Geburt einer Denkmethode. Beobachtungen zum Verhältnis von Hölderlin und Hegel bis 1800

Teil 1 : Der freien Wahrheit nur zu leben, Frieden mit der Satzung, / Die Meinung und Empfindung regelt, nie, nie einzugehn


Examensarbeit, 1976

93 Seiten, Note: 1


Leseprobe


2
Inhaltsübersicht
1. Einleitung ... 3
1.1. Die Einleitung von 1976 ... 3
1.2. Die Einleitung von 2010 ... 8
2. Die politische und geistige Situation der Zeit ... 10
3. Jugendzeit ... 14
3.1. Friedrich Hölderlin ... 14
3.2. Georg Wilhelm Friedrich Hegel ... 17
4. Hölderlin und Hegel in Tübingen ... 19
4.1. Das Tübinger Stift. Die Stiftler ... 19
4.2. Vor-Bilder ... 21
4.3. Hölderlin in Tübingen ... 23
4.3.1. Exemplarische Textinterpretation : Tübinger Hymnen (2014) ... 28
4.4. Hegel in Tübingen ... 32
4.5. Gemeinsames. Hen kai pan und Reich Gottes ... 36
5. Die Zwischenzeit (1794 - 1796) ... 38
5.1. Hegel in Bern ... 39
5.1.1. Volksreligion und Christentum (Nohl 30 - 71)
187
... 39
5.1.2. Das Leben Jesu ... 43
5.1.3. Der Briefwechsel Hegel - Schelling ... 44
5.1.4. Die Positivität der christlichen Religion (Nohl 152 - 213 und 233 - 239)
233
... 46
5.2. Hölderlin als Hauslehrer in Waltershausen und Jena ... 49
5.2.1. Hölderlins Lyrik in diesem Zeitraum ... 51
5.2.3. Das Thalia-Fragment ... 54
5.2.4. Hölderlin als Student in Jena (Januar bis Mai 1795) ... 57
5.2.6 Nürtingen 1795. Das erste Frankfurter Jahr 1796 ... 69
5.3. Bilanz der "Zwischenzeit" ... 71
6. Bilanz des 1. Teils dieser Arbeit ... 72
Anmerkungen ... 74

3
Vorbemerkung : Den folgenden Überlegungen liegt meine Examensarbeit aus dem Jahr
1976 zugrunde. Den Ergebnissen dieser Arbeit ist nichts Wesentliches hinzuzufügen, doch
bleiben 35 Jahre nicht ohne Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung des Verfassers.
Meint, ich werde jene Arbeit hier in veränderter Form wiedergeben, bestimmt durch
Straffungen, durch Ergänzungen und Kommentare. Das Literaturverzeichnis wird erweitert.
1. Einleitung
1.1. Die Einleitung von 1976
Eine Arbeit über Hölderlin und Hegel ist immer ein Wagnis, ein Versuch. In dieser Hin-
sicht sind sich die meisten Interpreten der Werke beider einig
1
. Der Grund liegt in dem Frag-
ment-Charakter einiger (bei Hegel : fast aller) Schriften, die es zu untersuchen gilt, und in
ihrer oft "irritierenden Dunkelheit und Verschlossenheit"
2
. Gilt diese Schwierigkeit den
(meist theoretischen) Texten der beiden, so liegt eine weitere Schwierigkeit im Erfassen des
freundschaftlichen Verhältnisses der Autoren, das, wie Hoffmeister formuliert, "immer ein
Mythos" bleiben muss
3
, da wir einfach zu wenig über den persönlichen Umgang und den
konkreten Gedankenaustausch der beiden - insbesondere in der für diese Untersuchung so
wichtigen gemeinsamen Frankfurter Zeit - unterrichtet sind.
Ein Versuch aber sollte, auch wenn er mit Schwierigkeiten verbunden ist, gewagt werden,
solange er notwendig erscheint. Dass ein Vergleich der Werke in ihrer wechselseitigen
Verschränkung für das jeweilige Einzel-Werk notwendig ist, soll diese Arbeit in ihrem
Verlauf nachweisen.
Demjenigen, der sich um das Werk der beiden Freunde bemüht, steht eine umfangreiche
Sekundärliteratur zur Verfügung, doch ist unter den ungezählten Interpretationsversuchen
kein einziger, der das wechselseitige Verhältnis der beiden (im Hinblick auf die Entwicklung
einer Denk-Methode) in umfassender Form untersucht. Zwar gibt es in der Hegel- und in der
Hölderlin-Literatur unübersehbar viele Verweise, doch fehlt bis heute eine gründliche
Aufarbeitung (wenn ich "gründlich" sage, so sind kürzere Arbeiten wie die ganz vorzügliche
von Dieter Henrich
4
davon ausgenommen; doch bietet gerade diese Arbeit Henrichs ein
Beispiel dafür, wie eine solche Untersuchung in ihrer esoterischen Kürze einige
Verständnisschwierigkeiten in sich bergen muss).
Wenn im Folgenden der Stand der Forschung betrachtet wird, so muss das aus genanntem
Grund für Hölderlin und Hegel getrennt geschehen. Dabei bietet die Hölderlin-Literatur ein

