Digital Leadership. Neue Anforderungen an Führung im digitalen Zeitalter und Identifikation von Schlüsselkompetenzen


Masterarbeit, 2016

178 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


„Uber, the world´s largest Taxi Company, owns no vehicles. Facebook, the world´s most popular media owner, creates no content. Alibaba, the most valuable retailer, has no inventory. And Airbnb, the world´s largest accommodation provider, owns no real estate. Something interesting is happening.“
Tom Goodwin, Havas Media, 2015)

Abstract

Die Digitalisierung und ihre technologischen Entwicklungen üben eine tief greifende Veränderung auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und sogar politischer Ebene aus. Sie verändert unsere Art der Kommunikation und des Lebens. Disruptive Innovationen schwächen ganze Branchen und der Innovationsdruck auf Unternehmen steigt. Neue Technologien automatisieren Produktionsprozesse zunehmend. Die Digitalisierung sorgt zudem für eine Veränderung der Arbeitswelt: neue Arbeitsformen entstehen und Arbeit wird flexibler sowie mobiler. Ebenso entscheidend nimmt die Digitalisierung auch Einfluss auf Führung. Führungskräfte finden sich in einer Umwelt wieder, die sich durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität auszeichnet. Die Dynamik bzw. Geschwindigkeit der Märkte nimmt zu und Unternehmen müssen sich digitalisieren, um sich den neuen Anforderungen anzupassen. Derzeit wird dies unter dem Begriff der digitalen Transformation diskutiert. So werden neue Führungskonzepte benötigt – hin zu der Agilität einer Organisation, welche neue Methoden nutzt und die Selbstorganisation der Mitarbeiter fördert. Zugleich wird eine größere Vernetzung, Offenheit, Partizipation und Vertrauen in Richtung Mitarbeiter gefordert. Denn das Unternehmen braucht die Innovationskraft der Mitarbeiter, um zukunfts- und wettbewerbsfähig bleiben zu können.

Diese Masterthesis beschäftigt sich mit den Veränderungen, die durch die Digitalisierung ausgelöst worden sind und mit dem Einfluss eben jener auf Führung. Zugleich wird beleuchtet, wie die Unternehmensführung die digitale Transformation der Organisation erfolgreich gestalten kann. Schließlich wird anhand einer Literaturrecherche ein Kompetenzprofil vorgestellt, das die neuen Anforderungen an die Fähigkeiten und Fertigkeiten einer digitalen Führungskraft darstellt.

Schlüsselwörter: (Digital) Leadership, Chief Digital Officer (CDO), E-Leadership, Leadership 2.0/3.0, Innovative Leadership, Change Leadership, Führung virtueller Teams, transformationale Führung, Digitalisierung (der Arbeitswelt), Industrie 4.0, Arbeit 4.0, E-Business, Enterprise 2.0, (Führungs-)Kompetenzen, Kompetenzmodellierung, Führungspersönlichkeit, Führungsstile, Führung/Leadership, digitale Transformation, Digital Transformation.

INHALTSVERZEICHNIS

Abstract ... I

Abkürzungen ... V

Abbildungsverzeichnis ... VI

Tabellenverzeichnis ... VII

Anhangsverzeichnis ... VIII

1 EINLEITUNG ... 1
1.1 Problemstellung ... 1
1.1.1 Die Digitalisierung der Wirtschaft und der Arbeitswelt ... 1
1.1.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf Führung ... 2
1.2 Ziel und Struktur der Arbeit ... 3
1.2.1 Zielsetzung und Forschungsfrage ... 3
1.2.2 Methodische Vorgehensweise ... 4
1.2.3 Aufbau der Arbeit ... 5
1.3 Terminologische Bestimmungen und Abgrenzungen ... 6
1.3.1 Leadership ... 6
1.3.2 Digitalisierung und digitale Transformation ... 8
1.3.3 Digital Leadership ... 9
1.3.4 Kompetenzen ... 11

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN ... 12
2.1 Führung im Wandel der Zeit: Überblick grundlegender Führungstheorien ... 12
2.1.1 Eigenschaftsorientierte Ansätze ... 13
2.1.2 Verhaltenswissenschaftliche Ansätze ... 14
2.1.3 Situationstheoretische Ansätze ... 16
2.1.4 Beziehungsorientierte Ansätze ... 16
2.1.5 New Leadership Approach ... 17
2.1.6 Aktuelle Leadership-Ansätze ... 23
2.1.7 Implizite Führungstheorien ... 24
2.2 Führung und Kompetenzen ... 26
2.2.1 Entstehung, Entwicklung und Wirkung individueller Kompetenzen ... 26
2.2.2 Kompetenzmessverfahren ... 28
2.2.3 Kompetenzmanagement von Führungskräften ... 28
2.2.3.1 Aufgaben- und Anforderungsanalyse ... 29
2.2.3.2 Prozess der Kompetenzmodellierung nach dem Kode-X-Verfahren ... 31
2.2.4 Führungskompetenzmodelle und Leistungsdimensionen ... 33
2.2.5 Kompetenzentwicklung ... 36

3 DIGITALISIERUNG: BEDEUTUNG UND KONSEQUENZEN ... 37
3.1 Relevanz der Digitalisierung ... 37
3.2 Treiber der Digitalisierung ... 38
3.2.1 Technologische Entwicklungen ... 38
3.2.2 Gesellschaftliche Entwicklungen ... 40
3.3 Auswirkungen der Digitalisierung ... 42
3.3.1 Verschärfung der Wettbewerbssituation ... 42
3.3.2 Veränderung des Kundenverhaltens ... 43
3.3.3 Wandel der Arbeitswelt ... 43
3.3.4 Kommunikation und Vernetzung ... 47
3.3.5 Generationenkonflikt: Digital Natives versus Digital Immigrants ... 48
3.3.6 Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity: die VUCA-Umwelt ... 50
3.4 Die Digitalisierung und Führung ... 51
3.4.1 Neue Erwartungen an Führung ... 51
3.4.2 Charakteristika der Führung in der Digital Economy ... 52
3.4.3 Ambidexterity: Die Beidhändigkeit von Führung ... 53

4 DIGITAL LEADERSHIP: FÜHRUNG IN DER DIGITAL ECONOMY ... 55
4.1 Digital Maturity: das digitale Reifegradmodell der Organisation ... 55
4.2 Ziel, Strategie und Geschäftsmodell ... 57
4.3 Organisationstrukturen und Steuerung ... 59
4.4 Agilität und Hierarchie als parallele Organisationsformen ... 61
4.5 Kultur und Personal ... 63
4.5.1 Etablieren einer digitalen Unternehmenskultur ... 64
4.5.2 Digitale Fähigkeiten und Befähigung der Mitarbeiter ... 65
4.6 Digital Workplace ... 67
4.7 Technologien ... 68
4.8 Ausgewählte Führungsmethoden in der Digital Economy ... 69
4.8.1 Partizipative Workshop-Methoden ... 69
4.8.2 Partizipative Prognosemethoden ... 71
4.8.3 Agile Managementmethoden ... 72
4.9 Ausgewählte Führungsansätze im digitalen Zeitalter ... 75
4.9.1 Führung auf Distanz in virtuellen Teams ... 75
4.9.2 Führung und soziale Medien ... 78
4.9.3 Führung und Innovation ... 83
4.10 Digitale Transformation: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen ... 87
4.10.1 Determinanten eines erfolgreichen digitalen Transformationsprozesses ... 88
4.10.2 Herausforderungen und Stolpersteine der digitalen Transformation ... 89
4.10.3 Leading Change: den digitalen Wandlungsprozess gestalten ... 91

5 DIGITAL LEADER: ERFOLGSRELEVANTE KOMPETENZEN ... 94
5.1 Analyse der Kompetenzfelder im Kontext der Digitalisierung ... 94
5.2 Kompetenzmodellierungsprozess und Methodik ... 98
5.3 Ableitung eines Kompetenzprofils ... 100
5.3.1 Netzwerkkompetenz ... 101
5.3.2 Innovationskompetenz ... 102
5.3.3 Interkulturelle Kompetenz ... 103
5.3.4 Digitale Medienkompetenz ... 104
5.4 Führungskräfteentwicklung im digitalen Zeitalter ... 106

6 SCHLUSSBETRACHTUNG ... 109
6.1 Kritische Würdigung ... 109
6.2 Fazit ... 110

7 Anhang ... 112

8 Literaturverzeichnis ... 124

Abkürzungen

AIT - Advanced Information Technology

BDI - Behavior Description Interview

CDO - Chief Digital Officer

CTI - Critical Incident Technique

FK - Führungskraft/Führungskräfte

IuK - Informations- und Kommunikationstechnologien

KPI - Key Performance Indicators

LMX - Leader-Member-Exchange-Theorie

MA - Mitarbeiter MbE - Management by Exception

MIT - Massachusetts Institute of Technology

MLQ - Multifactor Leadership Questionnaire

PAFS - Selbst- oder Personale Kompetenz (P), Aktivitäts- und Handlungskompetenz (A), Fach- und Methodenkompetenz (F), Sozial- und Kommunikationskompetenz (S)

VUCA - Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguitiy

1 EINLEITUNG

Dieses Kapitel dient der Einleitung in die Arbeit, wobei zunächst die Darlegung der Problemstellung erfolgt, woraus sich schließlich der Bedarf zur thematischen Auseinandersetzung ergibt. Sodann wird auf dieser Grundlage die Zielsetzung der Arbeit abgeleitet, die Forschungsfrage und die angewandte Methodik sowie die Darstellung des Aufbaus. Das Kapitel schließt mit der Bestimmung und Abgrenzung relevanter Begriffe ab.[1]

