Die Alltagskultur in den 1950er Jahren der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

14 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Zum Forschungsstand der Amerikanischen Alltagsgeschichte:

3. Hauptteil

4. Reaktion der Wirtschaft

5. Schwierigkeit der empirischen Nachprüfbarkeit

6. Fazit

7. Anhang

1. Einführung

Seit dem Fall der Berliner Mauer 1989 ist die Kulturgeschichte zu einem großen Forschungsgebiet in der Neusten Geschichtswissenschaft geworden. Für einen Konflikt, der mehr ein Krieg der Worte als der Schusswaffen war, sollte die Kultur des Kalten Krieges, in diesem Fall die Alltagskultur Amerikas in den 1950er Jahren nicht ignoriert werden. Auf einem ähnlichen Feld, der Alltagsgeschichte, nennt Alf Lüdtke in seinem Aufsatz „Einleitung. Was ist und wer treibt Alltagsgeschichte“, deren Forschungsschwerpunkte. Demnach stehen im Mittelpunkt der alltagsgeschichtlichen Forschung das Handeln und Leiden derer, die häufig als „kleine Leute“ bezeichnet werden. Hierbei sind diejenigen das Zentrum des Interesses, die von Allgemeinhistorikern übersehen und vom Interesse an der Geschichte der „Großen“ ins Abseits geraten. Lüdtke nennt Themen, wie „Arbeiten und Nicht-Arbeiten, Wohnen und Wohnungslosigkeit, Kleidung und Nacktheit, Ängste und Zukunftserwartungen. Also die alltäglichen Sorgen, Erfahrungen und Emotionen des normalen Menschen.[1] Es ist die Geschichte der Lebensart. Diese Sichtweise will geschichtliches Handeln aus seiner eigenen Logik begreifen lassen und fragt, in welchem Verhältnis Einzelne und kleine Netzwerke zu dem großen Ganzen wie Staatsform, gesellschaftlichen Verhältnisse und politischen Umstände standen und wie sie von ihnen geprägt wurden, bzw. wie sie diese ihrerseits prägten. Lüdtke spricht von den „kleinen Leuten“ wie von „Akteuren“, die mehr als nur blinde Marionetten oder hilflose Opfer waren. Sie nahmen aktiv am Geschehen teil und prägten damit die Geschichte.[2] In dieser Hausarbeit werde ich die Auswirkungen des Kalten Krieges auf die Alltagskultur, insbesondere das Konsumverhalten des Durchschnittsamerikaners untersuchen und versuchen zu erklären, dass sich das Zeitalter der großen „Anxiety“ und Propaganda nicht nur auf die politische Stimmung im Land auswirkte, sondern auch weitreichende Konsequenzen für den Alltag und das Verhalten vieler Amerika hatte. Wichtig ist es mir dabei, wie es Carlo Ginzburg in seinem Text „Mikro-Historie – Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß“, erklärt, von einem reduzierten Beobachtungsfeld aus zu analysieren.[3] Es geht darum ein kleines Forschungsfeld zu untersuchen und in einem größeren Bedeutungszusammenhang zu stellen. Mit dem Vorbild der Vorgehensweise der Historischen Anthropologie, die Anfang der 1990er Jahre entstand, möchte ich versuchen den Einzelmenschen, hier den amerikanischen Durchschnittsbürger als historischen Akteur und sein Dasein in Hinblick zur historischen Veränderlichkeit zu untersuchen und zu beschreiben. Susanna Burghartz erklärt in ihrem Aufsatz „Historische Anthropologie/Mikrogeschichte“[4], dass sich die Historische Anthropologie mit individuellen und kollektiven Erfahrungen befasst.[5] Es besteht ein Interesse an Menschen, ihren Erfahrungen und Wahrnehmungen im Wandel der Zeit.[6] Dabei hat die Historische Anthropologie das Verständnis von Kultur als wichtigen Aspekt von historischer Untersuchung. Zu ihren Vorläufern die Alltags- und Erfahrungsgeschichte zählen. Sie wurde von der Kultur und Sozialanthropologie inspiriert.[7]