4
farbenfroheres Bild als die Hegel betreffende, zumindest seit Pierre Bertaux dem Hölderlin-
Bild, das nach ihm in "lieblicher Bläue blühet" und dem seiner Meinung nach das Rote fehle,
eben diese Farbe hinzugefügt hat
5
. Dass Bertaux dabei überbetont, das sollte bei aller Dank-
barkeit seinem Neuansatz gegenüber angemerkt werden.
Es erscheint unmöglich, einen Überblick über die Hölderlin-Rezeption zu geben, der der
vorhandenen extremen Meinungsbreite auch nur annähernd gerecht wird. Doch müssen jene
Interpretationsansätze aufgezeigt werden, von denen sich die vorliegende Arbeit am
schärfsten distanziert. Es sind damit zunächst alle jene Arbeiten gemeint, die den Dichter
"zum raunenden Auguren"
6
stilisieren und die in ihm den überzeitlichen "Seher" zu erkennen
glauben
7
, den sie als den "unglückliche(n) Hölderlin"
8
in das "Mausoleum deutscher
Geistesgeschichte"
9
gesperrt haben. Diese Interpreten bekennen sich in der Regel zur
werkimmanenten Methode : "Nie wird der je einen Dichter wirklich fassen, der ihn nicht
liest, als kenne er von ihm nichts als seine Werke."
10
Zugleich warnen sie vor der
historischen Methode, die die Gefahr mit sich bringe, "dass aus der einsamen Gestalt des
Seher-Dichters so etwas wie ein Ausdruck der geistigen Zeitsituation überhaupt würde".
11
Gerade diesen Bezug zur
Zeitsituation aber will diese Arbeit herstellen; sie will sich der Forderung Ryans anschließen,
Hölderlin in seine Zeit zurückzuholen.
12
Dabei wird ein Verständnis Hölderlins als eines über
aller Zeit stehenden Dichters (der, wie Guardini fordert, gefragt werden soll : "Seher, du
forderst Glaube - was habe ich zu glauben"
13
) ebenso abgelehnt werden wie die von Gundolf
vertretene Ansicht
14
, dass Hölderlin als Seher in die Welt gesandt sei. Im Gegenteil wird es
eine der Thesen dieser Arbeit sein, dass Hölderlin sich selbst zum Dienst an Höherem
verpflichtet hat. (Die oben erwähnte "Einsamkeit" des Dichters wird sich als konsequente
Folge seiner Selbst-Bestimmung erweisen.)
Abgrenzen muss sich diese Arbeit von ihrem Ansatz her auch von allen Versuchen, in
Hölderlin den völlig unpolitischen Idylliker zu sehen, welche Ansicht - von wenigen mutigen
Ausnahmen abgesehen - die vorherrschende des 19. Jahrhunderts war : "Als Adler hat er sich
gefühlt, als Lerche hat ihn das 19. Jahrhundert ins Nest der Idylle gesteckt."
15
Die Forderung, Hölderlin in seine Zeit zurückzuholen, muss sich, wenn die Glaubhaftigkeit
nicht leiden soll, vor extremen, nicht haltbaren Auffassungen hüten. Mit diesem Hinweis sind
nicht nur die von eigenem Interpreten-Wollen geleiteten Fehlzuordnungen angesprochen, die
in Hölderlin einen Klassenkämpfer oder in der von ihm postulierten Harmonie der Geister
eine Parallele zur "marxistisch-leninistischen Partei, die die entscheidende Kraft der
proletarischen Revolution darstellt"
16
, sehen, sondern dieser Hinweis geht auf "methodisch
bedenk- liche Kategorien"
17
, von denen beispielsweise auch Pierre Bertaux nicht frei ist.

5
Bertaux stellt in seinem zweifelsohne für die Hölderlin-Forschung ungemein wichtigen,
1966 veröffentlichten Aufsatz "Hölderlin und die Französische Revolution"
18
die These auf,
dass des Dichters Begeisterung "dem Ideal der Jakobiner" gegolten habe, genauer gesagt,
dass seine "Gesinnung derjenigen der Girondisten" entsprochen habe
19
. Sieht man davon ab,
dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts jeder schon als ein Jakobiner gegolten hat, der, wie
Kant es formuliert, "seine Ideen über die Französische Revolution frei bekennt"
20
, und wendet
man bewusst historisch eng umgrenzte Kategorien an, so darf man es nicht dem Dichter
zuschreiben, wenn diese Kategorien seinem Denken nicht überall angemessen erscheinen
21
.
Wie aus Hölderlins Briefen hervorgeht, sympathisiert er gewiss mit Ansichten der
Girondisten, doch ist es voreilig, ihn aus diesen eher beiläufig formulierten
Sympathiebekundungen heraus auf eine bestimmte Partei festlegen zu wollen.
Diese Arbeit geht von der These aus, dass Hölderlin (wie auch) Hegel die Ereignisse in
Frankreich stets mit Interesse verfolgt hat (beide waren über Zeitschriften und briefliche
Nach-richten aus Paris gut informiert), dass die entscheidende Wirkung durch die Revolution
auf ihn (wie auf Hegel) aber weder von vereinzelten Ereignissen noch von den Forderungen
der Parteien ausging, sondern von der Tatsache der Revolution an sich als der Umwälzung
alles Bestehenden.
Kann man bei der eben beschriebenen Übereiltheit Bertauxs noch beide Augen zudrücken,
da er gerade durch diese Entschiedenheit eine wesentlich andere Hinsicht auf Hölderlin
ermöglicht hat, so ist in anderer Hinsicht zu warnen vor seinem "ungehemmten
Wunschdenken"
22
, wenn er z.B. die dunkle Sprache Hegels, besonders in dessen Gedicht
Eleusis, eine "Geheimsprache"
23
nennt und wenn er Hölderlin schließlich in einem Aufsatz
von 1973
24
nicht nur als "Jakobiner" bezeichnet, sondern "darüber hinaus" als "'Neo-
Jakobiner' (wie man 1796 sagte), auf dem Wege zum Sozialismus"
25
.
Von ähnlicher Bedeutung für die Hölderlin-Forschung wie die neue Sichtweise Bertauxs
ist die Erstveröffentlichung des Fragments über Urtheil und Seyn im Jahr 1961 und die damit
verbundene Analyse dieses Textes durch Dieter Henrich
26
, der darlegt, dass dieses Fragment
Hölderlins die Geschichte des Deutschen Idealismus insofern neu schreibt, als es Hölderlins
frühe Aufhebung der gedanklichen Position Fichtes nahelegt und damit aufzeigt, dass Hegel
erst über diese Auseinandersetzung seines Freundes mit Fichte zur Entwicklung eines eigenen
Systems kommen wird. Der Arbeit Dieter Henrichs schließt sich die ebenso überzeugende
Untersuchung Hannelore Hegels an
27
, die sich vornehmlich die Aufgabe gestellt hat, Sinclairs
Theorie zu erarbeiten, die sich aber in diesem Zusammenhang auch mit Hegel und Hölderlin
befasst hat. Auf den Ergebnissen beider Arbeiten baut die vorliegende Untersuchung u.a. auf.