1.1 Problemstellung

1.1.1 Die Digitalisierung der Wirtschaft und der Arbeitswelt

Wir mailen, skypen, googeln, posten, twittern, bloggen, facebooken, shoppen online, vernetzen uns via XING und LinkedIn, nutzen Apps und Wikipedia, schauen YouTube und speichern unsere Dokumente in der Cloud. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren aufgrund der zunehmenden Digitalisierung in grundlegender Weise verändert: So ist der (Arbeits-)Alltag ohne Computer, Internet, Tablets und Smartphones nicht mehr vorzustellen (Welpe, Schwarzmüller, Brosi, 2015, S. 155). Auf die gleiche Weise revolutionieren leistungsfähigere IT-Systeme und intelligentere Software, hoch entwickelte Robotik und Sensorik, cyberphysische Systeme, 3-D-Druck und Big Data die klassischen Geschäftsmodelle und verändern ganze Branchen. Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK)-Branche trägt mit ca. 85 Mrd. Euro mehr zu der Wertschöpfung in Deutschland bei als traditionelle Branchen (Maschinen- oder Automobilbau). Im 15-Länder-Vergleich steht Deutschland damit auf einem guten fünften Platz (Bundesministerium für Energie und Wirtschaft, 2014, S. 7). Der „Branchenindex DIGITAL“ (ZEW im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie) zeigt, dass die Telekommunikationsdienstleister, IT-Dienstleister und die Mediendienstleister den derzeit höchsten Digitalisierungsgrad vorweisen (TNS Infratest, ZEW, 2014, S. 16 ff.; Bertschek, Clement, 2015. S. 5 f.). Mit einem Umsatz von weltweit 228 Mrd. Euro und mit 86.000 Unternehmen sowie 900.000 Beschäftigten ist die IuK-Branche ein wichtiger Beschäftigungsfaktor. Mit dem Übergang in die Digitalisierung können Unternehmen ihre Produktivität um 30 Prozent steigern und die Chancen für Deutschland im digitalen Bereich weiter erschließen (Bundesregierung, 2014, S. 5). Die Digitalisierung in Deutschland erwirtschaftete von 1998 bis 2012 einen Wachstumseffekt, der bei 0,5 Prozentpunkten pro Jahr lag, was einem gesamtwirtschaftlichen Beitrag von gut einem Drittel entspricht (Bitkom, 2013, S. 17). Traditionelle Geschäftsmodelle geraten unter Druck und es wird von der „vierten industriellen Revolution“[2] oder der „Industrie 4.0“ gesprochen. Ebenso nimmt die Informatisierung der Produktion zu (Berteschek, 2015, S. 3), deren zentrales Merkmal die Vernetzung der virtuellen Computerwelt mit der physischen Welt ist; somit kommt es zu disruptiven strukturverändernden Prozessinnovationen (Hirsch-Kreinsen, Weyer, 2014, S. 2 f.). Die „Industrie 4.0“ steht für einen Paradigmenwechsel in der Industrie (Kagermann, 2013, S. 9) und ist zentrales Thema der Digitalen Agenda der Bundesregierung. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2016, http://m.bmwi.de/BMWi/ Navigation/Technologie-und-Innovation/Digitale-Welt/internet-der-zukunft.html) greift dieses Thema mit zwei Forschungsvorhaben auf: dem „Internet der Dinge“[3] und dem „Internet der Dienste“[4]. Die Digitalisierung wird aufgrund ihrer enormen Bedeutung sowie ihres starken Einflusses auf die Gesellschaft, den Kunden, auf Märkte, die Arbeit und Unternehmen (Petry, 2016a, S. 11) auch als „Digital Economy“ bezeichnet. Diese Entwicklung zeigt die große Notwendigkeit für Unternehmen, in die Digitalisierung zu investieren, um zukunfts- und innovationsfähig zu sein, nachhaltig erfolgreich am Markt agieren zu können und Mitarbeiter (MA) im Wandlungs- und Lernprozessen zu begleiten.

1.1.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf Führung

Die sich aus der Digitalisierung heraus ergebenden Chancen wie auch Risiken führen zu neuen Anforderungen an Führung (vgl. hierzu auch Welpe, Schwarzmüller, Brosi, 2015, S. 155): So verändert sich zunehmend das Verständnis von „Führung“ in Richtung der Selbstorganisation und selbstorganisiertem Lernen der MA. Thomas Sattelberger (ehem. Vorstand der Telekom AG und Botschafter der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ INQA) betont im „Monitor: Führungskultur im Wandel – Kulturstudie mit 400 Tiefeninterviews“ den derzeit stattfindenden Paradigmenwechsel in deutschen Unternehmen: „Entscheidungsfähigkeit und Macht werden zunehmend auf Teams und Projektgruppen verlagert. Der einzelne kluge Kopf wird Teil von Kooperationsnetzen. Geführte erwarten zunehmend andere Menschenführung, Führungskräfte sind zunehmend auf der Suche nach einem anderen Verständnis von Führung und beide wollen eine neue Führungskultur.“ (Forum Gute Führung, 2014, S. 17)

Führung ist im Kontext der Digitalisierung nicht einfach nur eine Angelegenheit für (IT-) Manager, sondern das primäre Thema von Führungskräften (FK) im Topmanagement relevanter Branchen (Weinmann, 2015, S. 13).[5] Die Schnelligkeit, mit der Entwicklungen nach vorne getrieben werden, erfordern neue Konzepte und Werkzeuge, die sich FK zunutze machen, um den globalen Anforderungen der Märkte begegnen zu können und so das Überleben der Organisation zu sichern. Damit rückt auch der Begriff der „Kompetenzen“ immer stärker in den Mittelpunkt der Führungsforschung (Sax, 2011, S. 33). Die zunehmende Digitalisierung erfordert somit auch digitale Führungskompetenzen, die nicht nur in Richtung der klassischen Führungskompetenzmodelle dargestellt werden können. Der digitale Einfluss und die sich verändernden Umweltbedingungen werden in derzeit bestehenden Kompetenzmodellen jedoch noch zu wenig oder überhaupt nicht berücksichtigt (Ciesielski, Schultz, 2016, S. 113 f.; Erpenbeck, Rosenstiel, Grote, 2013, S. 67).

Mit „Digital Leadership“ ist eine aktuelle Diskussion entbrannt, die Führung im digitalen Zeitalter thematisiert und vor allem das Ziel hat, mit geeigneten Konzepten auf die Schnelligkeit und Dynamik der Märkte zu reagieren und den Erfolg mit Flexibilität und Innovationskraft zu sichern, aber auch die visionäre Umsetzung des digitalen Transformationsprozesses des Unternehmens nach vorne zu treiben (Fitzgerald et al., 2013).

1.2 Ziel und Struktur der Arbeit

1.2.1 Zielsetzung und Forschungsfrage

Diese Masterarbeit verfolgt das Ziel, den tief greifenden Veränderungen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, ein aktuell diskutiertes Führungskonzept gegenüberzustellen. Daher versucht diese Studie die folgenden Fragen näher zu beleuchten: Welchen Herausforderungen muss sich Führung im Kontext der Digitalisierung stellen? Wie kann die Unternehmensführung die digitale Transformation der Organisation erfolgreich gestalten? Welche Schlüsselkompetenzen benötigt ein „Digital Leader“, um den Anforderungen, die sich aus der Digitalisierung ergeben, gerecht zu werden?

Weiterhin wird in der vorliegenden Masterarbeit der Versuch unternommen, uneinheitliche Kompetenzmodelle und -beschreibungen einer digitalen FK, die bislang veröffentlicht worden sind, zusammenzufassen, um daraus ein integratives Kompetenzprofil abzuleiten, das zukünftig wissenschaftlich überprüft werden kann.

1.2.2 Methodische Vorgehensweise

Die methodische Herangehensweise dieser Arbeit erfolgt im Sinne einer Literaturarbeit mit dem Ziel, das Thema „Digital Leadership“ aus theoretischer Sicht zu erfassen und damit eine Zusammenfassung ausgewählter Veröffentlichungen und Studien anzubieten. Die zunehmende Relevanz des Themas zeigt sich vor allem im Hinblick auf Diskussionen im Internet, in Foren und in der Managementliteratur. Die Anzahl empirischer Arbeiten sind rar und es existieren relativ wenige Studien bzw. wissenschaftliche Veröffentlichungen. Aufgrund der thematischen Bedeutsamkeit für die Gegenwart hat die Verfasserin insbesondere Wert darauf gelegt, dass die grundlegende Literatur dieser Arbeit nicht älter als fünf Jahre ist. So soll die Aktualität gewährleistet werden. Die für diese Arbeit verwendete nationale und internationale Literatur ist in Form von wissenschaftlichen Veröffentlichungen (Internet und Zeitschriften) sowie in Form von (Lehr-)Büchern und Artikeln publiziert worden. Die im Folgenden genannte Literatur umfasst insbesondere die Inhalte, auf welche sich diese Arbeit in grundlegender Weise zur Bearbeitung der Kernthemen bezieht.

Von thematischer Relevanz haben sich u. a. die Studien von McKinsey (2013, 2015) und ihre Veröffentlichungen zu den Erfolgsfaktoren der Digitalen Transformation erwiesen. Maßnahmen einer erfolgreichen Digitalisierung liefert die Studie von Accenture (2014). Ebenso sind die Veröffentlichungen von Bitkom von Bedeutung, da sie jeweils die Themen „Digitale Arbeitswelt“ (2013, 2014), „Agilität“ (2013a, 2016), Big Data (2014) und „Social Media“ (2015a, 2015b) umfassen. Die Veröffentlichungen von Russel Reynolds Associates (2011, 2014, 2015) beinhalten insbesondere Studien zum „Chief Digital Officer“ bzw. dem „Digital Board Director“. Weiterhin wichtig sind die Studien von Ernst & Young (2014, 2015), die sich mit den Themen „Digital Leadership“ und „Agilität“ befassen. Im Hinblick auf Digitalisierungsstrategien sind insbesondere die Arbeiten vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) von Bedeutung für diese Arbeit (Westerman, Bonnet, McAfee, 2014). Das MIT hat des Weiteren verschiedene Studien mit hoher Relevanz in Zusammenarbeit mit Capgemini Consulting veröffentlicht, welche die Themen „digitale Führung“ und „digitale Transformation“ umfassen (Westerman et al., 2012). Zudem wird Bezug genommen auf weitere Veröffentlichungen von Capgemini Consulting (2012, 2013, 2015, 2016) zum Thema „Digitalisierung“ und zu den als notwendig erachteten „digitalen Kompetenzen“ einer FK. Mit letzterem Aspekt befasst sich auch eine Studie von CRISP Research, deren Erkenntnisse ebenso bedeutsam für diese Arbeit sind (Velten et al., 2015). Als (Forschungs-)Grundlagen dienten zudem die Veröffentlichungen von Ciesielski und Schultz (2016) und von Petry (2012, 2014) sowie dessen Herausgeberband (2016a, 2016b). In Bezug auf die Themen „Kompetenzen“ und „Kompetenzmodellierung“ ist hauptsächlich das Lehrbuch von Heyse, Erpenbeck und Ortmann (2010) von entscheidender Bedeutung für die vorliegende Studie. Dies hat als Grundlage dazu gedient, ein einheitliches Kompetenzmodell zu erstellen, das aus der hier verwendeten Literatur abgeleitet worden ist.

1.2.3 Aufbau der Arbeit

Der erste Teil dieser Arbeit dient der thematischen Einführung im Hinblick auf die Problemstellung, die sich aus der Digitalisierung ergibt, und die Relevanz im Kontext von Führung. Sodann erfolgt die Zielsetzung und Struktur der Arbeit. Anschließend wird die Begriffsbestimmung der für diese Arbeit relevanten Terminologien vorgenommen sowie ihre jeweilige Abgrenzung zueinander. Darauf aufbauend, beschäftigt sich der zweite Teil mit den theoretischen Grundlagen und stellt einen historischen Abriss über grundlegende Führungstheorien dar, die sich im Laufe der Zeit gewandelt haben. Ebenso werden die Grundlagen der Kompetenzforschung in den Blick genommen und Führungskompetenz-modelle sowie das Management selbiger dezidiert betrachtet. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Digitalisierung sowie deren Relevanz und ihren Treibern in Richtung technologischer wie auch gesellschaftlicher Entwicklungen. Des Weiteren werden auch die Auswirkungen der Digitalisierung auf Wirtschaft, Kunden, Arbeit und auf Führung verhandelt, die sich in einer Umwelt wiederfinden, die sich durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität auszeichnet. Im vierten Teil wird auf die Führung in der „Digital Economy“ näher eingegangen. Im Sinne der Unternehmensführung kann mithilfe des „Digital Maturity“-Modells der digitale Reifegrad des Unternehmens erfasst werden. Des Weiteren sind strategisch ausgerichtete Ziele und Geschäftsmodelle von Bedeutung, um die digitale Transformation zur Steigerung des digitalen Reifegrades umzusetzen. Dies beinhaltet ebenso eine Veränderung der Organisationsstrukturen, hin zu agileren Formen und dem Etablieren einer digitalen Unternehmenskultur sowie einer digitalen Befähigung der MA. Ausgewählte Führungsmethoden und -ansätze helfen FK im Kontext der Digitalisierung dabei wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine erfolgreiche digitale Transformation ist mit Herausforderungen verbunden. Sind diese bekannt und wird darauf adäquat reagiert, kann der digitale Wandlungsprozess erfolgreich gestaltet werden. Im fünften Teil werden die erfolgsrelevanten Kompetenzen eines „Digital Leader“ analysiert. Hierfür erfolgt, nach einer Analyse der Kompetenzfelder aus der Literatur, die Ableitung eines Kompetenzprofils. Dabei hat sich gezeigt, dass, neben der Führungskompetenz, insbesondere die Netzwerk-, Innovations-, interkulturelle und digitale Medienkompetenz von Bedeutung zu sein scheinen, um Führung im Kontext der Digitalisierung erfolgreich zu gestalten. Da Kompetenzen entwickelbar sind, kommt ebenso der Kompetenzentwicklung von FK eine Bedeutung zu. Zuletzt erfolgt eine kritische Würdigung der Arbeit und die Studie schließt mit einem Fazit ab.

