Das Risikomanagement in Organisationsentwicklungsprojekten

Eine Darstellung ausgewählter Ansätze


Masterarbeit, 2015

74 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Situationsanalyse
2.1 Theoretische Hintergründe zur idealtypischen Gestaltung von Organisations­entwicklungs­­projekten
2.1.1 Organisationsentwicklung
2.1.2 Abgrenzung Organisationsentwicklung und Unternehmensberatung
2.1.3 Das Prozessmodell einer Organisationsentwicklung
2.1.3.1 Phase 1 der Organisationsveränderung und des Lernens: Wahrnehmung
2.1.3.2 Phase 2 der Organisationsveränderung und des Lernens: Bewusstheit
2.1.3.3 Phase 3 der Organisationsveränderung und des Lernens: Energie und Vision
2.1.3.4 Phase 4 der Organisationsveränderung und des Lernens: Aktion
2.1.3.5 Phase 5 der Organisationsveränderung und des Lernens: Kontakt
2.1.3.6 Phase 6 der Organisationsveränderung und des Lernens: Rückzug und Reflexion
2.1.4 Der Grenzstörer: Die Rolle, die Haltung und die erforderlichen Kompetenzen des Beraters in Organisationsentwicklungsprojekten
2.1.5 Das Drei-Phasen-Modell nach Lewin
2.2 Theoretische Hintergründe zum Risikomanagement nach ONR 49001:2014
2.2.1 Wesentliche Begriffsdefinitionen im Risikomanagement
2.2.2 Risikomanagement-System und Risikomanagement-Prozess als Bestandteile integrierter Managementsysteme
2.2.3 Die Risikokriterien „Eintrittswahrscheinlichkeit“ und „Schadensausmaß“ als wesentliche Beurteilungs- und Bewertungsdimensionen im Risikomanagement
2.2.4 Das Drei-Stufen-Modell für die Risikobewältigung
2.2.5 Übersicht der Methoden im Risikomanagement-Prozess
2.2.6 Die Szenario-Analyse als ausgewählte Methode im Risikomanagement-Prozess

3. Der Transfer: Die Szenario-Analyse und ihre Anwendung in Organisationsentwicklungsprojekten
3.1 Der Transfer: Die Szenario-Analyse und ihre Anwendung in Organisations­entwicklungs­projekten – Formale und technokratische Ebene
3.2 Der Transfer: Die Szenario-Analyse und ihre Anwendung in Organisationsentwicklungs­projekten – Inhaltliche Ebene
3.3 Der Transfer: Die Szenario-Analyse und ihre Anwendung in Organisationsentwicklungs­projekten – Ein kurzes Zwischenfazit

4. Fazit, Schlussfolgerungen und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Prozess des Problemlösens im Rahmen der Organisationsentwicklung - eigene Darstellung in Anlehnung an Nerdinger (1994)

Abbildung 2: Der Zyklus der Veränderung und des Lernens

Abbildung 3: Das 3-Phasen-Modell nach Lewin

Abbildung 4: Das 3-Phasen-Modell nach Lewin

Abbildung 5: Analogien zwischen drei Phasen nach Lewin und acht Stufen nach Kotter

Abbildung 6: Einbettung des Risikomanagement

Abbildung 7: Risikomanagement-System mit dem Risikomanagement-Prozess

Abbildung 8: Der Risikomanagement-Prozess gemäß Kapitel 5.4 der ONR 49001:2014

Abbildung 9: Risikomatrix

Abbildung 10: Risiko-Bewertungsqube (eigene Darstellung)

Abbildung 11: Drei-Stufen-Modell für die Risikobewältigung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Prozessmodell einer Organisationsentwicklung (nach Kühlmann, 1994, S. 19)

Tabelle 2: Wesentliche Begriffsdefinitionen im Risikomanagement (eigene Darstellung in Anlehnung an ONR 49001:2014)

Tabelle 3: Risikokriterien für die Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Häufigkeit (tiefe Frequenz)

Tabelle 4: Risikokriterien für die Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Häufigkeit (hohe Frequenz)

Tabelle 5: Risikokriterien für die Fallwahrscheinlichkeit

Tabelle 6: Gemischte Risikokriterien für die Auswirkungen (einfach) (eigene Darstellung in Anlehnung an ONR 49002-:2014)

Tabelle 7: Risikokriterien für die Auswirkungen aus unterschiedlichen Perspektiven (eigene Darstellung in Anlehnung an ONR 49002-:2014)

Tabelle 8: Übersicht der Methoden im Risikomanagement-Prozess

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Ausgewählte Ansätze des Risikomanagements in Organisationsentwicklungsprojekten“ - Warum erfolgte diese Themenauswahl für die vorgelegte Masterarbeit?