6
Die Literatur zu Hegel, soweit sie sich auf seine theologischen Jugendschriften bezieht, ist
leichter zu überblicken. Grundlegend sind hier immer noch zwei ältere Arbeiten : zum einen
Theodor Haerings "Hegel. Sein Wollen und sein Werk"
28
von 1929 und zum anderen die 1948
erschienene Arbeit "Der junge Hegel" von Georg Lukács
29
. Haering nimmt den Philosophen
'beim Wort' - eine Vorgehensweise, die, was sie an Lebendigkeit der Darstellung verliert,
durch ein präzises Erfassen eines jeden Hegelschen Gedankenganges gewinnt. Auszusetzen
an dieser Arbeit ist die Grundeinstellung, mit der der Autor an die Person und an das Werk
Hegels geht : Er sieht in ihm nicht den Republikaner Hegel, der sich den Zeitereignissen
öffnet, sondern den vollkommen unrevolutionären, ganz reformerisch eingestellten, duld-
samen Pädagogen. Diese Ansicht soll durch die vorliegende Untersuchung relativiert wer-
den.
Ganz anders Lukács, der Hegels Werk auf dessen sozialistische "Perspektive" hin
untersucht. Er wird auf diese Weise - trotz des wiederholten Abtuns Hegelscher Gedanken
als idealistische Verirrung - der politischen Einstellung Hegels gerechter als Haering. Beide
Arbeiten können, da sie o.e. Blatt Hölderlins über Urtheil und Seyn nicht kennen, dessen
Einfluss auf Hegels gedankliche Entwicklung nicht in ihre Darstellungen einbeziehen. Das
wird von jüngeren Arbeiten (so z.B. in der von Dinkel
30
) - wenn auch nur ansatzweise -
nachgeholt.
Soll ein Fazit hinsichtlich der Themenstellung dieser Arbeit aus der Auseinandersetzung
mit der Sekundärliteratur gezogen werden, so ist zu betonen, dass zum einen eine Lücke
besteht im Hinblick auf eine Darstellung, die die wechselseitige geistige Entwicklung der
Freunde erfasst, dass zum anderen eine Darstellung fehlt, die die Übernahme der Gedanken
Hölderlins durch Hegel als eine zentrale Stufe in der Entwicklung Hegels zu seinem System
begreift. Die vorliegende Arbeit soll - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - ein Versuch sein,
diese Lücke zu verringern.
Aus der bisher Gesagten ist die Aufgabe der Arbeit klargeworden : Die Behauptung, dass
Hölderlin und Hegel sich in ihrer Entwicklung zu einer neuen Denkmethode hin wechselseitig
gefordert und gefördert haben (wobei der unruhige Geist Hölderlins innovativer und
unnachgiebiger in der Suche nach dem richtigen Weg ist, während Hegel in seiner Ruhe und
Bedächtigkeit das Material auf- und ausarbeitet), soll am Werk beider kritisch überprüft
werden. So verlockend es ist, sich dabei detailverliebt am Wort zu orientieren, muss aus
verständlichen Gründen (im Hinblick auf den Umfang der Untersuchung) am exemplarischen
Text gearbeitet werden.

7
Bei ihrer Untersuchung wird die Arbeit historisch-biographisch vorgehen, d.h. sie wird, um
die Entwicklung der beiden als Ent-Wicklung zu fassen, der Chronologie der Werke und
Wege folgen. Vermieden werden soll auf diese Weise der Nachteil der Unübersichtlichkeit
anderer Methoden, die der Chronologie nicht gerecht werden, eine Unübersichtlichkeit, die
aus der Nichtbeachtung des Faktums herrührt, dass erst die Auf- u n d Auseinanderfolge der
verschiedenen Stufen einer Entwicklung das Resultat verständlich machen kann.
Die einzelnen Stufen der Wege Hölderlins und Hegels stehen also zur Untersuchung, und
aus diesem Grunde werden die Kapitel dieser Arbeit auch zeitlichen Abschnitten, die jeweils
mit einem Ortswechsel verbunden sind, entsprechen. Ich bin mir dessen bewusst, dass man
nicht von dem Gedanken ausgehen darf, dass mit einem Ortswechsel auch ein Wechsel der
Anschauungen einhergeht oder dass ein Wechsel der Anschauungen eines Ortswechsels
bedarf, doch lag es nahe, diese zeitliche Gliederung vorzunehmen, um Fixpunkte eines
Vergleichs der jeweiligen Stand-Punkte zu gewinnen. Dabei bestimmen sich die einzelnen
Ab-schnitte aus dem alternierenden Rhythmus von Zusammentreffen und Trennung der
Freunde.
Auf den jeweiligen Stufen sind auf dem Hintergrund des Zeitgeschehens und der
biographischen Daten die einzelnen Werke Hölderlins und Hegels in einer für die
Themenstellung der Arbeit relevanten Form darzustellen und in einen zusammenfassenden
Vergleich zu bringen. Im Schlusskapitel der Arbeit werden die Ergebnisse der untersuchten
Stufen zusammengefasst zu einem grund-legenden Vergleich der beiden zu untersuchenden
Werke.
Die Notwendigkeit, auf die jeweilige Zeitsituation einzugehen, liegt in d e r These der
Arbeit begründet, die beide, Hölderlin und Hegel, als ,,Söhne ihrer Zeit" sieht. Was Hegel
später von der Philosophie sagt (Was das Individuum betrifft, so ist ohnehin jedes ein Sohn
seiner Zeit; so ist auch die Philosophie ihre Zeit in Gedanken erfasst
31
), das gilt auch für
seine Arbeit vor 1806 und auch für die Dichtung Hölderlins, wie diese Arbeit zeigen wird.
Aus dem Ereignis der Französischen Revolution und ihren unmittelbaren Folgen leiten beide
die Erfahrung ab, dass ihre Epoche eine solche der Umwälzungen ist, auf politischem und
auch auf geistigem Gebiet (hier wird die Philosophie Kants eine Rolle spielen). An der
geistigen Revolution wollen beide teilnehmen. Dabei ist aber zu betonen, dass der Anstoß, der
von der Revolution ausgeht, nicht ein derartiger ist, dass jede Änderung innerhalb der
revolutionären Bewegung auf die Freunde eine grundlegende Einwirkung gehabt habe,
sondern der Anstoß ist ein grundsätzlicher, einmaliger, der allein die Möglichkeit der
Veränderbarkeit vor Augen führt. Erst von der Terrorwelle der Jakobiner und vom Scheitern