1.3 Terminologische Bestimmungen und Abgrenzungen

1.3.1 Leadership

Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten wurde der Begriff „Leader“ („Führer“) bzw. „Leadership“ („Führerschaft“) aus dem Englischen in die deutsche Sprache übernommen und wird mit Führung, Leitung und Führungsqualitäten in Verbindung gebracht (Peters, 2015, S. 13 f.). Wegge und Rosenstiel (2004, S. 476) definieren Führung „ als Sammelbegriff für alle Interaktionsprozesse, in denen eine absichtliche soziale Einflussnahme von Personen auf andere Personen zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben im Kontext einer strukturierten Arbeitssituation zugrunde gelegt wird. Rosenstiel (2009, S. 3) liefert eine weitere Definition und versteht unter Führung eine „ zielbezogene Einflussnahme (...). Die Geführten sollen dazu bewegt werden, bestimmte Ziele, die sich meist aus den Zielen des Unternehmens ableiten, zu erreichen . Felfe (2009, S. 3) versteht unter personaler Führung oder Mitarbeiterführung (...) die direkte und zielgerichtete Einflussnahme von Vorgesetzten und Mitarbeitern in Organisationen (...). Zentrales Merkmal personaler Führung ist die Interaktion zwischen den beteiligten Personen . Lord und Mahler (1991) betonen, dass es ebenso auf die MA ankomme, ob eine FK mit ihren Einflussversuchen erfolgreich sei. Demnach sei Führung ein „Prozess, der dazu führt, von anderen als Führungskraft wahrgenommen zu werden“ (Lord, Mahler, 1991, S. 11; zitiert nach: Felfe, 2009, S. 5). Interaktionsprozesse der Führung können in drei Bereichen unterschiedlicher Reichweite gesehen werden: Unternehmensführung, Personalmanagement und personale Führung (Muck, 2007, S.355; Kauffeld, 2011, S.68). Führung kann ebenso durch Strukturen erfolgen (Organigramme, Vorschriften, Stellenbeschreibungen u. a.) und durch Menschen, Vorschriften in gelebte Realität umsetzen u. a., (Rosenstiel, Regnet, Domsch, 2009, S. 3 f.).

Eine generell akzeptierte Definition des Begriffs „Leadership“ existiert bislang nicht (Yukl, 1989; zitiert nach: Spector, 2008, S. 334 f.). Hingegen gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Auffassungen (Bruch, Krummaker, Vogel, 2006, S. 10; vgl. auch Anhang 1)[6]. Eine Gemeinsamkeit einiger Definitionen beinhaltet die Einflussnahme auf die Gesinnung, Überzeugung, das Verhalten und auf die Gefühle anderer Menschen. Dabei kann auch ein „Nicht-Leader“ Menschen beeinflussen, jedoch nicht in der gleichen überdurchschnittlichen Weise wie ein Leader. Leadership wird häufig ebenso als die Führung von Organisationen und Unternehmen betrachtet. Ebenso suggeriert dieser Begriff das Vorhandensein von Charisma sowie den Glauben an die Ausführung einer Mission und die Erfüllung von Zielen und Visionen (Paschen, Dihsmaier, 2014, S. 29 f.; Peters, 2015, S. 14). Winston und Patterson (2006, S. 6 ff.) liefern eine integrative Definition von Leadership auf der Basis einer umfassenden Literaturrecherche, die im Folgenden verkürzt dargelegt wird: „ A leader is one or more people who selects, equips, trains, and influences one or more follower(s) who have diverse gifts, abilities, and skills and focuses the follower(s) to the organization’s mission and objectives causing the follower(s) to willingly and enthusiastically expend spiritual, emotional, and physical energy in a concerted coordinated effort to achieve the organizational mission and objectives. (…) The leader throughout each leader-follower-audience interaction demonstrates his/her commitment to the values of (a) humility, (b) concern for others, (c) controlled discipline, (d) seeking what is right and good for the organization, (e) showing mercy in beliefs and actions with all people, (f) focusing on the purpose of the organization and on the well-being of the followers, and (g) creating and sustaining peace in the organization–not a lack of conflict but a place where peace grows.

Des Weiteren wird zwischen Leader und Leadership unterschieden: Ersterer beschreibt eine Person, die Führung ausübt. Führung wiederum ist der Prozess, durch welchen der Leader die Veränderung fördert und bezeichnet zumeist die gemeinsamen Handlungen der Geführten, der Führenden und der Situation. Geführte sind die Personen, an die Führung gerichtet ist (Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. VI).

In der deutschen Arbeits- und Organisationspsychologie erfolgt oftmals die Gleichstellung von Führung und Management (Rosenstiel, 2009, S. 196; Sarges, 2013, S. 114). Im anglo-amerikanischen Raum unterscheiden jedoch viele Autoren diese beiden Begriffe voneinander (Sarges, 2013, S. 114), wie z. B. auch Bass (1990, S. 383): To manage, the executive carries out the classic functions. To lead, the executive behaves in ways that inspires and influences the behavior of others.“ Diese Arbeit wird sich im Fortfolgenden insbesondere an der anglo-amerikanischen Begriffsdefinition orientieren, da der Ursprung des Digital-Leader-Konzeptes ebenfalls in den USA liegt. Der Begriff des Leaders grenzt sich von dem des Managers insoweit ab, da hier unterschiedliche Einstellungen zugrunde liegen, im Hinblick auf Ziele, Arbeitsauffassungen und Rollen (Peter, 2015, S. 33 ff.). Kotter (1990) beschreibt zusammenfassend Manager als Verwalter, während Leader Visionäre seien, die inspirieren und motivieren würden (Bruch, Krummaker, Vogel, 2006, S. 10; Bennis, 1989, S. 7; Zaleznik, 1977, S. 67 ff.). Leadership findet, wie oft angenommen, nicht nur auf der Ebene des Topmanagements statt, sondern ist auf allen Hierarchieebenen zu finden (Bruch, Krummaker, Vogel, 2006, S. 10), so bspw. auch im Rahmen sozialer Systeme und deren natürlicher Herausbildung eines informellen Leaders (Yukl, 2013, S. 19). Um die verschiedenen Leadership-Aspekte zu strukturieren, schlagen Bruch, Krummaker und Vogel (2006, S. 5 f.) eine Mehrebenenbetrachtung vor (vgl. hierzu auch Steinle, 1995; Yukl, 2006): (a) Leadership in und von Unternehmen; (b) Leadership von MA und Teams; (c) Leader: Persönlichkeiten und Kompetenzen erfolgreicher FK. Neben diversen Definitionsvorschlägen existieren ebenso zahlreiche Führungstrends, die wiederum eine Vielzahl an Leadership-Konzepten hervorbringen. So befindet sich die Leadership-Forschung ebenfalls im Wandel und entdeckt permanent neue Ausprägungen (Peters, 2014, S. 35).

1.3.2 Digitalisierung und digitale Transformation

Für den Begriff „Digitalisierung“ verwendet der Duden das Verb „digitalisieren“ (o. J., http://www.duden.de/rechtschreibung/digitalisieren) und beschreibt damit Daten und Informationen, die digital dargestellt werden, sowie ein analoges Signal, welches digital umgewandelt wird. „Digital“ beschreibt der Duden als „auf Digitaltechnik, Digitalverfahren beruhend“ (Duden, o. J., http://www.duden.de/rechtschreibung/digital). Umgangssprachlich formuliert, wird darunter die Verwendung von Computertechnologien verstanden, im engeren Sinne mit den sogenannten SMACT-Technologien: Social, Mobile, Analytics/Big Data, Cloud und (Internet-of-)Things-Technologien (Bloem et al., 2014, S. 3). Der Begriff der „Digitalisierung“ wiederum kann im weiteren Sinne im Hinblick auf zwei Interpretationsmöglichkeiten verstanden werden: „ Er bezeichnet entweder die Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitalen Speicherung oder den Prozess, der durch die Einführung digitaler Technologien bzw. der darauf aufbauenden Anwendungssysteme hervorgerufenen Veränderungen “ (Hesse, 2016, http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/wienzyklopaedie/lexikon/technologien-methoden/Informatik--Grundlagen/digitalisierung/). In dieser Arbeit wird „Digitalisierung“ gemäß Petry (2016b, S. 22) aus Unternehmensperspektive wie folgt aufgefasst: „ Die Digitalisierung ist ein durch technologische Entwicklungen getriebener bzw. ermöglichter Transformationsprozess von Unternehmen bzw. ganzen Branchen, der weitreichende strategische, organisatorische sowie soziokulturelle Veränderungen mit sich bringt. “ Diese Begriffsdefinition macht es notwendig, für ein umfassenderes Verständnis ebenso die Definition der „digitalen Transformation“ einzubeziehen. Unter diesem Begriff verstehen Fitzgerald et al. (2013, S. 2) „ the use of new digital technologies (social media, mobile analytics or embedded devices) to enable major business improvements (such as enhancing customer experience, streamlining operations or creating new business models).

