Das Kuppelreliquiar aus dem Welfenschatz. Form und Inhalt


Hausarbeit, 2014

39 Seiten, Note: 1

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Herkunft und Erhaltungszustand des Kuppelreliquiars

3 Konstruktion, Material und Technik

4 Formale Beschreibung
4.1 Architektur
4.2 Metallverzierung und Emailschmuck

5 Das Bildprogramm der Arkadennischen
5.1. Figuren und Reliefs
5.1.1 Die Heilige Familie
5.1.2 Die Heiligen Drei Konige
5.1.3 DieKreuzigung
5.1.4 Das Relief mit der Grabszene
5.1.5 Die zwolf Aposteln mit Christus

6 Die Aussage des Bildprogramms
6.1 Propheten und Reliefdarstellungen
6.2 Christusdarstellung am Tambour

7 Das Himmlische Jerusalem
7.1 Die Symbolik des Kirchengebaudes
7.2 Das Himmlische Jerusalem

8 Zusammenfassung

Literaturliste

Abbildungsnachweis

1 Einleitung

Nicht zufallig wird das Kuppelreliquiar auf der Homepage der Staatlichen Museen zu Berlin, als Stellvertretend fur die Ausstellung des Welfenschatzes im Bodemuseum abgebildet (Abb. 1). Das Kuppelreliquiar, welches mit Sicherheit zu der bedeutendsten Goldschmiedearbeit des Welfenschatzes gezahlt werden kann, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit.

Seit dem 19. Jahrhundert wurde das Kuppelreliquiar von Kunsthistorikem, wie Anton Wilhelm Neumann[1]ausgehend untersucht und beschrieben. Im 20. Jahrhundert vor allem durch Dietrich KOtzsche.[2]Ausgehend von stylgeschichtlichen und vergleichenden Untersuchungen mit anderen Reliquiaren, standen Fragen, vor allem nach der Provenienz und der Datierung des Kuppelreliquiars, im Vordergrund der Forschungen. Die Ikonographie stand jedoch nicht im Mittelpunkt der Untersuchungen. Was ganzlich fehlt ist eine Untersuchung der Verschrankung von Inhalt und Form. Meisten wurden diese getrennt voneinander beschrieben.[3]Auf den ersten Blick erscheint die Darstellung des Inhalts anschaulich, aber bei genauerer Analyse erscheint er viel komplexer, als angenommen. Daher lautet meine Fragestellung: Welche Form und welcher Inhalt wurde fur das Kuppelreliquiar gewahlt und wie wirkt die Form auf den Inhalt zuruck?

Meine These dazu lautet: Die Hierarchie wird durch den Aufbau deutlich und die Typologie dadurch veranschaulicht.

Bevor das Objekt naher untersucht wird, werden in den ersten Kapiteln die Provenienz, der Erhaltungszustand, das verwendete Material und die Technik des Reliquiars untersucht. Danach folgen die Beschreibung des Emails, des architektonischen Aufbaus und schlieBlich die Beschreibung des Bildprogramms. Nachdem die Aussage des Bildprogramms erfasst wurde, wird auch das Augenmerk auf die Architekturform des Schreins gelegt. Um zu verstehen, warum ausgerechnet diese Form gewahlt wurde, muss vorerst die Symbolik des Kirchengebaudes an sich untersucht werden.

Um meine These zu belegen, werden die aus den formalen und inhaltlichen Untersuchungen gewonnene Ergebnisse am Ende zusammengebracht.

2 Herkunft und Erhaltungszustand des Kuppelreliquiars

Das Kuppelreliquiar wurde wahrscheinlich Ende des 12. Jahrhundert von einem uns heute unbekannten Goldschmied in Koln hergestellt. Von wem er in Auftrag gegeben wurde und durch wen er nach Braunschweig uberfuhrt wurde, ist nicht uberliefert. Kotzsche erwahnt als moglichen Auftraggeber oder Adressaten Otto IV., den Sohn des Heinrich des Lowen, der bis dahin als der mogliche Adressat des Kuppelreliquiars gait. Damit datiert Kotzsche seine Entstehung um 1200 und nicht um 1175-80, wie er fruher vermutet hatte.[4]

