Stadthotels des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland. Eine vergleichende Analyse ausgewählter Hotelbauten


Masterarbeit, 2014

123 Seiten, Note: 2,1

Clara Göbel (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Forschungsstand

3 Begriffe
3.1 Gasthaus
3.2 Hotel
3.3 Stadthotel
3.4 Abgrenzungsproblematik: Palasthotel, Grandhotel, Luxushotel
3.4.1 Palasthotel
3.4.2 Grandhotel
3.4.3 Luxushotel
3.4.4 Vergleichende Betrachtung

4 Die Entwicklung des Hotelbaus
4.1 Der internationale Hotelbau im 19. und frühen 20. Jahrhundert
4.2 Der Hotelbau des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland

5 Typisierung von Hotelbauten
5.1 Nach Aufenthaltsdauer
5.1.1 Passantenhotel
5.1.2 Familienhotel
5.2 Nach Aufenthaltszweck
5.2.1 Kurhotel
5.2.2 Sporthotel
5.3 Nach Standort
5.3.1 Eisenbahnhotel
5.3.2 Berghotel

6 Das Stadthotel vor dem Ersten Weltkrieg
6.1 Voraussetzungen
6.2 Charakteristika
6.2.1 Standort
6.2.2 Personal
6.2.3 Außenbau
6.2.4 Innenausstattung
6.3 Das Palasthotel im Spiegel der Gesellschaft
6.4 Das Hotel Adlon in Berlin
6.4.1 Außenbau
6.4.2 Innenausstattung
6.5. Das Hotel Atlantic in Hamburg
6.5.1 Außenbau
6.5.2 Innenausstattung

7 Exkurs: Vergleich zweier Palasthotels der Architekten Lossow & Kühne
7.1 Das Palasthotel Weber in Dresden
7.1.1 Außenbau
7.1.2 Innenausstattung
7.2 Das Hotel Astoria in Leipzig
7.2.1 Außenbau
7.2.2 Innenausstattung

8 Das Stadthotel nach dem Ersten Weltkrieg
8.1 Voraussetzungen
8.2 Charakteristika
8.2.1 Standorte
8.2.2 Personal
8.2.3 Außenbau
8.2.4 Innenausstattung
8.3 Das Hotel Duisburger Hof in Duisburg
8.3.1 Außenbau
8.3.2 Innenausstattung
8.4 Das Parkhotel Haus Rechen in Bochum
8.4.1 Außenbau
8.4.2 Innenausstattung

9 Exkurs: Hotelbau nach dem Ersten Weltkrieg außerhalb der Großstadt
9.1 Neue Intentionen des Hotelbaus in den späten Zwanzigern am Beispiel des Bauhaushotels Haus des Volkes in Probstzella
9.1.1 Außenbau
9.1.2 Innenausstattung
9.2 Überformung der Innenausstattung von Hotels in den Goldenen Zwanzigern am Beispiel des Hotels Vierjahreszeiten in Görlitz
9.2.1 Außenbau
9.2.2 Innenausstattung

10 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungen

Tabellen

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit einer vergleichsweise unterschätzten Bauauf- gabe des 20. Jahrhunderts, dem Hotelbau in Städten. Obwohl auch die Entwicklung des Hotelbaus im Betrachtungszeitraum dieser Arbeit von enormen Um- und Auf- schwüngen geprägt war, assoziiert man das ausgehende 19. und beginnende 20. Jahr- hundert vielmehr mit dem Theater-, Bahnhofs- und Passagenbau sowie der Kaufhaus- architektur. Der Hotelbau gehört bei weitem nicht zu den bedeutendsten Architektur- gattungen, dabei müsste ihm eine durchaus höhere Wertschätzung zuteilwerden. Denn bis heute ist kaum eine Bauaufgabe so außerordentlich eng mit der gesellschaftlichen Struktur verknüpft wie der Hotelbau. Strebte man einerseits nach der Schaffung heimi- scher Vertrautheit auf Reisen, versuchte man, diese andererseits mithilfe entsprechen- der Serviceleistungen und den neuesten Innovationen zu einem unvergesslichen Er- lebnis zu machen.

Folglich wird deutlich, dass es sich bei Hotels um ein komplexes Konstrukt handelt, das funktionieren muss. „Es gibt kaum eine Gebäudeart, welche sich in ihrem Aufbau so kompliziert gestaltet wie das ‚Hotel‘“1, bemerkte Fritz KUNZ 1930. Doch der Bau von Hotels mit der Komplexität, die wir noch heute genießen können, fand seinen Ur- sprung erst im frühen 19. Jahrhundert und erreichte in Deutschland einen Höhepunkt mit dem Palasthotelbau unmittelbar nach der Jahrhundertwende. Nach den Wirren des Ersten Weltkrieges erholte sich der Hotelbau auf deutschem Raum erst in den 1920er Jahren, knüpfte jedoch nicht mehr an die Popularität des Palasthotelbaus an. Stattdes- sen etablierten sich diverse neue Typen, von diesen im Rahmen dieser Arbeit das Hauptaugenmerk auf das Industrie- und Handelshotel gerichtet werden soll.

Das Ziel der vorliegenden Ausarbeitung soll es sein, mithilfe einschlägiger Beispiele herauszuarbeiten, welche Rolle der deutsche Hotelbau im internationalen Kontext ein- nahm und welche unterschiedlichen Ausprägungen er innerhalb der deutschen Gren- zen aufwies. Anhand dieser Untersuchungen soll zum einen deutlich werden, welche Entwicklungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzogen wurden, zum anderen soll versucht werden, die Unterschiede zwischen Vor- und Nachkriegshotel aufzu- zeigen .

Dazu werden zunächst einige für die vorliegende Arbeit relevante Begriffe definiert. Dem folgt ein allgemeiner Überblick über die Entwicklung des Hotelbaus. Im An- schluss daran sollen einige Hoteltypen kurz erläutert werden, um diese schlüssig von den Formen des Stadthotels, die im Zentrum dieser Betrachtung stehen, abzugrenzen.

Der Hauptteil untergliedert sich in zwei Teile. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit den Entwicklungen des Hotelbaus vor dem Ersten Weltkrieg, d.h. der Zeit zwischen 1900 und 1914, in der auch der Höhepunkt des deutschen Palasthotelbaus zu veran- kern ist. Aufgrund dessen soll das Palasthotel exemplarisch als wichtigste Erschei- nungsform genauer vorgestellt werden und seine verschiedenen Ausprägungen anhand von vier Beispielen anschaulich gemacht werden. Die Auswahl der Exempel erfolgte anhand ähnlicher Gebäudestrukturen, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Stand- ortfaktoren. Darüber hinaus sollen im Rahmen eines Exkurses die Unterschiede zweier Bauwerke derselben Architekten herausgearbeitet werden. Untersucht werden die ein- zelnen Beispiele anhand ihrer Baugeschichte und urbanen Fassung, ihres Außenbaus und ihrer Innenausstattung sowie ihrer gesellschaftlichen Reflexion.

Der zweite Abschnitt des Hauptteils befasst sich mit den weitaus vielschichtigeren Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg. Zunächst wird ein Überblick über die Ge- samtsituation des Nachkriegshotelbaus gegeben und im Anschluss daran das Industrie- und Handelshotel - als moderne Interpretation des inzwischen nicht mehr zeitgemäßen Palasthotels - thematisiert. Dazu werden zwei weitere Beispiele herangezogen, anhand derer die unterschiedlichen Ausprägungen unter denselben Gesichtspunkten, wie zu- vor beim Palasthotel, untersucht werden. Um der Komplexität des Hotelbaus Rech- nung zu tragen, soll in einem zweiten Exkurs auf zwei weitere Hotelanlagen einge- gangen werden, die aufgrund ihrer Lage oder ihrer Baugeschichte nicht in die Gesamt- thematik eingeordnet werden können, jedoch exemplarisch für die Vielfältigkeit des Nachkriegshotelbaus stehen. Die hier gewählten Beispiele stellen daher keinen An- spruch auf Vollständigkeit, sondern verweisen stellvertretend auf diverse typologische Umsetzungsmöglichkeiten.

