Religiosität und Geisteskrankheit im Kontext der Gesellschaft und dem Wandel der Zeit


Hausarbeit, 2013

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Geisteskrankheit im Laufe der Geschichte

3 Gesellschaft und Geisteskrankheit

4 Gesund oder krank aus gesellschaftlicher Sicht

5 Conclusio und Ausblick

1 Einleitung

Um den Begriff Geisteskrankheit bestmöglich verstehen zu können, ist es nötig in die Geschichte und Entstehung dieser Konnotation einzutauchen. Hierzu wird diese Arbeit verschiedene Quellen analysieren und versuchen die Entstehung und Form der verschiedenen Paradigmen zum Thema zu klären. Hierbei geht es besonders um die Frage inwieweit sich die Sicht der Gesellschaft auf die Geisteskrankheit verändert hat.

Anhand von Foucaults Werk „Wahnsinn und Gesellschaft“ soll die Entwicklung seiner so genannten Begriffe des „Andersartigen“, „Geisteskranken“ und „Irren“ im Überblick dargestellt werden, um die Veränderungen der verschiedenen Sichtweisen zu veranschaulichen. Mithilfe Bourdieus Werk „Sozialer Sinn“ und insbesondere des Kapitels „Glaube und Leib“ soll dann erklärt werden wie die Gesellschaft Regeln und Normen entwickelt.

Diese Arbeit behandelt die Geschichte der Geisteskrankheit in Europa. Es ist zu beachten, dass sich die so genannte „Geisteskrankheit“ in Europa sowohl geschichtlich als auch im gesellschaftlichen, heutigen Umgang mit psychisch kranken Menschen stark vom Rest der Welt unterscheidet. So werden Menschen mit psychischen Störungen heute in Europa und einigen anderen Ländern nicht als krank oder auch als heilbar angesehen. Trotzdem gibt es in der heutigen Gesellschaft immer noch eine Stigmatisierung psychisch kranker Menschen. So ist die Angst vor dem Umgang mit Betroffenen immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung gegeben. Es bedarf hier jedenfalls noch viel Aufklärungsarbeit in der Auseinandersetzung mit psychisch Kranken. Trotzdem sei gesagt, dass Europa im Umgang mit der Geisteskrankheit im Gegensatz zu vielen anderen Ländern fortschrittlich ist. In Indonesien zum Beispiel, geht es psychisch Kranken heutzutage noch sehr schlecht - sie werden zum Teil angekettet und vergessen (vgl. Kuntz, 2013)

In dieser Arbeit werden die Begriffe „Irre“, „Verrückte“, „Wahnsinnige“ und „Geisteskranke“ verwendet, weil diese so in der verwendeten Literatur zu finden sind.

2 Geisteskrankheit im Laufe der Geschichte

Im Laufe der Geschichte, vom ca. 19. Jahrhundert vor Christi bis zu unserer heutigen Zeit, ändert sich der Gebrauch und die Definition des Begriffes „Geisteskrankheit“ kontinuierlich. Diese Entwicklungen stehen in direkter Korrelation zu gesellschaftlichen, sozialen und politischen Veränderungen ebenso wie zu Fortschritten in der Wissenschaft.

Laut Allen Thiher ist der „Wahnsinn“ seit dem Altertum ein diffus verwendeter Begriff. Im antiken Griechenland galt als Wahnsinniger derjenige, der durch Wut oder Schmerz daran gehindert wurde, seinen Verstand einzusetzen und im Zuge dessen seinen Verstand ausschaltete oder auch von einer göttlichen Macht durch den Wahnsinn befallen wurde. Hierbei gibt es neben dem negativen Wahnsinn auch den positiven, göttlichen Wahnsinn, der zu wahrer Gelehrtheit führt. Platon bezeichnet etwa den Wahn als von Triebhaftigkeit und seelischen Effekten gesteuerten Prozess. (vgl. Gentner, 2007, S. 4f.) Erste medizinische Sichtweisen auf die Geisteskrankheit entstehen im Altertum. Hierbei ist das antike Griechenland als Vorreiter zu bezeichnen. „Ziel der hippokratischen Medizin war es, die Natur im Bemühen um die Erschaffung eines gesunden Geistes in einem gesunden Körper zu unterstützen.“ (Porter, 2005, S. 40). Hippokrates sah Geisteskrankheiten als Folge von Hirnleiden im Gegensatz zu Celsus, der im 1. Jahrhundert nach Chr. den Wahnsinn mit Geisteskrankheit verknüpfte, die im gesamten Körper anwesend war. Er unterteilte die Geisteskrankheit in drei Kategorien. Die erste Kategorie ist mit Fieber verbunden, die zweite ist mit Traurigkeit verbunden, welche durch ein Übermaß an schwarzer Galle ausgelöst wird. Und die dritte Form beinhaltet sowohl Irresein mit Wahnvorstellungen, als auch Wahnvorstellungen mit gesundem Intellekt. Therapeutisch wurden von Celsus der heilsame Schreck in extremen Fällen, der heilsame Schmerz oder heilsame Gespräche angewandt.