1.3.3 Digital Leadership

Sprinkart und Gottwald (2003, S. 15) sehen „Digital Leadership“ in enger Verbindung zu „Knowledge Media“, was sie als einen „ kontextintensive(n) Umgang mit digital vernetzten Medienverbünden“ verstehen (Sprinkart, Gottwald, 2003, S. 16), also als ein Zusammenwachsen der Bereiche Telekommunikation, Informationstechnologien, Entertainment und Sicherheitstechnik. Kern dieses Ansatzes ist das Führen mit neuen Medienplattformen bzw. Medienmanagement. Ein ähnliches Konzept findet sich in aktuellen Begriffsdefinitionen im Kontext des E-Leadership-Ansatzes wieder. Wilson et al. (2004, S. 2) unterscheiden im Hinblick auf die Definition des Begriffs „Digital Leadership“ zwischen zwei Konzepten: „Leadership in the digital age“ und „Digital Leadership“. „Leadership in the digital age“ betrachtet Führung im Rahmen der Veränderungen hin zu einer Wissensgesellschaft. Die Führungskräfte müssten sich somit die Vorteile und Chancen dieser Veränderungen vergegenwärtigen, IuK-Technologien anbieten und diese ebenso effektiv wie zukunftsorientiert nutzen. „Digital Leadership“ definieren sie als Führung im Kern der Wissensgesellschaft mithilfe von Computern, Kommunikation und Inhaltsangeboten sowie Multimedia. Dabei werden beide Definitionsvarianten nahe beieinander gesehen. Aufgrund der sich seit mehr als einer Dekade verändernden Bedingungen im Rahmen der Digitalisierung, ändert sich auch entsprechend die Definition von Digital Leadership, sodass ältere Definitionsversuche inzwischen zu kurz greifen. Aus diesem Grund bezieht sich diese Arbeit auf die aktuellen Definitionsvorschläge von Digital Leadership. Diese beschreiben vorwiegend die Umsetzung und Gestaltung des digitalen Transformationsprozesses als Hauptaufgabe im Rahmen des Konzeptes. So bieten Velten et al. (2015, S. 8 f.) folgenden aktuellen Definitionsversuch und verstehen einen „Digital Leader“ demnach „ als digitale Führungsfigur und als Verantwortliche(n) der Digitalen Transformation im Unternehmen. (...) Der Digital Leader steht als digitale Führungsperson stellvertretend für die Digitalisierung des eigenen Unternehmens. Er zeichnet sich durch ein fundiertes Wissen sowie ein ausgeprägtes ‚Digital-First-Denken‘ aus. Der Digital Leader führt sein Team mit einem hohen Partizipationsgrad, regt neue Innovationen an und geht für den Fortschritt der Digitalen Transformation auch neue Wege.“ Deloitte (2015, S. 9) beschreibt ähnlich, dass „Digitale Leader“ dafür verantwortlich seien, „ eine Vision für die digitale Zukunft des Unternehmens zu erschaffen, der Organisation eine klare Richtung vorzugeben und jeden Einzelnen aktiv in den Transformationsprozess mit einzubeziehen . Petry (2016a, S. 11) postuliert, dass der Digital-Leadership-Begriff für drei Aspekte verwendet werde: (1) für eine adäquate Unternehmensführung im Zeitalter der Digital Economy, (2) für eine adäquate Personalführung im Zeitalter der Digital Economy und (3) für digital führende Unternehmen. Zunehmend erfolge die Institutionalisierung der Funktion des Digital Leader in der Rolle eines Chief Digital Officer (CDO). Der „Digital Leader“ erkenne den hohen Transformationsbedarf diverser Unternehmensbereiche der eigenen Organisation, die stark von der Digitalisierung betroffen seien. Genauso wie es relativ wenige gültige Definitionsvorschläge für Digital Leadership gibt, so existieren bis dato auch kaum allgemeingültige Definitionen eines CDO. Tuck, Smaje und Sohoni (2015, http://www.mckinsey.com/insights/organization/transformer_in_chief_the_new_chief_digital_officer) bezeichnen diesen im Rahmen einer Studie für das Unternehmen McKinsey als „‚ transformer in chief‘, charged with coordinating and managing comprehensive changes that address everything from updating how company works to building out entirely new businesses“. Die Definition eines CDO nach Friedrich, Péladeau und Mueller (2015, S. 5 f.) lautet wie folgt: „ We define the CDO as that executive who has been given both the responsibility and the authority to bring about the company´s transformation to a fully digital enterprise.

Im Digital-Leadership-Konzept finden sich ebenso Einflüsse des E-Leadership-Konzeptes. Das macht zum besseren Verständnis eine begriffliche Abgrenzung notwendig. Unter E-Leadership wird im Allgemeinen „die Führung von Mitarbeitern unter Einsatz elektronischer Medien“ (Hertel, Lauer, 2012, S. 103) verstanden: „Dabei gilt es die neuen und die sich permanent weiterentwickelten Kommunikationsmedien effizient einzusetzen“ (Peters, 2014, S. 37). Die digitalisierte und vernetzte Welt verfügt über ausgeprägte und schnelle Kommunikationsmittel und -medien. Menschen müssen mithilfe des zielorientierten Einsatzes von Kommunikationstechnologien über nationale, geografische, aber auch kulturelle und weitere Grenzen hinaus zusammengebracht werden. Diese spezifischen Kontextbedingungen führen zu besonderen Anforderungen an Führungsstrategien. Daher bezeichnet dieser Begriff keinen konkreten Führungsansatz, sondern besteht vielmehr aus mehreren Führungsstrategien, die sich für eine elektronisch vermittelte Zusammenarbeit eignen (Hertel, Lauer, 2012, S. 103 f.). Avolio, Kahai und Dodge (2000, S. 617) definieren E-Leadership wie folgt: „(…) a social influence process mediated by AIT (advanced information technology) to produce a change in attitudes, feelings, thinking, behavior, and/or performance with individuals, groups, and/or organizations. E-leadership can occur at any hierarchical level in an organization and can involve one-to-one and one-to-many interactions within and across large units and organizations. It may be associated with one individual or shared by several individuals as its locus changes over time.“

1.3.4 Kompetenzen

Für den Begriff „Kompetenzen“ existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen. Schmidt-Rathjens (2007, S. 593) nimmt folgende Begriffsbestimmung vor: „ Unter Kompetenzen versteht man im allgemeinen Sinne Wissen, Fähigkeiten, Motivation, Interesse, Fertigkeiten, Verhaltensweisen und andere Merkmale, die im Zusammenhang mit den Anforderungen einer bestimmten Aufgabe stehen . Eine weitere Definition von Krumm und Mertin (2013, S. 491) stützt sich auf die Überlegungen von Scherm (2009), Erpenbeck und Rosenstiel (2005) sowie Eck, Jöri und Vogt (2007): „ Wir verstehen Kompetenzen als ein Set von Fähigkeiten, Fertigkeiten und anderen Merkmalen, das ursächlich dazu beiträgt, dass eine Person in der Lage ist, komplexe Situationen (im Beruf) effektiv zu bewältigen “. Rosenstiel und Nerdinger (2011, S. 156) betrachten Kompetenzen als „ Dispositionen (...), die auf das Prinzip der selbstorganisierten und selbstbestimmten Auseinandersetzung mit einem Gegenstandsbereich verweisen“. Nach Erpenbeck, Rosenstiel und Grote (2013, S. 8) entwickelt sich ebenso die Fähigkeit zum selbstorganisierten und kreativen Handeln zu einer allgemeinen Anforderung an FK, die auf der zunehmenden Komplexität, Beschleunigung, Globalisierung und „Chaotisierung“ der modernen Informationsgesellschaft beruhe. Kompetenzen können in personale, aktivitäts- und umsetzungsorientierte, fachlich-methodische und sozial-kommunikative Kompetenzfelder (PAFS) eingeteilt werden (Erpenbeck, Rosenstiel, 2003, S. XXIII–XXIV). Aufgrund ihrer Bedeutung werden sie häufig auch als Schlüsselkompetenzen bezeichnet. Es kann davon ausgegangen werden, dass Kompetenzen in ihren Ausprägungen erlernbar sind und sich über die Lebenszeit verändern und entwickeln lassen (Weinert, 2009, S. 16 f.).

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN

Diese Kapitel bildet die Ausgangssituation im Hinblick auf Führung und auf (Führungs-) Kompetenzen. Zunächst erfolgt ein Überblick über grundlegende Führungstheorien. Diese Ansätze unterscheiden sich darin, dass sie verschiedene Einflussfaktoren auf den Führungserfolg betrachten. Sodann wird näher auf die theoretischen Grundlagen der Kompetenzforschung eingegangen und es werden notwendige Führungskompetenzen im Rahmen eines Kompetenzmanagementsystems beschrieben. Das Kapitel schließt thematisch mit Ausführungen zur Kompetenzentwicklung ab.

2.1 Führung im Wandel der Zeit: Überblick grundlegender Führungstheorien

Führung fasziniert die Menschheit seit Jahrhunderten und die Führungsforschung blickt auf eine lange Tradition zurück: Schon antike Philosophen, wie Platon und Aristoteles, beschäftigten sich mit dem Thema der Führung (Enste, Eyer, Knelsen, 2013, S. 3 f.). Die frühesten Werke beinhalten bereits Führungsphilosophien und Biografien großer Führer. Sie kreierten Bildnisse großer Führungspersönlichkeiten, den sog. „Great Men“. Rationale und normative wie auch biologische Perspektiven der Führung brachte das industrielle Zeitalter hervor, unter anderem durch die Arbeiten von Karl Marx, Charles Darwin oder Max Weber (Enste, Eyerund, Knelsen, 2013, S. 4). Mit der Entwicklung der Sozialwissenschaften im 20. Jahrhundert erfolgten fruchtbare Erkenntnisse in der Führungsforschung. Aufgrund des regen Interesses tauchten vermehrt Studien zu Führung und Leadership im Kontext verschiedener Disziplinen auf (Northouse, 2015, S. 2 ff.), wie u. a. in der Psychologie, der Betriebswirtschaft und im Bildungsbereich (Rost, 1991, S. 45). In der Betrachtung von „Führung“ finden sich jeweils die Aspekte wieder, die eine Gesellschaft in einer bestimmten Epoche besonders beschäftigen und die auf Führung angewandt werden. Bis heute ist dieser Trend zu beobachten: Es sind viele unterschiedliche Führungstheorien aufgestellt worden. Neue Modelle werden stets beschrieben, deren empirische Überprüfung allerdings zum Teil noch aussteht (Enste, Eyerund, Knelsen, 2013, S. 4 f.). Die in diesem Kapitel thematisierten Führungsansätze prägten die Führungsforschung maßgeblich bzw. sind Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Diskurse. Ihr Unterschied liegt in der Betrachtungsweise der Einflussfaktoren, die sie im Hinblick auf den Führungserfolg als verantwortlich erachten (Kauffeld, 2011, S. 70). Die zeitliche Abfolge wird in nachfolgender Tabelle dargestellt.

[Tabellen werden in dieser Leseprobe nicht dargestellt]

Tabelle 1: Trends der „Leadership“-Theorien und Forschungen (in Anlehnung an: Byrman, 1992, S. 1; Northouse, 2015, S. 3 f.)