8
der Bemühungen um eine Übertragung der Revolution auf deutsches Gebiet werden Hegel
und vor allem Hölderlin wieder stärker berührt werden.
Aus der Rückschau beschreibt Hegel die Zeit-Situation seiner Jugend, da politische und
geistige Tat sich zum Zwecke der Befreiung des Menschen aus jeder Form der Knechtschaft
verbanden : Solange die Sonne am Firmamente steht und die Planeten um sie herumkreisen,
war das nicht gesehen worden, daß der Mensch sich auf den Kopf, d.i. auf den Gedanken
stellt und die Wirklichkeit nach diesem erbaut. (...) Es war dieses somit ein herrlicher
Sonnenaufgang. Alle denkenden Wesen haben diese Epoche mitgefeiert. Eine erhabene
Rührung hat in jener Zeit geherrscht, ein Enthusiasmus des Geistes hat die Welt
durchschauert, als sei es zur wirklichen Versöhnung des Göttlichen mit der Welt nun erst
gekommen.
32
Ein Letztes muss noch gesagt werden : Eine korrekte Darstellung verlangt eine nüchterne
Betrachtungsweise, d.h. eine am persönlichen ,Schicksal` der beobachteten Personen
teilnahmslose. Das mag im Falle Hegels leichter fallen als bei Hölderlin, dem bekanntesten
,,Verrücken der Deutschen", doch ist es in beiden Fällen gleich notwendig. Das ,Schicksal`
des Poeten hat einige Interpreten einen Übermenschen in ihm sehen lassen. Um jede
Glorifizierung zu vermeiden, wird in dieser Arbeit versucht, das Leben Hölderlins -
entsprechend den Ansichten Martin Walsers und des Psychologen Stierlin
33
- als Produkt des
übermäßi- gen Anspruches zu sehen, den der Dichter an sich selbst stellt und von dem er
glaubt, dass er von der Umwelt an ihn gestellt werde.
Es darf abschließend noch einmal an die Haupt-These der Arbeit erinnert werden :
Hölderlin und Hegel haben vor 1800 in einem engen geistigen Gedankenaustausch gestanden,
woraus wechselseitige Beeinflussungen entstanden, die an den Resultaten ihrer Werke
nachweisbar sind; innerhalb dieses Gedankenaustausches hat Hegel mehr von Hölderlin
profitiert als umgekehrt.
1.2. Die Einleitung von 2010
Interpretationen verraten Stand-Punkte. Im Jahre 1976 gehört es zum guten Ton, eine
Eingliederung in den historischen Kontext vorzunehmen, wenn möglich unterstützt durch
einen Blick auf die ,,sozio-ökonomischen Bedingungen". Das deutet hin auf das Befragen der
Texte nach ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung (mit der Möglichkeit, diese Erkenntnisse

9
für die eigene Zeit fruchtbar machen zu können). An dieser Perspektive will auch die
Korrektur 2010 der vorliegenden Arbeit nicht rütteln, doch gibt es Akzentverschiebungen.
Literarische und philosophische Texte sind orientiert am Verstehen des Bestehenden,
folgend an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Bestehenden, folgend an einem
Entwurf des Noch-Nicht. Hegels System macht da keine Ausnahme, wenn wir den schlauen
Anmerkungen Heines folgen, der seinen Lesern verraten hat, dass es Hegel weniger um die
Beschreibung des Seins als um Forderungen des Sein-Sollens gehe. Sein-Sollendes, wird es in
Vor-Stellungen fixiert, trägt die Chancen, aber auch die Probleme utopischen Denkens. Man
mag es bedauern, dass es die Zeit der Utopien nicht mehr ist - in den Siebziger Jahren war die
Orientierung auf sie hin gang und gäbe.
Man muss nicht unbedingt bei Foucault in die Lehre gegangen sein, um dessen Suche nach
einem ,,vagabundierenden Denken"
34
zu teilen. Dieses ist offenes Denken und teilt mit dem
hermeneutischen Denken die Kunst des Zuhören-Könnens und des Zuhören-Wollens.
Zugleich lässt es sich mit der Theorie vom ,,unendlichen Text" verbinden
35
, die einen Text als
prinzipiell unabgeschlossen und in jeder Rezeption neu entstehen bzw. sich verändern sieht.
Einem solchen offenen Denken ist die o.a. ,,historisch-biographische Methode"
willkommener Baustein, aber nicht einzige Ausrichtung. Wer sich ihr unterwirft, ist stets in
der Gefahr, den Text durch von außen kommenden Faktoren in eine ,,Schublade"
36
zu
stecken. Hört man andererseits auf den Text selbst, wird die oben als problematisch
angesehene werkimmanente Methode in eigenartiger Weise rehabilitiert. Sie soll jeweils
conditio sine qua non sein, Grundlage für die anderen Perspektiven des Interpretierens. Und
es soll um den Mut gehen, die Autoren neu zu lesen, subjektiv zu lesen, ohne gegen die
,,objektiven" Vorgaben (was immer man darunter sich vorzustellen hat) zu verstoßen.
Es versteht sich von selbst, dass einem solchen Interpretationsansatz Widersprüche oder
Ergänzungen von anderer Seite willkommen sind. Schillers philosophischer Kopf lässt
grüßen. Das gemeinsame ,,Lesen im Text der Welt" verspricht ein lustvolles Unterfangen. Ein
technisches Problem stellt es in der oft als geist-los gescholtenen Jetzt-Zeit nicht mehr dar.
Die These der Arbeit von 1976 wird in unveränderter Überzeugung ihrer inhaltlichen
Richtigkeit übernommen. Eine perspektivische Verschiebung erscheint allerdings im Hinblick
auf den Beobachtungszeitraum angebracht : Hegels Entwicklung ist erst abgeschlossen durch
seine philosophischen Bemühungen in Jena mit der Veröffentlichung der Phänomenologie.

