, weil sie – sofern sie Eingang in ein kollektiv-gesell-schaftliches Bewusstsein finden – als Rollenmodelle für potentielle Gründer dienen können. Erst die Erfüllung der ‚Person des Unternehmers’ mit scheinbar charakteristischen Inhalten wie Innovationsvermögen, Risikofreude oder der Bereitschaft zu harter Arbeit ermöglicht es dem einzelnen Akteur, seine eigene Person in Relation zum Unternehmertum zu setzen und eine zumindest subjektiv rationale Entscheidung für oder gegen den Erwerbsstatus Selb-ständigkeit zu treffen.

2.1 Was tut ein Unternehmer? – die ökonomisch-funktionale Perspektive

Das, ‚was Unternehmer tun’, fragt nach der Rolle des Unternehmers im wirtschaftlichen Produktionsprozess. Funktionale Unternehmerkonzeptionen haben ihre Wurzeln in der neo-klassischen Ökonomie. Dies kommt z. B. in der zentralen Stellung zum Ausdruck, die die Beziehung zwischen unternehmerischem Handeln und neoklassischen Marktgleichgewichten in diesen Entwürfen einnimmt:

„So geht z. B. Schumpeter (1952) davon aus, daß die Aufgabe eines Unternehmers darin besteht, Märkte in Ungleichgewichte zu bringen und damit die ökonomische Entwicklung voranzutreiben. Andere Theoretiker wie z. B. Chantillon (1990) oder Kirzner (1973, Kapitel 2) sind hingegen der Ansicht, daß Unternehmer für die Wiederherstellung von Marktgleichgewichten verantwortlich sind, da sie die aus den Ungleichgewichten resultierenden Preisunterschiede ausnutzen und so die differierenden Niveaus von Angebot und Nachfrage zusammenbringen.“ [Bühler (1999), S. 6]

Der auch vielen Studien zur Unternehmensgründung zumindest indirekt zugrunde liegende Unternehmertypus ist der im vorhergehenden Zitat bereits anklingende dynamische Unter-nehmer Joseph Schumpeters (1952), dessen zentrale Aufgabe das Durchsetzen neuer Kombinationen ist. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen, nämlich „(1) die Her-stellung neuer Produkte bzw. neuer Produktqualitäten, (2) die Einführung neuer Produktions-methoden, (3) die Erschließung neuer Absatzmärkte, (4) die Eroberung neuer Bezugsquellen von Rohstoffen oder Halbfabrikaten und (5) die Reorganisation von Industriezweigen. [...] Unternehmer können [damit, d. V.] nicht nur die beruflich Selbständigen sein, und gleich-zeitig sind keineswegs alle beruflich Selbständigen Unternehmer. Handwerksmeister, Ange-hörige freier Berufe, Kleingewerbetreibende und andere auf eigene Rechnung handelnde Wirtschaftssubjekte sind nach Schumpeter nur in Ausnahmefällen Unternehmer“ [Brüderl et al. (1996), S. 25], da ihr innovatives Potential in der Regel beschränkt bleibt.

Unternehmertum ist für Schumpeter ein Prozess der kreativen Zerstörung, in dessen Verlauf das ökonomische System eine evolutorische, bisweilen fast revolutionäre Weiterentwicklung erfährt. Der Unternehmer braucht ein intuitives Gespür, da er sich bei der Koordination seines neuartigen Produktionsprozesses nicht auf bereits gemachte Erfahrungen stützen kann sowie darüber hinaus die Fähigkeit, die Widerstände zu überwinden, denen sich alles Neue zunächst einmal ausgesetzt sieht. Diese und weitere Zuschreibungen kumulieren letztendlich in einer überhöhten, exponierten und alles andere als alltäglichen Unternehmerpersönlichkeit:

„Deshalb sind die Unternehmer ein besonderer Typus [...].“ [Schumpeter (1952), S. 119]

In enger Beziehung zum Durchsetzen neuer Kombinationen stehen auch andere unter-nehmerische Aufgaben. Die Wahrnehmung von Gewinnmöglichkeiten – und zwar bevor andere dies tun – die Risikobereitschaft, die notwendig ist, um existierende Gewinnmöglich-keiten zu realisieren oder das Bewältigen von Unsicherheiten sind weitere in der öko-nomischen Literatur weit verbreitete Funktionen eines idealtypischen Unternehmers, die jedoch an dieser Stelle nur kurz erwähnt sein sollen [für eine möglichst vollständige Liste von Unternehmerfunktionen vgl. Bühler (1999), S. 6].

2.2 Warum tut ein Unternehmer das, was er tut? – die motivationale Perspektive

Der funktionalen Unternehmerkonzeption stehen kultursoziologisch-sozialpsychologisch geprägte Entwürfe zur Unternehmerperson gegenüber. Diese auf Max Weber zurück-gehenden Ansätze stellen anstelle des unternehmerischen Handelns selbst die ihm zugrunde liegende Motivation in den Vordergrund. Webers historisch geprägte – in seinem Werk Die protestantische Leistungsethik und der Geist des Kapitalismus (zuerst 1905) dargelegte – Argumentation mündet in ihrem Kern in einer kausalen Verbindung protestantischer Glaubensinhalte und der Entwicklung kapitalistischer Unternehmerstrukturen:

„Die besondere Prädisposition der Protestanten für unternehmerische Tätigkeiten wird auf konkrete Glaubensinhalte und damit verbundene Maximen für das Alltagsleben [...] zurückgeführt“ [Brüderl et al. (1996), S. 27].

