Keynesianische Theorie. Die Grundlage für die Wirtschaftspolitik der 1960er und 1970er Jahre


Hausarbeit, 2015

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung

2. Biographische Einordnung in die Weltgeschichte
2.1 Imperialistische Bestrebungen bis hin zum Ersten Weltkrieg
2.2 Weltwirtschaftskrise und Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg
2.3 Neuordnung der Systeme nach dem Zweiten Weltkrieg

3. Kernelemente der Theorie Keynes
3.1 Einordnung in die makroökonomischen Theorien
3.2 Zentrale Aussagen der Keynesschen Theorie
3.2.1 Güternachfrage bestimmt das Niveau von Produktion und Beschäftigung
3.2.2 Investitionen bestimmen Volkseinkommen und Ersparnis
3.2.3 Flexible Preise und Löhne ändern an diesen Zusammenhängen nichts
3.3 Weiterentwicklungen der makroökonomischen Theorie

4. Praxis und Problematik der Globalsteuerung
4.1 Globalsteuerung als wirtschaftspolitisches Mittel
4.2 Anwendung der theoretischen Überlegungen
4.3 Kritik an der antizyklischen Globalsteuerung

5. Wirtschaftspolitik in den 1960 und 70er Jahren
5.1 Keynes‘ Siegeszug in der globalen Wirtschaftspolitik
5.2 Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland
5.3 Ablösung des Keynesianismus durch den Monetarismus

6. Wiederentdeckung Keynes in der Krise
6.1 Keynes als Bezwinger der Weltwirtschaftskrisen
6.2 Ergriffene Schritte zur Eindämmung der Finanz- und Wirtschaftskrise

7. Schlussteil

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: IS-LM-Modell nach J. R. Hicks (1937)

Abbildung 2: Makroökonomische Theorie

Abkürzungsverzeichnis

Aufl. Auflage

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einführung

Die Aktienkurse stürzten binnen weniger Stunden dramatisch ab, die einst so hoch gehandelten Finanzkonzerne können aufgrund der risikoreichen Spekulationen ihren Zahlungsverpflichtungen kaum noch nachkommen und müssen ihre Bilanzen mit hohen Abschreibungen belasten, die Stimmungslage in der Realwirtschaft ist nahe dem Gefrierpunkt, die Angst unter den privaten Anlegern und Sparern führt an den Bankschaltern zu Geldengpässen – der Schwarze Donnerstag ist diesmal ein Montag.

Die beiden Weltwirtschaftskrisen zu Beginn der 1930er Jahre und am Ende der 2000er Jahre sind weder in chronologischer Reihenfolge ihrer Ereignisse, noch mit den wesentlichen Ursachen ihrer Entstehung zu vergleichen, aber trotzdem wird die Krise des 21. Jh. gern mit der weltweit größten wirtschaftlichen Eskalation des vorherigen Jahrhunderts in Verbindung gebracht und versucht aus dieser Lösungsansätze zu finden.

Nach ihrem scheinbar grenzenlosen Vertrauen in die Selbstheilungskräfte und Selbstregulierungskräfte der Märkte wurden viele Politiker und Ökonomen eines Besseren belehrt. Die vergangenen Jahre und Jahrzehnte zeichneten sich in der Hinsicht dadurch aus, dass eine immer stärkere Trennung zwischen der Realwirtschaft und der Finanzwirtschaft aufgetreten ist; getrieben von einer unvertretbaren Deregulierung der Märkte und einem Vergütungssystem, welches die Gier und die zerstörerische Kreativität der Finanzakteure zu einer bis dahin unvorstellbaren Risikobereitschaft geführt hat.

Bis zur Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren wurden Marktwirtschaften in der neoklassischen Theorie als vom Staat nahezu emanzipierte Wirtschaftssysteme betrachtet. Eine endogene Analyse der damals gravierenden Beschäftigungssituation war aufgrund der fehlenden gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht möglich und somit war eine Auseinandersetzung mit den konjunkturellen Schwankungen und deren Folgen/Ursachen in einer Volkswirtschaft kaum durchführbar. Infolgedessen gelang es nicht, Maßnahmen gegen die hohe Arbeitslosigkeit zu entwickeln. Aus diesem Dilemma heraus erschien die Keynes’sche Theorie als wirtschaftspolitische Offenbarung.

