Die Geschichte vom verlorenen Schaf. Synoptische Analyse von Mt 18,10-14 und Lk 15, 3-7


Ausarbeitung, 2011

6 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Textsynopse

2. Synoptischer Vergleich

3. Analyse der Gleichnisse

4. Das Verhältnis der beiden Texte zueinander

Literatur:

1. Textsynopse

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Synoptischer Vergleich

Auffällig ist zunächst, dass beide Texte große sinngemäße Ähnlichkeiten aufweisen.Dennoch ist an nur einer Stelle eine Doppelüberlieferung vorhanden,der Text stimmt an nur wenigen Stellen wortwörtlich überein[Bsp. „hundert Schafe hat und“ (Mt 18,12 und Lk 15,4)]. Der übrige Text ist allenfalls sinngemäß gleich.

In dem Text nach Lukas werden die Zuhörer direkt in das Gleichnis mit eingebracht, indem sie sich als handelndes Subjekt verstehen sollen: „Wer von euch...“ (Lk 15,4). Es sind seine Gegner, zu denen Jesus darin spricht. Während Matthäus nur eine Rhetorische Frage, die zur individuellen Positionierung auffordert, und das unpersönliche „jemand“ (Mt 18,12)verwendet, um die Zuhörer auf das Folgende aufmerksam zu machen. Über die Qualität der Zuhörer sagt er nichts.

zudem setzt Lukas ein gleiches Handeln des Zuhörers in derselben Situation voraus (Vers 6), Matthäus lässt diese Gegebenheit unberührt und äußert sich dazu nicht.

Auch die Orte der Handlung variieren in beiden Texten, bei Matthäus spielt es in einem Gebirge, bei Lukas in einer Wüste.

Der zweite große Unterschied dieser beiden Gleichnisfassungen liegt in der Schulangabe des Verschwindens des Schafes. Bei Matthäus wird die Schuld dem Schaf zugeschrieben, welches sich „verirrt“ (Vers 12), demnach aktiv zu seinem Verschwinden beiträgt. Bei Lukas steht, dass der Hirte „eines von ihnen verliert“ (Vers 4), demnach selbst schuld am Abhandenkommen des Schafes ist.

Bei beiden Evangelisten sucht der Hirte daraufhin nach dem verschwundenen Schaf. Bei Matthäus wird die Situation des Findens konditional mit einem „wenn er es findet“ beschrieben, dasFinden wird als Bedingung gesehen. Bei Lukas steht das Nichtfinden des Schafes außer Frage. Im Anschluss an den Fund wird bei Lukas ein Fest des Hirten gefeiert. Dieses Fest fehlt bei Matthäus komplett.

3. Analyse der Gleichnisse

Für die Analyse der beiden Gleichnisse bietet sich eine Pragmatische Analyse an. Gleichnisse wurden in der Regel mündlich übertragen (hier durch Jesus als intradiegetischer Erzähler mit direkter Rede am Ende der Erzählung) und das Hauptaugenmerk lag dabei weniger bei der genauen wortwörtlichen Wiedergabe des Textes als vielmehr bei der Wirkung, die diese bei den Zuhörern erzielten.

Die Personenkonstellation ist in beiden Texten gleich. Diese besteht aus dem Hirten, der eine Aufgabe besitzt, nämlich das Wachen über die Schafe und die Schafe selbst, die von der sorgsamen Ausführung der Aufgabe des Hirten abhängig sind. Über das genaue Verhältnis der Schafe zu dem Hirten, ob sie ihm gehören oder er nur die Aufsicht über sie hat, wird nichts gesagt. Diese Schafe sind nicht gleichgestellt im Verlauf der Geschichte. Da wären auf der einen Seite die 99 Schafe (Nebencharaktere), die bei dem Hirten sind und auf der anderen das verloren gegangene Schaf (Hauptcharakter), das gesucht werden muss, damit die Herde wieder komplett ist. Charakterisiert werden die Handelnden Figuren nur durch ihre Gestalt an sich. Ein Hirte ist gleichzeitig ein Beschützer, während die Schafe Schutz bedürfen.

Beide Texte sind Summarien, sie behandeln weder die Zeit um das Verschwinden des Schafes rum, es ist einfach verschwunden, noch die Zeit des Suchens. Es wird nur gesagt, dass der Hirte sich auf die Suche begibt, nicht wie lange diese dauert, bis er das Schaf gefunden hat.

Auch wenn beide Szenarien an anderen Orten spielen, so mildert dies nicht die Gefahr, der das verlorene Schaf ausgesetzt ist. Es spielt in Wildnis und Einsamkeit, wo wilde Tiere dem Schaf auflauern könnten. Lediglich bei Lukas gibt es nach dem Schafsfund einen Schauplatzwechsel, er bringt es nach Hause und lädt dort seine Nachbarn zu einer gemeinsamen Freudenfeier über das Wiederfinden ein.