Die nachstehende Masterarbeit markiert für den Verfasser das Ende des Masterfernstudiums „Organisationsentwicklung“ am DISC der TU Kaiserslautern. Es ist ein Meilenstein in der persönlichen Entwicklung des Verfassers und ein weiterer Mosaikbestandteil in dessen Kompetenzentwicklung. Der Verfasser dieser Masterarbeit ist seit nunmehr als 15 Jahren in leitender Funktion im deutschen Sozial- und Gesundheitswesen tätig. Neben der Grund­qualifikation als Diplom Sozialpädagoge (FH) verfügt der Verfasser darüber hinausgehend bereits entwickelte Kompetenzen durch den Masterfernstudiengang „Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen“ sowie diverse fachspezifischer Fort- und Weiter­bildungen. Diesbezüglich sind insbesondere die persönlichen Auseinander­setzungen mit dem Thema Managementsysteme, insbesondere mit den inhaltlichen Anforderungen der ISO 9001 und dem EFQM Excellence Modell, zu nennen. Seit nunmehr 2007 ist der Verfasser für den deutschen Qualitätspreis als EFQM Excellence Assessor pro bono jährlich tätig. Seit dem Jahr 2011 ist der Verfasser darüberhinausgehend nebenberuflich selbst­ständiger Zertifizierungs­auditor in den Themenfeldern Qualitäts­managementsysteme, Arbeits- und Gesundheitsschutz­systeme, Betriebliche Gesundheits­management­systeme, Lebens­mittel­sicherheitssysteme und Risiko­managementsysteme. In den vergangenen Jahren hat der Verfasser sein Kompetenzprofil als klinischer Risikomanager geschärft. Es ist also naheliegend, die bisher entwickelten beruflichen Kompetenzen und das erworbene und gesammelte Wissen des Studiums miteinander zu kombinieren. Durch die Kombination kann erst die Integration in das Kompetenzprofil des Verfassers gelingen. Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, die Themen Organisationsentwicklungsprojekte und Risiko­management miteinander zu kombinieren und zu verzahnen. Dieser Anspruch erfährt aus Sicht des Verfassers in der jüngsten Vergangenheit und gegenwärtig einen weiteren besonderen Stellenwert. In der Literatur lassen sich vermehrt Hinweise darauf finden, dass die Ausgestaltung von Managementsystemen weniger technokratisch orientiert als vielmehr systemisch geschieht. Insbesondere in der Würdigung des EFQM Excellence Modells[1] wird deutlich, dass „das Qualitätsmanagement“ zunehmend systemischer wird.

Die neue Version der DIN EN ISO 9001 fokussiert bei der Ausgestaltung von Managementsystemen das so genannte risikobasierte Denken. Dem risikobasierten Denken wird in der neuen ISO 9001 ein eigener Anhang, nämlich der Anhang A4, gewidmet.[2] Bis hierhin wird bereits deutlich, dass auch das Wirken als Organisationsberater, insbesondere bei der Ausgestaltung von Prozess- und Projektarchitekturen, möglichen Risiken unterliegen kann. Diese Risiken werden insbesondere dadurch bedingt und beeinflusst, dass das Intervenieren des Organisationsberaters auf den Ebenen Individuum, Team und der Gesamtorganisation anzusetzen und zu berücksichtigen ist. Darüber hinausgehend ist eine ergebnis- und zielorientierte Berücksichtigung von Strukturen und Prozessen bei der Ausgestaltung von Prozess- und Projektarchitekturen von relevanter Bedeutung. In diesem Zusammenhang kommt dem risikobasierten Denken des Organisationsberaters bei der Entwicklung, der Erstellung, der Ausgestaltung und Durchführung sowie der Evaluation der Prozess- und Projektarchitektur eine besondere Bedeutung zu.

Dieser Masterarbeit liegt die These zugrunde, dass ein intensiviertes risikobasiertes Denken die Erfolgsaussichten von Organisationsentwicklungsprojekten günstig beeinflussen kann. Es können zukünftig mehr Organisationsentwicklungsprojekte erfolgreich durchgeführt und beendet werden, wenn ausgewählte Ansätze des Risikomanagements verstärkt Berück­sichtigung und Eingang bei der Gestaltung von Organisationsentwicklungsprojekten finden.

An dieser Stelle dürfen drei inhaltliche Hinweise nicht fehlen:

1. Mit der vorgelegten Masterarbeit wird keine empirische Näherung und Betrachtung der Thematik vorgenommen. Es handelt sich vielmehr um eine rein theoretische Annäherung an das Thema im Rahmen einer Literaturanalyse. Ausgehend von dieser Literaturanalyse erfolgt die Synthese mit den vorhandenen berufspraktischen Kompetenzen des Verfassers.
2. Mit der vorgelegten Masterarbeit wird kein Anspruch auf Vollständigkeit der identifizierten möglichen Risiken, die während eines Organisationsentwicklungs­projektes eintreten können, erhoben. Es geht vielmehr um eine Sensibilisierung und das Aufzeigen von Analogien zwischen Organisationsentwicklungsprojekten und dem Risikomanagementprozess. Beiden gemein ist zyklisches Denken und Handeln im Verständnis eines kybernetischen Regelkreises.
3. Mit der vorgelegten Arbeit werden mögliche methodische Vorgehensweisen zur Integration des risikobasierten Denkens an Beispielen skizziert.

Hierbei werden im Kapitel 2 im Rahmen einer allgemeinen Situationsanalyse die theoretischen Hintergründe zur idealtypischen Gestaltung von Organisationsentwicklungs­projekten sowie der theoretische Bezugsrahmen zum Risikomanagement erläutert. Hierauf aufbauend wird im dritten Kapitel der Transfer der ausgewählten Szenarioanalyse als ein Ansatz im Risikomanagement und die Anwendung in Organisationsentwicklungsprojekten skizziert. Die detaillierten Darstellungen wurden im Hinblick auf den begrenzten Umfang dieser Masterarbeit im Anhang dargestellt. Im vierten und letzten Kapitel dieser Masterarbeit werden relevante Schlussfolgerungen und ein Ausblick getätigt.

„Ob du denkst, du kannst es,

oder du kannst es nicht:

Du wirst auf jeden Fall recht behalten“

(Henry Ford (1863-1947), amerik. Großindustrieller) [3]

2. Situationsanalyse

In den nachstehenden Ausführungen werden zunächst die theoretischen Hintergründe betreffend das Handlungsfeld der Organisationsentwicklung skizziert. In diesem Zusammen­hang wird insbesondere eine Definition der Organisationsentwicklung heraus­gearbeitet und eine Abgrenzung dieser zu anderen Formen und Aspekten der Unternehmens­beratung vorgenommen. Hierauf aufbauend werden dann das Prozessmodell der Organisations­entwicklung, das Drei-Phasen-Modell nach Lewin [4] sowie der Zyklus der Veränderung und des Lernens als relevante Aspekte in Organisationsentwicklungsprojekten erörtert.

