Theoretische Erklärungen von Bildungsnachteilen der Migrantenkinder. Besonderheiten und Bildungsnachteile im Übergangsprozess zur Sekundarstufe I


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Theoretische Erklärungen für Bildungsnachteile von Migrantenkinder
2.1. Kulturell bezogene Aspekte
2.2. Humankapitaltheoretischer Ansatz
2.3 Merkmale in der Schule
2.4 Institutionelle Diskriminierung

3. Prozesse beim Übergang zu Sekundarstufe 1
3.1 Übergangsentscheidungen in Anlehnung an Boudons Erklärungsmodell
3.2 Anwendung bei den Migrantenfamilien

4. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Dass die schulischen Bildungserfolge der Migrantenkinder gegenüber dem der Kinder ohne Migrationshintergrund signifikant geringer ausfallen ist spätestens seit der ersten PISA-Studie bekannt. Demnach sind geringe sozioökonomische Status, Sprachbarrieren und Defizite im deutschen Schulbildungssystem als relevante Begründungsmerkmale zu nennen.1 Besonders auffällig ist jedoch die Verteilung von Migrantenkinder auf die Schulformen im Übergang zu Sekundarstufe I, in denen Kinder mit Migrationshintergrund selbst bei gleichem sozioökonomischem Status bis zu doppelt so häufig an Hauptschulen präsent sind als die einheimischen Kinder.2 ÄDem aktuellem ‚nationalen Bildungsbericht‘ zufolge besuchen rund 37 Prozent der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ein Gymnasium, aber lediglich 22 Prozent derjenigen mit Migrationshintergrund.“3 Diese Daten und Fakten geben Anlass die Bildungsnachteile der Migrantenkinder zu untersuchen.

Die vorliegende Hausarbeit schafft zunächst einen detaillierten Gesamtüberblick auf die theoretischen Erklärungen von Bildungsnachteilen der Migrantenkinder, welche sich in vier Dimensionen (kulturell bezogene Aspekte, humankapitaltheoretischer Ansatz, schulische Merkmale, institutionelle Diskriminierung) kategorisieren lassen. Diese sollen Mechanismen und Annahmen von Handlungen beziehungsweise Handlungsdenken der Migrantenfamilien in Bezug auf die Lernprozesse der Migrantenkinder wiedergeben sowie Folgemechanismen in institutionellen Bildungssektoren aufzeigen. Der Übergang zur Sekundarstufe 1 bildet scheinbar einen besonderen Schwerpunkt, da das Kriterium für Bildungsentscheidungen von den Leistungen der Schüler mitbestimmt und die Schulwahl nicht mehr alleine von elterlichen Entscheidungen erfolgt. Daher soll im weiteren Abschnitt auf die Frage eingegangen werden, welche Besonderheiten im Übergangsprozess zu nennen sind, die zu weiteren Bildungsnachteilen von Migrantenkinder führen können. Durch die Erforschungen des Übergangsprozesses können wesentliche Bildungsentscheidungen der Eltern nach der Studie von Boudon (1974) modelliert werden. So sollen diesbezüglich zentrale Thesen aufgezeigt werden, um anschließend auf Grundlage dieser Theorie die Anwendbarkeit für Migrantenfamilien darzustellen.

Zugunsten der Lesbarkeit sind sämtliche Ausdrücke, die männlich formuliert sind, sinngemäß auch auf die weibliche Form bezogen.

2. Theoretische Erklärungen für Bildungsnachteile von Migrantenkinder

2.1. Kulturell bezogene Aspekte

Verschiedene Theoretiker konstatieren in ihren Erklärungstheorien kulturell bezogene Aspekte, die sich nachteilig auf den schulischen Werdegang von Migrantenkindern auswirken. Diefenbach geht von einer kulturell-defizitären Erklärung aus, bei der der Ausgangspunkt die Familie ist. So beschreibt sie die Institution Familie als der erste Ort, in dem das Kind Mechanismen sowie Merkmale einer Kultur kennenlernt, welche auch für alle Bereiche der Erklärungstheorien eine wesentliche Rolle einnimmt.

Im familiären Sozialisationsprozess entwickelt das Kind eine ÄGrund- und BasisPersönlichkeit“, welche sich festigt und für den weiteren Lebenslauf Äunveränderbar“ bleibt. Claessens definiert diesen Vorgang als ÄEnkulturation“, während Diefenbach von einem Äkulturellen Erbe“ spricht.4 Beide meinen jedoch die kulturelle Prägung.

Nach Gogolin wird diese kulturelle Prägung (unter Berücksichtigung von der altersentsprechenden motorisch-sprachlichen Entwicklung) als ÄNormalausstattung“ bezeichnet, welche das Kind als Voraussetzung für die kulturelle Mitgliedschaft in der Institution Schule mitbringt.5 Migrantenkinder sind jedoch nicht alle im Besitz dieser ÄNormalausstattung“. Diefenbach u.a.6 belegen in ihren empirischen Befunden bei den Migrantenkindern ein kulturelles ÄAnders-Sein“7, was sich schließlich in der Kommunikation mit den Einheimischen bemerkbar macht und als schulischer Nachteil erfahren wird.