Der Erzähler in beiden Gleichnissen ist Jesus, wohingegen sich die Adressatengruppen unterscheiden. Bei Matthäus sind es die Jünger, denen Jesus das Gleichnis erzählt. Bei Lukas wendet sich Jesus an seine Gegner, die Pharisäer. Daraus ergeben sich notwendigerweise auch unterschiedliche Variationen der Enden. Im Matthäus-Gleichnis spricht Jesus zu seinen Jüngern, die Hauptaussage ist am Schluss auch die Freude über den erfüllten Willen Gottes (Vers 14), dass die Sünder (die Schafe) zurückgewonnen werden. Der Hirte macht sich auf die Suche nach dem Schaf, das sich verirrt hat. Übertragen bedeutet das, er will den Sünder wieder aufnehmen in die Gemeinde. Gleichsam steht darin, dass dem Sünder bei seiner Umkehr verziehen wird, was als Vorbild für die andern Gemeindemitglieder dienen soll. Und auch die Jünger sollen einen Sünder nicht sich selbst überlassen, sondern ihn vielmehr wieder bei sich aufnehmen.[1]

Lukas setzt seinen Schwerpunkt gemäß den Zuhörern anders. Hier steht nicht der erfüllte Wille Gottes als Anlass der Freude des Hirten, sondern das Wiederfinden an sich. Der Sünder soll ebenfalls wieder in die Gemeinde aufgenommen werden, aber der Schwerpunkt liegt hierbei darin, dass sich die übrigen Gemeindemitglieder darüber freuen. Hier steht auch im Zentrum, dass das Schaf verloren wurde, es also selbst keinen Beitrag für sein Verschwinden geleistet hat. Die Hinzufügung der gemeinsamen Freude des Hirten mit den Nachbarn soll als Anlass dazu dienen, Vorbehalte gegenüber Sündern zu verlieren und sie wieder einzugliedern in die Gemeinde, daher betont Lukas stärker die eigene Unschuld der Schafe.[2]

4. Das Verhältnis der beiden Texte zueinander

Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass der TextLukas, welcher länger ist, später entstand, da dieser neben dem ursprünglicheren Text noch Erweiterungen enthält. Der LukasText wurde häufiger redaktionell bearbeitet. Vers 5 und 6 können als Erweiterungen von diesem gesehen werden, Lukas übernimmt den Ausgang des Gleichnisses (das Wiederfinden des Schafes) von Matthäus und fügt eine weitere Sequenz ein, um seine Pointe zu untermauern, die Mitfreude.[3]

Beide Texte behandeln denselben Themenschwerpunkt, das Verschwinden und Wiederfinden eines Schafes. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass beide Texte die Quelle Q zur Vorlage hatten.[4] Dennoch ist zu beachten, dass das Markusevangelium,welches sich ebenfalls auf die Quelle Q bezieht, keinen vergleichbaren Text enthält. Daher denke ich, dass sich beide Evangelisten zum Einen auf die Quelle Q beziehen. Jedoch auf Grund von sprachlichen Parallelen gehe ich davon aus, dass sich Lukasaußerdem noch auf Matthäus gestützt hat, da dessen Text Erweiterungen aufweist.

Literatur:

Müller, Peter u.a.: Die Gleichnisse Jesu. Ein Studien- und Arbeitsbuch für den Unterricht. Stuttgart 2002.

Schmid, Josef: Synopse der drei ersten Evangelien mit Beifügungen der Johannes-Parallelen, 2. Aufl., Berlin/Altenburg 1988.

Nestle-Aland: Das Neue Testament Griechisch und Deutsch, 27. Aufl., Stuttgart.

[...]


[1] Müller: Die Gleichnisse Jesu, S. 102.

[2] Ebd. ,S. 103.

[3] Ebd., S. 102

[4] Ebd., S. 101.

Ende der Leseprobe aus 6 Seiten

Details

Titel
Die Geschichte vom verlorenen Schaf. Synoptische Analyse von Mt 18,10-14 und Lk 15, 3-7
Hochschule
Technische Universität Dresden
Autor
Jahr
2011
Seiten
6
Katalognummer
V339974
ISBN (eBook)
9783668297142
ISBN (Buch)
9783668297159
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
geschichte, schaf, synoptische, analyse
Arbeit zitieren
Manuela Klagge (Autor:in), 2011, Die Geschichte vom verlorenen Schaf. Synoptische Analyse von Mt 18,10-14 und Lk 15, 3-7, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339974

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