Musikalische Syntax

Norm und Abweichung in Mozarts Klaviersonate Nr. 12, F-Dur, Köchel Nr. 332


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

17 Seiten, Note: 13


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Erster Satz: Allegro
2.1 Einordnung in die Sonatenhauptsatzform
2.2 Analyse der Exposition
2.3 Analyse der Durchführung
2.4 Analyse der Reprise

3. Zweiter Satz: Adagio

4. Dritter Satz: Assai Allegro
4.1. Einordnung in die Sonatenhauptsatzform
4.2. Analyse der Exposition
4.3. Analyse der Durchführung
4.4. Analyse der Reprise

5. Abschlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

In der vorliegenden Arbeit steht die Mozart Sonate KV 332 in F-Dur im Mittelpunkt. Grundlegendes Ziel der Analyse ebendieser ist das Herausarbeiten syntaktischer Besonderheiten. Dazu wird die vorliegende Sonate in drei Sätzen (1. Satz: Allegro, 2. Satz: Adagio, 3. Satz: Assai Allegro) zunächst grundlegend in ihrer Form analysiert, um ihre Struktur zu begreifen. Es schließt sich eine detaillierte Analyse der dann bekannten Formteile an. Anhand dieser Vorgehensweise werden alle drei Sätze der Sonate analytisch betrachtet und untersucht.

Hierbei fällt ein besonderes Augenmerk auf die musikalische Gliederung, die Rhythmik und die Harmonik. In der Analyse sollen vor allem die kleinsten Details einer Form Beachtung finden, die musikalische Syntax. Es stellt sich die Frage wo syntaktische Normen eingehalten beziehungsweise (bzw.) von diesen abgewichen werden. Die herausgearbeiteten Stellen sollen für sich, aber auch in den Zusammenhang gesetzt, betrachtet werden.

Als Norm soll die für die Wiener Klassik bekannte wie typische kompositorische Struktur, die für Sonaten vor allem symmetrische Periodik und Motivik, sowie Kadenz Harmonik bereithält, gelten.

Im Folgenden wird mit Taktangaben gearbeitet. Diese beziehen sich auf die der Arbeit angehängte Ausgabe der Sonate und sind dieser zu entnehmen.[1]

2. Erster Satz: Allegro

Das Allegro ist in F-Dur, sowie im ¾ Takt komponiert. Im diesem Satz der Sonate lässt sich die Sonatenhauptsatzform erkennen.

2.1 Einordnung in die Sonatenhauptsatzform

In diesem Kapitel soll der erste Satz der vorliegenden Sonate in die Sonatenhauptsatzform eingeordnet werden.

Die Exposition des ersten Satzes der Sonate beginnt in Takt 1 und endet in Takt 93. Die darauffolgende Durchführung beginnt in Takt 94 und endet in Takt 132. Die Reprise befindet sich in den Takten 133-229.

2.2 Analyse der Exposition

Bereits zu Beginn der Sonate, die gewohnter Weise mit dem Hauptthema in der Tonika, in diesem Fall F-Dur, beginnt, spielt Mozart mit der Form. Obwohl es für den Rezipienten zunächst keine musikalischen Besonderheiten zu hören gibt, stellt sich beim Betrachten des Notentextes die Frage, in welchen Takten sich das Hauptthema befindet. Hierzu lassen sich zwei Ansätze besprechen. Zur besseren Übersicht möchte ich diese tabellarisch darstellen, um verständlicher darauf eingehen zu können:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ansatz 1 (A. 1) erklärt den Vordersatz des Hauptthemas in den Takten 1-4. Folglich schließt sich der Nachsatz an. Dieser beginnt in Takt 5 und endet auf Zählzeit eins des zwölften Taktes mit der harmonisch schließenden Wendung V I (C[7] → F-Dur), in der sowohl eine Sopranklausel (e f), wie auch eine Bassklausel (c f) zu finden sind. Der Alt fällt typisch von der Septime der Dominate in die Terz der Tonika. A. 1 zeigt also eine untypische und asymmetrische 12-taktige Periode mit einem 4-taktigen Vordersatz und einem 8-taktigen Nachsatz. Der Nachsatz des A.1 kann ebenfalls asymmetrisch aufgefasst werden, wobei der Ton f der Zählzeit eins von Takt sieben als Scharnierton interpretiert werden muss. Wird von zwei Phrasen ausgegangen und ausschließlich die rechte Hand betrachtet, so fällt auf, dass die Melodie der ersten Phrase auf der ersten Zählzeit von Takt 7 (Ton f) durchaus als abgeschlossen verstanden werden kann. Da der Ton f übergebunden jedoch noch auf der ersten Zählzeit des darauffolgenden Taktes klingt, kann dieser auch als Beginn der darauffolgenden Phrase gelten. So liegt diese zweite Phrase entweder in den Takten 8-12:1 oder eben in den Takten 7-12:1. Der Ton f in Takt 7 (und 8) ist sowohl schließendes als auch öffnendes tonales Element.