2.1.1 Eigenschaftsorientierte Ansätze

Die Annahme aller eigenschaftsorientierten Ansätze im Rahmen der „Great-Man-Theorie“ (Carlyle, 1888; zitiert nach: Carneiro, 1981, S. 171) lautet: „ Die Fähigkeit zu führen ist, egal ob angeboren oder erworben, eine relativ stabile, zeit- und situationsunabhängige Persönlichkeitsdisposition“. Das Ziel dieses theoretischen Ansatzes ist es, die individuellen Persönlichkeitsmerkmale zu identifizieren, die besonders stark in Verbindung stehen mit dem Führungserfolg. Konstruktseitig können kognitive Fähigkeiten den beruflichen Erfolg von Arbeitenden am besten vorhersagen (Kauffeld, 2011, S. 70; Hülsheger, Maier, Stumpp, 2007; Sarges, 2013, S. 204). Judge et al. (2004, S. 18) kommen zu dem Ergebnis „that leaders must possess the intelligence to make effective decisions, the dominance to convince other, the achievement motivation to persist, and multiple other traits if they are to emerge as a leader or be seen as an effective leader . Forschungsarbeiten veranschaulichen, dass Intelligenz meist deutlich positiv mit dem Führungserfolg zusammenhängt. Es zeigt sich jedoch eine weite Streuung der Korrelationskoeffzienten von -.14 bis zu +.90 (vgl. zusammenfassend Gebert, Rosenstiel, 2002; Schuler, Höft, 2006; Rosenstiel, Regnet, Domsch, 2009, S. 7 f.; Rosenstiel, Nerdinger, 2011, S. 183). Aktuellere Analysen zeigen, dass kognitive Fähigkeiten im Hinblick auf verschiedene Aspekte der Intelligenz, Flexibilität (im Sinne des raschen Einstellens auf neue Situationen), Motivation zur Zielerreichung sowie emotionale Intelligenz recht stabil sind und zur Prognose des Führungserfolges beitragen können (Rosenstiel, Nerdinger, 2011, S. 183). Eine weitere Metaanalyse von Judge et al. (2002) illustriert zudem bedeutsame Zusammenhänge zwischen dem Führungserfolg und dem Fünf-Faktoren-Modell, der sog. „Big Five“[7] (Costa, McCrae, 1992), mit einer multiplen Korrelation von .48. Am konsistentesten sage Extraversion den Führungserfolg voraus (Kauffeld, 2011, S. 70; Muck, 2007, S. 359). Zudem relevant seien Offenheit für neue Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität (Yukl, 2013, S. 153 f.; Judge et al., 2002; Felfe, 2009, S. 25 f.). Eine Kombination von Intelligenz und den Persönlichkeitseigenschaften im Sinne der „Big Five“ zeigt eine multiple Korrelation zur Anerkennung der Führungsperson von .57 (Ilies, Gerhardt, Le, 2004, S. 207 ff.). Als spezifische Eigenschaften in Bezug zur Führungseffektivität konnten ein hohes Energielevel, Stresstoleranz, internale Kontrollüberzeugung, emotionale Reife, Integrität und ein moderates bis starkes Selbstbewusstsein ermittelt werden (Yukl, 2013, S. 146 ff.). Im Hinblick auf Motivdispositionen (z. B. McClelland, Boyatzis, 1982) korreliert ein sozialisiertes Machtmotiv mit dem Führungserfolg, eine mäßig hohe Leistungsorientierung und ein moderates bis niedriges Anschlussmotiv („Leadership Motive Pattern“) (McClelland, Boyatzki, 1982). Weiterhin seien die physische Vitalität und emotionale Resilienz von Bedeutung (Yukl, 2013, S. 146 ff.).

Die Befundlage zum Zusammenhang zwischen Führung und Persönlichkeit gilt als uneinheitlich und inkonsistent (Felfe, 2009, S. 25). Die moderaten bis geringen Zusammenhänge zwischen Führungserfolg und Persönlichkeitseigenschaften zeigen, dass auch andere Einflussfaktoren am Führungserfolg beteiligt sein müssen. Der starke Fokus auf Charaktereigenschaften lässt sich mit dem Attributionsfehler erklären: Beobachter hätten die Tendenz, bzgl. des Verhaltens anderer dispositionale Faktoren zu überschätzen und situative Einflussfaktoren zu unterschätzen (Kauffeld, 2011, S. 71).

2.1.2 Verhaltenswissenschaftliche Ansätze

Die kritische Auseinandersetzung mit dem „Heldenmythos“ des eigenschaftsorientierten Ansatzes brachte neue Erklärungsmodelle für den Führungserfolg mit sich und weckte das Interesse am Verhalten der FK (Kauffeld, 2011, S. 71 f.). Damit war nicht mehr die Abstammung eine Frage des Führungserfolges, sondern das erlernbare Verhalten im Sinne des Behaviorismus, welcher seinerzeit die Psychologie beeinflusst hat. Angestoßen wurde dies durch die Führungsstilforschungen von Kurt Lewin, der drei Führungsstile voneinander unterscheidet: autoritär (FK trifft alleinige Entscheidungen, Anweisungen, Kontrollen); demokratisch (Partizipation, Vertrauen, Fairness) und Laissez-faire-Führung (FK entzieht sich fast vollständig, lediglich vage Anweisungen) (Kauffeld, 2011, S. 71; Felfe, 2009, S. 28). Studien an der Ohio-State-University („Ohio-Studien“) haben ergeben, dass sich der Führungsstil mittels faktorenanalytischer Methoden in zwei großen Dimensionen unterscheiden lässt, namentlich in Aufgabenorientierung („Initiating Structure“) und Mitarbeiterorientierung („Consideration“) (Fleishman, 1953; Hemphill, Coons, 1957; zitiert nach: Felfe, 2009, S. 26 f.; Yukl, 2013, S. 64 f.). Bei der aufgabenorientierten Führung stehen die Klärung von Zielen sowie die Aktivierung und Kontrolle der Zielerreichung im Vordergrund (Felfe, 2009, S. 27). Ebenso betont die aufgabenorientierte FK die Einhaltung von Standards und Terminen. Sie strukturiert und definiert die eigene Rolle wie auch die der MA und entscheidet die Aufgabenverteilung (Kauffeld, 2011, S. 71). Die mitarbeiterorientierte FK zeigt Wertschätzung, nimmt auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht und beteiligt die Geführten (Felfe, 2009, S. 27). Zudem stärkt sie den Selbstwert der MA, behandelt sie gleichwertig und greift ihre Vorschläge auf. Die Dimensionen der Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung lassen sich mit dem sog. LBDQ (Leader Behavior Description Questionnaire) abbilden (Hemphill, Coons, 1957; dt.: FVVB, nach Fittkau-Garthe, Fittkau, 1971; Kauffeld, 2011, S. 71). Die Aufgaben- und die Mitarbeiterorientierung korrelieren positiv miteinander und haben sich als reliabel erwiesen. Zudem korreliert die Mitarbeiterorientierung mit der Arbeitszufriedenheit, Motivation und Leistung. Die Aufgabenorientierung weist geringere Zusammenhänge auf (Rosenstiel, Regnet, Domsch, 2009, S. 11 f.; Felfe, 2009, S. 29), steht aber mit Indikatoren der Leistung in Beziehung (Sarges, 2013, S. 412). Blake und Mouton (1964 zitiert in Felfe, 2009, S.29; Blessin & Wick, 2014, S.110f.) entwickelten auf der Grundlage der beiden Dimensionen ein Verhaltensgitter („Managerial Grid“) und kombinierten verschiedene Arten des Führungsverhaltens. Auch Tannenbaum und Schmidt (1973, S. 4) unterscheiden zwischen der Autorität einer FK und dem Freiheitsgrad der MA. Starke Beachtung fand ebenso ein weiterer Faktor, der als „Partizipation“ (Mitwirkung, Zustimmung der MA) beschrieben wird (Fittkau-Garthe, Fittkau, 1971; Sarges, 2013, S. 412).

Abschließend lasse sich die Streitfrage, ob nun der aufgaben- oder der mitarbeiterorientierte Führungsstil der effektivere sei, auch mittels metaanalytischer Befunde nicht eindeutig beantworten (Kauffeld, 2011, S. 72). Beide Stile trügen je nach Situationslage zum Erfolg bei (Rosenstiel, Regnet, Domsch, 2009, S. 12 f.; Yukl, 2013, S. 71 f.). Dieses Konzept habe bis Ende der 1970er-Jahre die Führungsforschung dominiert (Sarges, 2013, S. 116; Fleishman, 1995, S. 51). Für FK biete dieser Ansatz ebenso Entwicklungsmöglichkeiten: Würden diese zur einer stärkeren Aufgabenorientierung neigen, sollten sie ihre MA stärker einbeziehen und beteiligen. FK mit einer hohen Mitarbeiterorientierung sollten darauf achten, dass eindeutige Ziele vorhanden sind, und die Erreichung dieser konsequent verfolgen (Felfe, 2009, S. 30).

2.1.3 Situationstheoretische Ansätze

Nachdem man zur Erkenntnis gelangt ist, dass weder durch bestimmte Persönlichkeitseigenschaften noch durch ein ideales Führungsverhalten der Führungserfolg bestimmt wird, wandte sich die Wissenschaft der Erforschung der Situation als einer möglichen Einflussgröße zu (Kauffeld, 2011, S. 72 f.; Rosenstiel, Nerdinger, 2011, S. 183). Denn identisches Verhalten führe keineswegs in allen Situationen zum Erfolg. So könne das Verhalten der Geführten ebenso als eine vom Führungserfolg abhängige Variable interpretiert werden („interaktionistischer Ansatz“) (Felfe, 2009, S. 31). Der Führende erreiche persönliche und/oder organisationale Ziele mithilfe der Geführten (Rosenstiel, Nerdinger, 2011. S. 184) (vgl. Anhang 2). Alle Ansätze, die eine Kombination von Person und Situation vorschlagen (Kontingenzansätze), haben gemeinsam, dass sie für eine jeweils bestimmte Situation unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale bzw. ein spezifisches Führungsverhalten fordern (Rosenstiel, Regnet, Domsch, 2009, S. 15). So werde insbesondere in Krisensituationen, wie Mulder und Stemerding (1963, S. 317 ff.) herausfanden, ein eher direktives, entscheidungsorientiertes und durchsetzungsfähiges Verhalten der FK gefordert (Yukl, 2013, S. 53; vgl. hierzu auch Peterson, Van Fleet, 2008, S. 503 ff.). Es entstanden einige Ansätze, die jeweils für sich den Anspruch erhoben, die wichtigsten Parameter in der jeweiligen Führungssituation messbar gemacht zu haben (Rosenstiel, Regnet, Domsch, 2009, S. 14), so z. B. das LPC-Kontingenzmodell (Fiedler, 1976), die Weg-Ziel-Theorie (House, 1971, S. 321 ff.; Evans, 1970, S. 277 ff.), das Modell multipler Verbindungen (Yukl, 1971, S. 414 ff.), die Entscheidungstheorie (Vroom, Yetton, 1973), das Reifegradmodell (Hersey, Blanchard, 1977) und die Theorie der Führungssubstitute (Kerr, Jermier, 1978, S. 375 ff.), wie auch weitere, hier nicht aufgezählte Ansätze (vgl. hierzu auch Yukl, 2013, S. 168 ff.). Einen nachgewiesenermaßen recht nützlichen Ansatz stelle die situative Entscheidungstheorie nach Vroom und Yetton (1973) dar (Rosenstiel, Regnet, Domsch, 2009, S. 14 ff.; Blessin, Wick, 2014, S. 131 f.; Vroom, Jago, 2007, S. 17 ff.).

2.1.4 Beziehungsorientierte Ansätze

Im Gegensatz zu den „kontingenztheoretischen Ansätzen“ stehen in den „beziehungsorientierten Ansätzen“ die Interaktionen zwischen FK und MA sowie die Frage im Fokus, wie sich die Qualität und die Merkmale der Beziehung auf die MA-Zufriedenheit und auf die Produktivität der Zusammenarbeit auswirken (Kauffeld, 2011, S. 73). Die Leader-Member-Exchange-Theorie (LMX) (Danserau, Graen, Hage, 1975) ist eines der bekanntesten Modelle des beziehungsorientierten Ansatzes (Sohm, 2007, S. 18). Die Grundidee der LMX liegt in der Auffassung, dass die FK mit jedem MA eine separate Austauschbeziehung entwickelt und verschiedene MA nicht die gleiche Führung erleben, sondern eine differenzierte (Felfe, 2009, S. 49). Unterscheiden lassen sich diese FK-MA-Beziehungen nach dem Ausmaß des Austausches: Die „Ingroup“ (Vertrauenskader, auch: „trusted cadre“) bilden die MA, die in einem hohen Austausch mit der FK stehen, während die „Outgroup“ (geringeres Vertrauen: auch „hired hands“) wenig Aufmerksamkeit von der FK erhält. Anhand verschiedener Ausprägungen lässt sich die Qualität der dyadischen Beziehung bemessen, welche mittels Fragebogen erfasst werden kann (Kauffeld, 2011, S. 73; Schyns, Collani, 2002, S. 219 ff.). Die Beziehungen unterscheidet sich z. B. hinsichtlich der Handlungs- und Entscheidungsspielräume („negotiating latitude“), welche die FK dem MA einräumen, sowie im Hinblick auf das Vertrauen, die Loyalität, die Kommunikationshäufigkeit, die Verantwortungsdelegation und die Partizipation. Insgesamt lässt sich die Beziehungsqualität durch folgende Dimensionen charakterisieren: Verpflichtung, Vertrauen, Respekt, Emotion und Loyalität. Mit dem LMX-Ansatz lässt sich das Augenmerk darauf richten, wie homogen oder heterogen das Führungsklima in einem Bereich ist (Felfe, 2009, S. 50). Das Lebenszyklusmodell der LMX-Theorie (Abb. 1) zeigt, wie sich die Austauschbeziehung zwischen Leader und Follower entwickeln kann (Sohm, 2007, S. 19).