Das erste schriftliche Zeugnis uber das Kuppelreliquiar stammt aus einem Reliquienverzeichnis der Blasiuskirche aus dem Jahre 1482, wo es als Burg bezeichnet wird. Laut dem Verzeichnis befand sich im Inneren des Kuppelreliquiars, neben einer Anzahl kleiner Reliquien, auch der Schadel des hi. Gregor von Nazianz. Zu dem Zeitpunkt, als das Kuppelreliquiar mit anderen Gegenstanden des Schatzes von St. Blasius an das Welfenhaus in Hannover im Jahre 1671 kam, war der Schadel noch vorhanden. Seit dem Anfang des 18. Jahrhundert gilt er jedoch als verschollen.[5]Der Schatz wurde erst 1867 zum Privateigentum des Welfenhauses und seit dem wird auch die Bezeichnung Welfenschatz verwendet.[6]Das Welfenhaus verkaufte den Schatz und mit ihm auch das Kuppelreliquiar an judische Kunsthandler, die wiederum 40 der 82 erhaltenen Gegenstande in den Jahren 1930/31 in die Vereinigten Staaten verkauften. Die restlichen 42

Goldschmiedearbeiten erwarb 1935 der PreuBische Statt und dieser uberwies sie spater dem Kunstgewerbemuseum. Der umstrittene Erwerb der Reliquiare fur die Staatlichen Museen in Berlin, wurde in den letzten Jahren zu einem schwierigen Restitutionsfall.[7]

In den Jahren 1876-1879 wurden geringfugige ReparaturmaBnahmen am Kuppelreliquiar vorgenommen. Wegen gelockerten Beschlagen, Rissen, Splitterungen, Bruchen und dem Grunspan, fand in den Jahren 1989-1994 im Kunstgewerbemuseum eine umfangreiche und aufwendige Restaurierung statt. Dank den Restaurationsarbeiten konnte eine detaillierte Untersuchung des Holzkerns, der Metallbeschlage und der Schnitzarbeiten am Kuppelreliquiar vorgenommen werden. Das Ergebnis ist die Erkenntnis daruber, dass es sich - bis auf wenige Ausnahmen - um einen originalen Bestand des Kuppelreliquiars handelt und dass sich alle metallenen Beschlage und WallroBzahnschnitzereien an ihrem ursprunglichen Platz befinden.[8]

In den Faltentiefen der Figuren und Reliefs finden sich Spuren von Rot und Grun. Die grunen Farbreste finden sich in den Tiefen der Inschriften; wo sich die roten Farbreste befinden, wird nicht erwahnt. Kotzsche berichtet aber, dass Farbreste mit roter Farbe am stilgeschichtlich verwandten WalroBzahnrelief mit der Geburt Christi im Rijksmuseum in Amsterdam gefunden wurden.[9]Das konnte bedeuten, dass die WalroBzahnreliefs in roter und die WalroBzahnfiguren am Kuppelreliquiar in gruner Farbe ursprunglich gefasst wurden. Auch die Grubenschmelzarbeiten sind nicht ganzlich erhalten: So fehlt an vielen Stellen das farbige Email (Abb. 2. Fehlendes Email ist mit roten und orangefarbenen Pfeilern gekennzeichnet). Auf der Zeichnung von P. Deckers aus dem Jahre I860 sind farbige Abweichungen, zu dem heutigen Zustand des Emails, festzustellen (Abb. 4). Die Abbildung wiedergibt nur eine Seite des Kuppelreliquiars und deswegen kann auch nur diese Seite verglichen werden. Das fehlende rote Email ist in Abb. 2 und 3 mit roten Pfeilern gekennzeichnet. Mit welcher Farbe die anderen Gruben, die mit orangefarbenen Pfeilern markiert sind (Abb. 2), ausgefullt wurden, kann anhand der Zeichnung von P. Deckers nicht rekonstruiert werden. Die Zeichnung weicht von dem heutigen Zustand auch in umgekehrter Richtung ab. So fehlt in Beckers Zeichnung rotes Email am Eckdach auf der rechten Seite. In Wirklichkeit befinden sich dort kleine runde Gruben, die mit rotem Email ausgefullt sind (Abb. 5 und 6). Aus der Nahsicht in Abb. 5 sind die roten Punkte deutlich zu erkennen; aus weiterer Entfemung in Abb. 6 eher weniger. Das konnte auch das Fehlen dieser bei Decker erklaren.