10
2. Die politische und geistige Situation der Zeit
Am 14. Juli 1789 stürmt das Volk von Paris die Bastille. Die Feststellung des Königs
Ludwig XIV : ,,C'est une révolte" wird von Graf Liancourt korrigiert : ,,Non, Sire, c'est une
révolution".
37
Der Graf sollte recht behalten : Der Aufstand des Volkes ist kein
unbedeutender Aufruhr, den man mit Waffengewalt hätte niederschlagen können und der bald
vergessen worden wäre. Er ist vielmehr der Auslöser einer Bewegung, die schließlich ganz
Mitteleuropa ergreift, und es gibt nicht wenige Historiker, die das Datum 1789 als Beginn
eines neuen Zeitalters ansehen, als eines ,,europäischen oder weltgeschichtlichen
Revolutionszeitalters"
38
.
Was bedeutet der Terminus ,,Revolution" ? Seit der ,,Glorious Revolution" von 1688 dient
dieses aus dem Bereich der Astronomie entlehnte Fachwort
39
zur Bezeichnung von
,,Umwälzungen", von Veränderungen auf politischem, aber auch auf geistigem Gebiet.
Wichtig ist, dass man unter diesen ,,Revolutionen" zunächst nur einmalige, bereits vollzogene
Änderungen versteht, nicht aber die verändernde Bewegung selbst. Diese Auffassung ändert
sich mit dem Verlauf der Ereignisse von 1789 : Zum einen wird der Begriff ,,Revolution" zu
einem Programmwort, das auf eine von den Volksmassen herbeigeführte Veränderung zielt
(damit erfasst der Begriff jetzt nicht eine bereits erfolgte Umwälzung, sondern die
revolutionäre Bewegung und ihre Beweger, die ,,Revolutionäre", selbst); zum anderen
versteht man unter dem Begriff nicht mehr die Kennzeichnung eines singulären Ereignisses :
Der Fortgang des Geschehens ist konfliktreich; man muss sich daran gewöhnen, von einer
,,Zeit der Revo-lution"
40
zu sprechen, von einem Zeitraum, der sich bis auf das Jahr 1848
erstreckt.
Die Ereignisse des Jahres 1848 können uns als Beweis für die weitreichenden Folgen der
Revolution von 1789 dienen, denn um die Zeit kurz vor der Jahrhundertmitte des 19.
Jahrhunderts gibt es revolutionäre Bewegungen in allen großen europäischen Staaten mit
Ausnahme von England und Russland. Das Interesse dieser Arbeit gilt aber der Wirkung der
französischen Begebenheiten zu Beginn der neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts.
Zu dieser Zeit kann von einem wirksamen Einfluss der Ereignisse Frankreichs auf die
politischen Verhältnisse in Deutschland noch nicht die Rede sein. Dazu ist das Deutsche
Reich, das nie eine echte Einheit gebildet hat, in sich zu sehr in kleine und kleinste territoriale
Herrschaften aufgespalten. Auch gibt es keine Stadt im Reich, die einen ähnlichen
Mittelpunkt hätte bilden können wie etwa Paris auf französischer Seite, so dass eine mögliche
Revolution eines geographischen Zentrums hätte entbehren müssen, von dem aus sie sich
hätte ausbreiten können. Und doch : auch die Deutschen spüren die Zeichen der Zeit, auch sie

11
hoffen auf künftige Veränderungen. Noch fehlt allerdings die Basis für eine einheitliche,
tatkräftige Veränderung durch das gesamte deutsche Volk, ja, es fehlt auch eine für die
Veränderung notwendige diskutierende Öffentlichkeit, so dass die an einer auch politischen
Veränderung zunächst durchaus interessierte Intelligenz den Weg zur Freiheit nur über den
Umweg einer Revolution des Bewusstseins sieht. Das Ergebnis dieser geistigen Revolution
zeigt sich in einer Aufeinanderfolge von literarischen Bewegungen und philosophischen
Systemen, wie sie in dieser Brillanz und zeitlichen Konzentration in der Welt einmalig
dasteht.
41
Hinsichtlich dieses Rückzugs in die Innerlichkeit ist von einer ,,resignativen Kompensation
(...) angesichts der realen politischen Verhältnisse"
42
gesprochen worden, und die
Revolutionäre der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts haben - selbst zur politischen Tat
bereit - für den Weg ihrer geistigen Väter durch die Theorie und durch den Weg der
Änderung des Bewusstseins zur Freiheit nur Spott übrig : ,,Wir aber besitzen im Luftreich
des Traums / Die Herrschaft unbestritten. / Hier üben wir die Hegemonie, / Hier sind wir
unzerstückelt, / Die anderen Völker haben sich / Auf platter Erde entwickelt" dichtet Heinrich
Heine 1844 über sein deutsches Vaterland; und der junge Marx tut 1842 die Kantische
Philosophie ab als ,,die deutsche Theorie der Französischen Revolution".
43
Gerade aber die Kantische Philosophie ist es, die den jungen deutschen Revolutionären als
Ansporn und Vorbild dient. Kants Vorbildlichkeit liegt gewiss nicht in seiner Stellungnahme
zu den Verhältnissen in Frankreich
44
, sondern sie liegt in seinem philosophischen Kampf
gegen die Denkmethoden der herkömmlichen Metaphysik und seiner aus diesem Kampf
resultierenden Bestimmung des Menschen als eines sittlichen autonomen Wesens mit einer
diesem Wesen entsprechenden Würde.
Fasst man das Ereignis der Französischen Revolution als einen Bruch mit der Geschichte
der Unfreiheit auf, so sieht man analog dazu die Kantische Philosophie als Bruch mit der
traditionellen Denkweise, welche das ihre dazu beigetragen hat, den Menschen in der
Knechtschaft zu halten. Aber auch der Weg der Kantischen Philosophie erweist sich als nicht
ausreichender Bruch mit Vergangenem, denn sie hat auf ihrem kritischen Wege
Antagonismen aufgestellt und - indem sie sich nicht imstande sieht, sie zu überwinden -
diese ein für alle- mal fixiert. Dadurch, dass sie das ihr zeitgenössische Bewusstsein mit der
Vorstellung entzweiender Verstandesgegensätze konfrontiert (wie etwa mit den Gegensätzen
von sensibler und intelligibler Welt und der Behauptung, der Mensch sei ein Bürger zweier
Welten), trägt die Philosophie Kants mit dazu bei, ,,dass das kulturelle Leben des Menschen
in vielfacher Hinsicht entzweit wurde"
45
.