Mit dem Titel „The Lonely Crowd“[8] veröffentlichte der amerikanische Soziologe David Riesman 1950 ein viel beachtetes Buch über Mentalität und den Charakter der Amerikaner in der Nachkriegsgesellschaft. Riesmans soziologische Untersuchung der Verhältnisse im Nachkriegsamerika kam zu einigen bemerkenswerten Ergebnissen und berichtete über die Einsamkeit und den Konformismus der modernen Amerikaner. In der „Überflussgesellschaft“ der amerikanischen Gegenwart sei, so Riesman, der nach „außengerichtete“ Charaktertypus dominant verbreitet. Der Amerikaner der Gegenwart sei eine Art menschliches Radargerät, der alle äußeren Einflüsse der Gesellschaft sensibel aufnehme und in ein konformes Verhalten verwandle. Der außengerichtete Typ sei offen für die Meinungen seinesgleichen in der Gesellschaft und besser zur Teilnahme an einer Wirtschaft der der Konsumtion und des Vergnügens sowie zur Arbeit in der modernen Bürokratie geeignet. Das Verhalten des mittelständischen, bürgerlichen Amerikaners werde heute wesentlich vom Normierungsdruck der Gemeinde, Schule und Universität geprägt, von seiner Nachbarschaft, seinen Klubs, den Massenmedien und anderen Einflüssen. Schließlich hebt Riesman bei der Beschreibung des Amerikaners im Nachkriegsamerika die große Bedeutung hervor, die das Konsum- und Freizeitverhalten inzwischen für den modernen Menschen und seine Gesellschaft erreicht hatte. Seiner Auffassung nach war die Verbraucherhaltung zur dominanten Reaktionsform des zeitgenössischen Amerikaners geworden, eine Haltung, die vor allem in der Freizeit zum Tragen kommt, beim Hören von Schlagermusik, im Kino oder beim Fernsehen, bei Sport, Erholung, Geselligkeit und in anderen Formen des Freitzeitverhaltens.[9] Aber auch Angst vor dem Tod, vor Katastrophen, Krankheiten, neuen Vernichtungswaffen oder vor Gefahren der Modernisierung bestimmt die traumatische Narrative der amerikanischen Gesellschaft, so die Professorin Oskana Bulgakowa. Sie verändern sich mit der Zeit und verraten einiges über den Zustand dieser Gesellschaft, besonders wenn wir die Behandlung dieser Ängste in der Psychologie, politischen Theologie und Kunst in Betracht ziehen. Die Phobien aus der Epoche des Kalten Krieges seien in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich. Da es ein Krieg der Imagination und Beeinflussung war, dessen Szenarien immer wieder modelliert, visualisiert, aber zum Glück nicht ausgeführt wurden, war seine Verbindung zu der Politik bereits vor dem Kalten Krieg einen unbezahlbaren Dienst erwiesen: Sie hatten die Bevölkerung in Angst versetzt und lange in Angst geschult, sie manipulierbar gemacht. Der Kalte Krieg produzierte neue Objekte der Angst und erneute alte. Er nährte jene Beklemmung, die als existentieller Zustand, ja als Existenzbedingung eines Menschen in der Moderne aufkam. Diese Beklemmung wurde mit der Unfähigkeit assoziiert, sich der beschleunigten Modernisierung und den von ihr verursachte Umbrüchen anzupassen. In den 1950er Jahren wurde diese Modernisierung im Atom verkörpert: zuerst als Waffe, dann als Energie. Die Atombombe veränderte das Verständnis von Krieg: Die Zerstörung der Gegenwart bedeutete nun die Vernichtung der Zukunft. Die zirkulierenden Bilder der verwüsteten Natur und der langfristigen genetischen Schäden produzierten Gefühle der Bedeutungslosigkeit aller Anstrengungen.[10] Die neue Angst wurde nicht durch Terror erzeugt, sie hatte Terror produziert, sie war nicht mehr ein Werkzeug der Macht, sondern ein Zustand der Massen. Die Angst war im amerikanischen Fall nicht außen angesiedelt, sondern im Inneren.[11] Fügt man diese Deutungs- und Charakterisierungsversuche zusammen, erhält man ein sehr ambivalentes Bild der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft. Geprägt unter der ständigen Angst vor der Bedrohung der Atombombe, eine neue Waffen zerstörerischen Ausmaßes, suchte die amerikanische Gesellschaft nach einem soliden Standpunkt in dieser nun unstetigen und sich rapide verändernden Welt. Die Amerikaner fanden ihren Halt in einem nach neuen Werten gerichteten Sozial- und Konsumverhalten. Kulturwissenschaften und vor allem Materielle Kulturwissenschaften räumen, selbst trivial erscheinenden Dingen wie Konsumgütern eine maßgebliche Identitätsbildende Rolle einer Gesellschaft bei. Dabei werden Problemfelder wie Menschen, Subkulturen und weiter angelegte kulturelle Identitäten untersucht und inwieweit Objekte oder Texte benutzt werden, um solche Identitäten überhaupt erst zu schaffen. Die materielle Kultur gibt dem ideologischen Inhalt erst ein greifbares Wesen und verhilft darüber hinaus zu Diskussionen ob die Art von Ideologien und Identitäten überhaupt stabil oder verankert sind. Wie Riesman betont wurde die Verbraucherhaltung zur dominanten Reaktionsform des zeitgenössischen Amerikaners.[12] Die nun folgende Hausarbeit wird anhand des Beispiels des Konsumverhaltens zeigen, wie die amerikanische Bevölkerung in den 1950er Jahren auf die neue Bedrohung des Kalten Krieges und der ständig Gefahr der Atombombe reagierte und sich damit eine gänzlich neue kulturelle Identität in der Nachkriegsgesellschaft schuf.