In einem weiteren Schritt werden einleitend die Hintergründe zu den in der Norm 49001:2014 definierten Anforderungen des Risikomanagements dargestellt. Im Hinblick auf den Umfang dieser Masterthesis wird das besondere Augenmerk auf die Szenario-Analyse als eine Methode der Risikoermittlung und -bewertung gelegt.

2.1 Theoretische Hintergründe zur idealtypischen Gestaltung von Organisations­entwicklungs­projekten

Insbesondere die Ausführungen betreffend eines möglichen idealtypischen Prozessmodells einer Organisationsentwicklung orientieren sich bewusst an den vorliegenden Studienbriefen des Masterfernstudiengangs Organisationsentwicklung des DISC an der TU Kaiserslautern, da diese einen schlüssigen Überblick über die Struktur einer möglichen Prozessarchitektur eines Organisationsentwicklungsprojektes ermöglichen.

Zu Beginn wird zunächst das Wesen der Organisationsentwicklung skizziert. Hierbei wird sich primär an den Ausführungen von Spieß (2011) orientiert, da diese im Schrifttum oftmals zitiert werden und diese unter anderem auch Gegenstand des Masterfernstudiengangs Organisationsentwicklung am DISC der TU Kaiserslautern gewesen sind.

Hierauf aufbauend soll dann eine kurze Abgrenzung der Organisationsentwicklung und anderer Unternehmensberatungsformen den Ausführungen betreffend die idealtypischen Phasen von Organisationsentwicklungsprojekten vorangestellt werden. In diesen werden dann insbesondere auch mögliche Szenarien als Risiken skizziert.

2.1.1 Organisationsentwicklung

Spieß (2011) führt in Anlehnung an Walge r (1995, S. 2) aus, dass die Organisations­entwicklung von lernfähigen Menschen ausgeht, „[…] wobei deren Verhalten und Initiative bzw. Mitwirkung die Fortschritte bestimmen (ebd., S. 7). Der Berater hat hier lediglich begleitende Funktionen, denn die eigentlichen Promotoren der Veränderung sind die Mit­glieder der Organisation. Das Lernen aller Betroffenen findet in der Organisations­entwicklung in der jeweiligen konkreten Situation statt.“[5] Hierauf aufbauend führt Spieß weiter aus, dass der systemische Ansatz der Beratung, die Einbeziehung und Beachtung der Werte der zu beratenden Menschen in der betreffenden Organisation sowie die aktive Mitarbeit des Kunden von großer Wichtigkeit sind (ebd., S. 1). Auf der Seite des Beraters sieht Spieß in Anlehnung an Jonas, Kauffeld und Frey (2007) sowie Kühl und Moldaschl (2010) Neutralität, Offenheit, Objektivität und Distanz als wichtige Tugenden eines Beraters an.

Spieß führt aus, dass „[…] der systemische Ansatz der Beratung […] eine gewisse Nähe zur Vorgehensweise bei Organisationsentwicklungsmaßnahmen […]“[6] hat. Insofern wird an dieser Stelle davon ausgegangen, dass die Organisationsentwicklung zentrale Merkmale und Aspekte des systemischen Ansatzes der Beratung in sich trägt: „Systemische Beratung betrachtet die Unternehmen als autopoietische Systeme, die rekursiv geschlossen sind. […] Organisationen orientieren sich in ihrem Handeln in erster Linie an sich selbst und sind selbstregulativ. […] Beratung im systemischen Sinne bedeutet, dass man beobachtet, wie eine Organisation beobachtet, was in ihr geschieht, und wie sich diese Beobachtungen dann zu Entscheidungen entwickeln.“[7]

Spieß zitiert Wimmer (1995, S. 245):

„Im Kern geht es darum, Organisationen dabei zu unterstützen, mit der unvermeidlichen Steigerung ihrer Eigenkomplexität fertig zu werden, die vielfach noch dadurch erhöht wird, dass auf die neue Situation mit den alten Bearbeitungsmustern reagiert wird. Beratung setzt also dort an, wo bislang eingespielte Kommunikations- und Kooperationsgewohnheiten zur Bearbeitung der anstehenden neuen Aufgaben und Problemstellungen nicht ausreichen und ihre fortgesetzte Reproduktion zum eigentlichen Problem wird.“[8]

Insofern sind Interventionsmaßnahmen im Rahmen von Organisationsentwicklungsprojekten immer auch die Begleitung und Moderation von Veränderungsprozessen in Organisationen. Dr. Ulrich Erhardt hat in einer Präsenzphase des Masterfernstudiengang Organisationsentwicklung am DISC der TU Kaiserslautern im Herbst 2015 den Ausspruch „Organisationsentwickler sind die Psychiater für Organisationen“ getätigt[9]. Insofern ist davon auszugehen, dass „[…] die Prozessberatung […] unterstellt, dass der Kunde über das entsprechende Know-how verfügt und der Berater ihm lediglich zur Seite steht, um ihm „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu ermöglichen.“[10] Spieß verweist auf König und Volmer (2000), die in neuen Ansätzen der Organisationsberatung die Prozessberatung im Vordergrund sehen. Hierbei sollen die Klienten dazu veranlasst werden, selbstständig eine Problemlösung zu finden[11].

