Reflexive Kartenarbeit. Kritisches Hinterfragen der Darstellung Afrikas im Zeitalter der Globalisierung


Seminararbeit, 2016

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

I Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Präsentation der Karten

3 Sachanalyse

4 Didaktische Analyse

5 Fazit

Literatur

I Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Bruttonationaleinkommen pro Kopf im Jahr 2000

Abb. 2: DiewahreGrößeAfrikas

1 Einleitung

Ein Geographieunterricht, der den Einsatz von Darstellungen, insbesondere Karten, vernachlässigt, ist unvorstellbar (Hüttermann 2012:192). Gemäß (Ica 2003:17) stellen Karten als „[...] a symbolized representation of a geographical reality, representing selected features and characteristics, resulting from the creative effort of its author’s execution of choices, that is designed for use when spatial relationships are of primary relevance.“ eine fundamentale und fachspezifische Komponente des Geographieunterrichts dar. Die Besonderheit von Karten zeichnet sich einerseits durch die räumliche Veranschaulichung von räumlichen Gegebenheiten und andererseits durch die einzigartige Grafik aus (Hüttermann 2012:212). Das Lesen von Karten ist eine Kulturtechnik und verhilft zur räumlichen sowie sachlichen Ausrichtung im Alltagsleben. Auch ermöglicht sie die Aneignung eines raumbezogenen Weltwissens. Die reflexive Arbeit mit Karten intensiviert diesen Standpunkt. Die Kartenarbeit des kritischen Hinterfragens impliziert weitgehend die Auseinandersetzung mit dem Medium Karte. Neben der Hypothesen- und Sinnbildung erlangt der Kartenleser ein umfassendes Weltwissen- und verstehen (Gryl 2014:4). Im Folgenden bietet diese vorliegende Seminararbeit einen Einblick, inwiefern, angesichts der fachdidaktischen Pluralität, kritisch mit Karten umgegangen und ein raumzentrierter und kritisch geografischer Zugriff, erlangt werden kann. Es soll aufgezeigt werden, dass es ein wesentliches Bestreben des Geographieunterrichts ist, die Schüler(innen) zu befähigen, Argumentationen auf der Basis von Karten zu vernehmen, kritisch zu hinterfragen und durch Gegenargumente zu entkräften (Vgl. Dgfg 2007:25). Im Rahmen dieser Seminararbeit wird die Kartenarbeit des kritischen Hinterfragens am Beispiel Afrikas im Zeitalter der Globalisierung thematisiert werden. Globales lernen – die Welt zu deuten, zu erfahren und zu verstehen. Der Lebensalltag, inmitten der Globalisierung, ist gekennzeichnet durch Undurchschaubarkeit und Fremdbestimmtheit. Dies erfordert die Auseinandersetzung mit den politischen, sozioökonomischen und kulturellen Vorgängen als gestaltbare Entwicklung (Grobbauer & Thaler 2010:126). Ziel ist es, den Kartenvergleich und demzufolge die Karten, als gemachte Präsentationen zu verstehen. Zunächst werden die zu betrachtenden Karten präsentiert. Im Anschluss daran wird in der Sachanalyse, vor dem Hintergrund des Lehrplans sowie der fachlichen und kartographischen Perspektiven, die Auswahl der Karten begründet. Daran anknüpfend folgt die Didaktische Analyse, in der vor dem Hintergrund des kartographischen Zugriffs (raumzentriert und kritisch geografisch), des Vermittlungsinteresses und der didaktischen Prinzipien die Zusammenführung der Methoden und Aufgaben begründet und dargelegt werden.

2 Präsentation der Karten

Das Konzept des Globalen Lernens erfordert eine tiefgründige Auseinandersetzung mit der Welt und lenkt den Blickpunkt auf die globalen sozialpolitischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen. Die Globalität als Perspektive und Ausgangspunkt, sowie deren miteinander vernetzte Prozesse, sind gegenwärtig die unausweichliche Realität (Grobbauer & Thaler 2010:128).