2 Forschungsstand

Einen Spiegel der unterschätzten Hotelbauthematik liefert der Blick in die aktuelle Forschungslage. Selbst in zeitgenössischen Bauzeitschriften blieben Beiträge zu Ho- telbauten eher eine Randerscheinung. So gab es kaum übergreifende Untersuchungen, die die Thematik in ihrer Ganzheit erfassten, sondern hauptsächlich Einzelbeispiele herausragender Bauten.2 Jedoch muss an dieser Stelle zwischen nationalen und inter- nationalen Abhandlungen unterschieden werden. Die Forschungen im schweizerischen und französischen Raum waren, wie die lokale Entwicklung im Hotelbau selbst, weit- aus fortschrittlicher als in Deutschland. So erschien bereits 1874 Eduard GUYERS Schrift „Das Hotel-Wesen der Gegenwart“3 in Zürich, die sich vorzugsweise mit Bau- ten in Frankreich und der Schweiz auseinandersetzte, aber auch auf deutsche Bauten, wie den „Frankfurter Hof“ in Frankfurt, einging. Der erste Kernzeitraum der vorlie- genden Arbeit, 1900 bis 1914, wurde in der zeitgenössischen Forschung jedoch über- gangen.

Erst im Jahr 1930 schuf Fritz KUNZ mit seiner Abhandlung „Der Hotelbau von heute“4 eine Untersuchung zum deutschen Hotelbau, behandelte dabei primär die Situation nach dem Ersten Weltkrieg und damit verbunden die jüngsten Bauten der 1920er Jahre. Die kunsthistorische Betrachtung wurde hierin jedoch zugunsten wirtschaftlicher, bau- und betriebstechnischer Hinweise zurückgestellt.

1976 erschien in London Nikolaus PEVSNERS Schrift mit dem Titel „A history of building types“5, die sich erstmals übergreifend mit der internationalen Geschichte des Hotelbaus auseinandersetzte und dabei Beispiele aus Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) vom Mittelalter bis in die 1970er Jahre aufgriff. Doch auch hier wurden tiefergehende Betrachtungen zu deutschen Hotels im frühen 20. Jahrhundert vernachlässigt.

Rückblickende Forschungen über die Jahrhundertwende in Deutschland setzten erst später ein. So erschien 1980 der Beitrag „Hotelbauten“ von Wolfgang MÜLLER, in Teil VIII. der Schrift „Berlin und seine Bauten“ des Architekten- und Ingenieurverein Berlins.6 MÜLLER setzte sich erstmals mit der Geschichte des Berliner Hotelbaus auseinander und widmete sich intensiv einzelnen Bauwerken - allerdings ausschließlich denen in der Hauptstadt. Dennoch gelang es ihm, anhand der Berliner Beispiele den gesamtdeutschen Zeitgeist widerzuspiegeln.

Erst zwei Jahre später erschien mit Michael SCHMITTS „Palast-Hotels“7 eine übergrei- fende kunsthistorische Betrachtung der Hotelarchitektur des späten 19., frühen 20. Jahrhunderts, in der deutsche Bauten Beachtung fanden. Sein Werk versteht sich je- doch als Überblicksdarstellung und ging nicht vertiefend auf einzelne Hotelanlagen ein. Darüber hinaus legte auch er den Fokus auf Hotelbauten in der Schweiz und in Frankreich, „da hier die Idee des palastartigen Hotelbaus seinen architektonischen Höhepunkt erreichte.“8

Maria WENZEL schuf 1991 mit ihrem Werk „Palasthotels in Deutschland“9 ein Pen- dant, das sich ausschließlich der Situation in Deutschland widmete und lieferte damit eine „wissenschaftliche Untersuchung, die den Bautyp [Palasthotel] und seine Merk- male klar herausarbeitet.“10 Darüber hinaus enthielt ihre Abhandlung einen umfassen- den Überblick über Hotels im deutschen Raum und bietet damit eine wesentliche Grundlage für weiterführende Einzelbetrachtungen. Festzuhalten ist jedoch, dass sich sowohl SCHMITT als auch WENZEL weitaus intensiver mit der Situation um die Jahr- hundertwende beschäftigten, als mit den vielfältigen Entwicklungen nach dem Ersten Weltkrieg. Überblickswerke, die sich mit der Nachkriegssituation im Hotelbau ausei- nandersetzen, existieren bis dato noch nicht.

Die Untersuchungen zu den einzelnen Hotelbauten der vorliegenden Arbeit sind in ihrer Vielfalt und Qualität sehr unterschiedlich. Außerordentlich viel Material, darun- ter diverse Beiträge in zeitgenössischen Fachzeitschriften, existiert beispielsweise zum „Hotel Adlon“ (1905-07).11 Aber auch neuere Forschungen wie JANSEN-FLEIGS „Das Hotel Adlon“ von 199712 dienten der vorliegenden Arbeit als Grundlage. Das „Adlon“ steht damit stellvertretend für zahlreiche Berliner Hotels, die generell eine höhere Würdigung in einschlägigen Fachzeitungen erfuhren.

Das Hamburger „Hotel Atlantic“ (1907-09)13 hingegen wurde in der zeitgenössischen Forschung weitaus seltener thematisiert, jedoch anhand jüngerer Forschungen, wie GROBECKERS Abhandlung „Das Atlantic Hotel zu Hamburg“14 aus dem Jahr 1999, entsprechend aufgearbeitet.

Weitere Hotels, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit thematisiert werden sollen, erfuhren zu ihrer Zeit oder in aktuellen Forschungen kaum eine angemessene Würdi- gung. Dabei zeigt sich aufs Neue die Relevanz der hier ausgearbeiteten Thematik.

3 Begriffe

Nachfolgend sollen einige Begrifflichkeiten, die im Laufe der Arbeit von Bedeutung sind, zum besseren Verständnis, vorgestellt werden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass im Kapitel 3.2 nicht das Hotel als solches, wie wir es heute verstehen, sondern als Bau des frühen 20. Jahrhunderts vorgestellt und dessen Ursprünge kurz erläutert werden sollen.

3.1 Gasthaus

Seinen Ursprung fand das Hotelgewerbe im Gasthaus, das im Gegensatz zur Gaststätte neben der Verpflegung auch die Beherbergung von Gästen ermöglichte. Anders als das Hotel, verfügte es über eine klar gegliederte Gebäudestruktur: Einem Gastraum mit Theke und ggf. weiteren Speiseräumen, sowie einem Obergeschoss mit maximal 20 Betten.15

3.2 Hotel

Der Begriff des Hotels ist mittlerweile in vielen Sprachen gebräuchlich. Er leitet sich vom Lateinischen hospes - „der Gast“, hostis - „der Fremde“16 und dem daraus resultierenden hospitale - „Beherbergungsbetrieb“ ab.17

Das Hotel, das Gegenstand dieser Arbeit sein soll, jedoch lediglich als „Gasthaus mit mehr als 20 Betten“18 zu beschreiben, scheint an dieser Stelle nicht ganz zureichend. Von den Beherbergungsbetrieben, zu denen auch Gasthöfe, Hospize, Pensionen, Kurund Erholungsheime19 gehören, grenzt sich das Hotel vor allem durch seine höhere Kapazität und seine vielfältige Ausstattung ab.

Es handelt sich um eine Form des Fremdenverkehrsbetriebs, die sich im 19. Jahrhun- dert herausbildete und die, neben der Beherbergung und Verpflegung von Gästen, auch den verschiedensten Formen der Unterhaltung diente. „Seit jeher gilt der Begriff „Hotel“ als Qualitätsmerkmal.“20 So verfügte das Hotel nicht mehr nur über Gäste- zimmer in verschiedenen Ausstattungen, sondern häufig auch über Restaurant(s) und Gesellschaftsräume, wie Lese-, Schreib- und Musiziersalons. Mit dem Runderlass des Reichswirtschaftsministers, zum Gaststättengesetz vom 28. April 1930 gilt das Hotel bis zum heutigen Tag als „ein Beherbergungs- und Verpflegungsbetrieb gehobener Art mit entsprechender baulicher Gestaltung und Einrichtung seiner Räume.“21

3.3 Stadthotel

Um den in dieser Arbeit relevanten Hoteltypus noch weiter einzugrenzen, soll nun das Stadthotel als solches, wie es im Rahmen dieser Arbeit interpretiert werden soll, vorgestellt werden.

Der Begriff Stadthotel wurde gewählt, da er die Freiheit gewährt, sämtliche Hotelty- pen zu betrachten, die die Voraussetzung erfüllen, in einen urbanen Kontext eingeord- net zu sein. Es umfasst also sowohl das Palasthotel, das für den ersten Teil dieser Ar- beit von Bedeutung sein soll, als auch das Industrie- und Handelshotel, das in den Be- trachtungen zum Hotelbau nach dem Ersten Weltkrieg die wesentliche Rolle spielen wird. Darüber hinaus umfasst der Begriff Randerscheinungen, wie das Bahnhofs- oder Eisenbahnhotel und populäre Typen wie das Passanten- und Familienhotel, die in der vorliegenden Untersuchung jedoch nur kurz thematisiert werden sollen.

