Schreiben über Krieg und Folter. Eine Untersuchung der Berichterstattung der New York Times im Hinblick auf Folter im Vietnam- und Irakkrieg


Hausarbeit, 2016

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Historische Hintergründe
2.1 Der Krieg in Vietnam und die Operation Phoenix
2.2 Der Krieg im Irak und der Folterskandal von Abu Ghraib

3. Das generelle Verhalten der Medien
3.1 Die Presse im Vietnamkrieg
3.2 Die Presse im Irakkrieg und im Folterskandal von Abu Ghraib

4. Analyse der Artikel der New York Times
4.1 Texte zu Vietnam
4.1.1 Analyse der verwendeten Sprache
4.1.2 Bezug auf Menschenrechte
4.1.3 Debatte um die Folter - die Meinung der Redaktion
4.2 Texte zum Irak
4.2.1 Analyse der verwendeten Sprache
4.2.2 Bezug auf Menschenrechte
4.2.3 Debatte um die Folter - die Meinung der Redaktion

5. Fazit

1. Einleitung

„ I saw dozens of patients with bruises of varying severty. I also examinded patients who had coughed up, vomited or urinated blood after being beaten about the chest, back and stomach. Prisoners also told me of being tortured by eletricity [...]. “ 1

Im April 2004 veröffentliche der amerikanische Fernsehsender CBS Fotos aus dem Militärgefängnis Abu Ghraib im Irak. Die Bilder von Soldaten in US-Uniformen, die vor nackten, gepeinigten und gefolterten Gefangenen posierten, gingen um die Welt. Sie waren Auslöser eines der größten Skandale in der Geschichte des amerikanischen Militärs. Das obige Zitat der Ärztin Dr. Marjorie Nelson wurde 34 Jahre früher publiziert. Am 18. Juli 1970 erschien es in der New York Times. Dr. Marjorie Nelson hatte vor einem Ausschuss des Kongresses ausgesagt, wie sie in Vietnam Gefangene versorgte, die unter Aufsicht der Armee der Vereinigten Staaten standen und augenscheinlich gefoltert worden waren.

Die Kulturforscherin Katrin Dauenhauer hat Debatten und Berichterstattungen über Folter aus drei amerikanischen Kriegen miteinander verglichen. Ihre Beobachtung: Während die Berichte über folternde US-Soldaten in Abu Ghraib eine breite Debatte auslösten, blieb eine generelle Diskussion über Folter im Vietnamkrieg aus. Dauenhauer führt dies auf die Dauerpräsens von Schreckensmeldungen aus Vietnam zurück. Folter war lediglich eine Perversion des Krieges unter vielen.

Ziel dieser Hausarbeit soll es nicht sein, Dauenhauers These umfänglich wissenschaftlich zu überprüfen. Vielmehr soll ihre Annahme Grundlage für die Analyse ausgewählter Artikel der New York Times aus der Zeit des Vietnam- und Irakkrieges sein. Von der Idee des Vergleichs von Artikeln der Times mit Texten der Washington Post musste aus praktischen Gründen leider Abstand genommen werden. Bei der Recherche ließ sich in Deutschland keine Bildungseinrichtung oder Datenbank finden, die einen Zugang zum digitalen Archiv der Washington Post für den benötigten Zeitraum ermöglichte. Bei der New York Times war das ebenfalls der Fall, allerdings konnte hier im Gegensatz zur Washington Post für einen vertretbaren Betrag der Zugang über ein Abonnement erworben werden. Bei den Artikeln aus der Vietnamzeit handelt es sich um digitalisierte Printausgaben, für den Irakkrieg standen lediglich die Onlineartikel zur Verfügung. Die New York Times gilt als Inbegriff des Qualitätsjournalismus. Ihre politische Linie lässt sich als linksliberal bezeichnen.

