Welche Vorstellungen haben Kinder der vierten Klasse zu unserem Sonnensystem und zu ausgewählten Planetenmerkmalen?


Forschungsarbeit, 2016

84 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Abstract

2. Einführung in die Thematik

3. Definitorische Grundlagen
3.1 Warum braucht die Forschung Definitionen?
3.1.1 Vorstellungen – was ist das?
3.1.2 Unser Sonnensystem – ein komplexer Gegenstand
3.1.3 Merkmale von Planeten und ihre Bewegung
3.2 Vorstellungen zum Sonnensystem – eine Forschungslücke?
3.3 Das Sonnensystem im Sachunterricht?

4. Zu Beginn der Arbeit – die Forschungsfrage
4.1 Was soll erforscht werden und wozu?
4.2 Der Weg zur konkreten Fragestellung

5. Methoden als Basis für empirische Forschungen
5.1 Allgemeine Informationen zur Studie
5.2 Erhebungs- und Auswertungsmethoden – ein Überblick
5.2.1 Die Methode des Leitfadeninterviews
5.2.1.1 Das Leitfadeninterview Schritt für Schritt
5.2.2 Die qualitative Inhaltsanalyse als Auswertungsmethode

6. Welche Ergebnisse konnten erzielt werden?
6.1 Gibt es Bezüge zwischen der kindlichen Lebenswelt und dem Gegenstand Sonnensystem?
6.1.1 Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse schätzen ihre Kenntnisse zum Sonnensystem unterschiedlich ein
6.1.2 Schülerinnen und Schüler finden es schwierig, über das Sonnensystem nachzudenken
6.1.3 Das Sonnensystem ist bis zum jetzigen Zeitpunkt kein Unterrichtsgegenstand gewesen, das Interesse am Gegenstand ist jedoch groß.
6.2 Wissen Kinder der vierten Jahrgangsstufe, dass Planeten ein Bestandteil des Sonnensystems sind?
6.2.1 Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse haben die Vorstellung, dass Planeten ein fester Bestandteil unseres Sonnensystems sind.
6.3 Wie stellen sich die SuS unser Sonnensystem vor?
6.3.1 Überblick
6.4 Wissen die SuS etwas über Planetenmerkmale?

7. Reflexion des Forschungsprozesses

8. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für den Sachunterricht

9. Literaturverzeichnis

1. Abstract

- Welche Vorstellungen haben Kinder der vierten Klasse zu unserem Sonnensystem und zu ausgewählten Planetenmerkmalen?“ Um diese Fragestellung beantworten zu können, wurde eine qualitative Querschnittsuntersuchung durchgeführt, die mittels eines strukturierten Leitfadeninterviews realisiert wurde. Alle Befragen haben individuelle Vorstellungen über das Sonnensystem, dabei stellen besonders die Planeten einen zentralen Bestandteil dar. Größtenteils wissen die Kinder, dass das System heliozentrisch angeordnet ist. Dennoch fällt es vielen Schülerinnen und Schülern schwer, über den Gegenstand nachzudenken und astronomische Phänomene ihrer Zeichnungen zu erklären. Mögliche Gründe für diese Problematik sind die Nicht-Thematisierung in Lehrplänen und Unterricht, sowie die Komplexität des Gegenstandes. Gerade aber durch das große Interesse an der Thematik seitens der Befragten, kann der Sachunterricht viele Möglichkeiten bieten, das Sonnensystem als Unterrichtsgegenstand zu integrieren. Der Inhalt kann nicht nur einen Mehrwert für die Förderung sachunterrichtsspezifischer Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen darstellen, sondern auch eine Grundlage für nachhaltige Lernprozesse (BNE) schaffen.

2. Einführung in die Thematik

„Astronomie begeistert, fasziniert und weckt Neugier, besonders bei jungen Menschen. Aus pädagogischer Sicht gibt es keine bessere Voraussetzung für die Wissensvermittlung. Denken wir also gemeinsam darüber nach, welches astronomische Grundwissen in der Schule tatsächlich vermittelt werden sollte“ (Fiedler 2010, 61).

Viele Stimmen in der Debatte um den Schulkanon fordern, dass astronomische Inhalte als fester Bestandteil in den (Grund-)Schulunterricht integriert werden sollen. Besonders im Grundschulalter können Schülerinnen und Schüler (SuS) ihre Neugier nutzen, um astronomische Inhalte zu erfassen (vgl. ebd.). Der Sachunterricht spielt dabei eine zentrale Rolle. Dort wird die Möglichkeit geschaffen, mit allen Sinnen und mit ausreichender Zeit die „Faszination Weltraum“ und somit auch einen Teil der kindlichen Lebenswelt zu erschließen.

„Die unendliche Weite des Alls drückt sich aus in den fast unvorstellbar großen Zahlen, die im Zusammenhang mit dem Thema benutzt werden; Größen, die die Vorstellungskraft von Kindern überschreiten und deshalb wieder Geheimnisse und Abenteuer bergen, die erforscht werden wollen“ (Datz 2007, o.S.).

Dennoch sind in den Lehrplänen für den Sachunterricht Themen, die den Weltraum und vor allem unser Sonnensystem betreffen, nicht vorhanden. Auch gibt es in der Bildungsdebatte Parteien, die meinen, dass die Astronomie für Kinder nicht verstehbar ist und daher eher in den weiterführenden Schulen einen Platz finden sollte (vgl. Clausnitzer 2012, 13). Ist die Thematik Sonnensystem für Kinder greifbar? Haben die SuS in der vierten Jahrgangsstufe schon Vorstellungen zu unserem Sonnensystem?

Es gibt vereinzelt Forschungen über Vorstellungen von SuS zum Aufbau der Erde als Planet, jedoch keine Forschungen zu den Vorstellungen von Kindern über unser Sonnensystem. Dabei wird in den wenigen Forschungen oft erwähnt, wie wichtig eine Thematisierung wäre, da SuS schon mit Beginn der Schullaufbahn „ein ausgeprägtes Verständnis für die Gestalt der Erde und ihrer Umgebung haben“ (Sommer 2002, 70). Bis zum heutigen Zeitpunkt gibt es keine klare politische Entscheidung diesbezüglich in der Bildungsdiskussion.