3.4 Abgrenzungsproblematik: Palasthotel, Grandhotel, Luxushotel

Im Zusammenhang mit erstklassigen Hotels kommt es häufig zur ungeordneten Ver- wendung der Begriffe Palast-, Grand- und Luxushotel. Nahezu jeder, der sich mit der Thematik Hotelbau im frühen 20. Jahrhunderts auseinandersetzt, trifft auf diese Be- griffskontroverse, die auch im Rahmen dieser Arbeit thematisiert werden soll.

Michael SCHMITT hielt bereits fest, dass die Abgrenzung des Typus innerhalb des Ho- telbaus verschwommen ist.22 Weder im 19., noch im 20. Jahrhundert bestand eine ver- bindliche Definition für Palast- oder Grandhotel. Sie „nehmen auf unterschiedliche Kriterien Bezug, die das Phänomen in seiner Gesamtheit jedoch nicht fassen kön- nen.“23 Das Grundproblem besteht darin, dass sich innerhalb kürzester Zeit diverse Beherbergungstypen mit unterschiedlichsten Schwerpunkten entwickelten, obwohl selbst Begriffe wie Gasthaus und Hotel zu jenem Zeitpunkt noch nicht klar voneinan- der abgegrenzt wurden. Bemühungen um eine nachträglich auferlegte Differenzierung der einzelnen Bezeichnungen scheinen daher stets aufgesetzt und willkürlich.

Sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch, als auch in der Forschungsliteratur wurden die Begriffe scheinbar wahllos verwendet. Dennoch soll im Folgenden den Abgren- zungsbemühungen nachgegangen werden, um schließlich in dieser Ausarbeitung eine stimmige und einheitliche Verwendung der Begriffe gewährleisten zu können. Eine detaillierte Ausführung zum Palasthotel wird in diesem Abschnitt nicht geleistet, die- ser folgt in Kapitel 6.

3.4.1 Palasthotel

SCHMITT definierte den Begriff Palasthotel wie folgt: „Das Palasthotel ist ein speziel- ler Bautypus innerhalb des Hotelbaus, dessen stilistisch-typologische Ausformung etwa ab 1870 einsetzte und in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg sei- nen Höhepunkt fand.[…] Vorbild und Stil resultieren aus dem Repräsentationsbedürf- nis einer exklusiven und vermögenden Klientel, die sich ausschließlich an aristokrati- schen Lebensformen orientierte. Das Hotel - Exponent dieses Anspruchs - präsentierte sich als Palast, als glänzende Kulisse zur gesellschaftlichen Selbstdarstellung.“24

3.4.2 Grandhotel

Nach JANSEN-FLEIG handelt es sich bei einem Grandhotel um einen im 19. Jahrhundert entstandenen Hoteltypus, der vom Repräsentationsbedürfnis seiner Gäste geprägt war. Charakterisierende Merkmale sind Monumentalität, prunkvoll ausgestattete Gesell- schaftsräume, zentrumsnahe Lage und eine aufwändige Außen- und Innenraumgestal- tung.25

Bereits hier wird deutlich, dass diese recht allgemein gehaltene Definition JANSENFLEIGS auch auf das zuvor beschriebene Palasthotel angewendet werden kann.

3.4.3 Luxushotel

KUNZ definiert das Luxushotel wie folgt: „Das ist der Typ des Luxushotels, dessen Existenz nicht Selbstzweck, sondern Nebenzweck ist. Wir finden ihn in großen Indust- riestädten, […] deren verwöhnten Geschäftsfreunden er bei den geschäftlichen Zusammenkünften ein Heim gewähren soll, das ihrem Luxusanspruch genügt, dane- ben verfolgen diese oft von der Stadtgemeinde unterstützten Unternehmungen noch den Zweck, der oberen Gesellschaftsschicht dieser Städte den würdigen Rahmen zu ihren Festlichkeiten zu geben.“26

Festzuhalten ist also, dass die einfache Beherbergung in einem Luxushotel zur Nebensache werden soll. Viel eher dient es dazu, der obersten Gesellschaftsschicht ein würdiges Ambiente zu schaffen, in dem Sie ihre Lebensqualität in vollen Zügen genießen kann. Der Fokus liegt vor allem auf den Unterhaltungsmöglichkeiten, Speisen und Getränken und außergewöhnlichem Komfort.

3.4.4 Vergleichende Betrachtung

Eine einwandfreie Abgrenzung dieser Begriffe scheint selbst nach dem Zusammentragen der Definitionen aus verschiedensten Werken unmöglich. Aufgrund dessen werden unter Berücksichtigung vorausgegangener Erläuterungen die Bezeichnungen in der vorliegenden Arbeit wie folgt voneinander abgegrenzt:

Das Luxushotel versteht sich als ortsunabhängiger, zeitloser Begriff, der sämtliche Luxushotelbauten von ihrer Entstehung an bis heute umfasst. D.h., er schließt die Pa- last- und Grandhotels im ausgehenden 19.- und beginnenden 20. Jahrhundert ein, ebenso wie die überaus komfortabel ausgestatteten Kur- und Berghotels. Entscheidend ist nicht der Standort, selbst das äußere Erscheinungsbild spielt eine untergeordnete Rolle, allein die Ausstattung gibt Aufschluss, ob es sich um ein Luxushotel handelt.

Wie aus den Definitionen bereits zu schließen ist, gestaltet sich die Abgrenzung von Grand- und Palasthotel als weitaus schwieriger. Beide stellen einen zeitabhängigen Typus dar, der seinen Ursprung im 19. Jahrhundert hat und seinen Höhepunkt um die Jahrhundertwende erreichte. Die Unterscheidung in den Zusätzen „Palast“ oder „Grand“ zu suchen, erscheint ebenfalls nicht sinnvoll, deuten doch beide Begriffe auf Pracht und Größe hin. Die Begriffe werden demzufolge auch im Rahmen dieser Arbeit gleichgesetzt. Jedoch muss darauf verwiesen werden, dass dem Palasthotel als deutscher Begriff aufgrund des Untersuchungsgebietes eine zentralere Rolle zukommt, als dem Grandhotel, dessen französischer Ursprung nicht zu leugnen ist und in internationalen Betrachtungen seinen Widerhall finden wird.

4 Die Entwicklung des Hotelbaus

Für eine Auseinandersetzung mit der Hotelarchitektur des frühen 20. Jahrhundert ist eine Betrachtung der vorhergehenden Entwicklungen unabdingbar.

Das Hotel, wie es im frühen 20. Jahrhundert die Städte prägte, ging aus dem Typus der Herbergen und Gasthäuser vorangegangener Jahrhunderte hervor. Gasthöfe fanden ihren Ursprung bereits im Altertum, vorrangig im orientalischen Raum, Griechenland sowie Ägypten.27 Mit der Etablierung des Postverkehrs auf deutschen Raum, wurde das Gastgewerbe mit größerer Intensität betrieben. Für das 15. Jahrhundert konnten beispielsweise in Leipzig erste gewerbsmäßig betriebene Gasthöfe nachgewiesen wer- den.28 Die Atmosphäre in solchen Einrichtungen ließ sich als familiär beschreiben, da der Besitzer und dessen Familie selbst die Gastgeberrolle übernahmen.29

Im 16. und frühen 17. Jahrhundert entwickelten sich die Gasthöfe bereits zu kleinen Unternehmen, die der Bezeichnung „Hotel“ gerecht wurden und auch internationale Gäste beherbergten, wie beispielsweise „der Ritter“ (um 1600) in Heidelberg oder das „Rote Haus“ (1635-40) in Frankfurt, das vor 1700 als das beste Hotel der Stadt ge- schätzt wurde.30

Bereits im 18. Jahrhundert etablierten sich die ersten spezifischen Hotelgattungen, meist mit entsprechendem Regionalbezug, also Familien- und Strandhotels in den Seebädern oder Kurhotels in Gebirgs- und Badeorten. Im späten 19. Jahrhundert entstanden bereits erste Sporthotels.31

4.1 Der internationale Hotelbau im 19. und frühen 20. Jahrhundert

Der Ursprung des Palasthotelbaus ist in den USA zu suchen, wo die im Folgenden beschriebenen Entwicklungen bereits einige Jahrzehnte zuvor vollzogen werden konnten. Im Jahr 1829 wurde dort das „erste Luxushotel der Welt“, das „Tremont House“ in Boston, eröffnet.32