Anmorphotische Karten beziehungsweise ‚cartograms’ stellen eine Neuerfindung des 20. Jahrhunderts dar, die unterstützend durch den zunehmenden Einsatz von Computern, eine in der Literatur häufige Darstellungsform einnehmen. Die cartograms sind insofern von großer Bedeutung, dass die physische Größe von den entsprechenden Staaten und Kontinenten, auf der Grundlage von demographischen Variablen wie beispielsweise dem Bevölkerungswachstum, dem Wasserverbrauch oder der Umweltverschmutzung, verändert und angepasst wird (Michel, Depnering, Winter, Noetzli 2014: o.S.). Die physische Größe wurde in der vorliegenden Karte entsprechend der demographischen Variable des Bruttonationaleinkommens von 2000 unter dem Schwerpunkt der Globalisierung angepasst und veranschaulicht dargestellt (siehe Abb. 1). Entsprechend der statistischen Daten wurden die geographischen Größen sowie die Gestalt verzerrt. Verfremdungen sind in der gesamten Karte vorhanden. Während die Kontinente Süd- und Nordamerika sowie Australien annähernd der gewohnten Kartendarstellung eines Schulatlanten entsprechen und erahnen lassen, irritieren insbesondere Westeuropa, Afrika und Asien die geographischen Vorstellungen. So werden die Kontinente Nordamerika, Europa und teilweise Asien gemäß dem Bruttonationaleinkommen stark ausgedehnt beziehungsweise vervielfacht und Afrika sowie Zentralasien enorm verkleinert abgebildet. Bedeutungsvoll ist zudem die angenehme Lesbarkeit der Karten. Die ausgedehnteren Regionen weisen eine größere Menge der gewählten Bezugsvariablen auf. Vor dem Hintergrund der typischen Größenverhältnisse, erwecken die zum Teil starken Verzerrungen, das Aufsehen des Betrachters. Die extremen Abweichungen fallen besonders ins Auge. Da bei einigen Exempeln die Abweichung so stark ist, dass vereinzelte Kontinente kaum erkannt werden können, werden je nach Höhe der Kaufkraftparität in US-Dollar (PPP), Farbabstufungen verwendet, die spezifische räumliche Trends und Entwicklungen ableiten lassen. So ist eine Identifikation ermöglicht. Diese Betrachtungsweise erwirkt das Nachdenken an die Ansprüche und Erwartungen darüber, wie eine Weltkarte auszusehen hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Kontinent Afrika wird häufig als Beleg aufgeführt, dass die Globalisierung den Entwicklungsländern einen außerordentlichen Schaden zufüge. Die Länder mit einem Entwicklungsrückstand unterliegen dem Prozess der Marginalisierung und hätten keine Möglichkeit, dem Teufelskreis der Bedürftigkeit und Verarmung zu entfliehen. Die afrikanische Teilhabe am Welthandel hat, bezogen auf die vergangenen 50 Jahre, rapide abgenommen. Konnte der afrikanische Kontinent 1948 noch 7,4% verzeichnen, sank dieser bis 1963 auf über 5,7%. 1999 fiel der Anteil gar auf 2,0%. In diesen Berechnungen sind bereits Nordafrika und die Republik Südafrika inbegriffen, ohne die der Kontinent Subsahara-Afrika einen Welthandelsanteil von lediglich 0,8% zu verzeichnen hätte. Zudem weist Afrika, neben einer geringen Lebenserwartung, einer drastischen Kindersterblichkeit, dem eingeschränkten Zugang zu Trinkwasser und Telefon, mit nur 490 US $ (Stand: 1999), das geringste Pro-Kopf-Einkommen auf (Wiemann 2002: o.S.).

Während in Abbildung 1 mit dem Bruttonationaleinkommen, eine Sequenz der Globalisierung aufgezeigt wird, anhand derer sich die soeben dargelegte Faktenlage bezüglich Afrika bestätigen lässt, wird in Abbildung 2 die echte Größe Afrikas aufgezeigt (siehe Abb. 2). Die Prognosen der Globalisierung sowie die Marginalisierung der Entwicklungsländer lassen Fehleinschätzungen bezüglich der wahren Größe Afrikas zu und verschleiern diese. Diese Karte versucht das enorme Ausmaß dieses Kontinents darzustellen, der größer ist als die USA, China, Indien, Japan und ganz Europa zusammengenommen. Der 30.221.532 Quadratkilometer große Kontinent, wird dem Betrachter erst mit mehrmaligem Anschauen bewusst. Der Anblick der Karte und das grafisch inszenierte Layout illustrieren folgenden Tatbestand: Afrika ist flächenmäßig viel ausgedehnter, als die meisten Menschen erahnen! Die verkleinerten Afrikakarten im rechten Teil der Grafik zeigen das Verhältnis einiger Länder gegenüber Afrika auf und führen dem Betrachter die wahre Größe Afrikas vor Augen. Ein weiterer Vergleich lässt sich aus der Tabelle im linken Teil der Grafik erlesen. So ist der zweitgrößte Kontinent der Erde fast so groß wie der Mond (37.932.000 Quadratkilometer). Die Afrikakarte verdeutlicht weniger, wie der afrikanische Kontinent sich in die Welt einfügt. Viel mehr wird aufgezeigt, wie die Welt sich in den Kontinent Afrika einbettet. Dabei ist unter anderem die Farbgebung zu berücksichtigen, die zum einen die Vielseitigkeit des Kontinents aufzeigt und zum anderen auf die riesige Größe vieler afrikanischer Nationen, die Potential für weitreichendes ökonomisches Wachstum besitzen, aufmerksam macht.