Das Ziel dieser Arbeit ist, durch eine qualitative Querschnittsstudie in Form eines Leitfadeninterviews SuS-Vorstellungen zu unserem Sonnensystem erfahrbar zu machen. Durch die Ergebnisse dieser Forschung, kann abschließend beurteilt werden, ob die Forderung in der Bildungsdebatte nach mehr astronomischen Inhalten gerechtfertigt ist. Darüber hinaus kann (trotz kleiner Stichprobe) nach der Auswertung eine Tendenz gegeben werden, ob dieser Unterrichtsgegenstand für Kinder der vierten Jahrgangsstufe überhaupt greifbar ist und ob diese ein Interesse am Gegenstand haben. Um dieses Ziel erreichen zu können, wurde eine Forschungsfrage konzipiert, die im Hinblick auf Grundschullehrpläne und (Sach-)Unterrichtsforschung ein unerforschtes Gebiet antastet. Gerade das Eruieren von SuS-Vorstellungen in bisher unbekannten Themengebieten spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, Sachunterricht modern, innovativ und schülerorientiert gestalten zu können.

- Welche Vorstellungen haben Kinder der vierten Klasse zu ausgewählten Merkmalen von Planeten in unserem Sonnensystem?“

In dieser Arbeit werden zunächst elementare Begrifflichkeiten definiert, die in der Forschungsfrage aufgegriffen werden. Dies ist notwendig, damit ein allgemeingültiges Referenzsystem von Bezeichnungen für diese Arbeit herrscht. Anschließend wird der aktuelle Forschungsstand dargelegt, um die Forschungslücke bezüglich sachunterrichtsdidaktischer Forschung auf diesem Themengebiet zu verdeutlichen. Darüber hinaus werden Gründe aufgeführt, die die Relevanz astronomischer Inhalte für den Sachunterricht, auch in Bezug auf Bildung für Nachhaltigkeit, erläutern. Um den Forschungsprozess genau zu beschreiben, wird auch die Entwicklung der Forschungsfrage und des Leitfadeninterviews transparent dargestellt. Um dem Gütekriterium der Regelgeleitetheit gerecht zu werden, folgt eine Darstellung und Begründung der Durchführungs- und Auswertungsprozesse. Die Forschungsergebnisse werden im folgend beschrieben, interpretiert und diskutiert. Den Abschluss dieses Berichts stellen eine kritische Betrachtung der durchgeführten Studie und eine Zusammenfassung mit Schlussfolgerungen für den Sachunterricht dar.

3. Definitorische Grundlagen

3.1 Warum braucht die Forschung Definitionen?

Bevor das Forschungsvorhaben untersucht werden kann, müssen zunächst definitorische Grundlagen geschaffen werden. So können die Determinanten der Forschungsfrage operationalisiert und von allen Rezipienten gleichermaßen erfasst und verstanden werden.

3.1.1 Vorstellungen – was ist das?

Nach der Definition von Duit (1997, 234) sind Vorstellungen geistige Entwürfe „die sich ein Mensch von der ihn umgebenden und durch Sinneseindrücke auf ihn wirkenden Welt macht.“ Diese Definition wurde vor dem Hintergrund des Forschungszweckes bewusst ausgewählt, da diese sehr weit gefasst ist und sich nicht nur auf mündlich reproduzierbare Äußerungen bezieht. Vorstellungen können demnach auch „das im Bewußtsein auf Grund von vorhergehenden […][W]ahrnehmungen und Empfindungen zustande kommendeBildeines Gegenstandes oder Vorgangs der Außenwelt“ (Hoffmeister 1955, 655)sein.

Hervorzuheben ist, dass Vorstellungen im Rahmen dieser Arbeit als Konstrukte gesehen werden, die ohne schulischen Input aufgrund von Beobachtungsvorgängen entstehen. Diese werden von den SuS[1]in eine für sie logische Verknüpfung übertragen (vgl. Barke 2006, 21). Die Beobachtungsvorgänge finden sich in den verschiedensten Kontexten der kindlichen Lebenswelt wieder, zum Beispiel im Umgang mit der Natur, Sinnes- oder Spracherfahrungen sowie durch Kommunikation und Medienerfahrungen (vgl. Hartinger, Lange 2014, 39f.).

Im aktuellen Forschungsdiskurs, besonders auch im Sachunterricht, sind unterschiedliche Synonyme für den BegriffVorstellunggeläufig. Häufig fallen in diesem Kontext Begriffe wie Alltagsvorstellungen, Präkonzepte und Vorwissen (vgl. Hartinger, Lange 2014, 38f.).

In diesem Forschungsvorhaben wird nur das Synonym Alltagsvorstellungen verwendet, da dieses mit den oben genannten Ausführungen übereinstimmt. Dahingegen müssen die Ausführungen zu Präkonzepten und Vorwissen differenziert betrachtet werden. Präkonzepte zeichnen sich dadurch aus, dass

„Schülervorstellungen im fortgeschrittenen Unterricht […] nicht allein ursprünglichen Überlegungen der […] [SuS] zuzuschreiben [sind], sondern überwiegend durch die Vermittlungsprozesse im Unterricht ent[stehen]. Daher können diese nach Barke als Präkonzepte […] [bezeichnet werden]“ (Barke 2006, 21).

Präkonzepte sind demnach durch den Unterricht bereits beeinflusste Vorstellungen, die zu naturwissenschaftlichen Konzepten hinführen sollen (vgl. Lange, Hartinger 2014, 40). Dieses Synonym ist im Folgenden nicht mit dem Begriff der Vorstellung gleichzusetzen, da das Forschungsvorhaben die unbeeinflussten Alltagswahrnehmungen der SuS untersucht.

Vorwissen kann unter anderem durch „deep structures“ beschrieben werden (vgl. Möller 2010, 39). Diese sind „stabile, tief bestehende Strukturen“ (Möller 2010, 39). Vorstellungen hingegen, müssen nicht tief im Verständnis des Kindes verankert sein, sondern können auch aus spontane Äußerungen bestehen. Aus diesem Grund wird auch dieser Begriff nicht synonym verwendet.

Zusammenfassend werden Vorstellungen oder Alltagsvorstellungen in diesem Kontext als Ausgangspunkt für Lernprozesse angesehen. Sie entstehen durch die unbeeinflusste Auseinandersetzung der SuS mit ihrer Lebenswelt, die sie mit allen Sinnen wahrnehmen. Dabei entwickeln die SuS nicht nur sprachlich reproduzierbare sondern auch bildlich-imaginäre Vorstellungen.