2.1.2 Abgrenzung Organisationsentwicklung und Unternehmensberatung

Aufbauend auf den vorgenannten Ausführungen im Abschnitt 2.1.1 soll nun folgend klar­gestellt werden, dass die Organisationsentwicklung einen eigenen spezifischen Interventions- und somit Beratungsansatz einnimmt. Um diesen zu charakterisieren, ist eine Abgrenzung betreffend die „drei Grundmodelle einer Beratung“[12] nach Edgar Schein (1980) relevant. Diese lassen sich wie folgt skizzieren:

Expertenmodell

Ein Experte mit spezifischem Fachwissen bringt Vorschläge zur Lösung eines konkreten Problems ein.

Doktor-Patient-Modell

Die Aufgabe des Beraters besteht darin, Problemursachen im Sinne einer Diagnosestellung sowie auch die Lösung des Problems aufzuzeigen.

Inhaltsberatung / Prozessberatung

Hierbei wird auf die vorgenannten Ausführungen im Kapitel 2.1.1 dieser Arbeit verwiesen.

Spieß (2011) macht darauf aufmerksam, dass Unternehmensberatung keine eigene Beratungstheorie hat: „Viele Unternehmensberater sind Spezialisten für technische oder betriebswirtschaftliche Probleme, aber nicht für Beratungsprozesse. Das Beratungswissen vieler Berater stützt sich auf nicht gesicherte Wissensbestände.“[13] Das Ergebnis der Beratung ist somit immer auch von der Erfahrung und praktisch erworbenen Kompetenz der Berater abhängig.

2.1.3 Das Prozessmodell einer Organisationsentwicklung

„Es gibt etliche idealtypische Prozessmodelle der Organisationsentwicklung.“[14] Spieß skizziert in Anlehnung an Kühlmann (1994), dass die Organisationsentwicklung als prozess­haftes Geschehen in sieben Phasen unterteilt werden kann. In der nachstehenden Tabelle werden den Phasen der Organisationsentwicklung die sicherlich idealtypischen Aufgaben und Inhalte als Erläuterung zugeordnet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[15]

Tabelle 1: Prozessmodell einer Organisationsentwicklung (nach Kühlmann, 1994, S. 19)

Nerdinger (1994) verweist richtigerweise darauf, dass die Beratung einer Organisation durch einen Organisationsentwickler immer einen Prozess des Problemlösens darstellt[16]. Dieser kann wiederum wie folgt skizziert werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Prozess des Problemlösens im Rahmen der Organisationsentwicklung - eigene Darstellung in Anlehnung an Nerdinger (1994)

Die sechs Prozessphasen der Organisationsentwicklung (siehe Abbildung 1) können wie folgt beschrieben werden:

1. Anfangsphase und allgemeine Orientierung:

Am Anfang steht die Formulierung und Thematisierung von Erwartungen und Einstellungen bezüglich des Problems, bzw. des Anliegens der Organisation, durch die Beteiligten.

2. Problemanalyse:

Spieß verweist darauf, dass es in dieser Phase um die Klärung und die Analyse der Ist-Situation sowie die Ziele der Beteiligten geht[17].

3. Erzeugung von Lösungsalternativen:

Durch die Anwendung von Kreativitätstechniken, wie zum Beispiel „Brainstorming“, wird versucht, möglichst viele Lösungsalternativen zu sammeln. Die so generierten Lösungsideen werden dann hinsichtlich der vorab getroffenen Zielsetzungen überprüft und bewertet.

4. Entscheidung und Planung:

Die entwickelten Lösungsalternativen werden im Hinblick auf ihre möglichen Auswirkungen miteinander verglichen. Spieß weist in Anlehnung an Nerdinger (1994) darauf hin, dass der Klient selber zu einer Entscheidung für eine Lösungsstrategie kommen soll, auf denen dann gemeinsam die relevanten Schritte und Meilensteine zur Realisierung geplant werden.[18]

5. Durchführung:

Spieß verweist in Anlehnung an Nerdinger, dass in der Phase der Durchführung die gemeinsam erarbeitete Strategie weiter konkretisiert und dann umgesetzt wird.

6. Evaluierung:

Die Evaluierung gilt als die letzte Phase eines vollständigen Veränderungszykluses. Die Organisation muss die Veränderungen und den Veränderungszyklus zwingend evaluieren, damit die Veränderung nachhaltig ihre Wirkung entfalten kann. Hier werden die erzielten Resultate bezüglich der zu Anfang getroffenen Zielvereinbarungen analysiert und bewertet.[19] Nur so können sich der veränderte Zustand, die veränderten Haltungen und Vorgehensweisen verselbstständigen.

Nerdinger skizziert somit Phasen eines idealtypischen Beratungsprozesses. Dieser stellt sicherlich den formalen und organisatorischen Rahmen eines Beratungsprojektes im Sinne einer Managementberatung dar. Spieß verweist in diesem Zusammenhang auf Redley (2006), nach dem „[…] die Managementberatung in die Organisations- und Prozessberatung und die Strategieberatung untergliedert […]“[20] werden kann.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, sich nochmals zu vergegenwärtigen, dass Organisationsentwicklungsprojekte augenscheinlich immer mit Veränderungen einhergehen. Diese Veränderungen sind im Verständnis des Lernens und der Kompetenzentwicklung zu verstehen. Sie entfalten ihre Wirkungen und haben als solche Auswirkungen beim Einzelnen, bei einzelnen Teams sowie auf die gesamte Organisation. Erhardt und Zimmermann (2013) führen diesbezüglich aus: „Da es in der Organisationsberatung nicht nur um die individuelle Wahrnehmung geht, sondern um die Wahrnehmung einer Gruppe bzw. Organisation, die natürlich auf der Wahrnehmung von Individuen basiert und folglich erheblich divergieren kann, ist eines der Aufgaben der Beratung, Wahrnehmung und Bewusstheit so weit wie möglich in Einklang zu bringen und zu verändern, um ein gemeinsames Handeln zu erreichen.“[21]