„Selbständigkeit und Leistung sind die höchsten Werte, [...] ‚Zeit ist Geld’, das Leben besteht aus rastloser Berufsarbeit.“ [Nerdinger in von Rosenstiel & Lang-von Wins (Hrsg.) (1999), S. 6]

Der aufkeimende Protestantismus wird zum Nährboden eines kapitalistischen Geistes. Gemäß der calvinistischen Idee der Prädestination erfolgt die mittlerweile zum geflügelten Wort gewordene Verknüpfung von ‚Beruf’ und ‚Berufung’ [vgl. Bühler (1999), S. 14], wobei das Aufgehen in dieser Arbeit zu einer Form des Gottesdienstes wird.

Der Psychologe David McClelland (1961) griff den kultursoziologisch verstandenen Begriff der Leistungsmotivation auf, transformierte ihn in ein psychologisches Konzept (Theorie der Leistungsorientierung) und führte den soziokulturellen Determinismus zum Unternehmertum damit auf der individuellen Ebene fort:

„Die leistungsorientierten kulturellen und gesellschaftlichen Werte und Normen schlagen sich in Erziehungspraktiken nieder, die Leistung und Selbständigkeit als Erziehungsziele in den Vordergrund stellen“ [Brüderl et al. (1996), S. 30].

Webers Protestantismusthese erfährt eine Erweiterung, die vor allem die ersten Jahrzehnte der personenbezogenen Gründungsforschung in entscheidendem Maße prägen sollte. Leistung wird zum zentralen gesellschaftlichen Wert, der – z. B. durch die Eltern – sozialisiert und als Handlungsmotiv verinnerlicht wird. Leistungsorientierte Menschen zeichnen sich durch eine moderate Risikobereitschaft aus. Sie setzen sich Ziele, die sie aus eigener Kraft erreichen wollen und bevorzugen Arbeitssituationen, die eine direkte Rückmeldung bzgl. der erbrachten Leistung erlauben. Der Argumentation McClellands folgend ist die Selbständigkeit für leistungsmotivierte Akteure quasi das ‚ökologische Optimum’ in der Landschaft der unterschiedlichen Erwerbsformen.

Welche Einsichten vermitteln nun die eben beschriebenen Unternehmerentwürfe für das ursprüngliche Menschenbild einer personenbezogenen Gründungsforschung? Zum einen ist festzustellen, dass Vieles in den Ansätzen ein Denken reflektiert, demzufolge sich der Unter-nehmer als herausragende Führungspersönlichkeit darstellt, sich durch eine metaphysische Veranlagung, eine irrationale Fähigkeit auszeichnet. Versucht man diese Eigenschaft zu operationalisieren, so lässt sich aus den Zuschreibungen an die unterschiedlichen Unter-nehmertypen ein breit gefächertes Repertoire an möglichen Merkmalsvariablen (Persönlich-keitsattribute wie Leistungs- und Risikobereitschaft, personale Ressourcen und Quali-fikationsmuster, kulturelle Einbettung des Akteurs in mikro- und makrosoziale Rahmen-bedingungen, usw.) ableiten, die sich als Untersuchungsgegenstände anbieten und die auch dankbar aufgegriffen und eifrig empirisch überprüft werden. Die im nächsten Abschnitt zunächst stattfindende Diskussion dieser empirischen Vorgehensweise wird schnell die Probleme, die in diesem Zusammenhang nicht zu übersehen sind, sowie auch die Notwendig-keit einer tiefer gehenden theoretischen Fundierung der personenbezogenen Gründungs-forschung aufzeigen.

[...]


[1] z. B. Regionalstudien zum Gründungsgeschehen, Analysen von dessen Auswirkungen auf die Regional- und Sektoralstruktur, die strukturelle Einbettung von Unternehmen in regionale Netzwerke oder die Untersuchung der regionalen Gründungsinfrastruktur

[2] Hierzu sei angemerkt, dass bereits der Begriff ‚Gründerkulisse’ räumliche Konnota-tionen besitzt. Die Beschreibung, Erklärung oder gezielte Beeinflussung einer Gründerkulisse ohne räumlichen Bezug scheint von vorneherein ausgeschlossen.

[3] Dies würde die Kompetenz des Verfassers wohl um ein Vielfaches übersteigen.

Ende der Leseprobe aus 44 Seiten

Details

Titel
Die Person des Unternehmensgründers
Untertitel
Probleme und Grenzen einer personenzentrierten Gründungsforschung
Hochschule
Universität Regensburg  (Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung)
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
44
Katalognummer
V34339
ISBN (eBook)
9783638345934
ISBN (Buch)
9783656251101
Dateigröße
1558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Person, Unternehmensgründers, Probleme, Grenzen, Gründungsforschung
Arbeit zitieren
Stefan Heumann (Autor:in), 2004, Die Person des Unternehmensgründers , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34339

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