3.1.2 Unser Sonnensystem – ein komplexer Gegenstand

Vor etwa 4.5 Milliarden Jahren istunser (s.u.)Sonnensystem durch eine Sternexplosion entstanden (vgl. Weiß 2006, 6f.). Dabei umfasst dieses System „alle Himmelskörper, die die Sonne mit ihrer Anziehungskraft gefangen hält“ (Schlüpmann 2013, o.S.). Resultierend daraus entsteht das Bild, dass die Sonne das Zentrum unseres Sonnensystems darstellt. Dieses findet sich auch im Begriff ‚Sonnen‘-system wiederfinden. Die Anordnung der Himmelskörper innerhalb des Sonnensystems war lange Zeit umstritten. Bis zum Mittelalter wurde davon ausgegangen, dass die Erde den unbewegten Mittelpunkt des Systems bildet, um den alle anderen Planeten kreisen (geozentrisches Weltbild). Der Astronom Kopernikus veröffentlichte im Jahr 1543 seine Auffassung zum heliozentrischen (kopernikanische) Weltbild, welches bis heute seine Gültigkeit hat. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass die Sonne den Mittelpunkt unseres Sonnensystems darstellt und alle Planeten von ihrer Anziehungskraft abhängig sind (vgl. Hanslmeier 2014, 41ff.). Aktuelle Forschungsergebnisse verweisen darauf, dass insgesamt acht Planeten zu dem System gehören (Mars, Venus, Erde, Merkur, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun). In dieser Zählung sind nur Planeten aufgezählt, die von besonderem Ausmaß sind, das heißt einen größeren Durchmesser als 2240 km aufweisen (vgl. Schlüpmann 2013, o.S.). Durch dieses Kriterium fällt Pluto, der lange Zeit als Planet angesehen wurde, aus der Planetenliste heraus. Er ist schlichtweg zu klein, um einer der dominierenden Himmelskörper darzustellen (vgl. Hanslmeier 2013, 49).Neben Planeten umfasst unser Sonnensystem Asteroiden, Kometen, Satelliten und Sterne, welche für den Forschungsprozess in diesem Rahmen nur von geringer Bedeutung sind und daher an dieser Stelle nicht weiter definiert werden.

Nicht gleichzusetzen ist unser Sonnensystem mit der Milchstraße. Das Sonnensystem stellt mit seinem Durchmesser von 50 „Astronomischen Einheiten“[2]gerade einmal einen kleinen Raum in der Milchstraße dar. Insgesamt besteht diese aus mehr als 40 Galaxien, sodass „relativ betrachtet, […] unser Sonnensystem im Kosmos weniger Platz ein als ein Sandkorn in der Sahara [einnimmt]“ (Weiß 2006, 6f.). Aus diesem Grund wird in der Forschungsfrage bewusst die Formulierung ‚unser‘ Sonnensystem verwendet. So wird deutlich, dass in diesem Kontext nur ein kleiner Teil der Milchstraße gemeint ist, nämlich das Sonnensystem, welches für den Menschen von existentieller Bedeutung ist.

3.1.3 Merkmale von Planeten und ihre Bewegung

Wie können Planeten unseres Sonnensystems definiert werden? Was zeichnet sie aus?

Unter Planeten werden laut der Internationalen Astronomischen Union (IAU) allgemein die Himmelskörper verstanden, die die Sonne umkreisen (vgl. Christensen 2006, o.S.). Ein wichtiges Kriterium ist, dass ein Planet „genügend schwer ist, damit er durch seine Eigengravitation ein “hydrostatisches Gleichgewicht“ erreicht hat“ (Caryad et al. 2015, 18). Dies bedeutet, dass ein Planet annäherungsweise kugelförmig sein muss. Des Weiteren zeichnet sich ein Planet dadurch aus, dass dieser eine größere Masse aufweist als andere Objekte auf der gleichen Umlaufbahn (vgl. Caryad et al. 2015, 18). Hanslmeier (2013, 49ff.) nennt drei prägende Merkmale von Planeten, die für ihre Unterscheidung herangezogen werden können. Diese sind:

1. Masse/Radius
2. Entfernung/Anordnung im Sonnensystem
3. Temperatur/ Atmosphäre

Diese drei Merkmale sollen im Folgenden kurz erläutert werden, um die Begrifflichkeiten einordnen zu können. Die Planeten unseres Sonnensystems können generell in zwei Kategorien eingeteilt werden, Gasplaneten und erdähnliche (terrestrischen) Planeten (vgl. Hanslmeier 2013, 49). Zu den terrestrischen Planeten gehören Mars, Erde, Merkur und Venus. Sie liegen im inneren Sonnensystem und haben im Vergleich zu den äußeren (Gas-)Planeten kleine Massen und Durchmesser. Ihre Zusammensetzung besteht aus Gesteinen und Metall, das heißt sie verfügen über eine feste Oberfläche. Im Gegensatz dazu, haben die äußeren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun weitaus größere Massen/Durchmesser. Sie verfügen über einen festen Kern. Der Großteil der Himmelskörper besteht jedoch aus Gas (vgl. Jaumann 2009, 7). Kennzeichnend ist, dass Masse und Einstrahlungsenergie (nicht gleich Temperatur!) aller Planeten mit ihrem Abstand zur Sonne korrelieren.

Die Temperatur der Planeten ist einerseits abhängig von ihrer Entfernung zur Sonne. Je weiter die Planeten von dieser entfernt sind, desto weniger Sonneneinstrahlung bekommen sie. Demnach müssten die Planeten mit zunehmender Entfernung zur Sonne eine niedrigere Temperatur aufweisen. Dieser Trend lässt sich auch verfolgen, wenn man die Temperatur auf der Venus außer Acht lässt. Bei der Oberflächentemperatur spielt andererseits auch die Atmosphäre der Himmelskörper eine entscheidende Rolle. Alle Planeten bis auf Merkur besitzen eine ausgeprägte Atmosphäre. Diese schützt vor übermäßigen Temperaturschwankungen auf der Planetoberfläche (vgl. Hanslmeier 2013, 52). Die Auswirkungen der Atmosphäre auf die Oberflächentemperatur kann am besten am Beispiel der Erde deutlich gemacht werden. Da unsere Atmosphäre natürliche Treibhausgase enthält (bspw. Wasserstoff, Co2) wird die Oberfläche der Erde erwärmt. Ohne diese Gase wäre die Erdoberfläche im Schnitt 30°C kälter.