3 Konstruktion, Material und Technik

In seinem Beitrag zum Kuppelreliquiar aus dem Welfenschatz befasst sich Hans- Werner Pape mit der Konstruktion. Seine Untersuchung hat ergeben, dass das Kuppelreliquiar, aufgrund seiner exakten MaBhaltigkeit, wie ein wirklicher Baukorper konstruiert worden ist und dass alle Bauteile des Holzkerns die ursprunglichen sind. So nehmen alle MaBen des 45,3 cm hohen, 41 cm breiten und 41 cm tiefen Baukorpers aufeinander Bezug. Das bedeutet, dass es nach den damals gebrauchlichen Bemessungsregeln, wie bei einem wirklichen Bau, konstruiert worden ist. Der Kern des Kuppelreliquiars besteht aus Eichenholz und wird aus folgenden Teilen zusammengesetzt: aus der Sockelplatte, aus Wandteilen mit Arkadenbogen, der Dachplatte und dem Tambour (Abb. 7). Im Inneren des Holzkerns befindet sich ein Hohlraum, der mit Blattsilber ausgelegt wurde und zur Aufbewahrung von Reliquien diente. Um an die Reliquien zu gelangen, musste der obere Teil, der aus den Dachern, dem Tambour und der Kuppel besteht, komplett angehoben werden. Er liegt dem unteren Teil lose auf und kann mit vier SchlieBstangen - die in zweier der Dacher eingelassen sind und durch entsprechende Locher in der Sockelplatte gefuhrt werden - durch Verriegelung gegen offnen gesichert werden (Abb. 8).[10]Auf der Unterseite der Bodenplatte befinden sich die entsprechenden rechteckigen Ausschnitte fur die SchlieBstangen (Abb. 9).

Neben Eichenholz fur den Kern, wurden fur die Verkleidung Kupfer, Silber und Email verwendet. Die Technik die fur den Emailschmuck verwendet wurde, heiBt Grubenschmelz. Wahrend die vier Greifen, die Basen, die Kapitelle der Saulen und der Bronzeknauf am Dach aus gegossener und vergoldeter Bronze bestehen, sind die obere Profilleiste der Bodenplattenverkleidung, die oberen Arkaden und

Baldachinbogen, Giebel- und Traufenverkleidungen aus vergoldetem Silber gefertigt. Die Bodenplatte wurde von unten mit einer Messingplatte, die mit Braunfirnis verziert ist, versehen (Abb. 9). Die Figuren und die vier Reliefs, an den Stimseiten der Kreuzungsarme, sind aus Wallrosszahn geschnitzt.

4 Formale Beschreibung

4.1 Architektur

Aufgrund der kreuzformigen und mit einer Kuppel bekronten Form eines Zentralbaues, erinnert das Kuppelreliquiar an den Typus einer byzantinischen Kreuzkuppelkirche. Der Grundriss weist die Form eines Kreuzes, dem auf alien vier Seiten gleichlange Schenkel vorgelegt wurden, das sogenannte griechische Kreuz (Abb. 10).

Das Kuppelreliquiar kann in sieben Ebenen aufgeteilt werden: Den tragenden Greifen, der Bodenplatte, den Arkaden, den Dachem, dem Tambour, der Kuppel und dem Bronzeknauf. Die erste Ebene wird von vier liegenden Greifen, die die Bodenplatte des Reliquiars tragen gebildet (Abb. 11). Die zweite Ebene besteht aus der Bodenplatte, auf der an alien Ecken romanische Saulen stehen, die durch Rund- bzw. Flachbogen miteinander verbunden werden. Indem die Wande der Arkaden hinten geschlossen werden, entstehen in der dritten Zone Nischen, in denen Figuren bzw. Reliefs angebracht werden konnten. Das Dach mit vier vorspringenden Giebeln, welches die vierte Zone bildet, liegt uber den Rundbogen dicht auf. In der funften Ebene schneidet die runde Basis des Tambours in alle Dacher ein. Der darauf stehende zylindrische Tambour tritt etwas zuruck und ist durch dreizehn Pfeiler, zwischen denen dreizehn sitzende Figuren angebracht sind, gegliedert. Auf diesen Pfeilern sitzen wiederum dreizehn schirmartig, von oben sich herabwolbenden und verbreiteten Segmente der Kuppel. Die letzte Zone, vertreten durch den durchbrochenen Bronzeknauf, bildet den kronenden Abschluss des Kuppeldaches (Abb. 12).