Für die Wiener Klassik ist diese Einteilung des Hauptthemas nicht typisch, da vor allem auf die Symmetrie Wert gelegt wurde. Ansatz 2 (A. 2) zeigt, dass das Hauptthema auch an einer anderen Stelle geortet werden kann.

A. 2 geht davon aus, dass die ersten vier Takte der Sonate eine Art Vorspiel sind und das Hauptthema erst in Takt 5 beginnt.[2]Im Vorspiel ist in der linken Hand ein Alberti-Bass ausgesetzt der taktweise wechselnd von F-Dur und F7 über Bb-Dur nach C7 führt. Der Ton f in der linken Hand kann hier als eine Art Orgelpunkt, wobei das englische Wort „pedal point“ wohl besser zutrifft, da f nicht liegen bleibt, jedoch in jedem Takt der erste Ton im Pedal ist, gelten. Die Melodie führt in den ersten zwei Takten durch den gebrochenen Dreiklang F-Dur in Grundstellung. Der Eindruck der Dominante entsteht in Takt vier sowohl durch die zwei Achtel auf Zählzeit eins in der rechten Hand, als auch durch das e auf Zählzeit zwei, sowie durch die Töne g und bb in der linken Hand, vor allem auf den Zählzeiten 2+ und 3.

Das Hauptthema beginnt nach A. 2 in Takt 5 und endet in Takt 12. Somit liegt nach A. 2 eine 8-taktige Periode mit öffnendem Vordersatz und schließendem Nachsatz vor. Der Vordersatz endet in Takt 5:2 mit einem Halbschluss auf der Dominante, der Nachsatz schließt mit der bereits beschriebenen Wendung V I (C[7] → F-Dur).

Aus A. 2 folgend stellt sich die Frage, warum Mozart zum kompositorischen Element des Vorspiels gegriffen hat. Das Hauptthema funktioniert in seiner Form auch ohne das Vorspiel. Begründet wird dies vor allem durch die Polyphonie der Takte 5-8: Die Melodie der rechten Hand in den Takten fünf und sechs wiederholt sich in der linken Hand in den darauffolgenden Takten sieben und acht. Dies kann als weiteres Indiz dafür gelten, dass die Takte 1-4 tatsächlich als Vorspiel betrachtet werden sollten und somit A. 2 der Ansatz ist, der die ersten 12 Takte der Sonate richtiger beschreibt, auch wenn es nicht typisch ist einem Hauptthema einer Sonate ein Vorspiel voranzustellen.

Unabhängig davon, wie das Hauptthema eingeordnet ist, beginnt in Takt 12:3 ein weiteres Thema, was jedoch nicht das Seitenthema sein kann, da es nicht in der Dominanttonart komponiert ist. Dieses Thema soll „zweites Hauptthema“ genannt werden. Es endet in Takt 20:2.