Abbildung 1: Entwicklungen von Leader-Member-Beziehungen in der LMX-Theorie (Graen, Uhl-Biel, 1995, S. 231; Sohm, 2007, S. 19)

[Abbildungen werden in dieser Leseprobe nicht dargestellt]

Metaanalytische Befunde lassen darauf schließen, dass durch eine qualitativ hochwertige Beziehung zu allen Gruppenmitgliedern eine hohe Arbeitszufriedenheit erreicht werden kann und feste Bindungen der MA an das Unternehmen sowie organisationales Commitment entstehen (Felfe, 2009, S. 50). Jedoch lässt sich eine höhere Leistungsfähigkeit, gemessen an objektiven Kriterien, durch eine hohe Beziehungsqualität nicht gewährleisten (Graen, Uhl-Bien, 1995, S. 219 ff.; Gerstner, Day, 1997, S. 827 ff.).

2.1.5 New Leadership Approach

Führungsansätze, die dem „New Leadership Approach“ zugeordnet werden, versuchen die Frage zu beantworten, wie es FK gelingt, die Organisation und die MA in einer Weise zu führen, dass herausragende Leistungen erzielt werden. So sollen steigende und vor allem veränderte Anforderungen erfolgreich bewältigt werden können (Felfe, 2009, S. 43). Unter New Leadership sind Führungstheorien zusammengefasst, bei welchen, im Vergleich zu klassischen Führungstheorien, auch emotionale Aspekte Berücksichtigung finden (Robbins, 2001, S. 385) und die seit den 1980er-Jahren in das Zentrum des Interesses gerückt sind. Diese New-Leadership-Ansätze werden als Hybridformen bezeichnet, denn sie führen verschiedene Ansätze und Erkenntnisse zusammen (Antonakis, Sohm, 2007, S. 20).

Mit der Arbeit von Bass (1985; Bass, Avolio, 1990) wurden in Studien visionäre oder charismatische Leadership-Theorien erforscht. Aus diesen Ansätzen heraus entwickelte sich der sog. „transformationale Führungsstil“. Dieser beschreibt erfolgreiche Führung als einen Prozess, der Menschen und Organisationen „transformiert“ (Northouse, 2015, S. 3). Aufgrund der thematischen Relevanz dieses Aspektes für die vorliegende Studie soll insbesondere der transformationale Führungsstil im Folgenden dezidiert betrachtet werden:

Die Abgrenzung von transaktionaler und transformationaler Führung geht zurück auf Burns (1978), der das Verhalten politischer Führungspersonen erforschte. Typische „Bürokraten“ schrieb er den transaktionalen Führungsstil zu, während er das Führungsverhalten von charismatischen Persönlichkeiten als transformational bezeichnete. Durch die Arbeiten von Bass (1985) initiiert, untersuchten Forscher die psychologischen Mechanismen, die den beiden Stilen zugrunde liegen. Zur empirischen Erfassung des transaktionalen und transformationalen Führungsstils entwickelten Bass und Avolio (1990) den sog. „Multifactor Leadership Questionnaire“ (MLQ). Der transformationale Führungsstil gehört zu den am häufigsten erforschten Führungstheorien der letzten 20 Jahre (Kauffeld, 2011, S. 74 f.). Sowohl transaktional als auch transformational Führende könnten in der Zielerreichung erfolgreich sein. Jedoch würden transformational Führende mehr erreichen, da die Geführten stärker einbezogen würden und somit eine höhere Nachhaltigkeit erreicht werde (vgl. hierzu auch Sorenson, Goethals, 2001; Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 7; Yukl, 2013, S. 313). Abb. 2 stellt die Inhalte und Konsequenzen transaktionaler und transformationaler Führung dar, die ebenso im Folgenden kurz erläutert werden.

Abbildung 2: Inhalte und Konsequenzen transaktionaler und transformationaler Führung (Nerdinger, Blickle, Schaper, 2014, S. 91)

[Abbildungen werden in dieser Leseprobe nicht dargestellt]

Transaktionale Führung: Die Transaktionale Führung beruht auf einer rationalen Austauschbeziehung zwischen der FK und den Geführten und beinhaltet das Prinzip der „Verstärkung“. So haben die MA mit positiven und negativen Konsequenzen in Bezug auf ihr eigenes Verhalten zu rechnen. Die FK kontrolliert den Weg (mittels einem „Erleichtern“ oder einem „Blockieren“) und auch das Ziel (mittels „Belohnen“ oder „Vorenthalten“) (Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 6). Die FK lenkt dabei das MA-Verhalten durch „bedingte Belohnungen“, wie z. B. Zielvereinbarungen und Rückmeldungen. Klare und operational definierte Ziele gehören zu den wesentlichen Führungsaufgaben sowie Anreize und Belohnungen, die dem MA besonders wichtig sind und die mithilfe einer entsprechenden Weg-Ziel-Verknüpfung verdeutlicht werden (vgl. hierzu auch Wegge, 2002). Durch die stetige Verstärkung von erwünschtem Verhalten (z. B. mittels finanzieller Anreize) soll es zu einer Steigerung der Leistung und der Zufriedenheit des MA kommen, was jedoch nicht immer zum Erfolg führt. Bei einem unklaren Zusammenhang von Leistung und Erfolg wie auch bei einem als unfair und manipulativ erlebtem Belohnungssystem kann ein transaktionaler Führungsstil negative Auswirkungen auf den Gruppenerfolg haben (Avolio, Bass, 1987, S. 29 ff.). Sog. „Management by Exception“ (MbE) zählt nach Avolio und Bass (1987) ebenso zu den transaktionalen Führungsstrategien. Aktives MbE bezieht sich auf Leistungskontrollen, das Setzen von Standards sowie auf das korrektive Eingreifen bei Abweichungen von den gesetzten Maßstäben. Bei der passiven Form verzichtet die FK auf Kontrollen und greift lediglich im äußersten Notfall ein (Kauffeld, 2011, S. 75 f.).

Transformationale Führung: Die Erweiterung des transaktionalen Konzeptes stellt die transformationale Führung dar (Bass, Avolio, 1994). Avolio, Walumba und Weber (2009, S. 423) definieren „Transformational Leadership“ als Führungsverhaltensweisen („leader behaviors“) „ that transform and inspire followers to perform beyond expectations while transcending self-interest for the good of the organization“. Im Gegensatz zur transaktionalen Führung besteht der Kern der transformationalen Führung in einer sinnstiftenden Vision, die auf Grundwerten basiert. Ein weiterer zentraler Aspekt ist das sog. „Empowerment“ der MA, d. h., die Geführten werden aktiv in die Erreichung und Umsetzung der Vision eingebunden und partizipieren an den Veränderungen. Weiterhin basiert die Theorie auf der Annahme, dass Führung einen Prozess darstelle, der Führende und Geführte verändere, d. h. sie „transformiere“ und zu höherer Produktivität anrege (Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 6 f.). Die Austauschbeziehung beruht hier stärker auf intrinsischen Anreizen und Emotionen. Als Handlungsmotor dienen die Identifikation mit der Vision der FK sowie der Wunsch nach Selbstverwirklichung (Avolio, Bass, 1987, S. 29 ff.). So setzt die transformationale Führung bei der normalen Anstrengung der MA an und „transformiert“ diese zu einer Extraanstrengung (Nerdinger, Blickle, Schaper, 2014, S. 90). Um die Geführten so zu „transformieren“, stelle „Charisma“ eine zentrale Eigenschaft der FK dar. „Charisma“ definiert Max Weber (1922, S. 140) als die „ Qualität einer Persönlichkeit (...), um derentwillen sie als mit übernatürlichen oder übermenschlichen oder mindestens spezifisch außeralltäglichen, nicht jedem anderen zugänglichen Kräften oder Eigenschaften oder als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als ‚Führer‘ gewertet wird “. Weber hält zudem fest, dass sich solche charismatischen Persönlichkeiten zumeist während Krisen zeigen würden (Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 7). Die FK vermittle Überzeugung, positioniere sich ebenso bei kritischen Themen, übernehme ethische Verantwortung und betone Vertrauen (Kauffeld, 2011, S. 75). Allerdings reiche Charisma alleine nicht aus (Yukl, 2013, S. 314). So umfasse die transformationale Führung eben nicht nur Charisma (beschrieben als: „Idealized Influence“), sondern auch inspirierende Motivation („Inspirational Motivation“), intellektuelle Stimulierung („Intellectual Stimulation“) und die individuelle Wertschätzung („Individualized Consideration“) (Bass, Avolio, 1993, S. 49 ff.; Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 8; Rosenthal, Regnet, Domsch, 2009, S. 24 f.). Der Faktor „inspirierende Motivation“ beschreibt attraktive Zukunftsvisionen, welche die FK formuliert, sowie die Betonung dieser im Hinblick auf die Bedeutung bevorstehender Aufgaben. Die MA identifizieren sich mit der FK, die als Vorbild fungiert. Berson et al. (2001; zitiert nach: Pundt, Nerdinger, 2012, S. 36) untersuchten die Visionen transformationaler FK im Hinblick auf die jeweiligen Inhalte und konnten vier Unterscheidungsmerkmale definieren: Optimismus und Vertrauen, Werte und intrinsische Belohnung, Herausforderungen und Möglichkeiten sowie die Spezifität und die Richtung der Vision. „Intellektuelle Stimulation“ zeigt sich in der Unterstützung der FK ihrer MA darin, eine kritische Haltung zum Status quo einzunehmen, belohnt kreative und neue Lösungsansätze und wirkt inspirierend. In Bezug auf die „individuelle Wertschätzung“ berücksichtigt die FK die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Geführten, coacht und unterstützt diese (Kauffeld, 2011, S. 75; Yukl, 2013, S. 313; Sarges, 2013, S. 423 f.). Tabelle 2 fasst diese Elemente wie folgt zusammen:

Tabelle 2: Elemente der transformationalen Führung (Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 8)

[Tabellen werden in dieser Leseprobe nicht dargestellt]

In zahlreichen korrelativen und experimentellen Studien konnte ein Zusammenhang zwischen tranformationaler Führung und unterschiedlichen subjektiven wie auch objektiven Erfolgskriterien nachgewiesen werden (Felfe, 2009, S. 46). Diese Befundlage bestätigen aktuelle Metaanalysen weitestgehend (Antonakis, Avolio, Sivasubramaniam, 2003, S. 261 ff.; Judge, Piccolo, 2004, S. 755 ff.). Insgesamt lassen die bislang vorliegenden Ergebnisse den Schluss zu, dass von einem positiven Einfluss des transformationalen Führungsstils ausgegangen werden kann (Felfe, 2009, S. 46). Diese positiven Einflüsse beziehen sich auf subjektive Kriterien, wie u. a. Zufriedenheit, Commitment und freiwilliges Arbeitsengagement (Felfe, Heinitz, 2010, S. 279 ff.; Judge, Piccolo, Illies, 2004, S. 36 ff.), und objektive Kriterien, z. B. Verkaufszahlen und -erfolge (MacKenzie, Podsakoff, Rich, 2001, S. 115 ff.), die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens (Waldman, Javida, Varella, 2004, S. 355 ff.), Absentismus (Zhu, Chew, Spangler, 2005, S. 39 ff.) und Kundenzufriedenheit (Felfe, Heinitz, 2010, S. 279 ff.).