4.2 Metallverzierung und Emailschmuck

Die vergoldete Bodenplatte ist an den Seiten umlaufend mit zwei Streifen, die mit Blattomament verziert sind, beschlagen (Abb. 11). Die Kanten der vieleckigen Bodenplatte und der runden Basis des Tambours, sowie der Ubergang von den Arkaden zu den Dachern, der ZusammenstoB der Dachplatten und den Platten des Kuppeldaches, sind mit einer vergoldeten Perlschnur verziert (Abb. 13). Die Kapitelle der Saulen, sowie die Flachen zwischen den profilierten Rundbogen, sind mit Akanthuslaub geschmuckt. In der Mitte der Rundbogen wurden Ziernagel angebracht. Die Giebelflachen der Kreuzungsarme, deren oberen Kanten, sowie die Dachfirste hinter ihnen mit verschiedenartig omamentierten Kammen versehen sind, wurden mit ziseliertem Ornament ausgefullt.

Abgesehen von den vergoldeten Basen und Kapitellen, ist der Schaft der sich nach oben hin verjungten Arkadensaulen, mit verschiedenartigen, reichfarbigen Schmuck durch Grubenschmelz verziert. Die zurucktretenden Wande der Arkaden sind ebenfalls mit einem Grubenschmelzdekor dekoriert. Das Muster der zwei in den Ecken zusammengestoBenen Wande ist jeweils gleich (Abb. 13); nur die Farben werden manchmal anders ausgefuhrt (Abb. 14). Die Dacher sind komplett mit Emailplatten belegt und die Vorderkanten sind ringsum mit einem Fries emailliert (Abb. 15). Die Satteldacher der vier Kreuzarme sind mit verschiedenartigen, meist rautenformig gegliederten Emailmuster bedeckt; die Schragdacher der Eckbauten sind mit Blattrankenornament mit spitzzackigen Blattformen verziert. Meist beschranken sich die Farben auf Dunkelblau, Hellblau, Turkis, WeiB und Gelb; ein kraftiges Ziegelrot ist auf zwei Satteldachflachen, zwei Eckdachem und einigen Segmenten des Kuppeldaches zu finden.

Im Gegensatz zu den emaillierten Wandflachen und den Saulenschaften der unteren Arkaden, sind die Wande und die Pfeiler am Tambour ohne Emailschmuck; die Pfeiler und die Wande dort sind komplett vergoldet.

5 Das Bildprogramm der Arkadennischen

5.1 Figuren und Reliefs

In der unteren Ebene des Kuppelreliquiars befinden sich in den Arkadennischen stehende Figuren, welche aufgrund ihrer Schriftbander als Propheten des Alten Testaments, identifiziert werden konnen. Die Nischen an den Stirnseiten der Kreuzarme, umschlieBen szenische Darstellungen aus dem Leben Jesu und entsprechen den Aussagen im Neuen Testament. Die Kindheit Jesu wird mit der Darstellung der heiligen Familie und mit der Reise der Drei Konige vertreten. Die Passion wird durch die Darstellung der Kreuzigung und der Frauen am Grabe dargestellt.

Zu jeder Szene aus dem Neuen Testament werden vier aus dem Alten Testament zugewiesen (Abb. 16).[11]Dementsprechend gehoren zum Relief mit der Heil. Familie die Propheten Jesacha, Ezechiel, Daniel und Johannes der Taufer. Zu den Drei Konigen gehoren die Propheten Hosea, Joel, Amos und Obadja. Zur Kreuzigungsszene gehoren die Propheten Jona, Sacharja, Baruch und Zephanja. Zum letzten Relief gehoren die Propheten Micha, Habakuk, Nahum und Joel.[12]Die folgende Beschreibung der Reliefs beginnt, gemaB dem Credo der Propheten, chronologisch mit der Darstellung der Heiligen Familie, gefolgt von der Darstellung mit den Drei Konigen, der Kreuzigung Christi und der Grabszene. Die Beschreibung konzentriert sich neben dem Inhalt, auch auf die Komposition und Gestik der Figuren im Bild. Gleichzeitig werden auch die Propheten mit ihren Schriften in die Beschreibung der Reliefs mit einbezogen.