„Die tatsächlich gemessene globale Oberflächentemperatur der Erde liegt bei etwa 14 Grad, ohne Treibhauseffekt würde sie minus 18 Grad betragen, Leben wäre wahrscheinlich auf der Erde unmöglich“ (Hanslmeier 2013, 52).

Die Venus steht an 2. Stelle in unserem Sonnensystem, natürlich hat sie somit die zweitgrößte Sonneneinstrahlung. Diese reicht jedoch nicht aus, um eine Durchschnittstemperatur von durchschnittlich 400°C zu erzeugen. Für diese auffallend hohe Temperatur ist die Atmosphäre des Planeten verantwortlich. Diese besteht zu 96.5% aus Kohlenstoffdioxid, sodass ein verstärkter Treibhauseffekt auftritt, welcher diese Temperaturen erzeugt (vgl. Hanslmeier 2013, 65).

Folgend werden Visualisierungen zum Sonnensystem herangezogen, um die erläuterten Merkmale übersichtlich zu verbildlichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Planeten in unserem Sonnensystem (verändert). Quelle: Kuffner-Sternwarte(2015): Unser Sonnensystem.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[3] [4] [5]

Tab.1: Eigenschaften der Planeten. Quelle: Eigenständig erstellt, in Anlehnung an Engeln, H. (2006): Unsere Nachbarn im All. In: GEOkompakt: Das Universum. Heft Nr.6, S.62f.

Auffällig ist, dass die Sonne, obwohl sie für das Sonnensystem elementar ist, nicht in der oben dargestellten Tabelle vorzufinden ist. Diese muss klar von den Planeten abgegrenzt werden, da sie ein „Hauptreihenstern der Spektralklasse G2“ ist. Ein Stern ist astrophysikalisch gesehen eine gebündelte Konzentration von ionisiertem Gas. Dieses Gas setzt durch Fusionsprozesse[6](keine Verbrennungen) Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung frei, welches für den Menschen als Lichtsignal erkennbar wird (vgl. Müller 2014, o. S.).

Dennoch bildet die gasförmige Sonne mit einem Radius von ca. 700.000 km den größten Himmelskörper unseres Sonnensystems und stellt 99% der Masse des Systems dar. Der Fixstern ist mit seiner Schwerkraft, Strahlung und seinem Magnetfeld der „Antriebsmotor“ für viele biologische, physikalische oder auch chemische Prozesse auf allen Planeten (vgl. Caryad et al. 2015, 16ff. & vgl. Jaumann 2009, 11).

Ergänzend zu den Merkmalen von Hanslmeier (2013, 49ff.) wird für diesen Forschungsbericht die Bewegung der Planeten als elementares Merkmal ergänzt. Die Bewegungsabläufe können durch das erste Keplerische Gesetz beschrieben werden:

„Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, in deren eigenem gemeinsamen Brennpunkt die Sonne steht. Diese Ellipsen sind durch ihre großen Halbachsen (quasi eine „mittlere Entfernung“ des Planeten von der Sonne) und durch ihre Exzentrizitäten (ein Maß für die „Streckung“ der Ellipse) charakterisiert“(Caryad et al. 2015, 20).

Zusammengefasst bedeutet dies, dass alle oben genannten Planeten auf ihrer eigenen elliptischen Bahn um die Sonne kreisen. Die Umlaufzeit korreliert dabei mit der Entfernung zur Sonne. Je weiter der Planet von der Sonne entfernt ist, desto größer ist seine elliptische Bahn und damit auch seine Umlaufzeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.2: Umlaufzeit der Planeten. Quelle: Eigenständig erstellt, in Anlehnung an Engeln, H. (2006): Unsere Nachbarn im All. In: GEOkompakt. Das Universum. Heft Nr.6, S.62f.

Darüber hinaus gibt es noch einen zweiten Bewegungsablauf, der elementar ist. Dieser wird als Rotation bezeichnet und beschreibt die Umdrehung um die eigene Planetenachse. Dabei haben die Planeten einen bestimmten Neigungswinkel. Dieser Prozess ist für die Tageszeitzählung (24-Stunden-Tag auf der Erde) und das Phänomen von Tag und Nacht verantwortlich. Die Rotationsgeschwindigkeit ist nicht immer konstant, sodass es zu „kleinen zeitlichen, unregelmäßigen und periodischen Veränderungen [kommt]“(Hoerner, Schaifers 1960, 144).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.3: Rotationszeit der Planeten Eigenständig erstellt, in Anlehnung an Engeln, H. (2006): Unsere Nachbarn im All. In: GEOkompakt. Das Universum. Heft Nr.6, S.62f.

Exemplarisch können diese zwei gleichzeitig ablaufenden Bewegungen an einer Illustration der Erde deutlich gemacht werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Rotation der Erde. Quelle: Goruma.de (2015): Bewegung der Erde.

3.2 Vorstellungen zum Sonnensystem – eine Forschungslücke?

„Es ist in der naturwissenschaftlichen Fachdidaktik unbestritten, dass SuS ihre eigenen Kenntnisse und Vorstellungen mit in den Unterricht bringen, die aus ihrer Alltagserfahrung entstammen“ (Liu, 2004, 24). Doch welche Vorstellungen von unserem Sonnensystem haben Kinder? Und welche Forschungsergebnisse gibt es bereits zu diesem Sachverhalt?

Konkrete Studien zu Vorstellungen von Kindern zu unserem Sonnensystem konnten sowohl in der Sachunterrichtsdidaktik als auch in anderen Forschungskontexten nicht gefunden werden. Es gibt lediglich vereinzelt Studien darüber, wie Kinder sich die Erde als Planet vorstellen. Diese Studien werden im Folgenden komprimiert dargestellt, da der Planet Erde zu unserem Sonnensystem gehört und somit auch ein Teil unserer Forschung darstellt.