12
Wie stark das Bewusstsein der entzweienden Widersprüchlichkeit des Lebens in jenen
Tagen ist, sollen zwei Text-Beispiele belegen. Hölderlin schreibt am 10. Januar 1797 an
seinen Freund Ebel : Altes und Neues ! Kultur und Roheit ! Bosheit und Leidenschaft !
Egoismus im Schafspelz, Egoismus in der Wolfshaut ! Aberglauben und Unglauben !
Knechtschaft und Despotism ! Unvernünftige Klugheit, unkluge Vernunft ! Geistlose
Empfindung, empfindungsloser Geist ! Geschichte, Erfahrung, Herkommen ohne Philosophie,
Philosophie ohne Erfahrung ! (...) Man könnte die Litanei von Sonnenaufgang bis um
Mitternacht fortsetzen und hätte kaum ein Tausendteil des menschlichen Chaos genannt.
46
Und seinen Hyperion lässt er gegen Ende des Romans in der Scheltrede an die Deutschen
sagen : Ich kann kein Volk mir denken, das zerrissner wäre, wie die Deutschen, und er
vergleicht das deutsche Volk mit einem Schlachtfeld, wo Hände und Arme und alle Glieder
zerstückelt untereinanderliegen, indessen das vergossne Lebensblut im Sande zerrinnt.
47
Ein zweites Beispiel kann dem sechsten Brief Schillers Über die ästhetische Erziehung des
Menschen in einer Reihe von Briefen entnommen werden. Schiller beschreibt hier die
Entstehung des gegenwärtigen Zustandes des Staates : Auseinandergerissen wurden jetzt der
Staat und die Kirche, die Gesetze und die Sitten; der Genuss wurde von der Arbeit, das Mittel
vom Zweck, die Anstrengung von der Belohnung geschieden. Ewig nur an ein einzelnes
kleines Bruchstück des Ganzen gefesselt, bildet sich der Mensch selbst nur als Bruchstück
aus.
48
Das Bestreben der deutschen ,,Revolutionäre des Geistes" geht denn auch in den neunziger
Jahren dahin, der Kantischen Philosophie ein alle Antagonismen umgreifendes Einheits-
Prinzip zugrunde zu legen, ein Bestreben, dem Kant von seinem Ansatz her seinen Segen
verweigern muss. Den weitgehendsten Versuch einer einheitsstiftenden Philosophie wird
Hegel in seinem Spätwerk unternehmen, dessen Vorbote sozusagen die 1807 erscheinende
Phänomenologie des Geistes ist, innerhalb derer die Kantische Reflexionsphilosophie - wie
jede andere Philosophie vor Hegels System - einem natürlichen Bewusstsein zugeschrieben
wird, welches 'natürliche' noch kein wahrhaft philosophisches, noch kein 'wissenschaftliches'
Bewusstsein ist.
49
Erst seine Phänomenologie - so meint Hegel - vermag den Entwicklungs-
gang des natürlichen Bewusstseins zum wissenschaftlichen aufzuzeigen, und dieses Aufzei-
gen ist für Hegel eine zeitgeschichtliche Not-Wendigkeit, denn für ihn ist es an der Zeit, dass
die Philosophie ihren Namen der bloßen ,,Liebe zum Wissen" ablege und wirkliches Wissen
werde.
50
Die vorliegende Arbeit wird sich in ihrem Verlaufe auch mit den ersten Ansätzen zu einer
Vereinigungsphilosophie in der Überwindung der Kantischen Philosophie zu beschäftigen