5.1.1 Die Heilige Familie

In der Darstellung der Heiligen Familie (Abb. 17), die sich unter einer Faltkuppel befindet, sitzt Mari links auf einem Lehnstuhl mit durchbrochener Seitenwand. Der Stuhl und der Schenkel, auf dem Marias FuBe ruhen, erinnert an Thron Salomons. Mit ihren beiden Handen halt sie, das auf ihrem SchoB, sitzende Christuskind. Sie zeigt mit ihrer rechten Hand auf das Kind, in Richtung auf die herannahenden Drei Konige. Ihr Kopf ist zum Kind geneigt und ihr Blick ist nach unten gesenkt. Dagegen sind der Kopf und der Blick des Christuskindes nach vorne gerichtet. In seiner linken Hand halt er eine Schriftrolle und mit der rechten segnet er. Seine Fingerhaltung, mit drei erhobenen und zwei gesenkten Fingem entspricht dem Segensgestus. Er kann aber auch als ein Zeigegestus, in Richtung auf die Drei Konige, interpretiert werden. Genauso Joseph, der zur Linken Marias steht. Auch er zeigt mit seiner rechten aus dem Bildfeld seitlich heraus, dorthin wo sich am benachbarten Relief die Szene mit den herannahenden Heiligen Drei Konigen befindet.[13]

Die Zuordnung der Propheten zu den Szenen aus dem Leben Jesu, erfolgte anhand ihrer Weissagungen.[14]So beginnt der Prophet Jesacha: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebaren. Mit seiner rechten Hand zeigt er nach rechts auf Ezechiel. Der zeigt wiederum auf Jesacha, als wurden sie einen Dialog fuhren und er antwortet: Als laufe ein Rad mitten im andern. Daniel prophezeit: Wenn er gekommen sein wird, wird man vernachlassigen, das Allerheiligste zu salben. Und auch der letzte Prophet, Johannes der Taufer, thematisiert die Ankunft des kommenden Messias: Seht, das Lamm Gottes. Dabei zeigt er mit seiner rechten Hand auf das Lamm in seinem linken Arm, in Richtung auf die Heilige Familie (Abb. 18).[15]

5.1.2 Die Heiligen Drei Konige

Die Heiligen drei Konige reiten auf reich geschirrten Pferden nach links, zu der Heilige Familie. Die beiden ersten sind bartig, der letzte ist bartlos. Auf ihren Kopfen tragen sie Kronen und in ihren Handen je eine runde Deckelbuchse. Im Hintergrund befinden sich an jeder Seite je eine Saule und daruber ein omamentiertes Gesims, von dem eine Faltkuppel, ahnlich der bei Heiligen Familie, aufsteigt. Darin zu sehen ist ein achtstrahliger Stem (Abb. 19).

Das Kommen der Heiligen Drei Konige wird durch die folgenden Prophezeiungen angekundigt (Abb. 20). Beginnend links mit dem ersten Propheten Hosea, der sich zu Joel wendet: So begann der Herr durch Hosea zu reden; und Joel erwidert den Blick des Hoseas und sagt: Was der Grashupfer ubrig lieB, hat die

Wanderheuschrecke gefressen. Amos richtet sein Blick nach vorne und sagt: Ich bin ein Viehzuchter und ich ziehe Maulbeerfeigen. Obadja wendet sich an Amos und antwortet ihm: Befreier ziehen auf dem Berg Zion. Letzteres kann als ein direkter Bezug auf die Heiligen Drei Konige gedeutet werden.

5.1.3 Die Kreuzigung

Auf dem Relief mit der Kreuzigung Christi, ist Christus mit langen locken, Bart und Lendenschurz am Kreuz dargestellt (Abb. 21). Seine FuBe sind nebeneinander, ohne das sogenannte Suppedaneum. Auf dem linken Kreuzarm wurde die Inschrift: Ave Rex (GegrnBt seiest du, Konig der Juden)[16]eingeritzt. Links im Bild steht Maria mit Kopftuch, die einen Mantel tragt, den sie mit ihrer linken Hand zum linken Auge fuhr und rechts steht Johannes, der seine rechte Hand an seiner Wange halt. In seiner linken Hand halt er ein Buch. Im Hintergrund, direkt uber den Querbalken des Kreuzes ist eine Flachkuppel zu sehen, die sich deutlich von den anderen Kuppeln der Heiligen Familie und den Drei Konigen, unterscheidet.