In seinem revolutionären Werk The General Theory of Employment, Interest and Money erklärt Keynes, dass eine Marktwirtschaft, entgegengesetzt zur herrschenden ökonomischen Lehrmeinung, eben nicht auf lange Sicht zu einem Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung zurückkehren muss, sondern durchaus in einer Situation verharren kann, welche geprägt ist von Massenarbeitslosigkeit und tiefer wirtschaftlicher Depression. Der Markt benötigt in einer solchen Lage umfassende staatliche Unterstützung.

In dieser Hausarbeit sollen die Erkenntnisse aufgezeigt werden, die John Maynard Keynes aus der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre gewonnen hat und wie diese zur Grundlage der Wirtschaftspolitik in den 1960er und 1970er Jahren wurden.

2. Biographische Einordnung in die Weltgeschichte

Das Leben des John Maynard Keynes fand in einer Zeit statt, welche geprägt war von epochalen Umbrüchen, wissenschaftlicher und kultureller Blüte sowie totaler Zerstörung. Eine Zeit, welche die Grundlagen und Richtungen der heutigen weltpolitischen und wirtschaftlichen Entwicklungen gesetzt hat und fortwährend bestimmen wird.

2.1 Imperialistische Bestrebungen bis hin zum Ersten Weltkrieg

Im Jahre 1883 in Cambridge als Sohn eines zu der Zeit bekannten englischen Nationalökonomen[1] geboren, wurde er bereits früh mit den Lehren der politischen Ökonomie in Berührung gebracht. Jedoch studierte Keynes nach seinem Abschluss an der renommierten Privatschule Eton nicht eben diese akademische Fachrichtung, sondern belegte an der Universität Cambridge die Fächer Geschichte, Mathematik und Philosophie. Sein Interesse an den Ideen der Volkswirtschaftslehre bzw. zum damaligen Zeitpunkt der politischen Ökonomie wurde jedoch durch die Teilnahme an Vorlesungen des berühmten Wirtschaftswissenschaftlers Alfred Marshall wesentlich bestärkt. Hierdurch lässt sich seine Bewerbung im britischen Schatzamt bzw. Finanzministerium wohl auch erklären, nach dem er sein Examen am King’s College 1905 im Fach Mathematik abgelegt hatte. Er blieb mit der englischen Elite-Universität verbunden und sollte nach seinem Ausflug in die britische Administration dieser bis zu seinem Lebensende angehören und diese in vielfältiger Weise unterstützen. (Putnoki/Hilgers 2013:81f)

Die Aufnahmeprüfung für die freie Position im Schatzamt bestritt Keynes als Zweitbester, weshalb ihm dieser Wunsch verwehrt blieb und er daher die Möglichkeit zu einer Anstellung im India Office [2] wahrgenommen hatte. Auf Grundlage dieser Tätigkeit verfasste er seine erste bedeutende volkswirtschaftliche Arbeit über die indische Währung und dem dortigen Finanzgeschehen[3]. Während dieser Tätigkeit schrieb K. seine Dissertation über die Wahrscheinlichkeitstheorie mit dem Titel A Treatise in Probability [4] . Nach der Fertigstellung seiner Promotion kehrte er 1908 als Fellow [5] an die Universität Cambridge zurück und wurde dort ab 1920 als Dozent engagiert. (Müller 2009)

Seine vielen Interessen und Vorlieben machten Keynes auch für andere intellektuelle Kreise zu einem gefragten Gesprächspartner und ermöglichten ihm somit auch den Eintritt in die Bloomsbury -Gruppe. In dieser versammelten sich bekannte Künstler, Politiker und Wissenschaftler in der Zeit zwischen dem Beginn des 20. Jahrhunderts und dem Zweiten Weltkrieg. Ihr wird ein bedeutender Einfluss auf die kulturelle Modernisierung des englischen Empires zugeschrieben und befähigte wohl aber in erster Linie den fächerübergreifenden Austausch ihrer Mitglieder[6]. (Buomberger 2013:104)