Das zweite Hauptthema ist ein weiteres Herausstellungsmerkmal der vorliegenden Sonate, da es wie auch das Vorspiel vor dem Hauptthema nicht typisch für eine klassische Sonate ist. Es handelt sich beim zweiten Hauptthema um eine 8-taktige Periode, deren Sätze jedoch in sich geschlossen sind. Das bedeutet, dass sich die acht Takte des zweiten Themas zwar in 2 x 4 Takte aufteilen lassen, es jedoch keinen Vorder-, und Nachsatz gibt, da sowohl in Takt 16 auf den ersten beiden Zählzeiten, als auch im Übergang der Takte 19:3 auf 20:1 ein Ganzschluss zu finden ist. Das Hauptthema und das zweite Hauptthema haben also ein harmonisch gleiches Ende, das sich allein durch die Stimmführung im Tenor der Schlusswendung unterscheidet. Im zweiten Thema ist im Tenor eine Tenorklausel (g – f) komponiert. Die Syntax des Hauptthemas und des zweiten Hauptthemas ist zugleich genau umgekehrt: „Die Takte 5-12 sind ein Satz mit periodischer Harmonik (Halbschluß T. 8, Ganzschluß T.12), die Takte 13-20 dagegen eine Periode mit satzartiger Motivik der Halbsätze (1+1+2 Takte).“[3]

Bevor in Takt 22:3 die Modulation beginnt, ist in den Takten 20:3 – 22:2 noch eine einfache Kadenz zu finden, die die ausgehende Grundtonart F-Dur bestätigt. Die Kadenz besteht aus zwei sich aneinanderreihenden Ganzschlüssen, wobei sich im Sopran und Bass jeweils eine Bassklausel (c – f) und im Tenor eine Sopranklausel (e – f) befindet. Wie zuvor bereits zweimal gesehen, fällt der Alt von der Septime der Dominante in die Terz der Tonika. Der sich in Takt 22 auf der Zählzeit drei befindende Ton c# kann als Terz von A-Dur verstanden werden, das hier als eingeschobene Zwischendominante zu d-Moll, der Tonart der ersten zwei Takte der Modulation, verstanden werden muss. Die Dynamik wechselt in Takt 23 auf der dritten Zählzeit von piano zu forte. Dies und die auf Zählzeit zwei sich befindende Pause sprechen dafür, dass die Modulation in Takt 22 auf Zählzeit drei beginnt und nicht in Takt 23.

Waren die Takte 1-22 geprägt von schlichter Kadenz-Harmonik, so greift Mozart in den folgenden Takten zwar nicht in die harmonische Trickkiste, lässt sich die Modulation jedoch ihren Namen verdienen. Bis zum Beginn des Seitenthemas in Takt 41 durchquert die Komposition fast taktweise neue Tonarten. Anstatt der bisher bekannten Tonika, Dominante und Subdominante, lassen sich nun chromatische Läufe, sowie verminderte Harmonien wiederfinden.

Takt 23 und 24 stehen in d-Moll. In der linken Hand findet sich der Albertibass der ersten vier Takte wieder. Gleiches gilt für die Takte 27, 28, 31, 32 und 33-38. Die Takte 23-30 bilden einen Achttakter, der jedoch unbeantwortet bleibt.[4]Der Achttakter selbst lässt sich jedoch in 2x4 Takte unterteilen. So sind die Takte 23 und 24 identisch mit den Takten 27 und 28, wenngleich der Ton d auf Zählzeit eins des Taktes 23 separat betrachtet werden muss, da dieser in Takt 28 oktaviert ist. Die Takte 25 und 26 sowie 29 und 30 sind identisch, wobei die Takte 29 und 30 sequenziert einen Ton tiefer sind als die soeben mit ihnen verglichenen.