Nach tiefen wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen infolge der industriellen Revo- lution, konnte man auch im europäischen Raum davon sprechen, dass das Hotelwesen eine Art Revolution durchlebte. Zu dieser Zeit entwickelte sich die Reisekultur deut- lich in die Richtung, die uns noch heute vertraut ist, sodass sich die Architektur diesen neuen Voraussetzungen fügte und potentielle Gasthöfe ein weitaus vielschichtigeres Erscheinungsbild erhalten mussten. Dieser radikale Aufschwung des Hotelbaus ging mit den Verbesserungen der Fortbewegungsmöglichkeiten im frühen 19. Jahrhundert einher. Die Zahl der Reisenden stieg aufgrund besser ausgebauter Verkehrsnetze und neuer Fortbewegungsmittel auf bisher unbekannte Maße an. Die Eisenbahn etablierte sich als neues „Massenverkehrsmittel“ und ermöglichte schnelleres und komfortable- res Reisen. Zunächst in Großbritannien, ab 1835 aber auch in Deutschland, trug der Bahnverkehr maßgeblich zur Entwicklung des Tourismus bei.33 Die daraus, vorrangig jedoch im englischsprachigen Raum entstandenen Eisenbahnhotels grenzten sich in ihrer Grundstruktur bereits deutlich von den bisher bekannten Herbergen und Gasthäu- sern ab. Generell entwickelten sich Bahnhöfe, bzw. die Bahnhofsnähe zu einer belieb- ten Lage für Gasthöfe und Hotelanlagen.

Parallel dazu entwickelte sich auf dem europäischen Festland ebenfalls eine neue Gasthausstruktur. Als Vorreiter für die ersten Hotelanlagen, die sich äußerlich „nicht wesentlich von größeren vornehmen Wohnbauten“34 unterschieden, muss an dieser Stelle die Schweiz genannt werden. Als eines der ersten palastartigen Hotelbauten entstand zwischen 1830-34 in Genf das „Hotel des Bergues.“35 Neben den bisher übli- chen Badereisen, beispielsweise in Kurbäder oder an die See, erfreuten sich sogenann- te Schweizerreisen 36 zu jener Zeit auch unter deutschen Touristen größter Beliebtheit und ermöglichten dort die Etablierung einer ganz eigenen Hotelkultur.

In Deutschland hingegen entstand zu dieser Zeit kein vergleichbarer Hotelbau. Nicht allein die palastartigen Kurhotels in der Schweiz, auch die französischen Stadthotels verstanden sich als gesamteuropäische Wegbereiter. An dieser Stelle sei das 1854-55 entstandene „Grand Hôtel du Louvre“37 erwähnt, dessen Fassade (Abb. 1) sich ebenso auf deutschen Raum zum Prototyp für Hotelbauten etablierte.

Die Palasthotelarchitektur, die mit dem Ersten Weltkrieg in Deutschland ihr Ende fand, überdauerte in Frankreich diesen Einschnitt. Hier war das Bedürfnis nach „gro- ßen, feudalen Hotelbauten noch immer gegeben.“38 Beispiele wie das 1925-26 ent- standene „Hotel Hermitage“, von F. Menard, im Badeort La Baule39 (Abb. 2) oder das „Hotel Majestic“ (1926) in Cannes40 zeugen davon, dass das französische Palasthotel auch nach dem Ersten Weltkrieg keine bloße Randerscheinung darstellte.

Auch in Amerika nahm das Repräsentationsbedürfnis immer größere Ausmaße an. Im Jahr 1930 äußerte KUNZ sich hierzu wie folgt: „Betrachtet man ein z.B. ein modernes amerikanisches Hotel, so stellt man fest, dass man in dem Hotel eine Stadt im Kleinen vor sich hat, in der die vielgestaltigen Wünsche der Besucher nach allen Richtungen hin weitestgehend befriedigt werden.“41

4.2 Der Hotelbau des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland

Die bisherigen Betrachtungen haben gezeigt, dass Deutschland keineswegs eine Vor- reiterrolle im Hotelbau einnahm. Bis etwa 1850 spielte dieser auf deutschem Gebiet generell eine eher untergeordnete Rolle und erlangte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges keinen vergleichbaren Ruhm wie die Bauten der Schweiz oder Frank- reichs. Architekturkritiker Julius POSENER führte diesen Umstand auf die deutsche Gesellschaft selbst zurück: „Das Bürgertum hatte in politischer, aber auch in kulturel- ler Hinsicht Nachholebedarf; und es wusste sehr wohl, dass die beiden nicht zu tren- nen waren: Im einen wie im anderen Bereich fehlte dem Deutschen Bürgertum die weltmännische Sicherheit, wie sie besonders das englische Bürgertum besaß.“42

Eine offensichtlichere Ursache lag sicher in der deutschen Tourismusbranche selbst. Zwar war Berlin beispielsweise ein beliebter Zwischenstopp für Reisende der russischen Oberschicht auf ihrem Weg von Russland in die Schweiz oder Paris, der Anteil an Vergnügungsreisenden war jedoch im Vergleich zu anderen Ländern gering, sodass sich vorerst der Bedarf an Neubauten in Grenzen hielt.43 Den unmittelbaren Auf- schwung im Berliner Fremdenverkehr und die gestiegenen Ansprüche potentieller Gäste, schien man dann jedoch verpasst zu haben, wie anhand eines Auszugs aus dem Wochenblatt des Architektenvereins zu Berlin, 186744 deutlich wird: „Unter den Berli- ner Hotels sind einige wenige Neubauten entstanden, […] aber ihre Mehrzahl ent- spricht trotz des kolossalen Fremdenverkehrs, den Berlin aufzuweisen hat, sehr wenig den berechtigten Anforderungen.“45 Selbst deutsche Fachgremien waren sich dieser Rolle also durchaus bewusst.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert war von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt. Der daraus resultierende Hoteltypus übertraf auch in Deutschland die ausschließliche Beherbergungsfunktion maßgeblich.

Neben den bereits erwähnten Erholungs - oder Schweizerreisen, nahmen nun ebenso Vergnügungs- und Bildungsfahrten und damit verbunden Städtereisen einen neuen Stellenwert ein. Diese Errungenschaft des 19. Jahrhunderts wurde durch den Auf- schwung des Zeitungswesens und der damit verbundenen neuen Reiseliteratur, bei- spielsweise mit ersten Reiseführern (z.B. von Karl Baedeker) begünstigt.46 Aber auch Weltausstellungen, die die Neugier weckten und erste Reisebüros (beispielsweise Thomas Cook), die die Organisation der Reisen übernahmen, trugen zum Aufschwung des Tourismus bei. Die neuen medialen Errungenschaften ermöglichten darüber hin- aus, Werbung auf verschiedensten Wegen, z.B. per Postkarte (Abb. 3), über Leuchtre- klame oder Zeitungsannoncen, zu vermitteln.47

Infolgedessen kam dem Hotelwesen auch eine wachsende volkswirtschaftliche Bedeu- tung zu. So gründeten sich in diesem Zeitraum diverse Hotelier-Vereine oder Kellnerverbände.48 So, wie das Hotel zu einer signifikanten Bauaufgabe des frühen 20. Jahrhunderts wurde, kam auch den Mitarbeitern eine höhere Wertschätzung ihres Am- tes zu. Der ehemalige Gastwirt etablierte sich vom Hotelier zum Manager und schließlich zum Geschäftsmann und vollzog somit einen bemerkenswerten Imagewandel. „Denn einem Mister Adlon wird es beileibe nicht mehr einfallen, in Hemdsärmeln, Käppi und mit Gottgefälligen Sprüchen auf dem Pariser Platz die ankommenden Gäste zu empfangen.“49

Demzufolge muss an dieser Stelle auf die neuen Möglichkeiten der Finanzierung ver- wiesen werden. In Frankreich war es schon länger die Praxis, in Deutschland konnten erst seit dem Erlass einer neuen Aktiengesetzgebung 1871 Hotelneubauten über Ak- tien finanziert werden.50 Auch diese finanzielle Einschränkung trug zu der rückständi- gen Situation im deutschen Hotelbau bei. Die Finanzierung über die Bildung von Konzernen ermöglichte einen Finanzausgleich zwischen den einzelnen Betrieben, d.h. wenn ein Hotelkomplex sich nicht gewinnbringend finanzierte, konnte er von erfolg- reicheren Einrichtungen desselben Konzerns mitgetragen werden. Praktiziert wurde nach dieser Maßgabe zum Beispiel im C ä sar Ritz, einer internationalen Organisation seit 1896.51