Die den Vietnamkrieg wurde der Suchzeitraum auf die Zeit vom 1. Januar 1964 bis zum 1. Januar 1975 beschränkt. Für den Irakkrieg stammen alle ausgewählten Artikel bis auf eine Ausnahme aus dem Jahr 2004, als der Skandal ans Licht kam. Aus bis zu 400 Treffern und mehr wurden für Vietnam fünf und für Irak acht Artikel exemplarisch ausgewählt, da eine Analyse aller relevanten Beiträge zu diesem Thema in einer Hausarbeit nicht geleistet werden kann. Zu den Ereignissen im Irak lassen sich wesentlich mehr passende Artikel finden, weshalb auch mehr Texte in die Auswertung mit einbezogen werden. Ein Beispiel: Allein für das Jahr 2004 gibt es zu den Begriffen Abu Ghraib und torture 249 Ergebnisse. Für den gesamten Zeitraum des Vietnamkrieges ergeben die Suchbegriffe torture und Vietnam zwar 377 Treffer, davon handeln allerdings viele Artikel von Folter durch Vietcongk ä mpfer und sollen hier nicht weiter beachtet werden. Bei der Beurteilung der Artikelanzahl darf nicht vergessen werden: 2004 liegt bereits im Informationszeitalter. Es wurde generell mehr und schneller publiziert als noch in den 70er Jahren.

Die Artikel sollen jeweils nach den Gesichtspunkten der verwendeten Sprache, der Bezugnahme auf Menschenrechte sowie der Meinung der Redaktion zu Folter analysiert und verglichen werden. Hierbei wird auf Kontinuitäten und Diskontinuitäten geachtet. Nicht jeder Artikel wird unter jedem Punkt auftauchen. Für die Artikel zu Vietnam wurden hauptsächlich die Begriffe Vietnam, torture, by U.S., human rights und phoenix eingegeben. Letzteres bezeichnet ein großes Folterprogramm der CIA während des Krieges. Die Artikel zu Irak wurden durch Begriffe wie Abu Ghraib, torture, abuse, human rights und Iraq gefunden. Vor der Analyse der Artikel sollen zunächst jedoch die historischen Hintergründe des Vietnamkrieges und des CIA-Folterprogramms Phoenix sowie die Ereignisse des Irakkrieges und des Folterskandals von Abu Ghraib skizziert werden. Im Anschluss wird in einem Überblick die generelle Berichterstattung der US-Medien zu beiden Zeiträumen kurz beleuchtet, bevor die Analyse und ein Fait folgen. Alfred W. McCoy hat intensiv über die CIA geforscht und sich im Zuge dessen auch mit den Folterpraktiken des Auslandsgeheimdienstes, die in beiden Fällen angewandt wurden, befasst. Für die Untersuchung des Irak-Folterskandals ist die Historikerin Karen J. Greenberg zu berücksichtigen. Sie hat eine Fülle an Dokumenten und Aufsätzen in Sammelbänden zu dem Thema zusammenzutragen. Da es sich bei Abu Ghraib um einen noch jungen gesellschaftspolitischen Skandal handelt, gibt es dazu viel Literatur von Journalisten, die diesen mit aufgedeckt haben. Auch Trivialliteratur aus der Ecke der Verschwörungstheorien lässt sich leicht finden, diese sollte selbstverständlich nicht als wissenschaftliche Literatur mit einbezogen werden.

2. Historische Hintergründe

2.1 Der Krieg in Vietnam und die Operation Phoenix

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges versuchten die Franzosen ihre alte Machtposition in Indochina wieder herzustellen. Es entwickelte sich ab 1946 ein Konflikt, der von den USA zunächst als unbedeutender Kolonialkrieg ignoriert wurde. Das änderte sich, als 1949 China kommunistisch wurde. Die Eindämmung des Kommunismus war inzwischen das Hauptziel der amerikanischen Außenpolitik geworden. Die USA zahlten 1953/54 75 Prozent der französischen Kriegsausgaben. Dennoch musste Frankreich 1954 aufgeben. Vietnam wurde daraufhin entlang des 17. Breitengrades geteilt. Die USA unterstützen fortan den Süden, im Norden regierten die Kommunisten.

Aufgrund eines Zwischenfalls im August 1964, bei dem nordvietnamesische Patrouillenboote einen US-Zerstörer beschossen, begannen die USA mit der Bombardierung Nordvietnams. Waren die Amerikaner anfangs euphorisch, den Kampf zu gewinnen, kam es Ende der 60er-Jahre vermehrt zu Anti-Kriegs-Protesten. Präsident Richard Nixon, der 1969 die Wahl mit dem Versprechen gewonnen hatte, den Krieg zu beenden, trieb in Wirklichkeit den Krieg noch einmal kräftig voran.2

Der Vietnamkrieg war ein Guerilla-Krieg. Weil sie selbst mit der südvietnamesischen Regierung nicht einverstanden waren, haben sich Mitte der 50er Jahre südvietnamesische Kommunisten, verfolgte Randgruppen und enttäuschte Bauern zur National Liberation Front zusammengetan. Im westlichen Sprachgebrauch ist die Organisation als Vietcong bekannt. Der Vietkong war für die südvietnamesische Regierung und die Amerikaner ein schwer zu fassender Gegner. Die Kämpfer agierten im Untergrund, verübten Anschläge, kollaborierten mit der Bevölkerung und legten verzweigte Tunnelsysteme an.

