Das Thema 'Tod' im Religionsunterricht. Lehrplankonzeption für das Bundesland Sachsen


Bachelorarbeit, 2011

37 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Thema „Tod“ im Religionsunterricht
2.1 Grundbedingungen im sächsischen Lehrplan
2.2 Der Sächsische Lehrplan für den Religionsunterricht an Gymnasien

3. Der Tod im Entwicklungspsychologischen Verständnis
3.1 Entwicklung des Todeskonzeptes nach Platow/Böcher im Vergleich zu Plieth
3.2 Psychologische Entwicklungsstufen des Todeskonzeptes nach Wittkowski
3.3 Entwicklungsübergänge

4. Der Tod in der Erfahrungswelt der Schüler

5. Inhaltsrelevanz für die Lerngruppe

6. Inhaltsanalyse
6.1 Biblische Inhaltsaspekte
6.2 theologische Inhaltsaspekte
6.3 Praktisch-bewältigende Inhaltsaspekte

7. Lehrplankonzeption
7.1 Konzeption 5./6. Klasse
7.2 Konzeption 7./8. Klasse

8. Fazit

Literatur

Quellen

Sekundärliteratur

Materialiensammlungen

1. Einleitung

Das Thema ‚Tod‘ ist wohl das Sensibelste, welchem sich der Religionslehrer während seiner Laufbahn stellen muss. Denn, wie zu zeigen sein wird, besitzt der Lehrer eine hohe Verantwortung für die Schüler, gerade bei der Bearbeitung dieses Themas.

Trotzdessen das Thema Tod in der heutigen Mediengesellschaft beinahe allgegenwärtig ist, findet eine tiefere Auseinandersetzung nicht statt. Kinder kommen mit Tod und Sterben auf vielen Ebenen in Berührung, sei es durch den tragischen Tod des Helden in einem Buch oder durch das bildgewaltige Ende des Widersachers im Spielfilm. Aber auch in den Nachrichten sind Leid, Tod und Sterben allgegenwärtig. Sogar in Spielen, welche der freudigen Unterhaltung dienen sollten, wird der Spielende zu Jäger oder Gejagtem. In den Regalen der Supermärkte finden sich sogar Plüsch-Tode und Kuchenformen, dazu diverse andere Produkte, welche den Tod darstellen (ein Beispiel bietet das Sortiment „des Todes“ von www.nichtlustig-shop.de). Aber in all diesen Situationen und Berührungspunkten findet keine Reflexion über den Tod und das Sterben statt, somit hat dieses Alltäglichmachen auf der individuellen Ebene eine gegenteilige Tendenz verursacht. Die Kinder können sich in den eben genannten Kontexten von der Situation abgrenzen, ohne zum Nachdenken angeregt zu werden. Sie können ihre Gefühle auf die handelnden Figuren richten oder auf andere Individuen projizieren, sogar die Figur des Todes als liebenswert betrachten. Umso wichtiger ist es, dass sich die Kinder auch in der Schule mit dem Thema Tod auseinandersetzen. Dies kann vor allem in den ethischen Fächern geschehen, aber auch in Kunst oder im Sprachunterricht bieten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte.[1]

Daher liegt dieser Arbeit die Forschungsfrage zugrunde: „Wie gehen Schüler in ihren einzelnen Entwicklungsphasen mit dem ThemaTod um bzw. wie sehen sie den Tod und welche Konsequenzen für die Lehrplangestaltung ergeben sich daraus?

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem Evangelischen Religionsunterricht am sächsischen Gymnasium in der Sekundarstufe I. Meine ursprüngliche Intention war es, an dieser Stelle relevante Lehrplanstellen, welche das behandelte Thema beinhalten, darzulegen und hinsichtlich ihrer Eignung zu untersuchen. Doch dies erwies sich bereits bei der Sichtung des verbindlichen Lehrplans als schwierig, wie der GliederungspunktDas Thema Tod im Religionsunterrichtzeigt. Daher werde ich eine eigene Lehrplankonzeption für die Aufbereitung dieses Themas entwickeln und an einigen Stellen konkrete Inhalte aufzeigen oder Impulse geben. Da dies für jede Klasse separat den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde, werden die Klassen paarweise zusammengefasst und besonders wird der Stufenübergang von Klasse 5/6 zur Klassenstufe 7/8 betrachtet. Als Maßgabe für die Entwicklung einer Konzeption werden neben den gängigen Stufentheorien noch Ansätze hinzugezogen, welche sich explizit mit der Thematik von kindlichen Todeskonzepten[2]auseinandersetzen.[3]