Der erste große deutsche Hotelbau, der mit den internationalen Vorbildern zu konkur- rieren suchte, war der zwischen 1873 und 1875 errichtete „Kaiserhof“ in Berlin von Hennicke und Von der Hude ( Abb. 4 ). „Er wurde wegweisend für die Entwicklung Berliner Hotels.“52 „Bis dahin waren Hotels nahezu ausnahmslos in gewöhnlichen Wohnhäusern untergebracht, die für den neuen Verwendungszweck hergerichtet wur- den.“53 Jedoch war der städtische Hotelbau im frühen 20. Jahrhundert nicht aus- schließlich von den Palasthotels geprägt, auch konventionelle Hotels, Hospize oder Eisenbahnhotels und später Wohn- und Automobilhotels bildeten keine Ausnahmeer- scheinungen.54 Für die kleineren Hotelbetriebe, die im Rahmen dieser Arbeit nicht näher erläutert werden sollen, blieb dieses Vorgehen weiterhin eine gängige Praxis.55

Nach dem Auftakt mit dem „Kaiserhof“ folgten im Berliner Raum zahlreiche Hotel- neubauten, die der Einordnung als Palasthotel jedoch noch nicht vollständig gerecht wurden, wie beispielsweise das 1880 errichtete „Central Hotel“, das lange Zeit als das Größte der Stadt galt, das 1888 eröffnete Familienhotel „Bellevue“, oder das 1893 fertiggestellte „Hotel Savoy“.56

Seinen Höhepunkt erreichte der deutsche Palasthotelbau zwischen 1900 und 1914, vor allem in Großstädten. KUNZ fasste die Besucherzahlen deutscher Großstädte in den Jahren 1926-28 zusammen (Tab. 3). Zwar ist diese Übersicht nicht passgenau auf die Vorkriegsjahre zu übertragen, jedoch ist das Verhältnis der Besucherzahlen zueinander in etwa das Gleiche. Dabei fällt sofort auf, dass Berlin um ein vielfaches häufiger be- sucht wurde, als bspw. Hamburg oder Leipzig. Dementsprechend reagierte die Haupt- stadt nach bereits aufgeführter Kritik bezüglich des Hotelmangels und nahm innerhalb der deutschen Grenzen eine führende Position im Palasthotelbau ein.57 In den Jahren zwischen 1907 und 1912 wurden allein hier sechs prächtige Hotels eröffnet.58

Allübertreffend im deutschen Hotelbau war das 1905-07 errichtete „Hotel Adlon“ der Architekten Karl Gause und Robert Leibnitz. Der gewaltige Bau soll samt seiner umstrittenen Geschichte im Rahmen dieser Arbeit exemplarisch für den Palasthotelbau des frühen 20. Jahrhunderts vorgestellt werden.

In diese Tradition reihten sich zahlreiche Berliner Neubauten, die mit dem „Adlon“ zu konkurrieren suchten. Darunter auch das 1908 fertiggestellte „Hotel Excelsior“59 oder das „Esplanade“ (1907-12)60, beide von Otto Rehnig. Doch auch außerhalb der Berliner Grenzen entstanden bedeutende neue Hotelanlagen, wenn auch bei weitem nicht im selben Umfang. An dieser Stelle seien das Hamburger „Hotel Esplanade“ (1906- 07)61 von Boswau & Knauer und Otto Rehnig und das Hotel „Regina Palast“ (1908) von Karl St ö hr in München genannt.62

Wie das gesamte gesellschaftliche Leben, erlitt auch der Hotelbau infolge des Ersten Weltkrieges einen enormen Einbruch. Reisefreudige Aristokraten, darunter finanzkräf- tige, russische Stammkunden blieben aus, Insolvenzen waren die Folge. Bedarf zum Neubau gab es - zunächst - nicht. Damit verlor der Typus Palasthotel seine grundsätzliche Bestimmung, „als prunkvolle Kulisse für die gesellschaftliche Selbstdarstel- lung.“63

Eine weitere Komponente, die den Hotelbau, neben den genannten Veränderungen im Tourismus, fortan erheblich beeinflusste, war ein neuer Zweck der Reisetätigkeit: Das Knüpfen von Handelsbeziehungen. So entstanden nach 1918 vorwiegend Familienho- tels oder simple bis komfortabel standardisierte Übernachtungsstätten an Tagungsor- ten. Dementsprechend stieg der Anteil der Geschäftsreisenden an. Da auch diese Branche bedient werden wollte, etablierten sich die ersten Formen des heutigen Busi- ness-Hotels, die sich durch eine zentrale, möglichst bahnhofsnahe Lage, luxuriöse Ausstattung und einen hohen Repräsentationsgehalt charakterisierten.64 Gefragt waren nun nicht mehr Prunk und Protz, stattdessen erfolgte eine Art Rückbesinnung auf die Funktionalität. Als neuer Hoteltypus entwickelte sich das Industrie- und Handelshotel, das im Folgenden noch thematisiert werden soll. In diesem Zusammenhang sollen im zweiten Teil dieser Arbeit auch das „ “Hotel Duisburger Hof“ (1925-27)65 in Duisburg und das „Parkhotel Haus Rechen“ (1929)66 in Bochum vorgestellt werden. Anhand dieser Betrachtung wird deutlich, welch komplexe Veränderung der Hotelbau im Lau- fe eines Jahrhunderts vollzogen haben muss.

Bezeichnend für die Entwicklung des Hotelbaus in Deutschland ist, dass das klassische Stadthotel, das den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet, regulär an Orten entstand, die verkehrstechnisch gut angebunden waren und vor allem mit genügend Fremdenverkehr zu rechnen hatten - Großstädte.

5 Typisierung von Hotelbauten

Eine Typisierung scheint wie bei der begrifflichen Abgrenzung zwischen Luxus-, Pa- last- und Grandhotel auch hier erschwert, da sich die verschieden Hoteltypen aus ebenso unterschiedlichen Faktoren ergeben, die sich teilweise überschneiden oder gar ausschließen.

Nach KUNZ unterteilte man in den 1930er Jahren Hotels in drei Kategorien: Zum einen in luxuriöse Hotels, dessen Gäste sich aus den kapitalkräftigsten Gesellschaftsschich- ten zusammensetzten und in erstklassige Hotels, dessen Gäste aus gehobenen Gesell- schaftsschichten stammten, jedoch nicht das Kapital der obersten Schicht aufbringen können. Dazu gehörten beispielsweise Vertreter aus Gewerbe- und Industriekreisen, aber auch Fabrikanten und höhere Beamte. Zum anderen wurde in Zweit- und Dritt- klassige Hotels unterschieden, die überwiegend von Angestellten und Handwerkern aufgesucht wurden.67 Diese Unterteilung scheint zwar nachvollziehbar, fasst die Prob- lematik jedoch nicht in ihrer Komplexität.

Aus diesem Grunde orientieren sich die folgenden Betrachtungen an der Aufschlüsselung von Dr. Heinz LISSOK. Er nimmt in seiner Untersuchung zu deutschen Hotelpreisen eine Typisierung unter Berücksichtigung vielfacher Faktoren vor und kategorisiert die Hoteltypen nach Verpflegungsmöglichkeit, Aufenthaltsdauer und -zweck, Standort, Qualität, Betriebsgröße und Öffnungsdauer.68 Überschneidungen einzelner Kategorien lassen sich bei der Betrachtung ebenfalls nicht vermeiden.

So bestimmt sich der Hoteltypus in erster Linie durch seinen Zweck, aber auch Größe, Standort und Zeitdauer des Betriebes spielen bei der Typisierung eine entscheidende Rolle. Daher ist z.B. ausschlaggebend, ob der Standort von in- oder ausländischen Touristen erschlossen wurde, ob er als Tagungsort fungiert oder ob er saisonal genutzt wird.69

„Hotels ab ca. 150 Zimmern können schon zu den großen Häusern gerechnet werden, eine Zahl von 250 Zimmern rückte ein Haus meist an die Spitze einer Großstadt […].“70 Hotels mit 300-400 Räumen blieben auch nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ausnahme.71

Darüber hinaus ergibt sich der Typus bis in die heutige Zeit „entsprechend der Gesell- schaftsschicht, die sie aufsucht. […] Die Hotelleitung hat durch die Gestaltung der Hotelpreise, durch die Ausstattung des Hotels und durch den gebotenen Komfort da- rauf Einfluß, aus welchen Gesellschaftsschichten sie ihr Publikum heranziehen will.“72

Im Folgenden soll, in Anlehnung an LISSOKS Typisierung, eine Auswahl an Hotelty- pen in Abhängigkeit von Aufenthaltsort, -dauer und -zweck und dem Standort kurz erläutert werden, um diese schlüssig in Zusammenhang mit dem Stadthotel setzen zu können.