Die Karten verkörpern modellhafte Repräsentationen der sie umgebenden Wirklichkeit. Indem sie komplexe Wirklichkeit begreifen und dezimieren, sind Karten ein beachtenswertes Medium der Orientierung und Verständigung. Dabei ist anzumerken, dass Karten lediglich ein verzerrtes Abbild der Realität darstellen und eine je unvollständige, aber einzigartige Sicht auf die Welt ermöglichen (Daum 2011:11-12).

3 Sachanalyse

Die Welt erfährt tagtäglich zahlreiche und zum Teil schwerwiegende Veränderungen. Viele dieser Veränderungen werden als gegenwärtige Bedrohungen, Fragen sowie Herausforderungen thematisiert und mittels der Medien auf das Bewusstsein der Gesellschaft übertragen. So erlangen beispielsweise die Themenkreise um den Klimawandel, die Befunde zur Vergrößerung von Hunger und Armut oder eben der besagte Themenschwerpunkt, die Globalisierung, große Bedeutung und berühren die sozialen sowie individuellen Lebenswelten tiefgründig (Thüringer Ministerium für Bildung, Wirtschaft und Kultur 2012:5). Karten dienen in öffentlichen und globalen Auseinandersetzungen häufig der Untermauerung von Argumentationen und sind zahlreich im WorldWideWeb aufzufinden, sie fungieren zumeist als „objektive Belege“ der zu belegenden Thesen. Nichtsdestotrotz stellen Karten ein Endprodukt mannigfaltiger Entschlüsse der Kartenproduzenten dar. Diese Entscheidungen schließen neben dem Maßstab, der Projektion und der Kartensymbolik, ebenso die Abgrenzung von Kategorien und Farbigkeit ein. So bedingt die Interessenlage des Kartenherstellers, was die Karte aufzeigt und was verborgen bleibt, was hervorgehoben und akzentuiert wird und was keine Beachtung erfährt. „Besonders häufig ist die politische Instrumentalisierung von Karten zur Beeinflussung und Manipulation der Kartennutzer, welche diese nicht als soziale Konstruktion, sondern als neutrale Reproduktion von objektiven Gegebenheiten und Zusammenhängen ansehen.“ (Budke 2014:86). Demgemäß impliziert ein wegweisendes Ziel des Schulfaches Geographie, ebenso wie die Unterrichtssequenz mit dem zu bearbeitenden Kartenmaterial, dass den Schüler(innen) ein Weg eröffnet wird, um Argumentationen auf der Grundlage von Karten und verschiedenen Perspektiven nachvollziehen zu können, kritisch zu hinterfragen und durch mögliche Gegenargumente zu belegen (Dgfg 2007:25). Somit verzeichnet der Geographieunterricht einen gewinnbringenden Anteil, mündige Bürger zu erziehen, die sich nicht durch kartographische Darbietungen täuschen und irritieren zu lassen. Auf diese Weise geht für die aktive Gesellschaft sowie die damit implizierten mündigen Individuen die drängende Herausforderung hervor, entsprechende Fragen und aufkommende Schwierigkeiten festzustellen, zu verstehen und durch tatsächliches Handeln überwinden zu können. Die Begründung der Auswahl des Kartenmaterials ist naheliegend. Die Karten wurden ausgewählt, da sie einen vielseitigen Blick auf die Welt zulassen und die Schüler(innen) zunächst irritieren werden, aufgrund verschiedener Perspektiven und Eigenschaften, die in den Karten selbst verankert sind. Die Bezeichnung Perspektive meint vorübergehend das Wort ‚hindurchsehen’. Es ist wichtig verschiedene „Brillen“ aufzusetzen, sodass je nach Betrachtungswinkel, anderweitige Perspektiven und Eigenschaften das Tageslicht erblicken. Benutze ich eine Brille, so vernachlässige ich mögliche Eigenschaften und schaue durch eine Sache hindurch, da ich eine bestimmte Eigenschaft sichtbar