Anschließend erfolgt eine Darlegung des Inhalts, welcher von Kindern gelernt werden sollte. Dabei werden biblische, theologische und praktisch-bewältigende Inhaltsaspekte separat bezüglich ihrer Inhaltsschwerpunkte betrachtet. Daraus werde ich Konsequenzen für die Behandlung des Themas Tod erarbeiten und diese in meinen Ergänzungsentwurf einarbeiten. Darin wird sich zum Einen die unterschiedliche Tiefe, mit welcher das Thema in den spezifischen Klassenstufen behandelt werden sollte, zeigen. Zum Anderen werden Inhalte den einzelnen Klassenstufen zugeordnet.

Vor allem bietet die Literatur zahlreiche Materialien und didaktische Impulse für diese Thematik. Diese reichen von einfachen Materialsammlungen bis hin zu ausgefalteten Stundenentwürfen. In der Forschung finden sich viele Fachbücher, welche sich mit dieser Thematik befassen. Die Literatur ist beinahe unübersichtlich geworden, da Werke zu allen den Tod tangierenden Bereichen existieren. Eine der aktuellsten Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Religionsdidaktik ist das WerkVom Tod reden im Religionsunterrichtherausgegeben von Birte Platow und Florian Böcher. In diesem Werk sind die grundlegenden Gedanken über den Umgang von Kindern mit der Todesthematik dargestellt. Diese werden von mir kurz zusammengefasst. Hinzu kommen zahlreiche Anwendungsbeispiele. Auch Martina PliethsKind und Todbefasst sich ausführlich mit der Thematik des kindlichen Todesverständnisses. Jugendliche und Schüler der Sekundarstufe I werden in diesen Werken jedoch oftmals nur wenig beachtet.

2. Das Thema „Tod“ im Religionsunterricht

Im Folgenden soll zunächst gezeigt werden, wie die Bearbeitung des Todesthemas in den schulischen Kontext eingebunden ist. Dabei stehen nicht nur Wissenskompetenzen im Zentrum, vielmehr sollten insbesondere die empathischen und affektiven Kompetenzen geschult werden.[4]

2.1 Grundbedingungen im sächsischen Lehrplan

Zunächst soll betrachtet werden, was der Religionsunterricht tatsächlich leisten soll. Darüber gibt dasLeitbild für Schulentwicklungdes Sächsischen Staatsministeriums für Kultus Auskunft. Darin heißt es, dass der Unterricht im Fach Evangelische Religion (ebenso wie in dem Katholischen Religionsunterricht) „zur Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung in geistig-religiöser und sozialer Hinsicht bei[trägt].“[5]Er soll „über naturalistische Wirklichkeitserfahrung hinaus [führen und] die Frage nach Gott und dem Sinn des menschlichen Lebens ins Zentrum“[6]stellen. Außerdem soll eine „Sensibilisierung für die religiöse Dimension des Menschseins“[7]geschaffen werden. Meines Erachtens ist in all diesen Bereichen das Thema Tod impliziert, denn wo vom menschlichen Leben gesprochen wird, darf der Tod nicht ausgeklammert werden. Gerade wo es darum geht, den Schülern den Sinn des Lebens im christlichen Glauben zu vermitteln stellt sich doch die Frage nach dem Ende eben dieses Daseins. Gerade die Eschatologie ist ein Thema, welches über die erlebte Wirklichkeit hinausgeht. Insbesondere, wenn über das eigene Leben und in diesem Zusammenhang über den eigenen Tod reflektiert wird. Der Unterricht muss sich nach diesem Leitbild auf das Leben der Schüler beziehen und darf meines Erachtens den Tod dabei nicht übergehen. Arens formulierte treffend: „wollen diese [Eltern und Erzieher, Anm. M. K.] das Kind zum Leben befähigen, […] dann gehört dazu auch die Auseinandersetzung mit menschlichen Grenzsituationen wie Krankheit, Sterben und Tod.“[8]