5.1 Nach Aufenthaltsdauer

Der Umfang der Ausstattung eines Hotels richtet sich nach der Aufenthaltsdauer des Reisenden und ist mit dem Zweck seines Besuches eng verknüpft. Dementsprechend komfortabler gestalten sich Hotels, die auf lange Aufenthalte ihrer Gäste bauen und einfacher die, in denen Gäste lediglich für eine Nacht oder wenige Nächte bleiben. Im Folgenden sollen nun das Passanten- und das Familienhotel vorgestellt werden, die KUNZ als die „Haupttypen“ im Hotelbau definiert.73 Das Passantenhotel vertritt dabei ein klassisches Stadthotel. Ebenso kann das Familienhotel in Städten vorkommen, bevorzugt findet man es jedoch in ruhigere Regionen. Besonders im großstädtischen Raum ließen sich nach der Jahrhundertwende häufig Mischformen beider Typen fin- den.74

5.1.1 Passantenhotel

Das Passantenhotel dient den Gästen, die sich nur kurzfristig für wenige Übernachtun- gen in einem Hotel niederlassen, d.h. vorzugsweise Geschäftsreisenden. Die Zimmer sind klein und einfach ausgestattet75 und regulär für eine Person oder maximal zwei Personen ausgerichtet. Ihrem Zweck entsprechend sind sie verkehrstechnisch gut an- gebunden, befinden sich nicht selten in Stadtzentren oder in Bahnhofsnähe. Als Beispiel für ein gehobenes Passantenhotel kann der Berliner „Fürstenhof“ (1906-07) (Abb. 5) der Architekten Bielenberg & Moser genannt werden.76

5.1.2 Familienhotel

Charakteristisch für diesen Hoteltypus ist eine ruhige Lage, in der Regel außerhalb des Stadtzentrums, da bei längeren Aufenthalten, als beispielsweise bei Geschäftsreisen, die Bahnhofsnähe zugunsten von Natur und Ruhe im Sinne der Familienfreundlichkeit zurückgestellt wird.77 Außerdem gilt als Zielstellung, „dem Gast […] über die Dauer des Aufenthaltes nach Möglichkeit das eigene Heim zu ersetzen.“78 So wurden anstatt vieler Einzelzimmer komplexe Wohneinheiten geschaffen. Außerdem verfügte das Hotel über mehrere Gesellschaftsräume, um dem Gast nicht nur Übernachtungs-, son- dern auch Unterhaltungsmöglichkeiten zu bieten. Seinen Höhepunkt erreichte der Ty- pus des Familienhotels noch vor der Jahrhundertwende, mit Bauten wie dem „Kaiser- hof“79 (Abb. 4) in Berlin, oder dem etwa zeitgleich entstandenen „Frankfurter Hof“ (1872-76) in Frankfurt.80 Nach der Jahrhundertwende wurden Hotels dieser Art in den Kontext der Palasthotels emporgehoben, wie im Verlauf dieser Arbeit am Beispiel des „Adlon“ deutlich werden soll.

5.2 Nach Aufenthaltszweck

Wie bereits unter dem Punkt „Aufenthaltsdauer“ erwähnt, richtet sich die Ausstattung des Hotels nach Aufenthaltsdauer und -zweck seiner Gäste. Am besten lässt sich dies anhand der folgenden Beispiele nachvollziehen.

5.2.1 Kurhotel

Das Kurhotel ist den engen Raumstrukturen der Großstadt nicht unterworfen, sodass es seine Besucher in der Regel als freistehender Bau vor allem durch seine Weitläu- figkeit anzieht. „Es verknüpfte große öffentliche Festräume mit Beherbergungsbetrieb und Therapieangeboten unter einem Dach.“81 Häufig sind den Kurhotels große Grün- flächen, Wälder oder klassische Parkanlagen angeschlossen. Sie unterscheiden sich zweckmäßig vollkommen vom Stadthotel, glichen oder übertrafen gar in ihrer Ausstattung innerstädtische Palasthotels. Hotels dieser Größenordnung finden sich in Seebä- dern oder anderen Kurorten, selten und unter entsprechender Abschirmung vom Stadt- verkehr in Großstädten. Exemplarisch ist das 1909 errichtete „Palasthotel Wettiner Hof“82 (Abb. 6) in Bad Elster zu nennen, dessen Name bereits verrät, dass sich städti- sche Palasthotels und Kurhotels in ihrem konstruktiven Aufbau stark ähnelten.

5.2.2 Sporthotel

Das Sporthotel ist in der Regel einfach ausgestattet und erinnert bei der Betrachtung der Zimmer und Unterhaltungsräume eher an eine Herberge. Im Zusammenspiel von Standort, Zweck und Ausstattung scheint es dem Palasthotel der fernste Typus zu sein. Der Komfort wird hier zugunsten umfassender sportlicher Einrichtungen zurückge- stellt (Abb. 7). Dazu gehören in der Regel ein Schwimmbad, Fitnessräumlichkeiten und -geräte. Nicht selten ist dieser Typus in Sport- und Wandergebieten angesiedelt oder findet sich in Kombination mit einem Berghotel wieder. So auch beim „Hotel Alpina“ und dem angeschlossenen „Sporthotel Edelweiß“ (vor 1929) im schweizeri- schen Mürren (Abb. 8).83 Wie die Datierung zeigt, etablierte sich diese Hotelgattung erst später, als die Hotels die im Zentrum der Betrachtungen stehen werden.

5.3 Nach Standort

„Der dominierende Faktor […], der die Ausprägung eines Hotels entscheidend mitbe- stimmt ist der Standort.“84 Wie bereits angemerkt, ist der Begriff Stadthotel weitgefä- chert und schließt mehrere Hoteltypen ein, darunter das Autohotel (Motel), das sich jedoch auf deutschem Gebiet erst nach dem Ersten Weltkrieg etablierte.85 An dieser Stelle soll mit dem Eisenbahnhotel eine Form des Stadthotels kurz erläutert und dem Berghotel gegenüber gestellt werden, das sich in der Regel fernab des Großstadtrubels befand.

5.3.1 Eisenbahnhotel

Über die Bahnhofsnähe profilieren sich bis heute diverse Hotels, jedoch handelt es sich bei einem Eisenbahn- oder Bahnhofshotel um einen eigenständigen Typus, der seinen Ursprung Mitte des 19. Jahrhunderts in Großbritannien hatte. Das Eisenbahnhotel versteht sich als „unselbstständige Unternehmen“86, da es von den Eisenbahnge- sellschaften selbst getragen und zeitweilig sogar mit dem Bahnhof zusammen errichtet wurde.87 D.h. der Hotelkomplex war direkt in den Bahnhofsbau integriert (Abb. 9). Durch diesen architektonischen Zusammenhang profilierten sie sich, bei grundsätzlich einfacher Ausstattung, frühzeitig mit hohen hygienischen Standards und technischen Neuerungen. In Deutschland blieben vergleichbare Hotels eine Randerscheinung und entwickelten sich erst weitaus später, wie beispielsweise das „Reichsbahn Hotel“ (1914-27) (Abb. 10) in Stuttgart.88

5.3.2 Berghotel

Berghotels sind in der Regel infrastrukturell schlecht angebunden, sodass sie sich eher über visuelle Aspekte (Aussicht) oder Ruhe und Bergluft profilieren. „Man versucht, sie durch die isolierte, abgelegene Situierung zum Teilziel in einer attraktiven Land- schaft aufzuwerten.“89 Aufgrund der topografischen Beschaffenheit fanden sich solche Hotels vorzugsweise in Österreich oder der Schweiz. Dort glichen sie komfortablen Prachtbauten, die mit den luxuriösen Kurhotels in Konkurrenz treten konnten wie z.B. der 1912 geschaffene Neubau des „Grand Hotel Panhans“ in Semmering (Abb. 11).90 In Deutschland erreichte der Berghotelbau noch vor der Jahrhundertwende seinen Höhepunkt, allerdings handelte es sich bei diesen Bauten häufig um zur Beherbergung ausgebaute Restaurants oder Ausflugsziele. Ein Bau, der aber durchaus mit den inter- nationalen Vorbildern mithalten konnte, war das „Hotel auf dem Neroberg“ (Abb. 12), das in mehreren Etappen zwischen 1881 und 1899 in Wiesbaden errichtet wurde.91

Nachdem nun eine Auswahl der Hoteltypen vorgestellt wurde, die die Architektur- landschaft des frühen 20. Jahrhunderts prägten, muss nochmals manifestiert werden, dass „jedes einzelne Hotel […] in sich eine Kombination mehrerer dieser Hoteltypen dar[stellt].“92 Klar abgrenzbare Typen fand man mit dem Voranschreiten der Zeit im- mer seltener.