In der logischen Konsequenz wird an dieser Stelle der Zyklus der Veränderung und des Lernens mit seiner Relevanz für das Gelingen von Organisationsentwicklungsprojekten skizziert. Erhard und Zimmermann (2013) stellen diesen als geschlossenen Kreislauf dar. „Der Zyklus der Veränderung und des Lernens (ZVL) wurde am Gestalt Institute auf Cleveland entwickelt und basiert auf der Gestalttheorie.“[22] Als Bedingung für das Gelingen von nachhaltigen Veränderungen, und somit für das Gelingen von Organisations­entwicklungs­projekten, scheint zu gelten, dass Zyklen vollständig durchlaufen und geschlossen sein müssen, was die nachfolgende Abbildung 2 nochmals illustriert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Der Zyklus der Veränderung und des Lernens[23]

Mit den nachstehenden Ausführungen werden die Inhalte der jeweiligen Zyklusphase in Anlehnung an Erhardt und Zimmermann (2013) inhaltlich kurz erläutert:

2.1.3.1 Phase 1 der Organisationsveränderung und des Lernens: Wahrnehmung

In der Phase der Wahrnehmung ist der wesentliche Schwerpunkt die Klärung der Wahrnehmungskanäle und der Sinnessysteme der Organisation. Dabei kann die Wahr­nehmung von Einzelnen, Gruppen und Organisationen bestimmten Verzerrungen erliegen, wie zum Beispiel die nachfolgenden Einzelaspekte A) bis G) zeigen:

A) Selektive Wahrnehmung:

Die individuelle Wahrnehmung der eigenen Wirklichkeit wird vor dem Hintergrund bisher gemachter Erfahrungen konstruiert.

B) Das Gesetz der Nähe:

„Dinge, die räumlich nahe beieinander liegen, werden von unserer Wahrnehmung gruppiert, also als zusammengehörig aufgefasst. Dinge, die weit voneinander entfernt liegen, werden als getrennt und unabhängig wahrgenommen.“[24]

C) Das Gesetz der Ähnlichkeit:

„Dinge, die ähnlich sind, werden von unserer Wahrnehmung gruppiert, also als zusammengehörig aufgefasst. Umgekehrt werden Dinge, die sich in wichtigen Merkmalen unterscheiden, als voneinander getrennt oder unabhängig wahrgenommen.“[25]

D) Das Gesetz der Geschlossenheit:

„Dinge mit geschlossenem Umriss oder Elemente, die von einer Linie umsäumt sind, werden von unserer Wahrnehmung gruppiert, also als zusammengehörig aufgefasst. Dinge, die durch Linien getrennt sind, wirken nicht zusammengehörig.“[26]

E) Das Gesetz der Figur-Hintergrund-Beziehung:

In Anlehnung an Erhard t und Zimmermann (2013) wird jede Form als Figur gesehen, die sich von ihrem Hintergrund abhebt. „Unser Gehirn unterscheidet zwischen Figur und Hintergrund.“[27]

F) Das Gesetz der Prägnanz:

„Gestalthafte Wahrnehmungseinheiten bilden sich laut diesem Gesetz so aus, dass sie im Ergebnis eine möglichst einfache und einprägsame Gestalt darstellen, d. h. unser Gehirn sieht in der Regel die einfachste Form.“[28]

G) Das Gesetz der Kontinuität:

„Wir geben Sinn und sehen nicht die Elemente selbst […], sondern das ganze in seiner Funktion als Gestalt […].“[29]

Erhardt und Zimmermann (2013) weisen weiterführend darauf hin, dass die vorgenannten Gestaltgesetze dazu führen, dass die menschliche Wahrnehmung nicht identisch mit dem Abgebildeten ist, „sondern aufgrund unserer eigenen Vorerfahrungen und Kenntnisse konstruiert ist.“[30] Dieser These stimmt der Verfasser dieser Arbeit vor dem Hintergrund seiner praktischen Erfahrung zu. Auch Arnold (2012)[31] macht auf die Bedeutung konstruierter Wirklichkeiten aufmerksam.

Für die Organisationsentwicklungsprojekte resultiert hieraus die zentrale Erkenntnis, dass jede Organisation ihre eigenen Sinnessysteme braucht, um Informationen betreffend die eigene organisationsspezifische Umwelt, die eigene Position innerhalb dieser Umwelt sowie den aktuellen Ist-Stand der Organisation, der Organisationeinheiten und der Menschen in der eigenen Organisation zu erhalten. Dabei gilt es in Anlehnung an Erhardt und Zimmermann (2013) zu beachten, dass die Wahrnehmung allerdings auch selektiv und mit unbewussten Filtern besetzt ist, die vorzeitig bewerten, zuordnen und ausschließen.

In diesem Zusammenhang mahnen Erhardt und Zimmermann (2013) deshalb an, spezifische Aspekte kritisch zu prüfen, aus denen nachstehende, exemplarische Risiken abgeleitet werden können:[32]

- Die betreffende Organisation verfügt nicht über ausreichende Sinnessysteme, um relevante Informationen innen und außen aufzunehmen.
- Die verfügbaren Informationen werden von den Mitarbeitenden der Organisation nicht wahrgenommen.
- Die verfügbaren Informationen können von den Mitarbeitenden wegen fehlenden Kompetenzen, Strukturen oder Vorgehensweisen nicht erfasst und nicht verarbeitet werden.
- Die verfügbaren Informationen sind nicht allen betreffenden Mitarbeitenden in gleicher Güte zugänglich.
- Die Informationsmenge und die Art ihrer Darstellung behindern die Wahrnehmung.
- Die Informationen werden nicht regelmäßig und systematisch ausgewertet.