Im Kreise einiger englischer Ökonomie-Professoren aus Cambridge und London, darunter auch Keynes‘ Vater, wurde im Jahre 1891 eine der bedeutendsten ökonomischen Fachzeitschriften, das Economic Journal, und die herausgebende British Economic Association gegründet, welche seit 1902 unter dem Namen Royal Economic Society firmiert. Keynes hatte ab 1911 als Herausgeber dieses Magazins sowie von 1945-46 als Präsident der Gesellschaft einen kritischen Einfluss auf die Entwicklung dieser anerkannten ökonomischen Institution. (Royal Economic Society 2015)

Im Ersten Weltkrieg wurde Keynes‘ Expertise von der britischen Regierung in Fragen der Kriegsfinanzierung genutzt, welche ihn anschließend in die Delegation zu den Friedensgesprächen von Versailles berief. Aus dieser Tätigkeit heraus verfasste er 1919 das weltweit bekannt gewordene Werk The Economic Consequences of the Peace, in dem er seine Ablehnung gegenüber den Inhalten des Versailler Friedensvertrages kundtat und gravierende ökonomische Folgen prophezeite. (Buomberger 2013:104f)

Fortwährend beteiligte sich Keynes and den wirtschaftspolitischen Diskussionen im Empire und kritisierte unter anderen die Rückkehr der britischen Währung zum Goldstandard, welche von Winston Churchill im Jahre 1925 durchgesetzt wurde. Mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten und Veröffentlichungen etablierte sich Keynes auf dem Gebiet der Geldtheorie als einer der führenden Köpfe seiner Zeit. (Skidelsky 2009:99ff)

Nebenbei war er ein exzellenter Börsen-Spekulant und vermehrte nicht nur sein eigenes Einkommen, sondern vervielfachte als Schatzkanzler das Stiftungsvermögen des King’s College. Seine Hingabe zur Kunst konnte er in der Position des Kurators der National Gallery ausleben und mündete am Ende seines Lebens in der Begründung des British Arts Council, das Großbritannien als Förderinstitution für künstlerische und kulturelle Projekte bis heute (unter anderem Namen) dient. (Buomberger 2013:105f)

2.2 Weltwirtschaftskrise und Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg

Die Folgen der Weltwirtschaftskrise beginnend mit dem Schwarzen Donnerstag im Jahre 1929 und der daraus resultierenden starken Depression gefolgt von hoher Arbeitslosigkeit veranlassten Keynes dazu, seine bis dahin geäußerten Ideen und Theorien, welche eher auf Basis der traditionellen Theorie entwickelt wurden, zu überdenken. Er bezweifelte zunehmend, dass die Gesamtproduktionsmenge einer Volkswirtschaft als gegeben angesehen werden kann und, dass Arbeitslosigkeit als ein vorübergehendes Phänomen zu betrachten sei. Infolge dieser weltweiten wirtschaftlichen Ereignisse verfasste Keynes sein bedeutendstes Werk, dessen darin beschriebene Theorie zu den kontrovers diskutiertesten und meist beachtesten ökonomischen Schriften überhaupt zu zählen ist. Damit begründete er den revolutionären Paradigmenwechsel von der Angebotsseite zur Nachfrageseite, wodurch Beschäftigung und Produktion in Abhängigkeit von der Quantität der nachgefragten Güter in einer Wirtschaft stehen.

Als der Zweite Weltkrieg über Europa und den ganzen Globus hereinbrach, wurden die Dienste Keynes wieder von der britischen Regierung in Anspruch genommen. Als deren Berater sollte er erneut die Finanzierung des Krieges gegen Nazi-Deutschland sicherstellen, um die Verteidigung des Königreiches zu gewährleisten. Somit wurde er auch ab 1941 zum Direktionsmitglied der Bank of England berufen. (Müller 2009)