6 Das Stadthotel vor dem Ersten Weltkrieg

Als Interpretation des Stadthotels im frühen 20. Jahrhundert soll im Folgenden das Palasthotel genauer erläutert werden da dieser Typus seinerzeit bestimmend für den gesamten Hotelbau in Deutschland war.

Im Palasthotelbau spiegelten sich die vielseitigen Strömungen der Jahrhundertwende zunächst vom Historismus, über den Jugendstil, bis hin zum Art Déco der 20er und 30er Jahre, wider, sodass es nur schwer möglich ist, die vielfältigen Ausformungen zu einem Stereotyp zusammenzufassen. Festzuhalten bleibt, dass zu Beginn des neuen Jahrhunderts der Palasthotelbau im internationalen Raum seinen Zenit bereits über- schritten hatte, während er auf deutschem Areal erst nach der Jahrhundertwende sei- nen Höhepunkt erreichte.

6.1 Voraussetzungen

Wie bereits beschrieben, übernahmen zunächst Gastwirte oder einfache Hoteliers, die ihr bestehendes Geschäft weiter ausbauen wollten, selbst die Aufgabe des Auftraggebers für einen Hotelneubau. Industrielle Hotelunternehmer formierten sich erst im späten 19. Jahrhundert. Später, mit zunehmender Bedeutung des Hotelbaus und „mit der wachsenden Kostenintensität von Großbauten“93, investierten hauptsächlich Aktiengesellschaften in das Hotelwesen.

Üblicherweise wurden zahlreiche Hotels von Architekturbüros, statt von einzelnen Architekten, erbaut, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts formierten. An dieser Stelle muss eines der erfolgreichsten und zu seiner Zeit bekanntesten Architekturbüros genannt werden: Kayser & Gro ß heim, die beispielsweise das „Dom Hotel“ in Köln (1893) und das „Park Hotel“ (1900-02) in Düsseldorf entwarfen.94 Außerdem ist auch der Architekt Karl Gause zu nennen, der im Bezug auf das „Hotel Adlon“ noch einmal Erwähnung finden soll. Dort und bei weiteren Berliner Hotels, wie dem „Hotel Bris- tol“, etablierte er neue Ideen zur Innenaufteilung, die für den Hotelbau von großer Be- deutung waren.95

Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass sich der Grundtypus des Palasthotels nahezu ausschließlich auf Aktienbasis finanzierte. Diese Finanzierungsmöglichkeit war es, die den Bau von Prachtanlagen dieser Art überhaupt möglich machte. Die bereits erwähn- te, 1871 erlassene Aktiennovelle erlaubte es, eine Aktiengesellschaft zu gründen, so- fern gewisse Mindestanforderungen erfüllt waren. Mithilfe dieses Erlasses konnten nahezu alle Industriezweige Zugang zum Kapitalmarkt erhalten.96 Hotelaktiengesell- schaften, wie die Ritz-Company, griffen bei ihren Neubauten gerne auf dieselben Ar- chitekten zurück, wie in diesem Falle auf Charles Mew è s oder Otto Rehnig, der im Auftrag der Deutschen Hotelaktiengesellschaft die Hotels „Esplanade“ in Berlin und Hamburg erbaute. Inwieweit die Aktiengesellschaft Einfluss auf die Ausstattung und Gestaltung des Hotels nahm, lässt sich aufgrund der schlechten Quellenlage nicht mehr nachvollziehen.97

Gewinnbringend war eine solche Investition erst ab einer Gästezimmeranzahl von mehr als 200.98 Teilweise konnten die immensen laufenden Kosten, aufgrund des par- tiellen Überangebots, auch durch hohe Aufenthaltskosten nicht gedeckt werden, so- dass es zu einer Reihe von Konkursen in den Jahren vor Kriegsbeginn kam.99

6.2 Charakteristika

Im Folgenden sollen die wesentlichen Merkmale, die das Palasthotel des frühen 20. Jahrhunderts ausmachten, vorgestellt werden.

6.2.1 Standort

Den optimalen Standort für ein Hotel zu finden, gestaltete sich als schwierig, da man versuchte, sich einander geradezu ausschließende Faktoren miteinander zu vereinen. So bemerkte BERGES in seiner Abhandlung zum Hamburger „Atlantic“ 1910: „In der Neuzeit macht sich das Bestreben bemerkbar, die großen Hotels der Weltstädte dem Trubel des Verkehrs zu entrücken - man will den ruhebedürftigen Weltbummlern während des Tages sinnige Beschaulichkeit und bei Nacht Schlaf gewährleisten, aber zugleich soll das Haus von der Zentralstation der Eisenbahn nicht zu weit entfernt sein, auch muß der Stadtmittelpunkt in möglichster Nähe liegen.“100

Wie aus dem übergeordneten Begriff „Stadthotel“ zu schlussfolgern ist, wurde die Erfüllung des „Ruhebedürfnisses“ bei der Standortwahl zugunsten der zentralen Lage häufig vernachlässigt. So befanden sich die Hotelanlagen, die im Rahmen dieser Ar- beit untersucht werden sollen, in der Regel im Stadtzentrum, bzw. „in der Nähe von geschäftlichen und gesellschaftlichen Zentren und bei Verkehrsknotenpunkten.“101 Mit der zentralen Lage konnte dem Gast oftmals eine beeindruckende Aussicht auf bedeu- tende Sehenswürdigkeiten der Stadt geboten werden. „Die Hotelbauten besaßen meist eine bemerkenswerte optische Präsenz und städtebauliche Dominanz“102, jedoch war die Einbindung der Anlagen in die Struktur bestehender Gebäudekomplexe häufig problematisch. Das zunehmend größere Bauvolumen stellte die Architekten vor neue Herausforderungen. Strebte man hier nach dem Ideal eines freistehenden, monumenta- len Baukörpers, der sich von üblichen Wohnhausbauten abgrenzte, vergleichbar mit Kur- und Badehotels, war dies in der Praxis nur schwer umsetzbar. Hohe Grund- stückspreise und Bauvorschriften sowie bestehende Strukturen erschwerten den reprä- sentativen Neubau von Hotelanlagen.103 Um die Eingliederung in eine bereits ge- schlossene Fassadenfront gänzlich zu vermeiden, zog man es vor, an Eckgrundstücken zu bauen, die zumindest von zwei Seiten einsehbar waren. Noch begehrter waren neu geschaffene Prachtstraßen104 oder renommierte Platzanlagen, da dem Hotel so ein weitaus größerer Wirkungsraum zugesprochen werden konnte. Die damit verbundenen Repräsentationsabsichten waren somit offensichtlich.105

„Die Mehransichtigkeit einiger isoliert stehender Hotels aus dem frühen 20. Jahrhun- dert erlaubt es, die Gebäude als plastischen Körper aufzufassen und mit allansichtigen Denkmälern in Vergleich zu bringen.“106 Ziel der Stadthotels war es dennoch, die Kennzeichen der Kur- und Badehotels auch in der Stadt erlebbar zu machen. Aufgrund dessen befanden sich nicht selten Anlagen in unmittelbarer Nähe zu Parkanlagen oder aber beherbergen einen eigenen, vom Straßenverkehr geschützten Innenhof.

6.2.2 Personal

„Innerhalb des Hotels sorgte ein Heer von Angestellten für das Wohlergehen des Gas- tes und zwar unter der Leitung des Wirtes oder Hoteldirektors.“107 Eine detaillierte Übersicht über die internen Abläufe und Personalstrukturen lässt sich jedoch nicht mehr nachvollziehen. Das Handbuch der Architektur liefert zumindest Zahlen, die eine ungefähre Vorstellung über die Personalstrukturierung liefern können. Demnach kamen im Jahr 1894 130 Bedienstete108 auf 500 Gäste, 1904 bereits 150 auf 500 Gäs- te.109 Diese Zahlen sind jedoch nicht auf Luxushotels zurückzuführen, hier kann man davon ausgehen, dass diese einen größeren Anteil an Bediensteten bereitstellten.110 Untergebracht war das Personal in der Regel in den Mansard- und Dachgeschossen, je nach Zuständigkeit auch auf den jeweiligen Etagen.