Wird nun der sächsische Lehrplan für das Fach Evangelische Religion hinsichtlich der Ziele und Aufgaben betrachtet, so implizieren diese Bestimmungen auch das Thema Tod. Dem Schüler soll das Wissen hinsichtlich der religiösen Ereignisse seines Lebens im christlichen Glauben vermittelt werden. Hierzu zählt genauso wie das Leben auch der Tod, als dessen Abschluss. Die religiöse Bedeutung des Todes im Zusammenhang mit der Eschatologie sollte dem Schüler vermittelt werden, ebenso wie der Wandel der Todesvorstellungen in der Geschichte des Christentums. Auch der Hoffnungsgedanken erhält eigens eine Bemerkung in den Zielen des Religionsunterrichts. Auch hier sehe ich einen Anknüpfungspunkt für die Behandlung des Themas Tod. Dem Schüler sollte hierbei gezeigt werden, dass auch im Tod noch Hoffnung liegt. Gerade für das Leben im christlichen Glauben ist dies wichtig. Dort markiert der Tod nicht das Ende, sondern einen Schritt hin zu etwas Neuem. Daneben werden auch die Ängste des Schülers beleuchtet. Ich denke, kaum ein Thema im Religionsunterricht ist mit so vielen Ängsten behaftet wie der Tod. Hier liegt meiner Meinung nach das starke Bedürfnis des Schülers, nach einer Aufbereitung des Todesthemas. Der Religionsunterricht kann hierbei den Schüler in einem sicheren Raum mit den eigenen Ängsten konfrontieren und zu einer heilsamen Reflexion führen.[9]

Im Allgemeinen lässt sich festhalten, dass, wann immer vom Sinn des Lebens gesprochen wird, dieser doch nie ohne den Tod betrachtet werden kann und darf. Das Leben eines jeden Menschen endet mit dem Tod und alles menschliche Handeln geschieht im Bewusstsein der Sterblichkeit. Daher muss auch der Religionsunterricht dieses Be-wusstsein aufgreifen. Dabei sollte er die christlichen Dimensionen erfahrbar machen. Da das Thema eigenständig jedoch nicht angesprochen wird, besteht hierbei die Gefahr, dass einige Lehrer es in ihrem Unterricht nicht beachten. Daher sollte der ‚Tod‘ als Gegenstand meiner Meinung nach eine separate Erwähnung in den fachlichen Zielen finden, um eine feste Verortung im Religionsunterricht zu erreichen. Nach meiner persönlichen Auffassung sollten als Ziele festgesetzt werden, dass die Schüler zum Einen im Nachdenken über den Tod angeleitet werden und ihnen daneben Wege gewiesen werden, mit denen sie das Thema für sich selbst erschließen können. Diese Ideen werden im Religionsunterricht aus dem Bereich der Theologie kommen. Im Verlauf des Unterrichts sollten die Schüler ebenfalls zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Tod und mit der Sterblichkeit befähigt werden.

2.2 Der Sächsische Lehrplan für den Religionsunterricht an Gymnasien

Wie anfangs bereits erwähnt, sieht der Lehrplan nur an sehr wenigen Stellen eine Bearbeitung des Unterrichtsgegenstandes ‚Tod‘ vor.

Erst in der 10. Klasse finden sich Inhalte, welche das Todesthema berühren. Im Lernbereich 2 soll der Lehrer den Schüler an das „Übertragen der Bedeutung von Kreuz und Auferstehung auf den Umgang mit Leid und Tod“[10]heranführen. Auch in den Zielen wird wieder die Reflexion der Frage nach dem Sinn des Lebens, in diesem Fall in Bezug auf die Kreuzestheologie, gefordert. Für diesen Lernbereich sind 14 Stunden eingeplant, davon müssen jedoch noch ein Großteil der Stunden für den anderen Schwerpunkt in diesem Lernbereich, der Bedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu Christi, verwendet werden.[11]Es zeigt sich also, dass an dieser Stelle nicht genügend Zeit für die Bearbeitung eines so wichtigen Themas vorgesehen ist.