Jüngste Studien untersuchen, wie die Zusammenhänge der Erfolgskriterien mit dem transformationalen Führungsstil erklärt werden können. So konnte z. B. gezeigt werden, dass durch die Entwicklung von „Empowerment“ (Autonomie, Kompetenz und Einfluss der MA), durch „Self-Concordance“ (Identifikation der MA mit den Zielen), „Liking“ (individuelle Sympathie), eine höhere Gruppenkohäsion und eine kollektive Selbstwirksamkeit der Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Commitment verursacht wird. Durch Vertrauen, eine reduzierte Rollenambiguität, der wahrgenommenen Gerechtigkeit und der wahrgenommenen positiven Arbeitsinhalte sowie zum Teil durch ein positives Arbeitsklima wird eine Beziehung zwischen transformationaler Führung und freiwilligem Arbeitsengagement hergestellt („Organizational Citizenship Behavior“). Der positive Effekt des transformationalen Führungsstils auf Zufriedenheit und Anstrengung lasse sich durch den Glauben an einen höheren Sinn oder Zweck der eigenen Arbeit erklären („higher purpose“) (Felfe, 2009, S. 47; Felfe, 2006, S. 61 ff.). In verschiedenen Studien konnte zudem ein signifikant positiver Zusammenhang festgestellt werden zwischen der Ausprägung der transformationalen Führung der Geschäftsleitung und dem Innovationserfolg des Unternehmens. Letzterer wird gemessen an den Ausgaben für Forschung und Entwicklung, der Anzahl neuer Patente und an der Expertenevaluation (Kauffeld, 2011, S. 76; Jung, Wu, Chow, 2008, S. 585 ff.). In einer Studie von Pundt und Schyns (2006, S. 55) konnte nachgewiesen werden, dass der Erfolg des Ideenmanagements in Verbindung steht mit dem individuellen Engagement der MA. So konnte aufgezeigt werden, „ dass die Stärke des Zusammenhangs zwischen transformationaler Führung und dem individuellen Engagement im Ideenmanagement von der im Unternehmen vorherrschenden Verbesserungskultur moderiert wird “ (Pundt, Schyns, 2006, S. 55). Der transformationale Führungsstil wurde als veränderungsorientierte Führung konzipiert und diese Konzeption prägt neben der innovationsorientierten Wirkung auch die aktuelle Forschung (Pundt, Nerdinger, 2012, S. 27). So bestätigen auch empirische Studien die Wirksamkeit der transformationalen Führung im Allgemeinen sowie auch ihre Relevanz als Erfolgsfaktor im Hinblick auf (radikale) Veränderungssituationen (Pundt, Schyns, 2006, S. 55) sowie in sehr unsicheren und hochkomplexen Kontexten (Felfe, 2009, S. 47; Yukl, 2013, S. 49; Bass, Riggio, 2006; Pundt, Nerdinger, 2012, S. 37 f.). Bei Führung mit räumlicher Distanz, wie dies im Dienstleistungsbereich oder im Rahmen virtueller Teams vorzufinden ist (Rosenstiel, Regnet, Domsch, 2009, S. 26), zeigt sich der Erfolg von transformationaler Führung ebenso (Kauffeld, 2011, S. 76; Hinking, Tracey, 1999, S. 105 ff.). Insbesondere aufgrund der Veränderungen der Arbeit durch neue IuK-Technologien wird die transformationale Führung den sich stellenden Herausforderungen besser gerecht als die transaktionale. Durch die Vermittlung einer gemeinsamen Vision in virtuellen Unternehmensformen und virtuellen Teams scheint es mithilfe der transformationalen Führung weniger Barrieren zu geben (Kauffeld, 2011, S. 76; Wegge, Rosenstiel, 2004, S. 493 ff.).

Trotz der überwiegend positiven Aspekte der transformationalen Führung gibt es auch kritische Stimmen (Kauffeld, 2011, S. 76): Das Konzept wurde in den USA entwickelt und spiegelt daher ebenso die amerikanische Lebensweise wie den tiefen Glauben an die Wirkung des positiven Denkens wider (Nerdinger, Blickle, Schaper, 2014, S. 91 f.). Mögliche negative Auswirkungen des positiven Denkens liegen u. a. in der sich daraus ergebenden Selbsttäuschung und dem Übersehen innerer Handlungsbarrieren, wie z. B. Verzweiflung und Angst (Wegge, o. J., S. 7; vgl. Langens, 2004). Durch die hohe Identifikation des MA mit der FK werde gleichzeitig dessen Abhängigkeit von der FK erhöht, was wiederum negative Auswirkungen auf betrieblich relevantes Verhalten habe (Nerdinger, Blickle, Schaper, 2014, S. 83). Die enge emotionale Beziehung der MA zum Vorgesetzten führe anstelle von Rationalität zu einer „Verehrung“ eben dieser (Wegge, Rosenstiel, 2004, S. 498). Mit der Betonung des Charismas als wichtige Komponente des transformationalen Führungsstils („idealized influence“) werde die Abgrenzung zum Charisma-Konzept unscharf und die Nähe zur „Great-Man-Theory“ deutlich (Neuberger, 2002, S. 196 ff.; Kauffeld, 2011, S. 76). Die transaktionale Führung sollte zudem infolge der Tatsache, dass die transformationale Führung in der Forschung stärker mit Führungserfolg in Verbindung gebracht werde, nicht gänzlich vernachlässigt werden. Avolio und Bass (1987, S. 29 ff.) zufolge ist eine transformationale Führungsperson nur erfolgreich, sofern diese auch transaktionale Führungsstrategien beherrscht (Kauffeld, 2011, S. 76).

2.1.6 Aktuelle Leadership-Ansätze

Im 21. Jahrhundert sind zahlreiche verschiedene Ansätze entstanden, denen derzeit sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet wird (Northouse, 2015, S. 3). Dies gilt u. a. für „Servant Leadership“, „authentische Führung“ („Authentic Leadership“) und andere Konzepte, die Verhalten und Werte miteinbeziehen, so auch die „ethische Führung“ (Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 1 f.). „Servant Leadership“ stellt sich gegen das Paradigma der Führung durch Zwang und Macht. Die Führungsperson hat als Machthabender die Pflicht, den Machtlosen zu dienen. Die legitime Autorität entsteht durch die Erfüllung der Bedürfnisse der Geführten (Greenleaf, 1977). So sollte das Ziel der Führungsperson darin bestehen, „Erster unter Gleichen“ zu sein (vgl. hierzu auch Bass, 2008). Im Hinblick auf „Authentic Leadership“ bedeutet Authentizität die Selbstwahrnehmung der zugrunde liegenden Bestimmungen, der grundlegenden Werte, Einstellungen und Ansichten, die zusammen den „moral compass“ einer Person bilden (Cooper, Scandura, Schriesheim, 2005, S. 475 ff.). Authentisch sind FK, wenn ihr Verhalten diesen inneren Glaubenssätzen entspricht. So ist der erste Schritt im Prozess zu einer authentischen Führungsperson, ein „authentisches Selbst“ zu entwickeln. Es wird die Ansicht vertreten, dass die Reflexion des Selbstverständnisses als FK ein wesentlicher Bestandteil für eine integrative, ganzheitliche und gesundheitsförderliche Führung sei (Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 12 f.; Avolio, Gardner, 2005, S. 315 ff.). Im Hinblick auf eine „ethische Führung“ argumentiert Ciulla (2004, S. 302 ff.), dass Führungsethik und Führungseffektivität untrennbar miteinander verbunden seien. So erkenne eine gute FK ihre moralischen Verpflichtungen an, Bedingungen zu schaffen, unter welchen sich MA entwickeln und entfalten könnten. Ethische Führungspersonen hätten entsprechend fundamentale moralische Konzepte verinnerlicht, wie z. B. Respekt, Gerechtigkeit und Ehrlichkeit (Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 12 f.). Zudem würden sie sich durch Offenheit, Transparenz und Glaubwürdigkeit auszeichnen. Sie seien selbstreflektiert und würden eine vertrauensvolle Beziehung schaffen und sich um eine ausbalancierte Entscheidungsfindung bemühen (Kauffeld, 2011, S. 77). Es werden zwei Faktoren ethischer Führung unterschieden: die aktive Verhaltensweise der FK, die das Empfinden der MA beeinflusst, und das ethische Rollenmodell, in welchem die FK ein Vorbild darstellt, deren positive Verhaltensweise von den Geführten übernommen wird. Beide Faktoren stünden in einem positiven Zusammenhang zur Arbeitszufriedenheit und der Mitarbeiterbindung (Rowold, Borgmann, 2009, S. 60 ff.). Weitere empirische Studien belegen eine höhere Teameffektivität (De Hoogh, Den Hartog, 2008, S. 297 ff.) und die Bereitschaft der MA, Probleme offen anzusprechen (Felfe, 2009, S. 51).

Führende und Geführte müssten ethisch jedoch genauso die „dunkle Seite“ der menschlichen Natur anerkennen, die zu schlechten Taten und ineffektiven Ergebnissen führe (Kellerman, 2004, zitiert nach: Stippler, Moore, Rosenthal, 2010, S. 13). Negative Erfahrungen mit der FK würden durch die subjektive Wahrnehmung der Geführten deren Bild von Führung prägen, was eine Übertragung des Bildes auf andere FK zur Folge haben könne. So würden sich zwei Kategorien „dunkler Führung“ unterscheiden lassen: ein Führungsverhalten, das MA zu moralisch fragwürdigem Verhalten bewege, und der Einsatz fragwürdiger Methoden, um so MA im eigenen Sinne zu beeinflussen (Nerdinger, Blickle, Schaper, 2014, S. 98). In ihrer Metaanalyse zu den Auswirkungen „schlechter“ Führung identifizieren Schyns und Schilling (2013, S. 138 ff.) zwölf Konzepte, die „schlechte“ Führung beschreiben, darunter u. a. feindseliges Führungsverhalten, kleinkarierte Tyrannei, destruktive sowie schädliche Führung und negative Verhaltensweisen, wie bspw. sog. „Bullying“ (Mobbing durch die FK), sowie korruptes oder kriminelles Verhalten von Führungspersonen. Dieses Benehmen vonseiten der FK löse, wie z. B. auch im Hinblick auf feindseliges Verhalten der FK, u. a. ein kontraproduktives Verhalten der MA aus. Ebenso festzustellen seien negative Auswirkungen auf das Stresserleben sowie die Gesundheit der MA. Feindseliges Führungsverhalten erzeuge darüber hinaus den Widerstand der MA und stärke die Kündigungsabsicht dieser (Nerdinger, Blickle, Schaper, 2014, S. 99).