Um die Infrastruktur des Vietkong zu schwächen, bündelten die Amerikaner ihre Geheimdienstaktivitäten in Südvietnam. Das Programm Phoenix war geboren. Über das gesamte Land verteilt entstanden Verhörzentren für gefangene Vietkongs, in denen den selbst oftmals folternden Kämpfern mit Gegenterror begegnet werden sollte. Um an Informationen zu gelangen, wurden die Gefangenen gefoltert. Schläge, Elektroschocks und Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung. Wer für die brutalen Vergehen verantwortlich war, ist eine schwer zu beantwortende Frage. Die Verhöre haben meistens Südvietnamesen geführt, die unter Aufsicht eines Amerikaners handelten. Doch die Südvietnamesen haben auch schon vor der engen

Zusammenarbeit mit den Amerikanern Vietkongkämpfer gefoltert. Ein CIA- Mitarbeiter urteilte, die Vietnamesen müssten von den „alten französischen Methoden“ auf „raffinierte Techniken“ umgeschult werden.3 Unter den raffinierten Techniken verstanden die amerikanischen Agenten unter anderem das Einflößen von Drogen oder das Brechen der Persönlichkeit durch Schlafentzug, Isolationshaft, das Zwingen in unbequeme Positionen und Scheinexekution. Zeitgleich hatten die amerikanischen Aufseher die Anweisung, brutale Folterungen durch Südvietnamesen ihren Vorgesetzen zu melden, da sie aus „menschlichen Gründen“ abzulehnen seien und als uneffektiv galten.4 Nicht alle hielten sich an die Anweisung. Menschen würde im Krieg nun mal wehgetan, lautet das Argument eines Amerikaners, der das Untertauchen eines Gefangenen unter Wasser nicht an seine Vorgesetzten meldete.5 Die Amerikaner verloren den Krieg. 1975 wurde Vietnam unter den Kommunisten wiedervereint. 60.000 US-Soldaten starben in dem Krieg, dazu eine Million vietnamesische Kämpfer und rund zwei Millionen Zivilisten.6

2.2 Der Krieg im Irak und der Folterskandal von Abu Ghraib

Die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 haben die Vereinigten Staaten von Amerika nachhaltig verändert. Das Land, das sich spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges zu Recht mächtigste Nation der Welt nennen konnte, war plötzlich verwundbar geworden. Aus der Schockstarre formten sich bald der Wille zur Vergeltung und ein großes Verlangen nach Sicherheit. Die amerikanische Regierung war fest dazu entschlossen, alles zu tun, um die Verantwortlichen der Anschläge zur Rechenschaft zu ziehen. In Folge dessen marschierten die USA schon kurz nach den Anschlägen mit einer Koalition Verbündeter, darunter auch Deutschland, nach Afghanistan ein, um das dortige Taliban-Regime zu stürzen. Der Einsatz war durch ein UN-Mandat legitimiert.7

Präsident George W. Bush erklärte dem Terrorismus den Krieg. Er wollte sämtliche mögliche Bedrohungslagen aus dem Weg räumen. In seiner Rede zur Lage der Nation sprach er von einer „Achse des Bösen“, die den internationalen Terrorismus unterstütze. Gemeint waren die Länder Irak, Iran und Nordkorea.8

Am 20. März 2003 fielen die ersten Bomben auf Bagdad, danach marschierten die

Amerikaner gemeinsam mit einer „Koalition der Willigen“, darunter das Vereinigte Königreich, in den Irak ein.