Platow/Böcher verweisen in ihrem Werk auf weitere Möglichkeiten, diesem Unterrichtsgegenstand auch außerhalb des Lehrplans Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei handelt es sich um konkrete Fälle, in denen die Schüler mit Tod und Sterben konfrontiert werden. Diese Fälle könnten sowohl durch persönliche Erfahrungen als auch durch öffentliche Umstände gegeben werden.[12]An dieser Stelle soll jedoch nur auf die Möglichkeit zu einer solchen situationsbedingten Bearbeitung verwiesen werden, denn bei einer diesbezüglichen Bearbeitung sind andere didaktische und auch seelsorgerische Herangehensweisen notwendig. Eine genaue Betrachtung einer solchen Situation kann jedoch nicht Thema dieser Arbeit sein. Hierbei gehe ich von der Normalsituation des lehrplanorientierten Unterrichts aus.

Seitens der Lehrperson bedarf es den gefestigten Umgang mit der Thematik. Der Lehrer muss sich zuvor seine eigene Vorstellung zum Thema bewusst machen und sich auch mögliche Unterrichtssituationen vergegenwärtigen. Die eigene Sentimentalität sollte dabei zurücktreten, sodass die Lehrperson selbst in jedem Fall die Fassung behält. Dennoch darf der Lehrer sich nicht zu sehr von dem Thema abgrenzen und distanziert wirken, sodass die Schüler sich möglicherweise nicht mehr öffnen wollen. Den Ausgleich zwischen beiden Situationen zu finden erfordert ein hohes Maß an didaktischer und empathischer Kompetenz. Nur so lässt sich die Klasse verantwortungsvoll durch dieses Thema führen. Wenn er dies schafft, können die Schüler an der Bearbeitung des Unterrichtsgegenstandes wachsen und ihre eigenen Todesvorstellungen weiterentwickeln. Auch das Verständnis hinsichtlich des Charakters des Todes ist zu klären. Wird dieser als Ende, Übergang oder etwas anderes betrachtet? Wie steht es mit dem Glauben an die Auferstehung? Darüber erst nachzudenken, wenn Schüler das Verständnis des Lehrers hinterfragen, ist äußerst unvorteilhaft und kann dessen Glaubhaftigkeit stark reduzieren. Sollte der Lehrer selbst keine Antwort haben, so kann er gemeinsam mit den Schülern nach einer Lösung suchen.[13]Bei der Beschäftigung mit dieser Thematik kann es so auch bei der Lehrperson zu einer Änderung des eigenen Todeskonzeptes kommen. Dafür sollte er grundsätzlich offen sein.[14]Auch der Unterschied zwischen gelehrter und gelebter Religion sollte bedacht werden, da diese Differenzen aufweisen können. Unterschiede zwischen diesen können vor den Schülern durchaus anerkannt werden. Die Aussagen können somit eine höhere Authentizität besitzen.[15]

Trotz einer Lehrplankonzeption muss der Lehrperson die Heterogenität der vor ihm sitzenden Lerngruppe bewusst sein. Wichtig für die Planung der Unterrichtseinheiten, welche den Tod als Gegenstand haben, ist daher eine Bedingungsanalyse.[16]Im Vorfeld sind einige Überlegungen unerlässlich. Der Lehrer muss sich zum Einen ständig bewusst sein, dass seine eigenen Vorstellungen von denen der Kinder weit entfernt liegen. Jedes Kind entwickelt eine eigene Auffassung über das Konzept[17]des Todes, dieses befindet sich in einem steten Wandel, entsprechend der Entwicklung des Kindes. Des Weiteren werden in diese Konzepte die durch die Umwelt geprägten Ansichten sowie die persönlichen Erfahrungen eingegliedert. Dem Lehrer obliegt nun die Aufgabe, diese Hintergründe zu ermitteln, um sich auf die Bearbeitung des Themas vorzubereiten. Auch die genaue Kenntnis der klassenspezifischen Gruppendynamik zeigt schon im Voraus eventuelle Schwierigkeiten auf. So sollte bei einer schwierigen Gruppendynamik eine Bearbeitung des Themas auf überwiegend individueller Ebene stattfinden. Platow/Böcher zeigen auf, dass sich die Lehrperson ebenfalls auf altersspezifische Konzeptionen, welche die Kinder über den Tod entwickeln, stützen kann, um auf und mit dieser Grundlage zu arbeiten.[18]Wie diese Konzepte im Einzelnen aussehen, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