2.3 Neuordnung der Systeme nach dem Zweiten Weltkrieg

Als sich das Ende des Krieges abzeichnete und die deutschen Truppen zunehmend aus den europäischen Staaten zurückgedrängt werden konnten, begann man sich intensiver mit den wirtschaftlichen und politischen Folgen der unfassbaren Zerstörung ganzer Städte und Regionen zu beschäftigen. Eine dieser Initiativen bzw. Handlungsfelder war die Neuordnung des globalen Währungssystems. Zu diesem Zweck kamen im Sommer des Jahres 1944 Delegationen aus 44 verschiedenen Nationen in Bretton Woods[7] zusammen, um sich über diese Problematik zu verständigen. Dabei waren die Hauptkonkurrenten bzw. die Federführer der zugrundeliegenden (Vor-)Verhandlungen der US-Amerikaner Harry Dexter White[8] und John Maynard Keynes. Diese beiden Ökonomen versuchten jeweils ihre Konzepte durchzusetzen, wobei jedoch White am Ende den US-Dollar als Ankerwährung des Systems durchsetzt. (Sautter 2012)

John Maynard Keynes, seit einem schweren Herzanfall 1937 gesundheitlich bereits stark angeschlagen, erlag 1946 im Alter von nur 62 Jahren seinen kardiologischen Schwächen und wurde, bereits geadelt, in der Londoner Westminster Abbey beigesetzt.

Gänzlich abgesehen, zu welcher ökonomischen Glaubensrichtung man sich zugehörig fühlt, werden die Verdienste Keynes doch einhellig darin gesehen, dass er die ökonomische Methodik um die gesamtwirtschaftliche Analyse erweitert und somit die Makroökonomie in die wirtschaftswissenschaftliche Betrachtungsweise eingeführt hat. Keynes durchleuchtete ökonomische Fragestellungen anhand aggregierter Größen, so benutzte er die gesamtwirtschaftliche Konsumnachfrage und Ersparnis, um z.B. den Beschäftigungsstand in einer Volkswirtschaft zu erklären und stellte sich damit gegen die Anhänger der Klassischen Lehre, welche das Verhalten einzelner Haushalte und Unternehmen in den Mittelpunkt ihrer Untersuchen stellten. (Putnoki/Hilgers 2013:83)

3. Kernelemente der Theorie Keynes

In diesem Abschnitt soll näher auf die Theorie Keynes eingegangen werden, die in dem Werk The General Theory of Employment, Interest and Money aus dem Jahre 1936 im Wesentlichen niedergeschrieben ist und seitdem auf große Resonanz weltweit gestoßen ist, welche zwischen begeisterter Zustimmung und erheblicher Ablehnung variierte; jedoch die ökonomische Gedankenwelt in ihren Grundfesten erschütterte.

3.1 Einordnung in die makroökonomischen Theorien

In der Ideengeschichte der makroökonomischen Theorie wird die Klassische Theorie als Ausgangspunkt der heute vorherrschenden Lehrmeinungen angesehen. Diese dominierte die ökonomischen Überlegungen von ca. 1770 bis 1870 und wurde durch die herausragenden Vertreter Adam Smith und David Ricardo begründet bzw. weiterentwickelt. Abgelöst von der Neoklassischen Theorie, welche bis zur Mitte der dreißiger Jahre des 20. Jh. das Bild der Ökonomie geprägt hat, vereint beide Ideengebäude die Hervorhebung der Selbstheilungskräfte des Marktes. Grundlage hierfür ist ein funktionierender Preismechanismus, durch den sich stets ein Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung der Produktionsfaktoren in einer Marktwirtschaft einstellt. Staatliche Interventionen werden durch den Glauben an die Funktionsfähigkeit des Marktes abgelehnt. Vielmehr würden explizit durchgeführte Eingriffe in den Wirtschaftsprozess keinerlei Auswirkungen auf das Angebot an Gütern haben, da sich laut dem Sayschen Theorem [9] die Nachfrage nach dem Angebot richtet und eben nicht umgekehrt, wodurch die eingesetzten Steuermittel als Fehlinvestition anzusehen wären. (Wohltmann 2007: 12f)

Die im Oktober 1929 eingeleitete Weltwirtschaftskrise hat die neoklassische Idee von den Selbstheilungskräften der Märkte aus ihren Fugen gerissen und gezeigt, dass die „Vorstellung von der Existenz und Dauerhaftigkeit eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bei Vollbeschäftigung […] mit der bis dahin herrschenden neoklassischen Lehrmeinung einer automatischen Rückkehr zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht nicht mehr vereinbar [war]“ (ebd.: 12). Aus diesen Geschehnissen heraus entwickelte Keynes sein bedeutendstes Werk The General Theory of Employment, Interest and Money, dessen Einkommens - und Beschäftigungstheorie bis heute Bestand hat.

