Das 'Neue Denken' und die Auswirkungen auf die Deutschlandpolitik


Seminararbeit, 2003

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung
1. Das Ziel der Arbeit
2. Die Herangehensweise an das Thema
3. Erläuterung zur Gliederung

II. Hauptteil
1. Rahmenbedingungen für das Entstehen des Neuen Denkens
2. Das Konzept des Neuen Denkens
3. Das Neue Denken in der sowjetischen Deutschlandpolitik
4. Der Wandel der sowjetischen Deutschlandpolitik bis zur deutschen Einheit

III. Schluss
1. Zusammenfassung der Ergebnisse
2. Persönliche Stellungsnahme

IV. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

1. Das Ziel der Arbeit

„Wir sind nun an einem Punkt angelangt, an dem sich die Frage stellt: Wie weiter? Ist es nicht an der Zeit, innezuhalten und über Lösungen nachzudenken, die den Interes­sen der Völker entsprechen und verhindern, dass die Welt einem atomaren Inferno mit unabsehbaren Folgen entgegengeht?“[1] Dies sage Gorbatschow bei einem Gespräch mit dem französischen Präsidenten Francois Mitterrand. Gorbatschow dachte also daran, dass ein grundsätzlicher Wandel in der Weltpolitik vollzogen werden müsse. Deshalb soll es in dieser Arbeit um die Auswirkungen des „Neuen Denkens“ auf die Deutschlandpolitik gehen. Im Mittelpunkt steht die Frage, inwieweit hat das Neue Denken zur Wiedervereinigung Deutschlands geführt? Mit dem neuen Denken kamen gewaltige Veränderungen auf und diese wirkten sich nicht nur auf die Sowjetunion, sondern auch auf Deutschland aus. Die Deutschlandpoli­tik der Sowjetunion ist zwar lediglich ein Teilaspekt der sowjetischen Außenpolitik, aber besonders wesentlich, da er am Ende des Kalten Krieges die Rahmen­bedingungen für einen grundsätzlichen Wandel des internationalen Systems schuf. Auf Grund der Erkenntnisse über das Konzept des Neuen Denkens soll die Veränderung der sowjetischen Deutschlandpolitik aufgezeigt werden, die dann letzt­lich die Wiedervereinigung Deutschlands erlaubte. Wie im Folgenden gezeigt wer­den soll, ist die Wiedervereinigung nicht auf ein geplantes Konzept rückzuführen, sondern zum Teil auf eine veränderte sowjetische Deutschlandpolitik, die auf den Ideen des Neuen Denkens beruhte und zum anderen Teil auf die inneren Veränderun­gen der DDR, die so schnell keiner erwartet hatte. Dabei werden fol­gende Zusatzfragen eine wichtige Rolle spielen: Wie änderte sich die Deutschlandpoli­tik? Und was waren die Gründe? Welche Rolle spielte dabei M. Gorbat­schow? Welche Rolle die persönliche Beziehung zwischen Gorbatschow und Kohl? Hat das Neue Denken die Europapolitik grundlegend geändert? Oder nur teilweise? In welche historischen Etappen kann man den Prozess einteilen? Gibt es persönliche Aufzeichnungen der Hauptakteure? Oder von persönlichen Beratern, die die jeweilige Sichtweise aufzeigen?

2. Die Herangehensweise an das Thema

Um auch solche Zusatzfragen beantworten zu können, wurde sich dem Thema zu­nächst mit Hilfe von Sekundärliteratur genähert. So konnte ich einen guten Überblick über den Forschungsstand erhalten. Zudem brauchte ich zunächst ein Vorwis­sen, um mich mit der Thematik vertraut zu machen. Danach wurde auch nach Quellen gesucht, um einen direkten Eindruck der Geschehnisse zu erhalten und Belege für eventuelle Thesen zu erlangen. Dabei gab es eine Fülle von Literatur, wobei sich nicht alles explizit auf die Thematik der Wiedervereinigung stützte. Die meiste Literatur war zunächst sehr allgemein gehalten, d.h. auf die Außenpolitik der Sowjetunion ausgerichtet. Zunächst gaben die „Berichte des Bundesinstituts für ostwis­senschaftliche und internationale Studien: Sowjetische Außenpolitik 1985-1991“ einen guten Überblick, ebenso das Buch von Michail Gorbatschow „Das Neue Denken“. Literatur, die bereits 1989 veröffentlicht wurde, habe ich fast außer Acht gelassen, da diese aus heutiger Sicht nicht mehr den aktuellen Ereignissen ent­spricht.