Auf die Kreuzigung Christi bezieht sich die folgende Gruppe der Propheten in (Abb. 22). Der kahlkopfige Jona offenbart sich dem Gott und sagt: Darum nimm mir jetzt lieber das Leben Herr! Denn es ist fur mich besser. Mit einem Zeigegestus wendet sich Sacharja an Jona und sagt: Wer euch antastet, tastet meinen Augapfel an. Baruch fasst sich mit seiner rechten Hand am Bart und sagt: Dann erschien sie auf der Erde und hielt sich unter den Menschen auf; Zephanja legt seine rechte Hand ans Brust und antwortet: Ein Tag des Zorns istjener Tag.

5.1.4 Das Relief mit der Grabszene

Das Relief mit den Frauen am Grabe veranschaulicht das Hauptereignis des Ostermorgens, d. h. die Verkundigung der Auferstehung Christi. Auch diese Szene ist nach dem Neuen Testament illustriert (Abb. 23).

In der Mitte des Bildes steht unten ein Sarkophag. Links stehen drei Frauen mit runden, mit Deckel versehenen Buchsen. Es handelt sich um Salb- und WeihrauchgefaBe. Rechts im Bild sitz auf dem weggewalzten Stein ein Engel und verkundet mit Zeigegestus die Osterbotschaft. Er zeigt diagonal uber den Leib gefuhrter Rechter auf das Leichentuch Christi im leeren Grab. Die Inschrift lautet: Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte. Zu der Grabszene werden folgende Weissagungen ausgesagt (Abb.24): Micha: Dann schmieden sie

[...]


[1] Vgl. Wilhelm Anton Neumann: Der Reliquienschatz des Houses Braunschweig Luneburg, Wien 1891, S. 174-198. - Z.T. von Neumann ubemommene Beschreibung in: Otto von Falke, Robert Schmidt und Georg Swarzenski [Hrsg.], Der Welfenschatz, der Reliquienschatz des Braunschweiger Domes, aus dem Besitze des herzoglichen Houses Braunschweig-Luneburg, Frankfurt am Main 1930, 136-141. - Ahnlich: Staatliche Museen zu Berlin [Hrsg.], Der Welfenschatz. Einfuhrung und beschreibendes Verzeichnis mit 24 Tafeln, Ausst.- Kat., Berlin, Schloflmuseum Berlin, Berlin 1935, S. 41-42. - Daneben auch eine kurze Beschreibung des Kuppelreliquiars in: Welfenschatz, Schatz der Goldenen Tafel, Luneburger Ratssilber, Hildesheimer Silberfund, Ausst. - Kat., Sonderausstellung im Kestner-Museum inHannover, 3. Dezember 1956 - 17. Marz 1957, 1956, S. 6-7.

[2] Vgl. Dietrich Kotzsche: Der Welfenschatz im Kunstgewerbemuseum, Berlin 1973, S. 35-36 und 71­72. - Dietrich Kotzsche: Das Kuppelreliquiar aus dem Welfenschatz. Ergebnisse seiner konservatorischen Bearbeitung 1989-1994, in: Der Welfenschatz und sein Umkreis, Joachim Ehlers und Dietrich Kotzsche [Hrsg.], Mainz 1998, S. 325-337. - Dietrich Kotzsche und Lothar Lambacher: Hohepunkte romanischer Schatzkunst. Die Kuppelreliquiare in London und Berlin und ihr Umkreis. Ausst. -Kat., Berlin, Kunstgewerbemuseum der Stattlichen Museen zu Berlin, 16. September bis 19. November 2006, Berlin 2006.

[3]Zum Emailschmuck der Bericht von Theo Julich: Zum Emailschmuck des Kuppelreliquiars aus dem Welfenschatz in Berlin und des Turmreliquiars in Darmstadt, in: Der Welfenschatz und sein Umkreis, Joachim Ehlers und Dietrich Kotzsche [Hrsg.], Mainz 1998, S. 309-324. - Ein weiterer Beitrag zum Kuppelreliquiar von Hans- Werner Pape: Zur Konstruktion des Kuppelreliquiars aus dem Welfenschatz, in: Der Welfenschatz und sein Umkreis, Joachim Ehlers und Dietrich Kotzsche[Hrsg.], Mainz 1998, S. 339-351.

[4]Vgl. Kotzsche, 1998, S. 336-337.