Erste Studien mit Kindern zur Erde wurden von Vasniadou und Brewer im Jahr 1992 durchgeführt. Das Ziel der Studien bestand darin, Kinder der 1., 2. und 5. Klasse über die Form der Erde zu befragen. Die Befragten wurden interviewt und sollten Bildmaterial beschrieben. Darüber hinaus sollten Bilder von SuS zur Erde angefertigt werden. Die Ergebnisse wurden in verschiedenen Erdmodellen zusammengefasst. Die Erdmodelle konnten einzelnen Kompetenzstufen zugeordnet werden. Während Kinder der Kompetenzstufe 1 sich die Erde flach vorstellten, waren Kinder der Kompetenzstufe 5 der Meinung, dass die Erde rund ist und im Weltall schwebt. Neben ihr schweben auch Sonne, Mond und Sterne als weitere Himmelskörper im Abstand zur Erde im All. Dennoch stellten sich die meisten Kinder die Erde in dieser Studie flach vor. Darüber hinaus war auffällig, dass die Antworten der Kinder oft schwankten oder widersprüchlich waren (die Erde ist rund, aber sie hat einen Abgrund). Dennoch zeigte sich, dass die SuS keine fragmentarischen Vorstellungen haben, sondern über theorie-ähnliche Strukturen bestehen, die aus einem kohärenten System von Alltagserfahrungen und Überzeugungen bestehen (vgl. Vasniadou, Brewer 1992, 535 ff.).

Auch Shu-Ciu Liu erforschte Schülervorstellungen im Bereich der betrachtenden Astronomie. Dabei wurden 64 Probanden aus Taiwan und Deutschland aus den Jahrgangsstufen 3-6 in einem Interview befragt. Darüber hinaus sollten die SuS auch hier ein Bild malen, indem sie das Universum (Sonne, Mond, Erde, Sterne) organisieren und dieses schließlich mit Knete in ein dreidimensionales Modell übertragen und dieses verbal erläutern. Es konnten insgesamt sieben verschiedene Modellstufen aus den Bildern abgeleitet werden, die sich in ihrer Genauigkeit unterscheiden. Ein wichtiges Ergebnis war, dass die deutschen SuS ausführlichere Modelle konstruierten, als taiwanische Kinder. Darüber hinaus waren auch die Erklärungsansätze der deutschen SuS kreativer und vielfältiger. Ihre Erklärungen stimmten weitestgehend mit ihren Modellen überein. Wurde die Erde beispielsweise als rund bezeichnet, wurde diese auch rund mit der Knete geformt. Dennoch muss auch hier herausgestellt werden, dass sich noch teilweise widersprüchliche Antworten zeigten (vgl. Liu 2004, 24ff.). Liu erklärt diese widersprüchlichen Antworten wie folgt: „Wenn ein Kind nicht die Notwendigkeit sieht die Mondphasen physikalisch zu erklären, hat es verständlicher Weise Schwierigkeiten ein präzises Modell zu konstruieren“ (Liu 2004, 27).

Die Ergebnisse der Studie stellen eine klare Forderung an Unterricht dar. Von den Kindern angefertigte Modelle stellen einen wichtigen Bestandteil dar, um Phänomene zu verstehen und ihre Erklärung zu erarbeiten (vgl. Liu 2004, 27).

Sommer (2002) erforschte die Vorstellungen von 79 SuS im Grundschulalter (2., 3., 4., Jahrgangsstufe) in Bezug auf die Gestalt der Erde (Form) und zur Anziehungskraft. Im Vergleich zu der Studie aus dem Jahr 1992 kommt sie zu dem Ergebnis, dass die SuS wissenschaftlich richtige Vorstellungen von der Erde und ihrer Anziehungskraft haben. Es sind kaum noch widersprüchliche Konzepte zu finden. Als Ursache für diese durchaus wissenschaftsorientierten Vorstellungen bei Grundschülern, sieht Sommer die neuen Medien. Die SuS beschäftigen sich in der heutigen Zeit schon im Grundschulalter selbstständig mit verschiedensten Medien. Diesen Eindruck bestätigen auch GrundschullehrerInnen und SchulleiterInnen.

„Die Lehrerinnen und Lehrer waren sich einig, dass die Kinder heute schon früher ein ausgeprägtes Verständnis für die Gestalt der Erde und ihrer Umgebung haben und z.T. schon beim Eintritt in die Schule wüssten, dass die Erde eine Kugel ist“ (Sommer 2002, 70).

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass diese vorgestellten Studien nicht repräsentativ für dieses Forschungsvorhaben sind. Dennoch können Hypothesen über mögliche Konzeptionen von Vorstellungen in dem hier erforschten Kontext abgeleitet werden. Es wird vermutet, dass die Kinder durchaus wissenschaftlich korrekte Vorstellungen/Teilvorstellungen zum Sonnensystem haben und mit der Thematik durch verschiedene Medien bereits in Berührung gekommen sind. Ob und inwiefern die Antworten/Zeichnungen der Probanden für diese Studie widersprüchlich sein werden, kann an dieser Stelle nicht abgeschätzt werden, da es keine expliziten Studien zum Sonnensystem (welches weitaus abstrakter und weiträumiger ist) gibt.

3.3 Das Sonnensystem im Sachunterricht?

Aber wenn es zu dieser Thematik keine Forschungen gibt, ist das Thema dann nicht gänzlich unwichtig für den Sachunterricht?

Generell ist das Erforschen von Vorwissen für den Sachunterricht von elementarer Bedeutung, da die Vorstellungen der Kinder Ausgangspunkte für anschließende Lernprozesse darstellen.

„Das konstruktivistische Modell des Wissenserwerbs stellt Lernen als einen aktiven, ziel gerichteten Prozess dar. Das Vorwissen des Einzelnen beeinflusst grundlegend, welche Informationen wahrgenommen und wie sie interpretiert werden“ (Beerenwinkel et al. 2007, 7ff.).

Daher hat das Erforschen von Schülervorstellungen keinen Selbstzweck. Die Ergebnisse können genutzt werden, um angemessene Lernarrangements zu gestalten (vgl. Hartinger, Langer 2014, 41f.). Gerade astronomische Inhalte, die bis jetzt kaum Einzug in den Sachunterricht der Grundschule finden, bieten viele Chancen für den Unterricht.