3. Erläuterung zur Gliederung

Zunächst soll ein kurzer Überblick über die politische und wirtschaftliche Situation vor dem Amtsantritt von Gorbatschow gegeben werden. Dadurch soll besser verstanden werden, wie das Neue Denken entstanden ist und was der Inhalt des Neuen Den­kens ist. Das Konzept des Neuen Denkens soll dann erklärt werden. Anschlie­ßend wird geprüft, was das Neue Denken für Aussa­gen über die Situation in Deutschland macht. Bis es dann zur Wiedervereinigung kam, hat sich die sowjetische Deutschlandpolitik geändert, dies soll im letzten Ab­schnitt des Hauptteils dargelegt werden. Schließlich sollen die entscheidenden Verhand­lungen zur Wiedervereinigung kurz skizziert werden.

II. Hauptteil

1. Die Rahmenbedingungen für das Entstehen des Neuen Denkens

Im Folgenden soll kurz die politische und wirtschaftliche Situation vor dem Amtsantritt von Michail Gorbatschow dargestellt werden.

Das Neue Denken entstand in einer Situation, in der sich die Welt in einer Sackgasse be­fand. Das Wettrüsten war an der Tagesordnung und keiner konnte garantieren, dass es nicht zu einem Atomkrieg kommen würde. Dabei wurde Europa als Aufmarschge­biet genutzt. Zeitgleich war die Sowjetunion auch innenpolitisch in der Krise. Der Generalsekretär Konstantin Tschernenko stand für einen konservativen Kurs, allerdings konnte man bei seiner Wahl davon ausgehen, dass er nicht lange im Amt bleiben wird. Es kam zu einem permanenten Machtkampf um die Nachfolge und den politischen Kurs der Zukunft.[2] Durch diese internen Streitereien war das Land am Ende international isoliert. In den siebziger Jahren kam es zu rückläufigen Wachs­tumsraten, so dass das Sozialprodukt von 7,8 % in den Jahren 1965 bis1970 auf 4,3 % im Zeitraum 1976 bis 1980 fiel. Mitte der achtziger Jahre erreichte es dann seinen Tiefpunkt mit nur noch 3,2 % Wachstum des Sozialprodukts.[3] Den Reformern in der Sowjetunion war zu diesem Zeitpunkt klar, dass man die inneren Probleme des Landes nicht ändern könne, wenn es nicht zu einer Verbesse­rung der internationalen Lage kommen würde. Die Sowjetunion hatte zu allen nicht sozialistischen Ländern ein gespanntes Verhältnis und wollte diesen, vor allem den USA, militärisch überlegen sein. Dadurch stiegen die Ausgaben für das Militär inner­halb weniger Jahre, so dass sie 25 bis 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreich­ten. Diese Belastung ruinierte das Land.[4] Die Sowjetunion besaß zu diesem Zeitpunkt keine wirtschaftliche und gesellschaftliche Stärke. Sie stützte ihre Macht allein auf ihre militärische Stärke, dadurch konnte sie ihren politischen Einfluss aber nicht für die Ewigkeit sichern. Es handelte sich nicht nur um eine Krise der Wirtschaft, sondern das gesamte politische System und alle seine Subsysteme waren in der Krise. Insgesamt beeinträchtigte die innere Krise die Sowjetunion im internationalen System. Die geltende sowjetische Theorie der internationalen Beziehungen ging von „Klassen“ als dem entscheidenden Akteur aus. Auf Grund der damaligen Situation entstand eine kritische Neubewertung der Theorie der internationalen Beziehungen sowie der Stellung der Sowjetunion in der Welt und ihrer Politik.

Michail Gorbatschow hat diese neue Politik ab 1985 geprägt. Er wollte durch neue, außenpolitische Verhaltensregeln und eine radikale Änderung des internationalen Systems, das Überleben der Sowjetunion und des Sozialismus sichern. Er sah dabei die Außenpolitik hauptsächlich als Fortsetzung der Innenpolitik. Durch seine Ideen über eine neue sowjetische Außenpolitik entstand das Neue Denken. Dieses Kon­zept soll im nächsten Abschnitt erläutert werden.

2. Das Konzept des Neue Denkens

Im Hinblick auf die Fragestellung soll nachfolgend zuerst einmal der Inhalt des Neuen Denkens dargestellt werden.