Keynes‘ Einbringung löste geradezu eine Revolution in der ökonomischen Welt aus und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als weiterentwickelte Keynesianische Theorie zur prägenden makroökonomischen Lehrmeinung. Jedoch konnte sie die realwirtschaftlichen Phänomene[10], hervorgerufen durch die Ölpreisschocks 1973 und 1979, nicht erklären und wurde daher überarbeitet bzw. abgelöst (siehe Anhang). (ebd.:12f)

3.2 Zentrale Aussagen der Keynesschen Theorie

Keynes lehnte die zu seiner Zeit vorherrschenden Lehrmeinungen bzw. Erklärungsansätze in weiten Teilen ab und begründete mit dem bereits angesprochenen Buch The General Theory of Employment, Interest and Money eine neue ökonomische Richtung. Dieses Werk, „welches in erster Linie als eine Kritik der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts der Neoklassik und der von ihr geforderten minimalistischen Rolle des Staates im Wirtschaftsprozess anzusehen ist, wird bis heute kontrovers disku-tiert“ (Springer Gabler 2015) und zählt wohl zu den bedeutendsten Schriften des 20. Jh.; gemeinhin gepriesen als Geburtsstunde der Makroökonomik (Burda/Wyplosz 2009:643).

Die Theorie aus seinem sogenannten Hauptwerk, welche in Teilen bereits vorher veröffentlicht wurde, kann man in drei Bereichen zusammenfassen und daraus die wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen herausziehen. (Keynes-Gesellschaft 2015)

3.2.1 Güternachfrage bestimmt das Niveau von Produktion und Beschäftigung

Entgegengesetzt der Annahme des Sayschen Gesetzes, wonach sich das Angebot nahezu automatisch seine Nachfrage schafft, sieht Keynes die Güternachfrage als bestimmenden Faktor in einer Volkswirtschaft an. Denn die Nachfrage nach Gütern bestimmt das Niveau von Produktion und somit auch von Beschäftigung. Er kritisiert darin den Kern der (neo-)klassischen Theorie, wonach nur das gesamtwirtschaftliche Angebot und dessen Bestimmungsgründe, wozu Kapital, Arbeit und Technologie gezählt werden, bestimmend sind für die Höhe des Inlandsproduktes. Vielmehr obliegt es den Unternehmern, von welcher Nachfragequantität sie ausgehen und ihre Produktionsmöglichkeiten dementsprechend ausschöpfen. Daraus ergibt sich auch die Ausnahme dieser These: eine Erhöhung der Güternachfrage wird keinen Einfluss auf die Arbeitsmarktsituation haben, wenn alle Ressourcen in einer Volkswirtschaft voll beschäftigt und alle verfügbaren Arbeitskräfte bereits eingebunden sind. (Mankiw/Taylor 2012:875ff)

Ferner werden der monetäre und der produzierende/reale Sektor nicht mehr als strikt getrennt angesehen. Mithilfe des Geldes können die am Markt teilhabenden Protagonisten entsprechend ihrer Vorstellungen spekulieren oder ihre Einkommen aus Vorsichtsgründen zurücklegen, wodurch auch aus dieser Sicht das Saysche Theorem an Gültigkeit verliert. Denn wenn Haushalte und Unternehmen ihre Einkommen aus den oben genannten Gründen zurückhalten, dann ist die Nachfrage geringer als das Angebot und es kommt infolgedessen zu Produktionsrückgängen. (Schmid 2003:185f)