Aktuell wird die Astronomie auch in der Bildungsdebatte fokussiert. Sowohl Astronomen als auch Pädagogen fordern eine Integration astronomischer Inhalte in den festen Lehrplan. An dieser Stelle fehlen zum jetzigen Zeitpunkt aber klare politische Entscheidungen. Andere Länder hingegen, sehen die Chancen von astronomischer Bildung und haben diese bereits in der Schullandschaft aufgenommen (vgl. Reichert 2010: 48). Auch das öffentliche Interesse an der Weltraumerkundung steigt zunehmend, sodass die Kinder viele Information zum Sonnensystem aus den verschiedensten Medien aufnehmen und dieses ein Bestandteil ihrer Lebenswelt darstellt (s. K. 3.2) (vgl. Sommer 2002, 77).

§ Astronomie und das Kerncurriculum

Wird das Kerncurriculum für den niedersächsischen Sachunterricht nach den Begriffen: Sonnensystem, Planeten, Erde und Weltall durchsucht, ist festzustellen, dass keiner dieser Schlagwörter genannt wird. Doch würde eine Thematisierung im Sachunterricht die Ziele und die fachspezifischen Kompetenzen des Fachs durchaus fördern. Der Grundsatz des Sachunterrichts besteht darin, die SuS bei der Erschließung ihrer Lebenswelt zu unterstützen. Dafür sollen ihnen fachspezifische Methoden, Fähigkeiten sowie Fertigkeiten näher gebracht werden, die eine objektive und wissenschaftsorientierte Annäherung an den Gegenstand ermöglichen (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium[7]2006, 5ff.).

„[Der Unterricht soll das] Individuum befähigen, Schlüsselmethoden und grundlegende naturwissenschaftliche Prinzipien zu begreifen und damit umgehen zu können. […] Dabei werden naturwissenschaftliches Wissen und wissenschaftliche Denkmethoden zur Lösung persönlicher und allgemeiner Probleme eingesetzt“ (Nagel 2011, 39).

Verdeutlicht werden kann dieses Bestreben an dem Beispiel unseres Sonnensystems als Unterrichtsinhalt. Hier können die SuS lernen, abstrakte Phänomene objektiv und unter Anwendung von Fachbegriffen (bspw. Rotation) zu beschreiben. Sachunterrichtsdidaktiker stellen den Anspruch, dass Lehrkräfte Wissen für die SuS verstehbar machen (vgl. Buschhüter, Bräucker 2006, 35ff.). Konkret im Unterricht bedeutet dies, dass besonders das eigene Beobachten und kreatives Handeln die besten Wege sind, auch um astronomische Inhalte zu vermitteln. Das Sonnensystem bietet die Möglichkeit, dass die SuS neue Medien (vgl. KC 2006, 7) aktiv nutzen, um sich neues Wissen anzueignen (vgl. KC 2006, 5) oder astronomische Sachverhalte zu beobachten (Mondphasen, Sonnenaufgang…). Dieses Wissen kann anschließend mit vielfältigen kreativen fachspezifischen Methoden (vgl. KC 2006, 5) zum Verständnis der Schüler visualisiert werden. Möglichkeiten dabei sind beispielsweise die szenische Darstellung von Planetenbewegungen oder vom Aufbau des Sonnensystems. Darüber hinaus können SuS Erfahrungen mit dem Gegenstand machen, indem sie ihr Wissen aus dem Unterricht in dreidimensionale Modelle übertragen. So könnte diese Auseinandersetzung auch der bildungspolitischen Output-Orientierung gerecht werden, die sich an den Kompetenzen der SuS orientiert (vgl. Kultusministerkonferenz 2004, 8). Die generelle Unterrichtsqualität kann verbessert werden, wenn durch die kreative Auseinandersetzung mit astronomischen Inhalten, der Kompetenzzuwachs der SuS in den Vordergrund rückt. An dieser Stelle ist anzumerken, dass diese Erläuterungen nur exemplarische Beispiele dafür sind, dass diese Inhalte den Prinzipien des Sachunterrichts gerecht werden können.

Generell zeigt sich die Tendenz, dass SuS an weiterführenden Schulen kaum Interesse an naturwissenschaftlichen Sachverhalten zeigen. Dies kann teilweise dadurch erklärt werden, dass die SuS keinen klaren Überblick über Teilbereiche und Arbeitsformen der Naturwissenschaften haben. Aus Überforderung wird ein Desinteresse zu Gegenständen verschiedener naturwissenschaftlicher Forschungsrichtungen entwickelt (vgl. Buschhüter, Bräucker 2006, 35ff.).

„Daher wäre für die niedrigen Klassenstufen eine Zusammenfassung der naturwissenschaftlichen Themen und methodischen Ansätze zu einem Unterrichtsfach günstig, um den Schülern einen Überblick über die unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Disziplinen zu geben. Den Schülern wird damit später in den höheren Klassen das Verständnis komplexer Fragestellungen und Methoden in allen Naturwissenschaften erleichtert“ (Nagel 2011, 42).

Aus diesem Grund sollte Astronomie im Fach Sachunterricht seinen Platz finden. Das Fach zeichnet sich durch seine breite Fächerung (bspw. epochaltypische Schlüsselprobleme) aus (vgl. Klafki 2007, 166f.). So bietet der Sachunterricht die Möglichkeit, die facettenreichen astronomischen Inhalte in den Unterricht zu integrieren. Diese einmalige Chance ermöglicht kein anderes Fach der Grundschule. Dennoch gibt es auch Stimmen, die durch die Aufnahme solcher Inhalte eine Überfrachtung des Lehrplans befürchten. Diese Annahme ist jedoch unter Betrachtung der sachunterrichtsdidaktischen Perspektive überholt. Besonders in diesem Fach wird ein möglicher Inhalt, bevor er zum Unterrichtsthema wird, didaktisch rekonstruiert. Das bedeutet, dass Inhalte von der Lehrkraft ausgewählt sowie auf das für die SuS Wichtigste und Verstehbare reduziert/rekonstruiert werden (vgl. Köhnlein 2010, 167).