Die offiziellen Kampfhandlungen waren rasch beendet, am 1. Mai 2003 verkündete Präsident Bush: „Mission accomplished“.9 Doch danach fand sich die Besatzungsmacht in einem Guerillakrieg mit der Bevölkerung wieder. Das US- Militär nutzte verlassene Gefängnisse, um seine eigenen Gefangenen im Irak festzuhalten. Eines dieser Gefängnisse war Abu Ghraib, welches vor den Toren der Hauptstadt lag. Es war berüchtigt, Iraks Diktator Saddam Hussein hatte darin seine Gegner foltern lassen. Es ist eine kaum fassbare Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet in diesem Gefängnis die „Befreier des Iraks“, als die sich die Amerikaner bezeichneten, ebenfalls Menschen misshandelten und folterten.10 Am 28. April wurden Fotos öffentlich, auf denen US-Soldaten vor nackten, gefesselten Gefangenen posierten. Die Bilder lösten auf der ganzen Welt Entsetzen aus. Auch die Regierung der Vereinigten Staaten zeigte sich entsetzt und verurteilte die Taten als „unamerikanisch“. Die Nation als solches sei für die Vorfälle allerdings nicht verantwortlich, vielmehr hätten „ein paar faule Äpfel“ die Verbrechen begangen. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf eine wenige Soldaten unteren Rangs, die verurteilt wurden.11

Selbst wenn die Regierung nicht direkt den Befehl zur den Misshandlungen in Abu Ghraib gegeben hat, so war sie dennoch für die Geschehnisse mit verantwortlich. In mehreren Rechtsnormen, unter anderem durch die Genfer Konfession, hatten sich die USA seit dem Zweiten Weltkrieg verpflichtet, auf Folter zu verzichten.12 Nach 9/11 sah die Regierung diese Regelungen als überholt an. Die Führung sah sich in einem Kampf gegen einen außergewöhnlichen Gegner, der außergewöhnliche Mittel erforderlich machte. In mehreren geheimen Memoranden, die später als Torture Papers bekannt worden, erlaubten Rechtsexperten des Weißen Hauses „verschärfte Verhörmethoden“, die nach internationalem Recht Folter darstellten.13

Massenvernichtungswaffen wurden im Irak übrigens nie gefunden. In Afghanistan und Irak starben zusammen genommen ungefähr 6800 amerikanische Soldaten.14

[...]


1 Nelson, Marjorie, zitiert nach: Smith, Robert M.: Vietnam Prisinor Torture descriped by U.S. Doctor,

2 Steiniger, Rolf: Der Vietnamkrieg, in: Bundeszentrale für politische Bildung. Dossier USA, [10.10.08]. URL: http://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10620/vietnamkrieg?p=all,

3 McCoy, Alfred W.: Foltern und Foltern lassen. 50 Jahre Folterforschung und -Praxis von CIA und US-Militär. Frankfurt 2006, S. 55-60.

4 Andradé, Dale: Ashes to ashes. The Phoenix Program and the Vietnam War. Lexington (Massachusetts) [u.a.] 1990, S. 210-211.

5 Moxar, Mark: Phoenix and the birds of prey. The CIA’s secret campaign to destroy the Viet Cong. Annapolis 1997, S. 102.

6 Steiniger, Vietnamkrieg.

7 Bierling, Stephan: Die USA: Der müde Hegemon, in: izpb 326 (2/2015), S. 32-37, hier S. 34.

8 Wilzewski, Jürgen: Die Bush-Doktrin, der Irakkrieg und die amerikanische Demokratie, in: APuZ

9 Jenkins, Simon: Mission Accomplished?: The Crisis of International Intervention. London/New York 2015, S. 66.

10 vergl. McCoy.: Foltern, S. 119-121: Aufzählung einiger Foltermethoden.

11 Bahr, Alexander: Auf dem Weg in ein neues Mittelalter? Folter im 21. Jahrhundert. München 2009, S. 126-127.

12 Greiner, Bernd: 9/11. Der Tag, die Angst, die Folgen. München 2011, S. 176-177.

13 Greenberg, Karen J.: From Fear to Torture, in: dies./Joshua L. Dratel (Hg.): The Torture Papers. The Road to Abu Abu Grhaib. New York [u.a.] 2005, S. XVII-XX, hier S. XVII.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Schreiben über Krieg und Folter. Eine Untersuchung der Berichterstattung der New York Times im Hinblick auf Folter im Vietnam- und Irakkrieg
Hochschule
Universität Erfurt  (Philosophische Fakultät)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
20
Katalognummer
V342195
ISBN (eBook)
9783668321717
ISBN (Buch)
9783668321724
Dateigröße
574 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Krieg, Vietnam, Phoenix, Folter, CIA, New York Times, Washington Post, Vietkong, Menschenrechte, Presse, Pressefreiheit, Kriegsberichterstattung
Arbeit zitieren
Juri Auel (Autor:in), 2016, Schreiben über Krieg und Folter. Eine Untersuchung der Berichterstattung der New York Times im Hinblick auf Folter im Vietnam- und Irakkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/342195

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