machen möchte (Vgl. Rhode-Jüchtern 2012:64). In Abbildung 1 lässt sich sofort erkennen, dass die Beobachtung zunächst gesteuert wird durch die Methode der Verzerrung, sodass aufgezeigt wird, dass beispielsweise der Kontinent Afrika als Folge der Globalität untergeht. Andere Aspekte, wie die Variable des Bruttonationaleinkommens, die starke Verfremdung oder die Farbgebung, werden vorerst nicht beachtet und es wird durch diese hindurchgesehen. Die Perspektive ist vorübergehend zentriert auf die Verzerrung. Die somit implizierte Irritation, die sich aus der bloßen Betrachtung ergibt, verdeutlicht den gesonderten Charakter dieser Karte. Erst in einem erneuten Blick, werden weitere Phänomene wahrnehmbar und greifbar. Oftmals wird die Verzerrung unscharf gemacht, mit dem Zweck, die Perspektivität zu verschleiern. Zu beachten ist, dass Perspektivität unvermeidbar ist und stets reflektiert werden muss. Indem Aspekte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, sollten andere nicht vernachlässigt, sprich mitgedacht und mitgewusst, werden (Rhode-Jüchtern 2012:66). Mit der in Abbildung 2 dargestellten wahren Größe Afrikas erfahren die Schüler(innen), dass die für sie vertrauten Wahrnehmungsmuster, bezüglich der kartographischen Kenntnis, an dieser Stelle nicht ausreichen. Das überaus groß erscheinende Afrika bewirkt, dass die Orientierung der Schüler(innen) scheitert, denn dieses Kartenmaterial gekoppelt mit dem Phänomen Globalisierung, ergibt gegenwärtig keinen Zusammenhang und wirkt irritierend. Die aufkommende Verwirrung erweckt eine Situation, charakterisiert durch Wissbegier und Verlorenheit zugleich. Infolge der aufkommenden fesselnden Wirkung wird eine neue Sinngebung geschaffen, da die Schüler(innen) das unhinterfragte Verständnis für das Kartenmaterial nicht weiter beachten und sich distanzieren. So ist es möglich, dass ein Perspektivenwechsel hin zu den Karten konstruierenden Tätigkeiten vollzogen und Neuland betreten wird, indem Dinge betrachtet werden, die sich für gewöhnlich dem Blick der Schüler(innen) entziehen. Mit der Abbildung 2 „DiewahreGrößeAfrikas“ drängen sich den Schülern Fragen bezüglich der Karten herstellenden Prozesse und Gedanken des Kartenmachers unverzüglich auf. So dient der Einsatz dieser Karten dem Erlernen kritischen Hinterfragens indem ein Perspektivenwechsel vollzogen, und um mindestens eine weitere Perspektive ergänzt wird, sowie der Übung des Kritisierens von kartenbasierten Beweisführungen. Ferner begünstigt die reflexive Kartenarbeit die Kompetenzentwicklung und trägt entscheidend zur Verwirklichung der fachbezogenen Medienkompetenz bei. (Gryl 2014:8-9).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Reflexive Kartenarbeit. Kritisches Hinterfragen der Darstellung Afrikas im Zeitalter der Globalisierung
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Geographie)
Veranstaltung
GEO 251 (Didaktik II) - Unterrichtsplanung
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V340065
ISBN (eBook)
9783668300606
ISBN (Buch)
9783668300613
Dateigröße
636 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
reflexive, kartenarbeit, kritisches, hinterfragen, darstellung, afrikas, zeitalter, globalisierung
Arbeit zitieren
Charlott Zitschke (Autor:in), 2016, Reflexive Kartenarbeit. Kritisches Hinterfragen der Darstellung Afrikas im Zeitalter der Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340065

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