13
haben.
51
Für die Jahre nach 1790 ist aber zunächst einmal die Vorbildlichkeit Kants zu
betonen, die in dem Bestreben liegt, sich der Lasten und der Unterdrückungsmechanismen der
Tradition (soweit sie das Bewusstsein betreffen) zu entledigen.
Erwähnt werden muss noch der Stellenwert, den der Begriff der ,,Religion" in jener Zeit
hat. Einige der Interpreten der Texte Hölderlins und Hegels scheinen sich zu wundern, dass
diese sich in so herausragender Weise mit dem Religionsproblem auseinandersetzen. Die
Beschäftigung aber gerade mit dem Phänomen ,,Religion" darf nicht verwundern, bedenkt
man, dass Hölderlin und Hegel in Tübingen eine theologische Ausbildung durchlaufen haben
und für die Theologenlaufbahn vorgesehen waren. Zum anderen ist auf eben den allgemein
hohen Stellenwert religiöser Fragen in der aktuellen Diskussion ihrer Zeit zu verweisen. Als
Beispiele dafür mögen die ,,réligion civile" Rousseaus und die Vorstellung einer ,,neuen
Religion" innerhalb der Bewegung der Französischen Revolution dienen.
Die ,,réligion civile" Rousseaus ist eine von ihm geforderte allgemeine bürgerliche
Religion, die die Struktur des republikanischen Staates stärken soll, indem sie den Bürger
dazu anleitet, die Aufgaben, die im von Staat zugewiesen werden, zu erfüllen. Dabei sei es
wichtig, ,,dass jeder eine Religion hat, die ihn seine Pflicht lieben lässt".
52
Zu diesem Zweck
sollen die von der Religion aufgestellten Dogmen, um verstanden und eingehalten werden zu
können, einfach und gering an Zahl sein.
Robespierre, der Führer der Revolution, ist ein Anhänger der Gedanken Rousseaus und
somit auch Deist wie dieser. Ihm ist die Entstehung eines Dekrets zuzuschreiben, das am 7.
Mai 1794 verabschiedet wird und das in einem ersten Artikel verkündet, dass ,,das
französische Volk die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele anerkennt".
53
In den
Jahren zuvor hat man bereits die ,,neue Religion" verkündet, die sich gegen das überlieferte
Christentum gewandt hat. Schon die Säkularisierung der Zeitmessung durch die Änderung des
Kalenders ist ein Schlag gegen die traditionelle Auffassung der Kirche gewesen; mit der Zeit
hat man sich vollkommen von der Kirche gelöst, hat aber, da sich der überwiegende Teil des
Volkes einen Staat ohne religiösen Kult nicht hat vorstellen können, den revolutionären Kult
des Vaterlandes und der Vernunft beibehalten. Gehäuft ist es zu einer Umwandlung von
Kirchen in ,,Tempel der Vernunft" gekommen. Dieser ,,culte de la raison" bleibt solange in
Geltung, bis - wie oben geschildert - eben jener Robespierre den atheistischen Kult der
Vernunft in einen deistischen ,,Kult des Höchsten Wesens" verwandelt.
54
Lukács weist darauf
hin, dass diese Handlung Robespierres eine nicht primär religiöse, sondern eine politische
gewesen sei : Er habe sich - zum Zweck der Sicherung und der Weiterführung der Religion -
eine breite Basis in den Anschauungen des Volkes zu schaffen versucht als eine Art

14
Gegengewicht gegen die traditionelle, konterrevolutionäre Kirche und gegen die von Seiten
der Bourgeoisie ausgehende Korruption.
55
Die Gedanken Rousseaus (und später Robespierres), mit religiösen Mitteln weltliche
Macht zu untermauern, sind Hölderlin und Hegel in der Zeit ihrer Studien nicht verborgen
geblieben. Beide haben sich - schon in der gemeinsamen Tübinger Zeit - mit der korrupten
Verbindung von Despotismus und kirchlichem Dogmatismus auseinandergesetzt zugunsten
einer freien Religion eines freien Volkes.
3. Jugendzeit
3.1. Friedrich Hölderlin
Johann Christian Friedrich Hölderlin wird am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar als
Sohn des dortigen Klosterhofmeisters geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters (1772)
heiratet die Mutter 1774 Gock, den Bürgermeister von Nürtingen, wohin die Familie
übersiedelt. Doch auch dieser Ehe ist keine Dauer beschieden; Gock stirbt 1779. Das bedeutet
: Hölderlin wächst in den entscheidenden Jahren seiner jugendlichen Entwicklung ohne Vater
auf, eine Tatsache, die für Hölderlins ganzes weiteres Leben nicht ohne Folgen bleiben soll,
denn seine Erziehung wird nunmehr Sache der Mutter und der Großmutter.
Die Mutter bildet also - zumindest in den bewussteren Jahren der Jugend Hölderlins -
seinen Beziehungspol, und diese Beziehung zur Mutter wird mit all ihren
Auseinandersetzungen um Lebensführung und Berufswahl einen steten Schatten auf des
Dichters Leben werfen.
Johanna Christiane Hölderlins Weltbild ist geprägt von einer tiefen Frömmigkeit, die in der
Tradition des schwäbischen Pietismus wurzelt. Ihre hervorragenden Charaktereigenschaften
sind schweigsam-braves und dabei doch empfindsames Menschentum und Pflichtenstrenge.
Letztere legt sie auch als Maßstab an Hölderlins Leben. Die Frömmigkeit dieser Frau leidet
nicht unter dem frühen Tod ihrer beiden Männer, und so darf es bei einer so gefestigten
Gläubigkeit auch nicht verwundern, dass sie ihre Hoffnung darein setzt, dass ihr Sohn
Theologe, ein Verkünder von Gottes Wort werden soll.
56
Hölderlin folgt dem Wunsch der Mutter und geht den Ausbildungsweg eines zur Theologie
bestimmten Schülers, wie er für Württemberg vorgeschrieben ist in jener Zeit : Die Schüler
kommen nach der Absolvierung einer ländlichen Lateinschule oder der Unterstufe eines
Gymnasiums als Zöglinge in Klosterschulen, und das für die Zeit von vier Jahren, nach denen