2.1.7 Implizite Führungstheorien

Der Ansatz der „impliziten Führungstheorien“ bezieht die Sichtweise der MA ein. Beschrieben werden der Verarbeitungsprozess und die Strukturierung führungsbezogener Informationen. MA besitzen subjektive implizite Vorstellungen über Fähigkeiten sowie Eigenschaften idealer FK (Kauffeld, 2010, S. 78). Personen, die dem Prototyp einer FK entsprechen, werden eher als Führungsperson wahrgenommen als Personen, die diesen Merkmalen nicht entsprechen (Felfe, 2009, S. 39). Diese Prototypen basieren auf Annahmen über Führungspersonen, die implizit, sozial geprägt und idiosynkratisch sind, wodurch sie zwischen verschiedenen Kulturen und zwischen einzelnen Personen variieren (Kauffeld, 2011, S. 78). Einer Person werde in einer zunächst führerlosen Situation eher eine Führungsrolle zugebilligt und ein entsprechender Einfluss gestattet, sofern sie Zielgerichtetheit Entschlossenheit, Dominanz, Intelligenz und Verantwortungsbewusstsein etc. zeige. Ebenso würden Alter, Geschlecht, Maskulinität, Körpergröße und Kleidung sowie Rang- und Statussymbole als weitere wesentliche Informationsquellen dienen (Lord, Foti, DeVader, 1984, S. 402 ff.; Lord, DeVader, Alliger, 1986, S. 402 ff.; Felfe, 2009, S. 39). Dabei hänge es ferner vom Führungskontext und der Aufgabe ab, welcher Führungstyp den Erwartungen der Gruppenmitglieder entspreche („Prototypikalität“). So sei der „ Prototyp (...) eine abstrakte Zusammenstellung der repräsentativen Merkmale einer kategorialen Einheit“ (Blessin, Wick, 2014, S. 62 ff.) und werde der Kategorientheorie zugeschrieben, z.B. gebe es einen Satz von Merkmalen, welche einen „militärischen Führer“ auszeichnen könnten. Subjektiv seien diese Merkmale möglicherweise Härte, Entschlossenheit, Durchsetzungsfähigkeit, Aggression und Mut. Entspreche eine Person also eher dem Bild einer bestimmten Führungsrolle, so habe sie größere Chancen, als FK akzeptiert zu werden. Die wahrgenommene Ähnlichkeit gilt als ein weiterer wichtiger Einfluss, da Personen dazu neigen würden, andere zu bevorzugen, wenn Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten mit sich selbst festgestellt würden (Felfe, 2009, S. 40). Ebenso werde die individuelle Attribution durch Einstellungen und Bewertungen der Gruppe beeinflusst, die im Hinblick auf Führungsprototypen vorherrschend seien. Dieser Effekt werde durch eine hohe Kohäsion der Gruppe gesteigert („network effects model“) (Pastor, Meindl, Mayo, 2002, S. 410 ff.). Entspreche die FK dem idealen Führungsprototypen der MA, seien diese auch offener für dessen Führungseinfluss (Quaquebeke, Brodbeck, 2008, S. 70 ff.). Jedoch würden MA durch soziale Beeinflussungsprozesse im Sinne „selbsterfüllender Prophezeiungen“ tatsächliche soziale Realitäten mitgestalten, indem FK sich z. B. an den Erwartungen der MA orientieren würden (Felfe, 2009, S. 41).

Merkmale herausragender Führung (Eigenschaften, Verhaltensweisen, Fähigkeiten) (Felfe, 2009, S. 40) wurde im Rahmen des von Robert House an der University of Pennsylvania initiierten, internationalen GLOBE-Forschungsprogramms („Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness“ Research Program) untersucht, woran sich 170 Wissenschaftler beteiligten. Ziel war es, Erkenntnisse über die Kennzeichen herausragender Führung zu gewinnen (Blessin, Wick, 2014, S. 65). Fünf Basisdimensionen wurden dabei erfasst: 1. charismatische/wertebasierte Führung, 2. Teamorientierung, 3. humane Führung, 4. narzisstische Führung, 5. Autonomie. Mit Ausnahme Frankreichs werde in den meisten europäischen Staaten eine herausragende Führung u. a. als visionär, inspirierend, partizipativ und nicht autoritär charakterisiert. Ebenso werde stets die Integrität von Führungspersönlichkeiten betont (Felfe, 2009, S. 41). Die Grenzen des Kategorisierungsansatzes liegen jedoch darin, dass es sich um ein „Begriffsverständnis“ handelt, das erörtert, was Personen zu einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Region unter dem Begriff „Führung“ verstehen. Was eine herausragende FK tatsächlich ausmache, könne somit nicht ganz übereinstimmend ermittelt werden (Blessin, Wick, 2014, S. 69).

2.2 Führung und Kompetenzen

Die Kompetenzforschung stammt ursprünglich aus dem Human-Resources-Bereich und geht auf eine Studie von McClelland (1973) zurück. Diese kam zu dem Ergebnis, dass zur Vorhersage der Leistung zur Aufgabenbewältigung traditionelle Eignungs- und Intelligenztests alleine nicht ausreichen (Sonntag, Schmidt-Rathjens, 2005, S. 57 f.). Kompetenzen, wie z. B. Persönlichkeitsmerkmale und interpersonale Fähigkeiten, könnten die individuelle Leistung besser vorhersagen. So beschäftigten sich in der Folgezeit weiterführende Arbeiten mit den Aspekten der Kompetenzforschung für die Auswahl und die Beurteilung von Managern oder die Entwicklung von Kompetenzmodellen (Boyatzis, 1982; zitiert nach: Schmidt-Rathjens, 2007, S. 595). Beiträge zur Arbeitsanalyse als Grundlage für Personalentscheidungen bilden einen weiteren Entwicklungsstrang. Diesbezüglich sind insbesondere die Beiträge der Fleishman-Gruppe (Fleishman, Reilly, 1992) hervorzuheben. Aufgabenspezifische Anforderungen wurden dabei in Attributlisten transformiert und charakterisieren menschliche Leistungsvoraussetzungen bei der Aufgabenbewältigung (Sonntag, Schmidt-Rathjens, 2005, S. 57 f.). Die Erweiterung des traditionellen arbeitsanalytischen Vorgehens ist Kennzeichen gegenwärtiger Diskussionen zur Kompetenzmodellierung. Die JACMTF („Job Analysis and Competency Modeling Task Force“), ein aus Human-Resources-Experten gebildeter Verband, kommt zu dem Schluss, dass für sich allein genommene Techniken der Arbeitsanalyse unflexibel und statisch sind, während Kompetenzmodell-Ansätze des Öfteren auf zukunftsgerichteten und qualitativen Methoden beruhen (Schmidt-Rathjens, 2007, S. 595 f.). Die mangelnde Vergleichbarkeit der Bedeutungszuschreibungen einzelner Komponenten über verschiedene, meist unternehmensspezifische Modelle hinweg kann jedoch als problematisch bezeichnet werden. Sonntag und Schmidt-Rathjens (2005, S. 58 ff.) plädieren daher für eine Kombination aus Kompetenzmodellen und Aufgabenanalyse. Lievens, Sanchez und de Corte (2004; zitiert nach: Schuler, 2006a, S. 62; Schmidt-Rathjens, 2007, S. 596) haben die Verbesserung der wissenschaftlichen Dignität von Kompetenzmodellen empirisch belegt, sofern die eben thematisierte kombinierte Vorgehensweise zur Anwendung kam.


[1] Soweit im Folgenden Berufs-, Gruppen- und/oder Personenbezeichnungen Verwendung finden, so ist auch stets die jeweils weibliche Form gemeint. Die Verfasserin sieht daher bewusst von einer genderneutralen Ausdrucksweise ab.

[2] Die „Industrie 4.0“ folgt den Technologiesprüngen, die als erste bis dritte Revolution bezeichnet werden (Heinze, Manzei, Schleupner, 2016, S. 10 ff.): 1. Mechanisierung mit Wasser- und Dampfkraft; 2. Massenfertigung mit Hilfe von Fließbändern und elektrischer Energie; 3. Einsatz von Elektronik und IT zur weiteren Automatisierung der Produktion; 4. Digitalisierung und der Einsatz cyberphysischer Systeme (vgl. hierzu auch Jäger, 2015, S. 10).

[3] Alltagsgegenstände und andere Objekte werden intelligent, tauschen online Informationen aus und steuern sich wechselseitig, z. B. Produkte, die mit einem „Gedächtnis“ ausgestattet sind und mit der Umgebung kommunizieren (Rump, Eiler, 2014, S. 32).

[4] Entwicklungs- und Dienstplattformen, die webfähige Dienste einfacher kreieren und im Netz anbieten (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2016, http://m.bmwi.de/BMWi/Navigation/Technologie-und-Innovation/Digitale-Welt/internet-der-zukunft.html).

[5] In jüngster Vergangenheit hat sich, vorwiegend in den USA, eine eigenständige Rolle im C-Level-Management entwickelt, die in der Geschäftsführung oder im Vorstand angesiedelt ist: der sog. „Chief Digital Officer“ (CDO) (Tuck, Smaje, Sohoni, 2015). Aber auch in deutschen Unternehmen ist festzustellen, dass zunehmend CDO-Positionen geschaffen werden, so z. B. bei der SAP mit Jonathan Becher, Gruner + Jahr mit Stan Sugarman, Pro7 mit Christian Wegner und TUI mit Stefanie Waehlert.

[6] Schon in den 1950er-Jahren stellte Warren Bennis (1959, S. 259) wie folgt fest: „ Always, it seems, the concept of leadership eludes us or turn up in another form to taunt us again with its slipperiness and complexity. So we have invented and endless proliferation of terms to deal with it ... and still the concept is not sufficiently defined “. Diese Aussage trifft auch heute noch so zu.

[7] Die sog. „Big Five“ oder das Fünf-Faktoren-Modell ist ein Modell der Persönlichkeitspsychologie. Dieses beinhaltet fünf Hauptdimensionen: Extraversion, Neurotizismus, Gewissenhaftigkeit, Offenheit für Erfahrungen und Verträglichkeit.

Ende der Leseprobe aus 178 Seiten

Details

Titel
Digital Leadership. Neue Anforderungen an Führung im digitalen Zeitalter und Identifikation von Schlüsselkompetenzen
Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
178
Katalognummer
V343284
ISBN (eBook)
9783668332782
ISBN (Buch)
9783668332799
Dateigröße
6888 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
(Digital) Leadership, Chief Digital Officer (CDO), E-Leadership, Leadership 2.0/3.0, Innovative Leadership, Change Leadership, Führung virtueller Teams, transformationale Führung, Digitalisierung (der Arbeitswelt), Industrie 4.0, Arbeit 4.0, E-Business, Enterprise 2.0, Führungskompetenzen, Kompetenzen, Kompetenzmodellierung, Führungspersönlichkeit, Führungsstile, Führung/Leadership, digitale Transformation, Digital Transformation, Leadership, Digital Leadership
Arbeit zitieren
Irena Marasek (Autor:in), 2016, Digital Leadership. Neue Anforderungen an Führung im digitalen Zeitalter und Identifikation von Schlüsselkompetenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343284

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