3. Der Tod im Entwicklungspsychologischen Verständnis

In unserer aufgeklärten und säkularen Gesellschaft existieren vor allem kulturspezifische Todeskonzeptionen. Platow/Böcher skizzieren dieses moderne Todeskonzept als eines, welches den Tod, ebenso wie Krankheit und Alter, zunehmend aus der Alltagswelt verbannt.[19] Dies sehen sie im Zusammenhang mit den Errungenschaften von Medizin und Technik. Sie beschreiben die Entintimisierung des Todes durch die Aufnahme von Sterbenden und Toten in dafür vorgesehene Einrichtungen, wie Bestattungshäuser oder Hospize. Gleichzeitig wird der Tod in den Unterhaltungsmedien immer häufiger thematisiert. Diese gegensätzliche Entwicklung werten sie als eine Folge der Unfähigkeit, in kommunikativer Weise über den Tod zu reflektieren und diesem somit Achtung zu schenken.[20]

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass jeder Schüler eine individuelle Sichtweise des Todes besitzt, egal welchen Alters er ist.[21]Dennoch lassen sich Gemeinsamkeiten, meist auf kognitiver Ebene, finden. Wie in Theorien anderen kognitionspsychologischen Inhaltes werden auch die Todesvorstellungen in Stufen gegliedert. Mokrosch beispielsweise entnahm der Entwicklungspsychologie ein altersbezogen äußerst differenziertes Phasenschema. Im Alter von neun bis elf Jahren ist darin das Todesverständnis magisch-mythisch und naturwissenschaftlich zugleich. Danach folgt eine Phase der Individualisierung bis in das 14. Lebensjahr hinein. Dabei entwickeln Jugendliche ihre eigenen Vorstellungen, welche teilweise säkular sind, teilweise aber auch religiöse Hoffnungsvorstellungen aufgreifen. Ab dem 15. Lebensjahr fließen dann verschiedene Ströme zusammen. Daraus entsteht eine Todesvorstellung, welche spiritistische, okkultistische oder auch anders religiöse Vorstellungen mit aufnimmt.[22]

Nachstehend geschieht eine Darlegung darüber, wie Kinder in ihren unterschiedlichen Entwicklungsphasen mit dem Thema Tod umgehen. Daneben werden die wesentlichen Merkmale der Todeskonzepte aufgezeigt. Wie bereits angedeutet sind diese Konzepte individuell, aber sie gleichen sich in bestimmten Punkten untereinander. Platow/Böcher haben das für diese Arbeit relevante Alter unter einer Stufe zusammengefasst.[23]Bei Plieth umfasst dieses zwei Stufen.[24]Es sollen jeweils aber auch die Vorstufen betrachtet werden, um die Entwicklung zu verdeutlichen. Vorweg soll noch betont werde, dass diese Todesvorstellungen bei jedem Kind individuell sind, je nach soziokultureller, familiärer und individueller Prägung. Dazu sind sie einem ständigen Wandel unterworfen. Die unten stehenden Erläuterungen können deshalb nur einen Rahmen vorgeben.[25]

3.1 Entwicklung des Todeskonzeptes nach Platow/Böcher im Vergleich zu Plieth

Stufe I

Nach Platow/Böcher haben Kinder bis zu einem Alter von fünf Jahren kein genaues Bild vom Tod. Sie erkennen noch nicht die Irreversibilität[26]des Todes an und glauben, tote Personen kämen eines Tages wieder. Die Erfahrung mit dem Tod kann dennoch beunruhigend wirken, besonders da die sprachliche Barriere, welche natürlicherweise zwischen Kindern und Erwachsenen besteht, einen Austausch erschwert. Dennoch sind die Kinder neugierig und wollen den Tod erforschen. Sie wollen dessen Kausalität erforschen und wissen, was danach mit den Menschen geschieht. Platow/Böcher betonen, dass, auch wenn die kindliche Wissbegier als unangenehm empfunden wird, dennoch besonders auf das Kind eingegangen werden sollte.[27]