§ Astronomie und BNE

Neben diesen, am Kerncurriculum orientierten Ausführungen, gibt es ein weiteres starkes Argument für astronomische Auseinandersetzungen in der Grundschule. Astronomie kann die „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) fördern. Die Auseinandersetzung mit unserem Sonnensystem kann ein „Motor“ für interkulturelle Erfahrung/ Erziehung, aber auch für Integration darstellen. Gerade in Bezug auf aktuelle Konfliktsituationen in verschieden Ländern der Welt, können Kinder aus der Beschäftigung mit dem Sonnensystem profitieren. Oft wird dadurch erst das Verständnis verschärft, „dass wir alle Bewohner desselben winzigen Planeten sind“ (Scorza 2010, 54). So werden die Gemeinsamkeiten zwischen den Bewohnern verschiedener Länder betont. Es kann dadurch langfristig eine offene Grundhaltung gegenüber anderen Kulturen geschaffen werden. Weiterhin kann die Thematisierung auch eine Sensibilisierung des Umweltbewusstseins fördern und eine Basis für eine sozial-ökonomische Grundhaltung bilden. Klafki betont, dass die Astronomie sowohl ökonomisch, ökologisch als auch soziale Aspekte beinhaltet und dabei nicht nur nationale, sondern auch internationale Relevanz vertritt (vgl. Klafki 2007, 21).

Erforscht ist, dass Kinder in der Grundschule sehr wohl über Berufswünsche und Vorstellungen über ihre Zukunft verfügen (vgl. Hempel 2000, 44). Eine Beschäftigung mit der Himmels- und Planetenkunde und den spezifischen Forschungsmethoden kann bereits im Primarbereich das Interesse an den MINT-Fächern[8]und an vielen technisch-wissenschaftlichen Ausbildungsgängen nachhaltig entwickeln und den Blick für diese öffnen. Denn astronomische Aspekte sind in vielfältigen Lebensbereichen, wie der Wettervorhersage, der Flugsicherheit, der Klimaforschung aber auch der Kommunikationstechnologien vorherrschend (vgl. Lohwasser 2010, 50). Eine Beschäftigung mit diesen Inhalten verändert nicht nur unser Bild von der Natur und ihren Gesetzmäßigkeiten, sondern auch uns selbst, in unserer Wahrnehmung von uns und der Welt (vgl. Wagenschein 1995, 12).

4. Zu Beginn der Arbeit – die Forschungsfrage

4.1 Was soll erforscht werden und wozu?

Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit liegt darin, durch qualitative Forschung zu erfahren, welche (räumlichen) Vorstellungen Kinder der vierten Jahrgangsstufe zu unserem Sonnensystem haben. Dabei liegt der Fokus dieser Analyse auf „de[m] wissenschaftlich kontrollierte[n] Nachvollzug der alltagsweltlichen Handlungsfiguren [Vorstellungen], die [unter anderem] durch kommunikative Akte repräsentiert werden, und die Systematisierung eines Musters aus diesen Figuren“ darstellt (Lamnek 2010, 465). Inwiefern die Vorstellungen sich von denen aus älteren Studien unterscheiden, kann wie bereits erläutert, aufgrund des mangelnden Forschungsstandes nicht untersucht werden. Gerade dieser Aspekt macht die Auseinandersetzung mit der Forschungsfrage zu einer besonders für den Sachunterricht relevanten Thematik. Es kann für die zukünftige Arbeit als LehrerInnen des Sachunterrichts von Wichtigkeit sein, um gezielter auf die Lebenswelt der Kinder eingehen zu können und gleichzeitig kompetenzorientiert zu unterrichten. Dabei steht der Aspekt „Mit dem Kind von der Sache aus, die für das Kind die Sache ist!“ (Wagenschein 1980, 47) im Vordergrund.

Angelehnt an Harald Leschs (2010, 21f.) zentralen Argumenten, werden hier nun fünf zusammenfassende Gründe dargestellt, warum Schülervorstelllungen zum Sonnensystem als Teil der BNE in der Sachunterrichtsdidaktik erforscht werden sollten.

- Durch die Beschäftigung mit dem Universum erkennt der Mensch, dass er Teil von diesem ist. Die Ursprünge des Menschen werden sichtbar, darüber hinaus aber auch die engen Verknüpfungen zwischen Natur, Mensch und Kosmos.

- Jede/r Grundschüler/in kann Prinzipien verstehen, die das Universum erklären (Rotation, Mondphasen…). Besonders gelingt dies im Sachunterricht durch die Didaktische Rekonstruktion.

- Wissenschaft kann als lebendiges Forschen erfahren werden. Es handelt sich nicht um eine Ansammlung von Fakten, sondern um Prozesse, die für den Menschen elementar sind.

- Die Beschäftigung mit der Astronomie stellt einen lebenslangen Prozess dar, der in der Schule angebahnt werden kann. Besonders auch durch die kreativen sachunterrichtspezifischen Methoden, bei denen Wissen handelnd aktiv erfahrbar gemacht werden kann.

- „Astronomie geht uns alle persönlich an, denn sie bietet uns Perspektiven“ (Lesch 2010, 22).

4.2 Der Weg zur konkreten Fragestellung

Die Idee zu dieser Studie entwickelte sich während der Praktikumszeit. Die SuS der 4. Klasse durften über einen für sie interessanten Sachunterrichtsinhalt entscheiden. Dabei kam heraus, dass eine Vielzahl der SuS sich für den Inhalt `Sonnensystem´ interessiert. Nach näherer Beschäftigung mit dem Inhalt aus sachunterrichtsdidaktischer Sicht wurde bewusst, dass zu diesem Themengebiet eine Forschungslücke herrscht (s. K. 3.2). Diese Lücke stellt die Basis für dieses empirische Projekt dar. Nach der intensiven Auseinandersetzung mit fachwissenschaftlicher Literatur wurde der Untersuchungsgegenstand näher definiert und eingegrenzt. Die Forschungsfrage umfasst nach der Eingrenzung beispielsweise nur den Teil der Milchstraße, der für den Menschen von relevanter Bedeutung ist: unser Sonnensystem (s. K. 3.2). Schließlich wurden aus dem Forschungsdiskus Leitfragen abgeleitet, die die Absichten des Forschungsvorhabens widerspiegeln.

1. Gibt es Bezüge zwischen der kindlichen Lebenswelt und dem Gegenstand Sonnensystem?
2. Wissen Kinder der vierten Jahrgangsstufe, dass Planeten ein Bestandteil des Sonnensystems sind?
3. Wie stellen sich die SuS unser Sonnensystem vor?
4. Wissen die SuS etwas über Planetenmerkmale?