2.1.3.2 Phase 2 der Organisationsveränderung und des Lernens: Bewusstheit

Erhardt und Zimmermann (2013) führen aus, dass sich in dieser Phase die Bewusstheit darüber entwickelt, „[…] wie die aktuelle Situation zu beurteilen ist, was gerade passiert und was als nächstes zu tun ist […]“[33]. Somit wird deutlich, dass die „[…] Bewusstheit die Basis des Handelns ist […]“[34]. Betreffend die Entwicklung der Bewusstheit beschreiben Erhardt und Zimmermann (2013) zutreffend folgende Handlungsfelder:

- Organisationsdiagnose,
- Überdenken und Konkretisieren der bis dato erstellten Figuren und Hypothesen sowie
- Unterstützung der gemeinsamen Figurbildung, zum Beispiel durch die Entwicklung einer gemeinsamen Organisationsvision, die Strategieentwicklung sowie die Auseinandersetzung mit Ergebnissen und den Vergleich mit befähigten Vorgehens­weisen, deren methodisch fundierte Umsetzung sowie mit Spitzenergebnissen.

Aus den Ausführungen der Handlungsfelder lassen sich weitere, exemplarische Risiken auf der subjektiven Ebene des Organisationsberaters identifizieren und ableiten:

- Der Organisationsberater verfügt nicht über die erforderlichen Kompetenzen zur Durchführung einer angemessenen Organisationsdiagnose. Erpenbeck und Rosenstiel (2007) skizzieren in ihrem Handbuch >Kompetenzmessung< eine Vielzahl von Vorgehensweisen zur strukturierten und systematischen Ermittlung von Kompetenzen. Insbesondere im Kasseler-Kompetenz-Raster (im Folgenden: KKR) werden Fach-, Methoden-, Sozial- sowie Selbstkompetenz differenziert in ihren jeweiligen positiven und negativen Ausprägungen betrachtet.[35] Im Hinblick auf den Umfang dieser Masterarbeit wird sich hier auf einen Literaturhinweis beschränkt.
- Der Organisationsberater erfasst nicht hinreichend die spezifische Welt der betreffenden Organisation und bleibt mit seinen voreilig gebildeten Hypothesen hinter der möglichen Gesamtheit aller etwaigen Optionen zurück. Der Organisationsberater nimmt somit lediglich Fragmente eines möglichen Gesamtbildes wahr und bildet hierauf seine Hypothesen, welche wiederum die Grundlage für sein Engagement und Wirken bilden. Dieses ähnelt augenscheinlich dem bekannten Gleichnis „Die Blinden und der Elefant“[36], welches von dem Verfasser dieser Masterarbeit als passend bewertet wird.
- Einmal gebildete Hypothesen werden aufrechterhalten und die Wahrnehmung der Akteure droht selektiv zu werden. Die Bereitschaft nicht-zutreffende Hypothesen aufzugeben und zu verwerfen besteht bei den handelnden Akteuren nicht, oder ist nicht hinreichend ausgeprägt.

2.1.3.3 Phase 3 der Organisationsveränderung und des Lernens: Energie und Vision

„Veränderungsenergie ist die Motivation, sich oder etwas zu verändern.“[37] Nevis führt aus, dass Energie die Fähigkeit ist, eine Arbeit zu verrichten[38]. Die Energie ist eine Konsequenz aus der Phase der Bewusstheit. Somit wird „[…] in der Organisationsberatung […] Energie unter anderem dadurch erzeugt, indem Bewusstheit hervorgebracht wird, d.h. Instrumente, die ein Berater zur Schaffung von Bewusstheit einsetzen kann, beeinflussen die Energie.“[39] Darüber hinausgehend verweisen Erhardt und Zimmermann auf die Energieformel nach Beckhard und Gleicher (1969):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Veränderungsenergie muss, um effizient zu sein, größer als die Kosten der Organisations­änderung sein. Die berufspraktische Erfahrung des Verfassers dieser Masterarbeit bestätigt diese Feststellung als wesentlich und relevant im Management von Veränderungsprozessen. Die vorgenannte Energieformel benennt die wesentlichen Treiber für Veränderungsprozesse, die aber zeitgleich auch wesentliche Risiken in sich bergen. Unter Nutzung des Schrifttums lassen sich weitere exemplarische Risiken identifizieren und ableiten, die auch den Bereich der Effektivität der Veränderungen betreffen:

- Die Unzufriedenheit mit dem bestehenden Zustand ist in der betreffenden Organisation nicht in einem Ausmaß vorhanden, so dass der kritisierte, unerwünschte Zustand als nicht optimal erlebt wird, aber als gegeben ausgehalten wird. Die angestellten Überlegungen gelangen nicht in die Durchführung und Umsetzung, weil die Erhaltung des Status quo für die Organisation Stabilität und somit Orientierung, Vertrautheit und Sicherheit bedeutet.
- Die betreffende Organisation hat ihre Vision in einem Prozess augenscheinlich definiert, aber dennoch nicht ausdifferenziert und implementiert. Die Führungskräfte sichern nicht durch eine für die betreffende Organisation angemessene Kommunikation ab, dass zur Erfüllung und Erreichung der Vision synchronisierte, gemeinsame Entwicklungen stattfinden. Die Basis für die Vision, Mission, Werte, ethischen Grundsätze und das kollektive, bewusste Verhalten der Organisation bleibt nebulös und unwirksam.[40] Dabei verweist insbesondere Senge auf den besonderen Stellenwert der gemeinsamen Vision: „Sie ist eher eine Kraft im Herzen der Menschen, eine Kraft von eindrucksvoller Macht.“[41] Die Vision ist somit in der Organisation von den Organisationsmitgliedern nicht geteilt und wird von diesen nicht mitgetragen. Es handelt sich nicht um eine gemeinsame Vision. Sie kann daher nicht ihre Wirkung entfalten.
- Martin Luther King hat einmal gesagt: „Vertrauen bedeutet den ersten Schritt zu tun, auch wenn du die Treppe noch nicht ganz sehen kannst.“[42] Für die Organisations­mitglieder sind die ersten Schritte in die Richtung der gewünschten Veränderung nicht sichtbar. Es besteht somit insbesondere das Risiko, dass die Veränderungen zwar postuliert werden, jedoch die Organisationsmitglieder im Fall von fehlendem Vertrauen in das Management nicht bereit sind, die ersten Veränderungen mitzutragen, sondern vielmehr versuchen, diese zu unterlaufen.
- Die Kosten der Veränderung sind für die Organisationsmitglieder und somit für die Organisation insgesamt größer als alle zu erwartenden Vorteile der Veränderung. Zu den Kosten der Veränderung sind insbesondere materielle und emotionale Aspekte zu zählen.[43] In diesem Fall wäre die Veränderung nicht effiziert und somit un­wirtschaftlich. Darüber hinausgehend sind sicherlich auch intra- und interpersonale nichtmonetäre Aspekte zu berücksichtigen, wie zum Beispiel der „Preis“ für die Aufgabe und die Veränderung einer eintrainierten, unbewussten Verhaltensweise im Umgang mit anderen Teammitgliedern.

2.1.3.4 Phase 4 der Organisationsveränderung und des Lernens: Aktion

Erhardt und Zimmermann (2013) weisen berechtigt auf die Wichtigkeit hin, dass die Phase Aktion die Ergebnisse der Phase Bewusstheit berücksichtigt. Die Phase Aktion bedeutet „[…] die konkrete Planung der Durchführung, es geht um Projektmanagement und Projektplanung. […] So ist bei der Zielformulierung darauf zu achten, dass die Summe der Ziele zur Erreichung der Vision führt.“[44] Den Ausführungen von Erhardt und Zimmermann weiter folgend wird hierbei insbesondere auch deutlich, dass im Sinne der vorgenannten Energieformel auch die Erstellung von Planungen, insbesondere die Planung der Ziele und der Erstellung der eigentlichen Projektplanung, bereits die ersten sichtbaren Schritte in die Richtung der Veränderung sein können. „Entsprechend können erste Planungen bereits die Veränderungsenergie positiv beeinflussen. […] ein partizipativer Prozess ist vorzuziehen, übergangene Schlüsselpersonen sind meist weniger motiviert oder leisten später sogar Widerstand.“[45] Nach der Einschätzung des Verfassers dieser Masterarbeit gilt es folglich, alle Betroffenen und insbesondere die Führungskräfte von der Notwendigkeit und den Vorteilen der Organisationsentwicklungs- und Veränderungsmaßnahmen zu überzeugen, ohne sie dabei zu überreden oder Bedenken und Widerstände zu übergehen. Die Überzeugung des Organisationssystems muss in diesem selber wachsen und reifen. Erhardt und Zimmermann machen in diesem Zusammenhang darüber hinausgehend aber auch auf eine grundsätzliche Gefahr im Change Management aufmerksam, nämlich die „[…] Handlung bereits als Veränderung zu deuten.“[46]

Aus den bisherigen Ausführungen lassen sich weitere exemplarische Risiken in der Phase „Aktion“ identifizieren und ableiten:

- Die Organisationsmitglieder interpretieren die Handlung als die eigentliche Veränderung. Hierbei droht insbesondere, das eigentliche Ziel aus dem Fokus der Entwicklungsperspektive zu verlieren.
- Durch die nicht-angemessene, partizipative Einbeziehung von Schlüsselpersonen (formelle und informelle Führer) werden Widerstände und Entwicklungs­verzögerungen initiiert.
- Es werden eine Vielzahl von möglichen strategischen und operativen Zielen sowie Maßnahmen zur Erreichung dieser definiert und festgelegt, die letztlich aber nicht im Einklang mit der gemeinsamen Vision stehen. Somit wird viel Energie in die Durchführung von Maßnahmen zur Erreichung von Zielen investiert, mit denen letztlich dennoch nicht die Realisierung der Vision vorankommt. Es droht der Ziel- und Maßnahmenkollaps: Die Organisation erliegt dem Glaubenssatz „Viel hilft viel“. Die Organisation hat dann weniger ein Ziel- und Maßnahmenfindungsdefizit, sondern eher ein Durchführungs- und Umsetzungsproblem bei der Verwirklichung der geplanten Maßnahmen.