Stufe II

Später, im Alter von sechs bis zehn Jahren, werden diese Konzepte weiterentwickelt indem eigene Erfahrungen eingebracht werden. Kinder verstehen jetzt schon das Grundkonzept des Todes als Ende des Lebens, nicht aber die genauen physischen Hintergründe. Die Universalität des Todes ist ihnen noch nicht bewusst. Der Tod erscheint ihnen als etwas Zufälliges, von außen auf die Lebewesen Wirkendes. Er wird personell dargestellt, meist in maskuliner Form, mit Merkmalen, welche der Todessymbolik entnommen sind, etwa Skeletten oder Sensen. Wichtig für die Kinder sind nunmehr die seelischen und psychischen Folgen des Todes, weniger physische Vorgänge. Auch in diesem Alter ist die Irreversibilität noch nicht gedacht.[28]

Stufe III

Jugendlichen im Alter von 10-14 Jahren sind der Universalität des Todes gewahr, dies betrifft auch die eigene Sterblichkeit. Der Tod wird nun abstrakt gesehen und muss nicht mehr personifiziert werden. Die Nonfunktionalität und die Irreversibilität des Todes sind ihnen bekannt. In der Pubertät befinden sich Schüler in einer Selbstfindungsphase, daher werden das eigene Leben und dessen Ziel genauer betrachtet. Schüler Reflektieren nun über den Tod, nach Platow/Böcher entstehen dabei vier Grundhaltungen: eine sachliche, eine zynische, eine pessimistische und eine faszinierte.[29]

Piaget schlussfolgert, dass der kindliche Lebensbegriff eng an den des Todes gekoppelt ist, indem dieser stets das beschreibt, was ‚Leben‘ nicht ist. Generell erkennen Kinder ab einem Alter von drei den Unterschied zwischen belebten und unbelebten Objekten. Im ersten Stadium wird Leben als das gesehen, was eine Nützlichkeit und Aktivität besitzt. Ab sechs Jahren kommt die Kategorie der Bewegung hinzu. Im dritten Stadium, ab acht Jahren, ist dann eine Unterscheidung zwischen der eigen- und der fremdverursachten Bewegung möglich. Etwa im Alter von elf wird dann der Lebensbegriff auch Menschen, Tiere und Pflanzen ausgeweitet.[30]

[...]


[1]Somit wird gleichsam die Mehrdimensionalität dieses Themas gewahrt. Vgl. Dönges/Jendorff, Thema, S. 675.

[2]Der Begriff wurde durch Wittkowski geprägt. „Das Todeskonzept bezeichnet die Gesamtheit aller kognitiven Bewusstseinsinhalte (Begriffe, Vorstellungen, Bilder), die einem Kind oder einem Erwachsenen zur Beschreibung und Erklärung des Todes zur Verfügung stehen. Das Todeskonzept beinhaltet eine kognitive Komponente, an der primär Wahrnehmung und Denken beteiligt sind, sowie eine emotionale Komponente, welche die mit einzelnen kognitiven Inhalten des Todeskonzepts verbundenen Gefühle abdeckt.“ Ders., Psychologie 1990, S. 44. Bei einer neu übernommenen Klasse und vor allem bei Schülern, welche erst in die Sekundarstufe gewechselt haben, sollten die Todeskonzepte vor der Unterrichtsplanung ermittelt werden, um den Unterricht darauf abstimmen zu können. Hierfür eignen sich Interviews, Bildbeschreibungen, Bildgestaltung, kreatives Schreiben, Aussagen der Eltern, Beobachtung des Spiels oder ähnliches. Vgl. Wittkowski, Psychologie 1990, S. 50-75.