Ab dem Mittelalter beginnt sich die Gesellschaft verstärkt mit der Thematik des Wahnsinns und der Geisteskrankheit auseinanderzusetzen. Das Werk „Wahnsinn und Gesellschaft“ des Philosophen Michel Foucault beleuchtet den Wahnsinn und Geisteskrankheiten ab dem Mittelalter. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in dieser Zeit zu einem deutlichen Rückschritt bezüglich der gesellschaftlichen Einstellung zu Geisteskranken kam. Die Leprakrankheit, die im 12. Jahrhundert auftrat, sollte bedeutende Folgen für den Umgang mit Geisteskrankheiten haben. Leprosorien, über ganz Europa verteilt, wurden zu den Vorläufern der späteren Irrenanstalten.

Ab dem 15. Jahrhundert, als sich die Zahl der Leprakranken deutlich verringert, treten an die Stelle dieser die Geschlechtskranken. Zu dieser Zeit werden die Wahnsinnigen oder Irren, die zuvor innerhalb der Gesellschaft lebten, ausgeschlossen und in diesen oben genannten Leprosorien gemeinsam mit Personen, die an Geschlechtskrankheiten litten, untergebracht. Dies hatte laut Foucault zur Folge, dass sich die Geschlechtskrankheiten „neben dem Wahnsinn in einem moralischen Raum des Ausgeschlossenseins“ (Foucault, 1973, S. 24) bewegten. Foucault beschreibt eine Tendenz zum Ausschluss der Irren aus der Gesellschaft. Angst vor Ansteckung war einer der Gründe dafür. Foucault berichtet, dass die Irren verjagt wurden und die Gesellschaft möglichst nichts mit ihnen zu tun haben wollte. Außerdem existierten sogenannte Narrenschiffe, auf denen die Irren ausgesetzt wurden, um wieder zur Vernunft zu gelangen (vgl. Foucault, 1973, S. 25f).

In Deutschland gab es im 15. Jahrhundert zum Teil spezielle Irrenhäuser für Geisteskranke und ungehorsame Kranke. In diesen Irrenhäusern wurden die Irren eingesperrt und ab und zu, zur Belustigung der Gesellschaft und gegen Eintrittsgeld zur Schau gestellt. Diese Praxis war weit verbreitet und sollte an manchen Orten bis ins 19. Jahrhundert überleben (vgl. Foucault, 1973, S. 138).

Der Wahnsinn erlebt in der Renaissance eine Trennung, wodurch sich zwei Aspekte weiterentwickeln:

Einerseits wird der Wahnsinn von der Gesellschaft als Unvernunft charakterisiert. Andererseits kommt dem Irren eine besondere Rolle neben seiner Lächerlichkeit zu. Vor allem in der Literatur, wird er zum Subjekt der Wahrheitsfindung, der in undeutlichen Gesten und Sprachen Zeichen gibt. (vgl. Foucault, 1973, S. 31f)

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass sich bis zum 17. Jahrhundert eine Ambivalenz mit Geisteskranken umzugehen zeigte, indem der „Irrsinn“ ausgeschlossen wurde, aber dennoch berühmte Irre, an denen sich das Publikum gerne belustigte, eine gesellschaftliche Rolle innehatten.

Mitte des 17. Jahrhunderts verändert sich die Sicht auf den Wahnsinnigen, indem in Paris das „Hospital general“ gegründet wird. Foucault beschreibt in seinem Kapitel „Die große Gefangenschaft“ diese Epoche als eine Zeit, in dem der Wahnsinn zum Schweigen gebracht wird (vgl. Foucault, 1973, S. 68). Zu dieser Zeit kommt es zu einer Art sozialer Wahrnehmung des Wahnsinns. Da die Geisteskranken zusammen mit Armen, Bettlern und Kriminellen eingesperrt werden, kurz, mit allen die hinsichtlich der Ordnung, Vernunft und Sitte Anzeichen von Verfall zu erkennen geben, werden die Wahnsinnigen nun vollends aus der Gesellschaft ausgeschlossen.

Diese Entwicklung ist laut Foucault darauf zurückzuführen, dass es immer mehr zu einer Trennung von Vernunft und Unvernunft kommt. Die Internierung von Wahnsinnigen und der Umgang mit ihnen stellt eine Art Bestrafung für die Unvernunft dar. Da die Wahnsinnigen zusammen mit Armen, Bettlern und Kriminellen eingesperrt werden, ist der Wahnsinn mit der Schuld in moralischer, wie auch gesellschaftlicher Hinsicht eine Beziehung eingegangen, die sich so bald nicht lösen lässt. Die Internierung, die viele sozial schwache Menschen trifft, ist auch als eine Antwort auf ökonomische Probleme der damaligen Zeit zu sehen. Personen, die als wahnsinnig angesehen wurden, konnten zu dieser Zeit ohne jegliche ärztliche Begutachtung interniert werden. Auch die Familien der Betroffenen selbst konnten die Einweisung eines Familienmitglieds verlangen. Hier kann man deutlich sehen, dass die Geisteskranken jeglicher Rechte beraubt wurden, und von nun an völlig außerhalb der Gesellschaft angesiedelt waren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Religiosität und Geisteskrankheit im Kontext der Gesellschaft und dem Wandel der Zeit
Note
1
Autor
Jahr
2013
Seiten
18
Katalognummer
V339223
ISBN (eBook)
9783668288690
ISBN (Buch)
9783668288706
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
religiosität, geisteskrankheit, kontext, gesellschaft, wandel, zeit
Arbeit zitieren
Katharina Praniess (Autor:in), 2013, Religiosität und Geisteskrankheit im Kontext der Gesellschaft und dem Wandel der Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339223

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