2.1.3.5 Phase 5 der Organisationsveränderung und des Lernens: Kontakt

Die Phase Kontakt ist der Phase der Aktion ähnlich. Erhardt und Zimmermann beschreiben aus Sicht des Verfassers zutreffend den wesentlichen Unterschied damit, dass „[…] die Phase des Kontakts […] der eigentliche Beginn der Veränderung“[47] ist. Darüber hinausgehend führen sie aus, „[…] Kontakt bedeutet den Austausch zwischen dem Selbst und dem Umfeld, Kontakt verschiebt oder verändert Grenzen“[48]. Sie verweisen auf einen zentralen Aspekt aus dem Bereich der Gestalttherapie, der in der Kontaktphase zum Tragen kommt: der Widerstand. Erhardt und Zimmermann definieren den Widerstand nach Doppler und Lautenburg (2005, S. 293) folgendermaßen: „Von Widerstand kann immer dann gesprochen werden, wenn vorgesehene Entscheidungen oder getroffene Maßnahmen, die auch bei sorgfältiger Prüfung als sinnvoll, „logisch“ oder sogar dringend notwendig erscheinen, aus zunächst nicht ersichtlichen Gründen bei einzelnen Individuen, bei einzelnen Gruppen oder bei der ganzen Belegschaft auf diffuse Ablehnung stoßen, nicht unmittelbar nachvollziehbare Bedenken erzeugen oder durch passives Verhalten unterlaufen werden.“[49]

Erhardt und Zimmermann (2013) machen in Anlehnung an Wheeler (1993, S. 90) auf das Verständnis von Pearls und Goodman als „Väter der Gestalttherapie“[50] aufmerksam, nachdem „Wiederstand einen neurotischen Abwehrmechanismus auf Veränderung“[51] darstellt. Sie führen weiter aus, „[…] dass Pearls diesen Mechanismus als Widerstand gegen den Kontakt bezeichnet, Goodman allerdings den Widerstand selbst als eine Art des Kontakts betrachtet. […] Widerstand ist demnach ein Signal, dass Kontakt stattfindet.“[52] Erhardt und Zimmermann (2013) sehen im offenen Widerstand positive Kräfte, die für die Veränderung genutzt werden können. Offener Widerstand wird so als eine Auseinandersetzung mit der Veränderung gesehen. Diese Auseinandersetzung setzt erforderliche Lernprozesse in Gang. Erhardt und Zimmermann (2013) sind auch der Auffassung, dass nicht-offene Widerstände, also verdeckte Widerstände, problematisch sein können. „Widerstände zu erkennen und zu deuten ist, entsprechend der Gestalttheorie, die Aufgabe des […] Organisationsberaters.“[53] Die praktischen Erfahrungen des Verfassers bestätigen die vorgenannten Ausführungen. Weiterführend erläutern sie in Anlehnung an Nevis (1988), „[…] dass Widerstand eine „gesunde, selbstregulierende Äußerung ist“. In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass es dabei nicht darum geht, den Widerstand zu überwinden, sondern mit Widerstand zu arbeiten. Der Berater muss daher zunächst Widerstand erkennen und Raum geben, um Bedenken und Widerstand zu artikulieren. Der Berater muss es dem Klienten ermöglichen, die Bedeutung des Widerstands zu erkennen und durch Einsicht ggf. neu auszurichten. Der so entstehende Aushandlungsprozess kann grundsätzlich Bewährtes und Etabliertes bewahren und von dem Veränderungsprozess herausnehmen.[54]

[...]


[1] (EFQM, 2012)

[2] (DIN Deutsches Institut für Normung e. V., 2015, S. 53)

[3] (VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG, 2015)

[4] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 17)

[5] (Spieß, 2011b, S. 1)

[6] (Spieß, 2011b, S. 1)

[7] (Spieß, 2011b, S. 1 f.)

[8] (Spieß, 2011b, S. 2)

[9] Gemäß Vorlesungsmitschrift des Verfassers dieser Arbeit.

[10] (Spieß, 2011b, S. 3)

[11] (Spieß, 2011b, S. 3)

[12] (Spieß, 2011b, S. 2 f.)

[13] (Spieß, 2011b, S. 3)

[14] (Spieß, 2011a, S. 53)

[15] (Spieß, 2011a, S. 54)

[16] (Spieß, 2011a, S. 46)

[17] (Spieß, 2011a, S. 46)

[18] (Spieß, 2011a, S. 46)

[19] (Spieß, 2011a, S. 46)

[20] (Spieß, 2011a, S. 47)

[21] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 20)

[22] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 20)

[23] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 22)

[24] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 24)

[25] (Erhardt & Zimmermann, Phasenmodell zur Bewältigung von organisationalem Wandel, 2013, S. 24)

[26] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 24)

[27] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 25)

[28] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 25)

[29] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 26)

[30] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 26)

[31] (Arnold, 2012, S. 21)

[32] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 27)

[33] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 27)

[34] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 27)

[35] (Erpenbeck & von Rosentstiel, 2007, S. 231)

[36] (Schlemm, 2015)

[37] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 32)

[38] (Nevis, 2013, S. 39)

[39] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 31)

[40] (EFQM, 2012, S. 10)

[41] (Senge, 2011, S. 225)

[42] Zitiert nach: (aicovo gmbh, 2015)

[43] (initio Organisationsberatung, 2015)

[44] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 33)

[45] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 33)

[46] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 33)

[47] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 33)

[48] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 34)

[49] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 34)

[50] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 34)

[51] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 34)

[52] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 34)

[53] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 35)

[54] (Erhardt & Zimmermann, 2013, S. 41)

Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Das Risikomanagement in Organisationsentwicklungsprojekten
Untertitel
Eine Darstellung ausgewählter Ansätze
Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau  (DISC)
Veranstaltung
Masterfernstudiengang Organisationsentwicklung
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
74
Katalognummer
V341401
ISBN (eBook)
9783668313453
ISBN (Buch)
9783668313460
Dateigröße
2843 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Organisationsentwicklungsprogramm, Risikobasiertes Denken, Organisationsberater, Prozessarchitektur, Projektarchitektur, Risikomanagement
Arbeit zitieren
Martin Köning (Autor:in), 2015, Das Risikomanagement in Organisationsentwicklungsprojekten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341401

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