[3]Hierbei erfolgt jedoch nur eine Betrachtung der notwendigsten Elemente der einzelnen Entwicklungsstufen ausgeführte Erläuterungen können in der entsprechenden Literatur nachgelesen werden.

[4]Vgl. Freese, Umgang, S. 180.

[5]Leitbild für Schulentwicklung, Sächsisches Staatsministerium für Kultus, Juli 2004, S. 15.

[6]Ebd.

[7]Ebd.

[8]Arens, Grenzsituationen, S. 13.

[9]Vgl. Lehrplan Gymnasium, Evangelische Religion: Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport, 2004/2011, S. 2.

[10]Ebd., S. 8.

[11]Vgl. Ebd., S. 8.

[12]Vgl. Platow/Böcher, Tod, S. 121f.

[13]Vgl. Mokrosch, Religionspädagogik, S. 83; Baumann, Frage, S. 134-136.

[14]Vgl. Baumann, Frage, S. 135.

[15]Vgl. Ebd., S. 145f.

[16]Vgl. Haueisen-Günther, Tod, S. 678f.

[17]Konzepte bezeichnen Auffassungen, Auslegungen oder gefühlsmäßige Deutungen von komplexen Ereignissen und Erfahrungen, die über die Erkenntniswelt hinausgehen. Diese werden durch das Umfeld geprägt und weitergegeben, vom Individuum selbst aber auch erweitert, ergänzt und umgestaltet. Diese Konzepte befinden sich in einem ständigen Wandel, je nach der Situation, die sie erfordern. Vgl. Platow/Böcher, Tod, S. 20.

[18]Vgl. Platow/Böcher, Tod, S. 11

[19]Im Anhang findet sich in Anlage 1-3 eine Zusammenstellung der einzelnen Entwicklungstheorien.

[20]Vgl. Platow/Böcher, Tod, S. 26-28; Bodarwé, Reden, S. 25.

[21]Vgl. Baumann, Frage, S. 138.

[22]Vgl. Mokrosch, Religionspädagogik, S. 82.

[23]Vgl. Platow/Böcher, Tod, S. 16-19.

[24]Vgl. Plieth, Kind, 78f.

[25]Vgl. Ebd., Kind, S 38; vgl. auch: Bodarwé, Reden, S. 32. Die Stufenbezeichnungen (Stufe I-III) entstammen nicht den Autoren, sie werden lediglich zum besseren Verständnis vergeben.

[26]Die vier Subkonzepte des Todes: Nonfunktionalität: nach dem Tod enden alle Funktionen des Körpers, Irreversibilität: der Tod ist endgültig, Universalität: der Tod betrifft alles Leben, Kausalität: der Tod hat verschiedene Ursachen. Vgl. Wittkowski, Psychologie 1991, S. 317. Mokrosch zählt noch die Finalität und die Transzendentalität hinzu. Ders., Religionspädagogik, S. 8. In seinem anderen Werk von 1990 gliedert Wittkowski dies in zehn Komponenten auf, dies wurde jedoch auf Grund der Eigenständigkeit der einzelnen Komponenten auf vier zusammengefasst. Vgl. Ders., Psychologie 1990, S. 47-49.

[27]Vgl. Platow/Böcher, Tod, S. 12f. Leist gibt an, dass die auf sich selbst bezogenen Unsterblichkeitsphantasien teilweise bis in die Pubertät hinein bestehen bleiben können. Vgl. Leist, Kinder, S. 15.

[28]Vgl. Platow/Böcher, Tod, S. 13-16.

[29]Vgl. Ebd., S. 16-19.

[30]Vgl. Piaget, Weltbild, S. 162-170. Siehe dazu auch Anlage 1.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Das Thema 'Tod' im Religionsunterricht. Lehrplankonzeption für das Bundesland Sachsen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Ev. Theologie)
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
37
Katalognummer
V340013
ISBN (eBook)
9783668297128
ISBN (Buch)
9783668297135
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
thema, religionsunterricht, lehrplankonzeption, bundesland, sachsen
Arbeit zitieren
Manuela Klagge (Autor:in), 2011, Das Thema 'Tod' im Religionsunterricht. Lehrplankonzeption für das Bundesland Sachsen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340013

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