Gesteuerte Arbeitsmigration nach Lodz. Sozio-ethnische Anziehungsfaktoren


Hausarbeit, 2010

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1.Einleitung

2.Geographische Voraussetzungen Lodzs

3.Das Einwanderungsgesetz von 1820 und der Zgierzer Vertrag

4.Herkunftsgebiete der deutschen Siedler

5.Wie die erste deutsche Unternehmergeneration in der Lodzer Öffentlichkeit wahrgenommen wurde/Sozio-ethnische Anziehungsfaktoren

6.Fazit

7.Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Das individuelle Erklettern der Berufskarriereleiter, eine Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen, an sicherer erster Stelle das Suchen nach Arbeit und die Existenzsicherung, waren schon immer Gründe, die Wanderungsprozesse auslösten. Migrationen waren häufig von politischen Institutionen, also in der Regel von Regierungen und Herrschern, motiviert und in Gang gesetzt worden, damit diese aus den Siedlungsvorgängen Profit für den Staatsapparat schlagen konnten.(vgl. Deutsche Ostsiedlung im Mittelalter). Im Mittelpolen des frühen 19 Jahrhunderts, in Lodz, setzte ein ähnlicher von Staatsorganen motivierter kontrolliert-gesteuerter Wanderungsprozess ein; eine gewollte und von der Regierungsseite gestärkte Ansiedlung vor allem ostdeutscher und westdeutscher Einwanderer.

Aus dem kleinen unscheinbaren Dorf Lodz, das im ausgehenden 18.Jahrhundert nur 200 Einwohner zählte, entwickelte sich unter Einflussnahme der russischen Regierung, die als „Förderassistent“ für die Ausbildung eines metropolitanen Erscheinungscharakters des Dorfes im Zuge der voranschreitenden Industrialisierung in Erscheinung trat, eine Textilmetropole gewaltiger Größe. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts konnte Lodz bereits 500000 Einwohner verzeichnen und stieg zur zweitgrößten Stadt Polens auf.

Diese Arbeit versucht Einblick in die damalige russische, genauer auf die Stadt Lodz und umliegende stadtähnliche Agglomerationen bezogene, Einwanderungspolitik zu geben und die Hintergründe der gesteuerten Anwerbe-Politik besser verstehen zu lernen.

Grundlegend sollen zunächst die geographischen Voraussetzungen beleuchtet werden, ehe in den Folgeschritten die politischen und die sozialen Voraussetzungen Gegenstand der Untersuchung der Migration nach Lodz sind. Wer waren die Siedler, woher emigrierten sie um warum? Und wie wurden sie in der städtischen Öffentlichkeit nach ihrer Sesshaftwerdung wahrgenommen?

2 Geographische Voraussetzungen Lodzs

„Wir sind überzeugt, daß [sic!] etwas durchaus Auffallendes die fremden und heimischen Zuwanderer gerade nach dem alten Lodzia lockte, etwa wie das Licht einer Kerze die Schmetterlinge anlockt. Man ging in die Bibliotheken und die Stadtarchive und fand, daß [sic!] Lodzia ein altes, verfallenes Nest war, von dem die Geschichte kaum den Namen erwähnt. Jede neuere Geographie stellt sogar ausdrücklich fest, daß [sic!] Lodz an einem Ort entstanden ist, der durchaus ungünstig liegt. Lodz, heißt es, lag fern von allen Straßen, versteckt im Wald. Die Versorgung mit Trink-Betriebswasser sei äußerst schwierig; Heizstoffe [im Sinne von Kohle und Öl zum Betrieb von Maschinen, nicht Holz (!)] befänden sich nicht in der Nähe. Mit anderen Worten; der Einwanderer kann nur schwer auf Lodz gestoßen sein, da es abseits der Straßen im Wald lag; hat er es trotzdem entdeckt, so war die Zufuhr mit Rohstoffen fast unmöglich wegen der damaligen Wegverhältnisse. Die Bewohner hätten, wenn es mit rechten Dingen zuginge, längst verdursten und die Dampfmaschinen stehen bleiben müssen.“1.

Entwicklungsfördernd sind für die Ausbildung größerer Ansiedlungsräume oder sogar Industriestädten im allgemeinen immer mehrere Attribute. Anfangs muss Holz in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen um Häuser bauen zu können und um darüber hinaus mithilfe dessen die kalten Jahreszeiten durchzustehen. Es werden außerdem eine Anbindung an für den Güterverkehr relevanten Handelsstrecken und in signifikanter Weise Wasser benötigt, das wichtige Attribut jeder gut funktionierenden Textilindustrieagglomeration, was zum Färben, Walken, Bleichen und in erster Linie zu Antrieb gebraucht wird.