Ab Takt 31 und bis Takt 36 lassen sich jeweils zwei Takte zusammenfassen, wobei sich die Takte 31 und 32 in C-Moll befinden und die Takte 33-36 in Ab-Dur stehen. Die Takte 35 und 36 unterscheiden sich harmonisch von den beiden vorrangegangen Takten, da mit dem Ton f# in der rechten Hand und dem Albertibass mit Ab in Grundstellung in der linken Hand Ab als übermäßigen Quintsextakkord auftritt. Die Takte 37-39 stehen in G-Dur, wobei der Ton eb zwar als verminderte Sexte hervorsticht, jedoch auch als einfacher Durchgangston verstanden werden kann. Der Ton g kann als Orgelpunkt (bzw. pedal point) verstanden werden. Durch die einfache Oktavverschiebung des Tons g in beiden Händen in Takt 39 führt somit die Dominante von C-Dur in das im darauffolgenden Takt beginnende Seitenthema. Verstärkt wird der Übergang vom einen in den nächsten Formteil durch die Viertelpause auf Zählzeit drei in Takt 40. Das Seitenthema steht typischerweise in C-Dur, der Dominanttonart der Ausgangstonart F-Dur. Kühn spricht von den Takten 37-40 als „plagale Kadenz“.[5]Diese Annahme darf nicht als korrekt gelten. Das Seitenthema steht in C-Dur. In den Takten 37-40 dominiert die Tonart G-Dur. Allein auf der Zählzeit drei der Takte 37-39 lässt sich das harmonische Gefüge von C-Moll erkennen (linke Hand Grundton und Terz, rechte Hand Abwärtsbewegung in 16teln von Quarte f zu Grundton c). Eine plagale Kadenz setzt voraus, dass die Subdominante (hier F-Dur) der Tonart unmittelbar vor der Tonika (hier C-Dur) vorkommt. In diesem Fall findet sich eindeutig die Dominante (hier G-Dur) vor der Tonika wieder. Es handelt sich in diesem Fall um eine authentische Kadenz. Zwar schließt die Kadenz nicht, sondern bleibt offen – nämlich auf der Dominante G-Dur – trotzdem spräche man von einer plagalen Kadenz in dem Fall nur, in dem im darauffolgenden Takt die neue Tonika D-Dur wäre. Da auch dies nicht der Fall ist, wird wird vorgeschlagen weder von plagaler, noch authentischer Kadenz zu sprechen, sondern es bei der Beschreibung der nicht schließenden Kadenz, die jedoch direkt in das Seitenthema führt, zu belassen. Nicht zu verwechseln ist diese Beschreibung mit der später auftauchenden Takterstickung.

Für einen besseren Überblick des bisher Analysierten soll an dieser Stelle wieder eine Darstellung helfen. Werden alle bis zu Takt 40 aufgezeigten Taktgruppen grafisch nebeneinander dargestellt, ergibt sich folgende Abbildung[6]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie ersichtlich wird, sind die Abschnitte konsequent verkürzt (12, 10, 8, 6, 4 Takte). Unterstützt wird dieser Prozess von rhythmischer Beschleunigung.[7]

[...]


[1]Mozartsonaten für Klavier zu zwei Händen, Band II, S. 183-203; Edition Peters Nr. 1800b, Leipzig.

[2]Vgl.: Kühn, Clemens (2010): Formenlehre, S. 71, Z. 27-29.

[3]Kühn, Clemens (2010): Formenlehre, S. 72, Z. 3-5.

[4]Vgl.: Kühn, Clemens (2010): Formenlehre, S. 72, Z. 9-10.

[5]Vgl.: Kühn, Clemens (2010): Formenlehre, S. 72, Z. 11.

[6]Kühn, Clemens (2010): Formenlehre, S. 72.

[7]Vgl.: Kühn, Clemens (2010): Formenlehre, S. 72, Z. 12-14.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Musikalische Syntax
Untertitel
Norm und Abweichung in Mozarts Klaviersonate Nr. 12, F-Dur, Köchel Nr. 332
Hochschule
Universität Kassel  (Institut für Musik)
Veranstaltung
Analyse - Norm und Abweichung
Note
13
Autor
Jahr
2016
Seiten
17
Katalognummer
V339375
ISBN (eBook)
9783668293373
ISBN (Buch)
9783668293380
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mozart, KV332, Sonate in F-Dur, musikalische Syntax
Arbeit zitieren
Niklas Werner (Autor:in), 2016, Musikalische Syntax, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339375

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