Das Neue Denken ist nicht plötzlich entstanden, sondern hat sich vielmehr allmählich ent­wickelt. Ab Ende der siebziger Jahre, als noch Leonid Breschnew an der Macht war, gab es bereits von sowjetischen Forschungsinstituten Überlegungen, über eine neue Politik im Verhältnis zwischen den „sozialistischen“ und den „kapitalistischen“ Staaten nachzudenken.[5] Diese Überlegungen setzten sich allerdings nicht durch, konnten aber dann 1985 von Michail Gorbatschow verwendet werden. Dieser hat das Neue Denken nicht als fertiges Konzept präsentiert, sondern es schrittweise ent­wickelt. Er sagte selbst:

„Wir selbst sind dazu allmählich gekommen und haben das Neue Denken Stufe für Stufe bewältigt, indem wir unsere herkömmlichen Ansichten über die Probleme von Krieg und Frieden und die Beziehung zwischen den beiden Systemen überprüft und über globale Probleme nachgedacht haben.“[6]

Das Neue Denken stellte ein neues Konzept der sowjetischen Außen- und Sicherheitspo­litik dar, dem aber kein offiziell festgelegtes Papier zu Grunde liegt. Man kann den Inhalt des neuen Denkens in drei prinzipielle Ebenen staatlichen Han­delns unterteilen.

Zunächst in erste, oberste, die programmatisch, theoretisch-normative Ebene: Das Neue Denken besteht aus einem neuen Konzept der Außen- und Sicherheitspolitik der Sowjetunion. Das heißt zunächst aus einer neuen Weltsicht der Reformer, die die Welt vor großen Gefahren sehen, da ein Nuklearkrieg oder auch ein konventioneller Krieg die gesamte Menschheit betrifft und nicht vor Staatsgrenzen Halt macht. Die Priorität allgemein menschlicher Werte steht im Vordergrund. Die Welt ist somit als Einheit zu verstehen, deren Akteure miteinander verknüpft sind. Ein zentraler Begriff des Neuen Denkens ist die Interdependenz der Staatengewalt. So lautet der erste Kernsatz des neuen Denkens: Allgemeinmenschliche Interessen besitzen Vorrang vor Klasseninteressen.[7] Deshalb müssen alle Staaten miteinander kooperieren, dabei darf der Klassenkampf zwischen Sozialismus und Kapitalismus nicht mehr entschei­dend sein. So lautet der zweite Kernsatz: Kooperation zwischen unterschiedli­chen Staaten ist also eine absolute Notwendigkeit. Die Folge aus den ersten zwei Kernsätzen ist, dass die Nationale Sicherheit in einer ganzheitlichen Welt nicht auf ihren militärischen Aspekt beschränkt sein kann.[8] Das bedeutet, dass die Nationale Sicherheit primär politisch gewährleistet werden muss und unterschiedliche In­teressen durch Dialoge und Verhandlungen gelöst werden sollen. Die Schlüsselposi­tion von Gorbatschow ist der vierte Kernsatz: Die Freiheit der Wahl, d.h. das Recht jeden Volkes, die ihm zusagende Gesellschaftsordnung, Lebens­weise und Politik frei zu wählen.[9] Gorbatschow sagte dazu auf der Pressekonferenz nach dem ersten Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten Reagan am 21. Novem­ber 1985 in Genf: „Wenn man das nicht anerkennt, weiß ich nicht, wie man die internationalen Beziehungen gestalten kann.“[10] Damit wurde an die Breschnew-Doktrin ganz offen eine Absage erteilt.[11]

[...]


[1] Michail Gorbatschow 1997: S. 28

[2] Alexandra Größ 1992: S. 46

[3] Alexandra Größ 1992: S. 50

[4] Michail Gorbatschow 1997: S. 13

[5] Falk Bomsdorf/Hannes Adomeit 1990: S.261

[6] Falk Bomsdorf/Hannes Adomeit 1990: S.262

[7] Falk Bomsdorf/Hannes Adomeit 1990: S.271

[8] Falk Bomsdorf/Hannes Adomeit 1990: S.271

[9] Falk Bomsdorf/Hannes Adomeit 1990: S.271

[10] Boris Meissner 1995: S. 182

[11] Die Breschnew-Doktrin besagt, dass die Sowjetunion das Recht habe, sich in die inneren Angelegenheit der Ostblockländer einzumischen, wenn deren sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gefährdet sei. Sie bildete seit 1968 die neue Grundlage zur Absicherung des sowjetischen Hegemonialanspruches.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das 'Neue Denken' und die Auswirkungen auf die Deutschlandpolitik
Hochschule
Universität Mannheim
Veranstaltung
Proseminar: Russische Europapolitik
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V34186
ISBN (eBook)
9783638344869
ISBN (Buch)
9783638761680
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neue, Denken, Auswirkungen, Deutschlandpolitik, Proseminar, Russische, Europapolitik
Arbeit zitieren
Alice B (Autor:in), 2003, Das 'Neue Denken' und die Auswirkungen auf die Deutschlandpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34186

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