Zudem existieren kulturelle Unterschiede im jeweiligen Herkunftsland. So ermittelten Leenen u.a. eine signifikante traditionelle Bildungshaltung von türkischstammenden Kindern, die bei dem modernen deutschen Bildungssystem keine Anpassung findet, da die Verantwortung und Autorität überwiegend auf die Lehrkräfte projiziert würden. Aus diesen Erkenntnissen wurde eher eine misstrauende Haltung der Migranteneltern gegenüber dem deutschen Bildungssystem festgestellt.8

Die Bildungsfortschritte von Migrantenkindern stehen dann in Abhängigkeit von den familiären Interessen und Wertenormen. Die Schüler würden demnach eigenständig eine ÄSelbstplatzierung“ vornehmen. Doch die Entscheidung zu treffen, ob die institutionellen oder eher die traditionellen Wertenormen der Eltern ausgelebt werden soll, trägt nach Leenen u.a. den Nachteil in sich, dass die Kinder eine Segregation erfahren. Je mehr also diese Kinder sich in einer deutschen Schule integrieren, desto eher befinden sie sich in einem ÄKultur- und Generationskonflikt“. Nach Erikson verursacht dieser dann ein Äunmittelbarer Identitätskonflikt“, da die Betroffenen gezwungenermaßen zwischen zwei Kulturen stehen und es deswegen zu Behinderungen in ihrer Identitätsentwicklung kommt.9

Nach Aussagen von Diefenbach wären solche Bildungsnachteile nur zu beheben, wenn die Migrantenkinder sich individualisieren und eine ÄAkkulturation“ stattfindet, bei der sie innerhalb der Familie ihr gewonnenes Zugehörigkeitsempfinden durchsetzen können beziehungsweise dadurch die kulturellen Defizite bewältigen.10

Allerdings sei das Herkunftsland nicht die absolute Erklärung für kulturelle Defizite. Vielmehr zähle die Variable aus welcher sozialen Schicht die Migrantenkinder aufwachsen. Dabei wären spezifische Differenzen zwischen Arbeiter- und Mittelschicht zu verzeichnen. Diesbezüglich wäre nach Bernstein ein Ärestringierter Sprachcode“ als auffallendes Merkmal der unteren Sozialschicht zu entnehmen. Weitere Konsequenzen für die Arbeiterfamilien wären außerdem, dass sie aufgrund ihrer finanziellen Lage sowie der niedrigen Kenntnisse über Bildungsmöglichkeiten sich wesentlich weniger an informellen Bildungsinstitutionen beteiligen können und dadurch die sozialen Kontakte zu Einheimischen verringern kann.11

Wenn solche Migrantenschüler also nach Erfolg in der Schule streben, geraten sie zweifach in Konfrontation, indem sie nicht nur ihre Kultur quasi rechtfertigen (müssen), sondern sich auch mit den vom Elternhaus mitgegebenen Umgangsformen, Sprachanwendungen sowie Norm- und Wertevorstellungen auseinandersetzen müssen. Wolff erwähnt hierzu den ÄBruch mit dem familiären Sozialisationsprozess“, wenn sich die in der Schule stattfindenden Äkulturellen Standards“ zur Ablösung von familiärer Kultur durchgesetzt haben.12

2.2. Humankapitaltheoretischer Ansatz

Die Theorie des ÄHumankapitals“ meint in der Bildungsökonomie monetäre und nichtmonetäre Erträge, die ein Individuum aufgrund der Investition in Bildung erreichen kann.

[...]


1 Vgl. Ceri, F. (2008), S. 11

2 Vgl. Neumann, U. / Schwaiger, M. In: Matzner, M. (2012), S.212

3 Neumann, U. / Schwaiger, M. In: Matzner, M. (2012), S.212-213 zitiert von Autorengruppe Bildungsberichtserstattung 2010, S.65

4 Vgl. Diefenbach, H. in: Becker, R. / Lauterbach, W. (2010), S. 227 und Ceri, F. (2008), S. 43

5 Diefenbach, H. in: Becker, R. / Lauterbach, W. (2010), S. 227

6 Anmerkung: Abkürzung: und andere

7 Ebd.

8 Vgl. Diefenbach, H. in: Becker, R. / Lauterbach, W. (2010), S. 227 4

9 Vgl. Ceri, F. (2008), S.44

10 Vgl. Diefenbach, H. in: Becker, R. / Lauterbach, W. (2010), S. 228

11 Vgl. Diefenbach, H. in: Becker, R. (2011), S. 456

12 Ebd.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Theoretische Erklärungen von Bildungsnachteilen der Migrantenkinder. Besonderheiten und Bildungsnachteile im Übergangsprozess zur Sekundarstufe I
Hochschule
Hochschule RheinMain
Veranstaltung
Migration
Note
2,0
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V339259
ISBN (eBook)
9783668288669
ISBN (Buch)
9783668288676
Dateigröße
669 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Migration, Diefenbach, Theoretische Erklärungen, Bildungsnachteile, Migrantenkinder, Sekundarstufe 1
Arbeit zitieren
Anonym, 2016, Theoretische Erklärungen von Bildungsnachteilen der Migrantenkinder. Besonderheiten und Bildungsnachteile im Übergangsprozess zur Sekundarstufe I, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339259

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