3.2.2 Investitionen bestimmen Volkseinkommen und Ersparnis

Eine grundlegende Größe für die Entwicklung und das Wachstum einer Volkswirtschaft bilden die Investitionen, welche von den Unternehmen und stattlichen Einrichtungen getätigt werden. Diese Investitionen in Sachgüter, z.B. Produktionsanlagen und technische Ausstattungen, sowie Wissensgüter, z.B. technische und betriebliche Innovationen, legen den Grundstock für die zukünftigen Ausbildungen des Volkseinkommens, der individuellen Ersparnis und des Arbeitsmarktes eines Staates. Neben der zu erwartenden Nachfrage nach dem Gut, richtet der Investor seine Entscheidung nach den Bedingungen auf dem Markt und vor allem nach der Renditeerwartung, welche durch den Marktzins bestimmt wird. Keynes beschreibt diesen Zustand der Abhängigkeit der Investitionen von den Marktbedingungen als Ausgangspunkt der Instabilität bzw. der konjunkturellen Schwankungen. Aus diesem Grund widerspricht Keynes auch hier der neoklassischen Lehrmeinung, wonach der Zinssatz nur das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach Fonds bzw. Geldmitteln an sich darstellt und der Geldpolitik eine weitestgehend untergeordnete Rolle zugesprochen wird. (Skidelsky 2009:133ff)

Die Nachfrage der Haushalte nach Konsumgütern ist zwar quantitativ größer, wird aber durch das Einkommen bestimmt, welches den Haushalten durch entsprechende Gehälter/Löhne, Zinseinnahmen und Transferleistungen zukommt. Dieses Einkommen richtet sich im Wesentlichen nach den konjunkturellen Schwankungen in einer Volkswirtschaft, welche entscheidend durch die Industriegüternachfrage beeinflusst werden. Denn eine Reduzierung der Nachfrage nach Sach- und Wissensgütern verursacht einen Einkommensrückgang bzw. -Verlust bei den entsprechenden Wirtschaftssubjekten, wodurch die Nachfrage nach Konsumgütern ebenfalls sinkt. Es entsteht eine Abwärtsspirale, die somit auch die weiteren Produzenten und Dienstleister zur Senkung ihres Angebotes zwingt und folglich zur Freisetzung von Produktionsmitteln führt. Die Einnahmen der Haushalte werden reduziert und der wirtschaftliche Abwärtstrend wird sich dadurch fortwährend verstärken, wenn keine staatlichen Interventionen stattfinden, um die Investitionslücke wieder zu schließen. Dieser Spiral-Prozess bzw. der dahinterstehende Multiplikator-Effekt wurde erstmals von Richard Kahn[11] 1931 genauer analysiert und von Keynes in seiner Theorie angewendet. (Krol/Schmid 2002:230ff)

So zeigen bereits die in den beiden vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Elemente, dass die Erwartungshaltungen der Wirtschaftssubjekte bei Keynes einen zentralen Stellenwert einnehmen. Diese Befürchtungen oder Hoffnungen entstehen durch die nicht bzw. kaum vorhersagbaren wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. konjunkturellen Schwankungen und den daraus resultierenden individuellen Verhalten der einzelnen Marktteilnehmer. Dies bedeutet nichts anderes, als dass die auf dem Markt getroffenen irrationalen Entscheidungen, getriebenen durch Annahmen und Vermutungen, selbst zu den Unsicherheiten beitragen und die Schwankungen der Konsum- und Investitionsnachfrage mit all ihren Ursachen weitestgehend zu verantworten haben. Der private Sektor wird deshalb von Keynes als instabil bezeichnet. (Schmid 2003:185ff)

3.2.3 Flexible Preise und Löhne ändern an diesen Zusammenhängen nichts

Keynes hat seine Theorie weitestgehend problemorientiert ausgearbeitet, wodurch es auch in diesem Punkt zu erheblichen Unterschieden im Vergleich mit den neoklassischen Ansichten kommt. So werden die Preise und Löhne (Nominallöhne) als unflexibel dargestellt, da realpolitische Gründe eine Änderung (nach unten) nur schwer ermöglichen. Gehälter und Löhne sind durch Verträge, zumindest auf kurz- & mittelfristige Sicht, gebunden. Auch Preise sind kaum flexibel und können auf kurze Sicht nicht den geltenden ökonomischen Bedingungen angepasst werden. (Dieckheuer 2003:158ff)