6.2.3 Außenbau

Die Charakteristika von Vorkriegs-Stadthotels können an dieser Stelle nur über- blicksweise und schlaglichtartig wiedergegeben werden. Als maßgebliches Kennzei- chen muss an dieser Stelle jedoch ihre Monumentalität genannt werden. Wie aus der Namensgebung zu schließen ist, resultierte diese aus dem Palast-, bzw. Schlossbau. „Gesteigerter Prunk und großzügige Innenkonzeption sollten der Demonstration von Statur, Reichtum und luxuriösem Lebensstil der zeitweiligen Bewohner dienen.“111

Häufig hatte man es bei - freistehenden - Palasthotels mit einem axialsymmetrischen Einflügelbau zu tun.112 Diese traten, vor allem im urbanen Raum, hauptsächlich als vierflügelige113, selten als zweiflügelige Anlagen auf.114 Bedingt durch die bereits be- stehenden Strukturen, waren die Architekten im städtischen Umfeld gezwungen neue Raumlösungen zu finden, die im Folgenden anhand von Einzelbeispielen aufgezeigt, in ihrer Komplexität jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht erfasst werden können.

[...]


1 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland. Organisation, Technik und Gestaltung des modernen Hotelbaus, in: Hoffmann, Herbert (Hrsg.): Bauaufgaben der Gegenwart, Band 1, Düsseldorf 1930, S.1.

2 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels. Architektur und Anspruch eines Bautyps 1870-1920, Berlin 1982, S.16.

3 GUYER, Eduard: Das Hotelwesen der Gegenwart, Zürich 1874.

4 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland.

5 PEVSNER, Nikolaus: A history of building types, Princeton 1976.

6 MÜLLER, Wolfgang: Hotelbauten, in: Architekten- und Ingenieurverein Berlin (Hrsg.): Bauten für Handel und Gewerbe, in: Berlin und seine Bauten, Band B, Berlin 1980.

7 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels.

8 Ebenda, S.8.

9 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland. Untersuchungen zu einer Bauaufgabe im 19. Und frühen

20. Jahrhundert, u.a. Hildesheim 1991.

10 Ebenda, S.12.

11 Ebenda, S.302.

12 JANSEN-FLEIG, Claudia: Das Hotel Adlon, Weimar 1997.

13 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.319.

14 GROBECKER, Kurt: Das Atlantic Hotel zu Hamburg 1909-1999, München 1999.

15 BINDING, Günther; KOEPF, Hans: Bildwörterbuch der Architektur, 4. Auflage, Stuttgart 2005, S.202.

16 LISSOK, Heinz: Die deutschen Hotelpreise von 1925 bis 1958. Eine statistische Untersuchung zur Preisentwicklung im Fremdenverkehr, in: Beiträge zur Fremdenverkehrsforschung, Band 8, Berlin 1964, S.17.

17 BINDING, Günther; KOEPF, Hans: Bildwörterbuch der Architektur, S.248.

18 Ebenda, S.249.

19 LISSOK, Heinz: Die deutschen Hotelpreise von 1925 bis 1958, S.17.

20 LISSOK, Heinz: Die deutschen Hotelpreise von 1925 bis 1958, S.17.

21 Ebenda, S.19.

22 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S. 36.

23 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S. 36.

24 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.7.

25 JANSEN-FLEIG, Claudia: Das Hotel Adlon, S.20.

26 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.6.

27 GANSFORT, Robert: Das Individual-Design-Hotel: Zum typologischen Wandel einer klassischen Bauaufgabe, Aachen 1999, S.6.

28 WALTER, Frank: Neubau, Sanierung und Verfall. Projekte der Stadterneuerung 2004-2013, Leipzig 2014, S.98.

29 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.11.

30 PEVSNER, Nikolaus: A history of building types, S.170.

31 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.1.

32 GANSFORT, Robert: Das Individual-Design-Hotel, S.6.

33 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.41.

34 Ebenda.

35 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S. 346.

36 Ebenda, S.14.

37 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.339f.

38 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.100.

39 Ebenda.

40 Ebenda.

41 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.1.

42 POSENER, Julius: Berlin auf dem Wege zu Einer Neuen Architektur. Das Zeitalter Wilhelms II., München, Band 40, 1979, S.70.

43 MÜLLER, Wolfgang: Hotelbauten, S.1.

44 UHL, Robert: Über die Berliner Hochbauten, in: Mitglieder des Architekten-Vereines zu Berlin (Hrsg.) :Wochenblatt, 1867, S.187.

45 Ebenda.

46 GANSFORT, Robert: Das Individual-Design-Hotel, S.7.

47 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.14ff.

48 Ebenda.

49 WESTHEIM, Paul: Hotelbauten, in: Alfred Berlowitz (Hrsg.): Die Bauwelt Berlin 1910, S.10-11.

50 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.15.

51 Ebenda, S.33.

52 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.45.

53 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.1.

54 MÜLLER, Wolfgang: Hotelbauten, S.1.

55 Ebenda.

56 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.311.

57 Ebenda, S.133.

58 MÜLLER, Wolfgang: Hotelbauten, S.1.

59 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.307.

60 Ebenda, S.306.

61 Ebenda, S.318.

62 Ebenda, S.323f.

63 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.12.

64 JANSEN-FLEIG, Claudia: Das Hotel Adlon, S.21.

65 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.315.

66 Ebenda, S. 312.

67 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.3.

68 BINDING, Günther; KOEPF, Hans: Bildwörterbuch der Architektur, S.22.

69 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.2.

70 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.25.

71 Vgl.: Ebenda.

72 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.3.

73 Vgl.: Ebenda.

74 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.27.

75 BINDING, Günther; KOEPF, Hans: Bildwörterbuch der Architektur, S.22.

76 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.307.

77 VGL.: Ebenda, S.261.

78 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.3.

79 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.309.

80 Ebenda, S.317.

81 Ebenda, S.25.

82 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.298.

83 Ebenda, S.248.

84 LISSOK, Heinz: Die deutschen Hotelpreise von 1925 bis 1958, S. 23.

85 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.5.

86 KUNZ, Fritz: Der Hotelbau von heute im In- und Ausland, S.1.

87 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.46.

88 Ebenda, S.325.

89 Ebenda, S.262.

90 Ebenda, S.342.

91 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S. 327.

92 LISSOK, Heinz: Die deutschen Hotelpreise von 1925 bis 1958, S.23.

93 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.261.

94 Ebenda, S.260.

95 Ebenda.

96 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S. 132.

97 Vgl.: Ebenda, S.261

98 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.135.

99 Ebenda, S.11.

100 BERGES, Philipp: Hotel Atlantic Hamburg, Hamburg 1910, S. 58.

101 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.261.

102 Ebenda, S.236.

103 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.134.

104 Ebenda.

105 Vgl.: WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.262ff

106 Ebenda, S.263.

107 Vgl.: WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.22.

108 HUDE, Hermann von der: Gasthöfe höheren Ranges, in: Schmitt Eduard, u.a., in: Handbuch der Architektur, 4.Teil, 4. Halbband, Heft 1, 1894 Darmstadt, S.229.

109 Ders., Gasthöfe höheren Ranges, in: Schmitt Eduard, u.a., in: Handbuch der Architektur, 4.Teil, 4. Halbband, Heft 1, 1904 Stuttgart, S. 311.

110 WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.22.

111 SCHMITT, Michael: Palast-Hotels, S.135.

112 Ebenda, S.136.

113 Ebenda, S.138.

114 Vgl.: WENZEL, Maria: Palasthotels in Deutschland, S.266.

Ende der Leseprobe aus 123 Seiten

Details

Titel
Stadthotels des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland. Eine vergleichende Analyse ausgewählter Hotelbauten
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
2,1
Autor
Jahr
2014
Seiten
123
Katalognummer
V342474
ISBN (eBook)
9783668325142
ISBN (Buch)
9783668325159
Dateigröße
9063 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
stadthotels, jahrhunderts, deutschland, eine, analyse, hotelbauten
Arbeit zitieren
Clara Göbel (Autor:in), 2014, Stadthotels des frühen 20. Jahrhunderts in Deutschland. Eine vergleichende Analyse ausgewählter Hotelbauten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342474

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