[5] Vgl. Andrea Boockmann: Die Inschriften der Stadt Braunschweig bis 1528. Die deutschen InschriftenBd. 35: GotingerReiheBd. 5, Wiesbaden: Reichert 1993, S. 27.

[6]Vgl.Kotzsche, 2006, S. 21.

[7] Die Limbacher-Komission hatte am 19.03.2014 eine Empfehlung ausgesprochen, dass der Welfenschatz weiterhin im Besitz der Staatlichen Museen zu Berlin bleiben sollte und nicht an das judische Kunsthandlergremium zuruck gegeben werden sollte. Siehe dazu der Artikel von Lucas Elmenhorst: Welfenschatz. Keine Empfehlung fur eine Ruckgabe, in: Handelsblatt, 21.03.2014, http://www.handelsblatt.com/panorama/kunstmarkt/welfenschatz-keine-empfehlung-fuer-eine- rueckgabe/9652372.html (letzterZugriff am 21.03.2014).

[8]Vgl. Kotzsche, 1998, S. 328.

[9]Vgl.Ebd. S. 330.

[10]Vgl. Pape, 1998, S. 339-351.

[11] Diese Zuordnung basiert auf Boockmanns Analyse der Inschriften des Berliner Kuppelreliquiars. Siehe dazu Boockmann, 1993, S. 25-28. - Ahnlich Kotzsche, 2006, S. 60. - Andere Zuordnung macht Neumann. Auch er beginnt mit dem Relief der Heiligen Familie und endet mit der Grabszene. Bei den Propheten beginnt er aber mit den Propheten, die bei Boockmann und Kotzsche, dem Relief mit den Drei Konigen zugeteilt wurde. Siehe dazu Neumanns Ubersichtstafel der Propheten-Inschriften in: Neumann, 1891, S. 188.

[12] Die Namen der Propheten wurden von Kotzsche, 2006, S. 60, ubemommen. Bei den anderen Autoren weichen die Namen ab. So bei Boockmann 1993, S. 25 und Neumann, 1891, S. 188. So wird z.B bei Neumann, fur Johannes den Taufer der lateinische Namen Johannes Baptista genommen.

[13] Nach Kotzsche ist das Relief mit der Heiligen Familie mit dem Relief mit den Drei Konigen durch Bewegungen und Gesten kompositionell so zusammengeschlossen, dass sie eine Szene bilden. Vgl: Kotzsche, 2006, S. 31.

[14] Auch die Texte der Propheten wurden von Kotzsche, 2006, S. 60, ubemommen. Neben den Namen der Propheten, weicht Bockmanns Ubersetzung der Texte der Schriftrollen von Kotzsche ab. Im Groflen und Ganzen ist der Sinngehalt aber ahnlich. Siehe dazu Boockman, 1993, S. 26. Dagegen liefl Neumann in seiner Tabelle die Propheten-.Inschrift ohne deutsche Ubersetzung stehen. Siehe: Neumann, 1891, S. 188. Ohne Ubersetzung blieben sie auch bei: Falke und Schwarzenski, 1930, S. 139-141.

[15] Die Beschreibung der Propheten basiert auf eigenen Beobachtungen am Original im Bodemuseum, wo das Kuppelreliquiar zurzeit mit anderen Schatzen aus dem Welfenschatz, im Rahmen der Ausstellung Schatze des Glaubens. Meisterwerke aus dem Kunstgewerbemuseum in Berlin. Zu Gast im Bode-Museum, ausgestellt ist. In der Literatur fehlt es an Abbildungen, die auch die anderen Prophetengruppen zeigen wurden, wie es der Fall in Abb. 20 und 22 ist.

[16] Kotzsche, 2006, S. 68. Kotzsche erwahnt die Moglichkeit, dass die Inschrift erst spater eingefugt wurde.

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Das Kuppelreliquiar aus dem Welfenschatz. Form und Inhalt
Veranstaltung
Mittelalterliche Kunst – Übung vor Originalen
Note
1
Jahr
2014
Seiten
39
Katalognummer
V342895
ISBN (eBook)
9783668328822
ISBN (Buch)
9783668328839
Dateigröße
5538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kuppelreliquiar, welfenschatz, form, inhalt
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Das Kuppelreliquiar aus dem Welfenschatz. Form und Inhalt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342895

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