Erstes und zweites Attribut scheint Lodz ausreichend besessen zu haben. Das Holz und die Anbindung, denn es lag tatsächlich vorteilhaft „an der damals bedeutenden Handelsstrecke zwischen Thorn und Krakau und hatte ebenfalls eine gute Westanbindung nach Posen“2

Die Versorgung mit Wasser, der Umgang mit Themen der Abwasserbewältigung: das waren, wenn nicht bereits in den Anfangsjahren von Lodzs industriestädtischer Entwicklung, so jedoch in den Folgejahren mit einer zunehmenden Migrationsdichte in die Stadt, die beherrschenden Fragen, auf welche die Warschauer Regierung unter russischer Herrschaft Antworten und Lösungen suchte, und fand. Wegen Rodungen und Kahlschlägen der Wälder, infolge der den Neusiedlern erteilten Erlaubnis Holz in beliebiger Menge zu holen, war die Grundwasserversorgung seither durch Brunnenanlagen sichergestellt. Neben diesen Voraussetzungen waren aber zusätzlich weiterreichende Steuerungs- und Lenkmechanismen der russisch-polnischen politischen Institution notwendig, um den Zustrom neuer Einwanderer konstant aufrecht zu erhalten und zu beschleunigen, damit das Ansiedlungsprojekt „Fabrikstadt Lodz“ im frühen Industriezeitalter der 1820er bald erste Früchte tragen konnte 3

3. Das Einwanderungsgesetz von 1820 und der Zgierzer Vertrag

Bei der Dreiteilung Polens nach dem Wiener Kongress an Preußen, Russland und Österreich wurde in einem Erlass von 1816 Einwanderern garantiert, dass sie ihren Wohnsitz innerhalb von 6 Jahren beliebig wählen konnten, in demselben Zeitraum von Wehrdienstpflichten befreit waren und auf eine zollfreie Einführung ihres Mobiliars und anderen Arbeitsutensilien zählen durften4.

Im Einwanderungsgesetz vom 18.September 1820 bekam Lodz, unter anderen Städten im Rahmen eines wirtschaftlichen Konjunkturprogramms der Warschauer Regierung den Status einer Fabrikstadt zugesprochen. Dieser Entschluss war Teil des Vorhabens „neue konkrete Bestimmungen mit größerer Zugkraft über den von ihr angestrebten Aufbau eines Tuchmachergewerbes in Polen“ zu verabschieden.5 Schrittweise sollten so wirtschaftliche und städtebauliche Grundstrukturen geschaffen werden, durch welche sich Fabrikanten, insbesondere Tuchfabrikanten deutscher Herkunft angezogen fühlten und sich daraufhin in den betreffenden neuen Fabrikstädten wie Lodz ansiedelten. Ihnen und Siedlern anderer Nationalität sicherte die Warschauer Regierung zu, Ziegeleien und Walkmühlen zu errichten.Überdies war von besonderer Bedeutung die erteilte Erlaubnis Bauholz kostenfrei zu Bauzwecken in den umliegenden Wäldern holen zu dürfen.6

[...]


1 KOSSMANN, Oskar: Deutsche mitten in Polen. Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn 1985, S.25.

2 LASSOTA, Wolf-Dieter: Ansiedlungen deutscher Arbeitsmigranten in Lodz im 19 . Jahrhundert. In: Migration steuern oder verwalten? Deutschland im internationalen Vergleich. [Hrsg.] Kissau, K.,Kortmann, M. u.a. (unveröffenlichtes Buchprojekt!) Internetquelle: miami.uni- muenster.de/servlets/.../Derivate.../buchprojekt_2008-03-20.pdf [Stand: 15.7.2010, 22:03 Uhr], S.28.

3 Ebenda, S.29

4 BIELSCHOWSKY, Frida: Die Textilindustrie des Lodzer Rayons. Ihr Werden und ihre Bedeutung, Leipzig: Duncker und Humblot 1912 (= Staats- und Sozialwissenschaftliche Forschungen Heft 160) (Hrsg.) Gustav Schmoller u. Max Sering, Reprint Schmidt Peridodicals 1990, S.11.

5 HEIKE, Otto: Aufbau und Entwicklung der Lodzer Textilindustrie. Eine Arbeit deutscher Einwanderer in Polen für Europa, Mönchengladbach: Lapp 1971, S.82.

6 Ebenda. Das grundlegende Einwanderungsgesetz der Warschauer Regierung vom 18.September 1820, S.297f. Art. 1: Die Regierungsstädte im Königreich Polen, die sich nach dem Erachten der Regierungskommission für innere Angelegenheiten und der Polizei zur Niederlassung verschiedener Fabrikanten, besonders Tuchfabrikanten, eignen, sollen zu diesem Zwecke eingerichtet werden und folgende Vorteile genießen […]. Art. 4: Den Regierungsgebieten angehörige, in der Nähe dieser Städte gelegenen Mühlen sollen […] geeigneten Unternehmern von Walkmühlen in Erbpacht gegeben werden. Art.5: Zu Bauzwecken soll den Fabrikanten und Handwerkern in den betreffenden Städten Holz innerhalb eines Dezenniums aus den nächstgelegenen Gemeinde- oder Kronswäldern zugeteilt werden. Art. 6: Es sollen in der Nähe dieser Städte Ziegeleien errichtet werden, aus welchen das Material zu dem niedrigsten Preis an Bauunternehmer abgegeben werden soll.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Gesteuerte Arbeitsmigration nach Lodz. Sozio-ethnische Anziehungsfaktoren
Hochschule
Universität Erfurt  (Philosophische Fakultät Historisches Seminar Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte)
Veranstaltung
Metropolen im globalen Vergleich
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
13
Katalognummer
V339453
ISBN (eBook)
9783668291263
ISBN (Buch)
9783668291270
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gesteuerte, arbeitsmigration, lodz, sozio-ethnische, anziehungsfaktoren
Arbeit zitieren
Maximilian Mattes (Autor:in), 2010, Gesteuerte Arbeitsmigration nach Lodz. Sozio-ethnische Anziehungsfaktoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339453

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