Laut Keynes werden auf dem Arbeitsmarkt zwei verschiedene Ausprägungen unterschieden. Die oben bereits erwähnte Starrheit der Nominallöhne führt bei einem Nachfragerückgang aus praktischer Sicht zu einem Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung. Auch bei Vernachlässigung der von ihm getätigten empirischen Beobachtungen, würden flexible Löhne und Preise (gemäß neoklassischer Theorie) nicht dazu führen, dass eine Rückkehr zu einem Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung zu beobachten sei. Denn stetig sinkende Preise verleiten Konsumenten und Investoren lediglich dazu, ihre nicht-existenziellen Bedürfnisse bzw. Investitionsausgaben weiter aufzuschieben. Durch die Marktkräfte (unsichtbare Hand[12] ) selbstherbeigeführte flexible Lohn- und Preisanpassungen sind demnach ebenso ungeeignet, die Wiederherstellung der Vollbeschäftigung aus einer Rezession bzw. Depression heraus zu ermöglichen. (Schmid 2003:186)

3.3 Weiterentwicklungen der makroökonomischen Theorie

Seit den 1950er Jahren versuchten namenhafte Ökonomen, wie z.B. Friedrich Hayek und Milton Friedman, die Ideen der neoklassischen Theorie wieder in den Fokus der ökonomischen Gedankenwelt zu rücken. So begründete Friedman den aus der Kritik an der keynesianischen Lehre hervorgegangenen Monetarismus. Diese und weitere neoliberale Wirtschaftsschulen vereint das Ziel, die Neoklassik zu rehabilitieren und den Einfluss des Staates auf die Wirtschaftsabläufe zu reduzieren. (Rogall 2006:81f)

Nach dem Erscheinen der General Theory wurde, wie bereits mehrfach beschrieben, der Fokus der ökon. Betrachtung auf die von Keynes zentralisierte effektive Nachfrage gelegt und von diversen Ökonomen näher betrachtet. So entwickelte sich aus der Keynesschen Theorie die maßgeblich von den Wissenschaftlern Paul A. Samuelson[13] und Alvin H. Hansen[14] hervorgebrachte Keynesianische Theorie (Neoklassische Synthese), woraus sich ab 1960 die Neokeynesianische Theorie hervortat. Aktuell steht die vollständige Mikrofundierung der makroökon. Idee im Zentrum. (Wohltmann 2007:12f)

4. Praxis und Problematik der Globalsteuerung

Die auf Keynes zurückgehende Konzeption der Nachfragesteuerung findet sich in der Globalsteuerung wieder und ist als wirtschaftspolitisches Instrumentarium zu verstehen. In der Theorie als wirksam geltendes Mittel zur Glättung konjunktureller Schwankungen ergeben sich in der praktischen Anwendung problematische Sachverhalte.

4.1 Globalsteuerung als wirtschaftspolitisches Mittel

Unter Globalsteuerung versteht man die Beeinflussung makroökonomischer Größen bzw. Aggregate, wie z.B. Außenhandel, Beschäftigung, Investitionen, Preisniveau, Volkseinkommen und Wachstum. Diese sollen durch geeignete wirtschafts- und geldpolitische Maßnahmen stabilisiert werden, um negative Auswirkungen durch Konjunkturschwankungen, so z.B. Arbeitslosigkeit und Inflation, zu beschränken und somit ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht bei hoher Beschäftigung zu erzeugen bzw. beizubehalten, ohne dabei die anderen Aggregate zu missachten. (Duden 2013)

Eine solche Beeinflussung der oben aufgeführten makroökonomischen Größen soll durch eine entsprechende Außenwirtschaftspolitik (z.B. Wechselkursanpassungen), angemessene Einkommens- und Tarifpolitik (z.B. Lohnsenkungen), handlungsschnelle Fiskalpolitik (z.B. Steuererhöhung bzw. -Senkung) oder einer effizienten Geldpolitik (z.B. Leitzinsveränderungen) erfolgen. Unter Einsatz dieser politischen Werkzeuge soll es möglich werden, die konjunkturelle Situation zu verstetigen, um somit erhebliche Unsicherheiten in einer Volkswirtschaft zu verhindern. Die Entscheidungsträger, von denen die wirtschaftspolitischen Interventionen gesteuert werden, sind somit nicht nur auf Bundesebene und in den Zentralbanken anzutreffen, sondern befinden sich eben auch in den verantwortlichen Länder- und Gemeindeeinrichtungen sowie in den verschiedenen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften eines Landes. (ebd.)