2. Zum Forschungsstand der Amerikanischen Alltagsgeschichte:

Bereits vor 160 Jahren beschäftigte sich George Perkins Marsh (1801-1882) in einem Vortrag am Union College in Schenectady, New York) kritisch mit dem Zustand der amerikanischen Geschichtsschreibung. Er befürwortete eine Geschichte „von unten“ zu schreiben, aus dem Blickwinkel und aus den Erfahrungen der Menschen. Marsh rückte mit dieser Ansicht erstmals die historischen Untersuchungen des amerikanischen Alltagslebens, sowie der sozialen und häuslichen Verhältnisse in den Blick der Historiker. Von Einzelstudien abgesehen, soll es in den USA lange gedauert haben bis diese richtungweisende Forderung nach einer Alltagsgeschichtsschreibung praktisch umgesetzt wurde. Seit 1927 erschien erstmals das sozialgeschichtliche Reihenwerk „A History of American Life“, das von den Historikern Arthur M Schlesinger (1888-1965) und Dixon R. Fox (1887-1945) herausgegeben wurde und schließlich 13 Bände umfasste[13]. Seit 1988 wird mit dem Bänden der „The Everyday Life in America Series“, die von dem Historiker Richard Balkin herausgegeben wird, über eine detaillierte Geschichte des amerikanischen Alltags seit der Kolonialzeit berichtet. Die Autoren dieser Reihe knüpfen an die Meinung des bedeutenden holländischen Historikers Johan Huizinga an, nach welcher die charakteristischen Seiten einer Epoche sich in ihren trivialen und gewöhnlichen Dingen, in ihrem Alltagsleben mindestens ebenso deutlich zeigen, wie in ihren geistigen und philosophischen Manifestationen. In jüngster Zeit erscheint eine vorwiegend statistisch angelegte Reihe „Almanacs of American Life“, ebenfalls von Richard Balkin herausgegeben, mit einer Fülle vor allem quantitativer Daten zur Geschichte des amerikanischen Alltags versehen.

[...]


[1] Einleitung – Was ist und wer treibt eigentlich Alltagsgeschichte von Alf Lüdtke, Seite 9, aus Alf Lüdtke, Alltagsgeschichte zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, Frankfurt a.M.,1989, Seite 9-47

[2] Einleitung – Was ist und wer treibt eigentlich Alltagsgeschichte, aus Alf Lüdtke, Alltagsgeschichte zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, Frankfurt a.M.,1989, Seite 9-47

[3] Mikro-Historie – Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß, Carlo Ginzburg, Seite 169, aus: Historische Anthropologie, Kultur - Gesellschaft – Alltag, 1993, Seiten 169-192

[4] Burghartz, Susanna; Lottes, Günther; Eibach, Johannes: Art. "Historische Anthropologie/Mikrogeschichte", in: Kompass der Geschichtswissenschaft. Ein diskursives Handbuch, Göttingen 2002, S. 206-218, 251-255.

[5] Historische Anthropologie/Mikrogeschichte, von Susanna Burghartz, Seite 207, aus: Joachim Eibach/ Günther Lottes (Hgs.) Kompass der Geschichtswissenschaft, Göttingen 2002, S. 206-218

[6] Historische Anthropologie/Mikrogeschichte, von Susanna Burghartz, Seite 208, aus: Joachim Eibach/ Günther Lottes (Hgs.) Kompass der Geschichtswissenschaft, Göttingen 2002, S. 206-218

[7] Lexikon Geschichtswissenschaft – Hundert Grundbergiffe, Reclam, Stefan Jordan

[8] The lonely crowd : a study of the changing American character / by David Riesman with Nathan Glazer and Reuel Denney/ Yale Univ. Press, 1989

[9] Alltag in den Vereinigten Staaten Peter Schäfer Seite 433, 434

[10] Angst im Kalten Krieg Seite 347

[11] Angst im Kalten Krieg Seite 348

[12] Material Culture in America. Understanding Everyday Life. Helen Sheumaker und Shirley Teresa Wajda. Santa Babara California 2008. Seite 142

[13] History of American Life, Arthur M. Schlesinger (Narrator), Dixon Ryan Fox (Narrator), Mark C. Carnes (Contributor), 13 Vol, 1996

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Alltagskultur in den 1950er Jahren der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Institut für Geschichtswissenschaft)
Veranstaltung
Aufbauseminar Neuzeit: Propaganda im Kalten Krieg
Note
2,0
Jahr
2010
Seiten
14
Katalognummer
V339519
ISBN (eBook)
9783668291010
ISBN (Buch)
9783668291027
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
alltagskultur, jahren, nachkriegsgesellschaft
Arbeit zitieren
Anonym, 2010, Die Alltagskultur in den 1950er Jahren der amerikanischen Nachkriegsgesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339519

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