Aus diesen Leitfragen wurde die Forschungsfrage abgeleitet, die durch eine Operationalisierung wichtiger Begriffe (s. K. 2.1) konkretisiert wird. Eine präzise Fragestellung stellt die Basis, den „Dreh- und Angelpunkt“ des empirischen Projekts dar (vgl. Kuckartz 2014, 62). Der Vorteil einer konkreten Fragestellung ist, dass diese eine strukturierende Funktion einnimmt. Sie hilft Datenmengen auf ihre Relevanz für das Forschungsprojekt zu prüfen und zu verringern (vgl. Gläser, Laudel 2010, 62). Die Hauptfragestellung wurde wie folgt formuliert:

- Welche Vorstellungen haben Kinder der vierten Jahrgangsstufe zu unserem Sonnensystem und zu ausgewählten Planetenmerkmalen?“

Um die angeführte Fragestellung präzise beantworten zu können, müssen Leitfragen aufgestellt werden. Diese beabsichtigen es, die Thematik gezielt reflektieren und so die Vorstellungen der SuS erfahrbar und visuell-sichtbar zu machen. Gleichzeitig nehmen die Leitfragen eine kontrollierende Funktion ein. Sie dienen der Prüfung, ob nur das erfragt wird, was für die Beantwortung der Forschungsfrage relevant ist (vgl. Gläser; Laudel 2010, 91).

- Sie geben vor, was die Erhebungsmethode an Daten erbringen soll. Leitfragen haben aber auch noch eine zweite Funktion. Da sie die Forschungsfrage in Fragen an die Empirie übersetzen, bilden sie die Grundlage für Handlungen des Forschers als aktives Erhebungsinstrument“ (Gläser, Laudel 2010, 62).

Aus einem Katalog an möglichen Fragen, wurden nun die nachfolgenden Leitfragen ausgewählt:

1. Hast du schon einmal etwas über unser Sonnensystem gehört?
2. Erzähle doch bitte einmal alles was dir zu diesem Thema einfällt/was du weißt.
3. Wie stellst du dir unser Sonnensystem vor? Male/Zeichne deine Vorstellung auf das Blatt Papier.
4. Was meinst du wie viele Planeten gibt es in unserem Sonnensystem?
5. Kannst du bitte die Planeten, die du kennst in eine Reihenfolge bringen, wie sie auch im Sonnensystem angeordnet sein könnten? Du kannst dafür die Karten mit den Planeten Namen verwenden.
6. Aussage (ausgedruckt) hinlegen: „Auf allen Planeten sieht es gleich aus. Auf allen Planeten ist es gleich warm und sie bewegen sich nicht.“ Was ist deine Meinung zu diesem Zitat?
7. Habt ihr schon einmal in der Schule über die Planeten gesprochen?

Die erste Leitfrage hat die Funktion, einen Einstieg in die Thematik zu schaffen. Dabei ist die Absicht, dass die SuS erzählen, wo sie bereits etwas über das Sonnensystem erfahren haben und mit welchen Medien sie diesbezüglich in Kontakt gekommen sind. Besonders Sommer (2002) betont, dass die Medien eine wichtige Rolle in Bezug auf die Vorstellungen der Kinder in diesem Bereich sind, und diese maßgeblich prägen (s. K.3.2).Diese Hypothese kann durch die Frage gezielt überprüft werden.

Anschließend folgt eine sehr offene Frage. Diese beabsichtigt es zunächst, dass die Kinder ungeordnet und unstrukturiert alles aufzählen, was ihnen zur Thematik einfällt. Dabei können erste Begriffe, die unser Sonnensystem charakterisieren, wie Planeten, Erde, Sonne, Mond, genannt werden. Durch diese spontanen Äußerungen kann der Interviewer ein erstes Bild darüber bekommen, wie ausgereift die Vorstellungen der SuS sind.

Die Aussagen der SuS werden in der nächsten Frage konkretisiert. Hier geht es darum, die Gedanken visuell anzuordnen und eine Zeichnung/ein Bild unseres Sonnensystems zu konstruieren. An dieser Stelle wird auch deutlich, warum in der Forschungsfrage bewusst der Begriff Vorstellungen genutzt wird und beispielsweise nicht von einem Präkonzept die Rede ist (s. K. 3.1.1). Aus den Zeichnungen können viele Aspekte ableitet werden, die die Vorstellungen der SuS charakterisieren. Zum einen kann über die Anordnung der Planeten (besonders der Erde und der Sonne) erkannt werden, welches Weltbild im Kopf des Kindes vorherrscht. Darüber hinaus kann die Reihenfolge der Planeten, ihre Abstände und Größen, Erkenntnisse darüber geben, wie genau und wissenschaftsorientiert die Vorstellungsmuster sind.

[...]


[1]Im Folgenden mit SuS abgekürzt.

[2]Astronomische Einheiten werden auch als ‚astronomical units‘ (AU) bezeichnet. Eine AU wird definiert der Abstand zwischen Sonne und Erde. Demnach umfasst ein AU etwa 150 Millionen Kilometer (achteinhalb Lichtminuten) (vgl. Caryad et al. 2015,22).

[3]Die Masse ist angegeben in Relation zur Erdmasse(EM).

[4]Die Temperaturangaben beziehen sich auf die Mittelwerte, d.h. die Temperaturamplituden werden nicht dargestellt.

[5]Die Temperaturen der Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun(Gasplaneten) beziehen sich auf den Durchschnittsmittelwert gemessen an der Wolkenobergrenze.

[6]Fusionsprozesse entstehen immer dann, wenn verschiedenen Atomkerne miteinander verschmelzen. In der Astrophysik wird dieser Vorgang Nukleosynthese genannt (vgl. Müller 2014, o.S.).

[7]Wird im Folgenden abgekürzt durch KC.

[8]Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2013, Vorwort).

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Welche Vorstellungen haben Kinder der vierten Klasse zu unserem Sonnensystem und zu ausgewählten Planetenmerkmalen?
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
84
Katalognummer
V343350
ISBN (eBook)
9783668334991
ISBN (Buch)
9783668335004
Dateigröße
2346 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sachunterricht, Astronomie, Grundschule, Vorstellung, Planeten, Sterne, Befragung, Forschung, Interviews
Arbeit zitieren
Master of Education Janine Tyzak (Autor:in), 2016, Welche Vorstellungen haben Kinder der vierten Klasse zu unserem Sonnensystem und zu ausgewählten Planetenmerkmalen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343350

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