Eine unbedingte Voraussetzung der Globalsteuerung ist eine zeitnahe und zuverlässige Konjunkturdiagnose bzw. -Prognose. Denn nur mit gesicherten ökonomischen Kenntnissen der aktuellen bzw. zu erwartenden konjunkturellen Situation/Aussicht und den zugrunde liegenden Zusammenhängen können wirksame Maßnahmen aus dem wirtschaftspolitischen Instrumentarium ausgewählt werden. Ein zeitgerechter Einsatz der Instrumente ist daher von äußerster Wichtigkeit und bildet neben einer haltbaren ökonomischen Analyse den Kern der Globalsteuerung. Auftretende Verzögerungen, sog. Timelags, zwischen dem Erkennen bzw. der Wahrnehmung einer sich anbahnenden konjunkturellen Rezession und der Auswahl bzw. Anwendung einer entsprechenden Maßnahme bzw. eines Maßnahmenpaketes können dazu führen, dass die dahinterstehende Absicht einer Glättung der Konjunkturschwankungen gänzlich verfehlt wird und gar im Gegenteil zu einer Verstärkung der Ausschläge führt. (Gabler 2014)

[...]


[1] John Neville Keynes (1852-1949) war ein britischer Ökonom und Logiker (u.a. auch Dozent in London).

[2] Diese Behörde beschäftigte sich mit den Verwaltungsangelegenheiten der Kolonie Britisch-Indien.

[3] 1913 veröffentlicht Keynes auf Grundlage seiner Arbeit die Monographie Indian Currency & Finance.

[4] Keynes‘ Dissertation wurde 1921 unter dem Namen A Treatise on Probability veröffentlicht.

[5] Bezeichnung für Hochschulpersonal, zuständig u.a. für Lehre, Forschung & Studierendenbetreuung.

[6] Nennenswert u.a. die Literatin Virginia Woolf, die Malerin Vanessa Bell und der Publizist Leonard Woolf.

[7] Stadt im US-Bundesstaat New Hampshire, wohin die teilnehmenden Staaten ihre Finanzminister & Notenbankgouverneure (1.-22.07.1944) entsendeten & zum Abschluss das Bretton-Woods-Abkommen unterzeichneten. Dieses begründete das Bretton-Woods-System als neu geschaffene int. Währungsordnung mit Wechselkursbandbreiten, die vom US-Dollar als Ankerwährung festgelegt wurden.

[8] Harry Dexter White (1892-1948) war ein US-amerikanischer Volkswirt und Politiker.

[9] Zurückgehend auf die beiden Ökonomen Jean-Baptiste Say (1767-1832) und James Mill (1773-1836).

[10] Infolge der Ölpreiskrise entstand eine Stagflation: wirtschaftl. Stagnation mit einhergehender Inflation.

[11] Richard Ferdinand Kahn (1905-1989) war ein britischer Wirtschaftswissenschaftler, welcher bereits Vorlesungen von Keynes besuchte und anschließend langjähriger Professor in Cambridge war.

[12] Metapher, welche die Selbstregulierung des Marktes beschreibt (geprägt von Adam Smith).

[13] Paul Anthony Samuelson (1915-2009) war ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und der erste Amerikaner, der den „Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften“ erhalten hat.

[14] Alvin Harvey Hansen (1887-1975) war ein US-amerik. Wirtschaftswissenschaftler; wurde u.a. bekannt durch sein Lehrbuch A Guide to Keynes, das Keynes' General Theory kapitelweise erläutert/ergänzt.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Keynesianische Theorie. Die Grundlage für die Wirtschaftspolitik der 1960er und 1970er Jahre
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
25
Katalognummer
V343033
ISBN (eBook)
9783668331600
ISBN (Buch)
9783668331617
Dateigröße
648 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Keynes, Wirtschaftswunder, BRD, Wirtschaftspolitik, Wirtschaftsgeschichte
Arbeit zitieren
Patrick Pobuda (Autor:in), 2015, Keynesianische Theorie. Die Grundlage für die Wirtschaftspolitik der 1960er und 1970er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343033

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