15
sie an das Stift in Tübingen überstellt werden. Statt dieser Klosterschulen kann auch die
Oberstufe eines Gymnasiums durchlaufen werden, wie das Beispiel Hegels zeigen wird.
Von 1776 bis 1784 besucht Hölderlin die Lateinschule, unterstützt durch Privatunterricht
bei dem angesehenen schwäbischen Theologen Nathanael Köstlin, der - neben der Mutter -
den nachhaltigsten Einfluss auf Hölderlins pietistische Erziehung ausübt.
57
Vom Herbst 1784 bis zum Herbst 1786 besucht Hölderlin die niedere Klosterschule
Denkendorf (die einzige neben Blaubeuren, nur 7 km von Nürtingen entfernt). Es wird über
diese Schule wie auch über die in Maulbronn, die Hölderlin als höhere Klosterschule von
1786 bis 1788 besucht (die Alternative wäre Bebenhausen gewesen, wo Schelling seinen
ersten Unterricht erhält), nicht gerade positiv geurteilt : von ,,Mönchsknechtschaft" wird
gesprochen
58
, und dieses Urteil wird nachdrücklich belegt durch eine Schilderung Magenaus
(eines nachmaligen Freundes Hölderlins in Tübingen) über den Charakter des damals
siebzigjährigen Vorstehers Propst Erbe : ,,Geiz (...), Heimtückigkeit und Unverschämtheit
(...). Mit Hildebrands Eifer über die junge Schar seiner Zöglinge herzufahren, war seine
Seelenfreude. Sie in steter knechtischer Furcht zu erhalten, sein erstes Vergnügen."
59
Hölderlin leidet unter dieser Knechtschaft und zieht sich in die Einsamkeit zurück, in die
Stille
60
, die auch in seinem späteren Leben oft sein einziges Refugium sein wird. Zwar sucht
er auch in einer Art Selbstanalyse seine wächserne Weichheit
61
für sein Leiden verantwortlich
zu machen, doch wird die Bereitwilligkeit, Fehler bei sich zu erkennen, von der Verzweiflung
überdeckt : Hier halt ich's nimmer aus ! nein wahrlich ! Ich muss fort.
62
Er beginnt zu
diesem Zeitpunkt sogar schon, an seinem theologischen Beruf zu zweifeln, worüber ein Brief
an die Mutter Auskunft gibt, der zwar ein Nachgeben ihrem Wunsche gegenüber aufweist,
damit zugleich aber auf vorhergehende Zweifel schließen lässt.
63
Zusammenfassend kann über die Zeit des Aufenthaltes an den Klosterschulen gesagt
werden, dass Hölderlin hier bereits mit den ersten Formen der Knechtschaft konfrontiert wird,
gegen die er - wenn auch in noch bescheidenem Rahmen - aufbegehrt, und dass sein ihm von
der Mutter und dem Lehrer Köstlin mitgegebener Glaube, der in der Geborgenheit seines
Zuhauses noch keinen Anfechtungen unterlag, zu dieser Zeit bereits die ersten Risse zeigt.
Aber Knechtschaft unterdrückt nicht nur, sie kann auch herausfordern. Und reicht die Kraft
nicht aus, durch die Tat vom Druck sich zu befreien, so ist eine andere, freilich sehr
sublimierte Form der Befreiung der Weg der Dichtung.
Und Hölderlin dichtet. Tausend Entwürfe zu Gedichten
64
will er in seiner kargen Freizeit
machen. Vielfältig sind die Vorbilder : von Klopstock über Hölderlins Schlachtenstürmer

16
Ossian
65
zu Schubart und Schiller. Zwar spürt der junge Hölderlin, dass ihm noch manches
fehlt zum weltumeilenden Flug der Großen
66
, doch gerade das ist es, was seinen Ehrgeiz
anspornt. Und ist dieser dichterische Ehrgeiz zunächst auch bloß heißer Durst nach
Männervollkommenheit
67
und noch frei vom Bewusstsein, in der Dichtung seine
Lebensaufgabe zu finden, so weiß Hölderlin doch auch hier schon um die Ernsthaftigkeit
seines Strebens und um dessen Abgrenzung von der eitlen Ehrsucht.
68
Hölderlins früheste Lyrik ist geprägt von der Enge des moralisch-pietistisch gestimmten
Weltbildes
69
, vom Denkgefüge des überlieferten Christentums pietistischer Prägung. Es wird
zur Demut aufgefordert
70
, und diese wird ebenso gegen falschen Außenglanz abgegrenzt wie
das echte dichterische Streben gegen die eitle Ehrsucht.
Spiegeln die Briefe der Zeit auch manchen Zweifel gegen den Lenker meines Schicksals
71
,
so bleiben in den Gedichten sowohl der Wert ,Religion` wie auch der Wert ,Vaterland`
unangetastet. Wie sehr gerade diese beiden Begriffe für den Pietisten zusammengehören, hat
Gerhard Kaiser in seiner Arbeit ,,Das innere Vaterland"
72
erwiesen. Will nun zwar der
pietistische Patriot ,,statt zu verändern verklären", so weiß er sich doch dem Vaterland und
dessen Vergangenheit verbunden. Und so verweist auch Hölderlin auf die Vorzeit Schwabens
: Lasst euch mahnen, Suevias Söhne !
73
. Die heldische Vorzeit mahnt die verlotterte
Gegenwart, mahnt die Schande / Der weichlichen Teutonensöhne
74
, die abwertend in einem
Atem-zug genannt werden mit den verdorbenen Affen des Auslands. Hand in Hand mit der
Kritik am gegenwärtigen Verhalten des Volkes geht die an den Herrschern und Pfaffen (in der
Art eines Schubart) : Kleine Wütriche
75
schänden ihr armes Land, Pfaffen spiegeln (...)
schwarze Wunder vor. Der junge Dichter wendet sich ab von den Riesenpalästen und dem
höfischen Wagengerassel, er ruft edle Greise, Männer und Jünglinge auf : Lasst uns Hütten
baun - des echten germanischen Mannsinns.
76
Neben diesen Themen im Umkreis von Religion und Vaterland darf im Bereich
pietistischen Einflusses das des Freundschaftskultes nicht fehlen; das Gedicht Am Tage der
Freundschaftsfeier verweist neben dem nordischen Heldenideal (Von den blutiggebißnen
Lippen / Ertönte kein Lebewohl)
77
auf den ,Bund`-Charakter der Freundschaft, ein Bündnis,
dessen Vorbild wohl im ,Göttinger Hainbund` zu suchen ist : Aber heute, Brüder ! / Oh,
kommt in meine Arme ! / Wir feiern das Fest / der Freundschaft heute.
78

17
3.2. Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Hegel wird am 27. August 1770 in Stuttgart als Sohn eines Rentkammersekretärs geboren.
Der Ton im elterlichen Haus ist beherrscht durch eine "eigene Mischung von Strenge und
Gemüthlichkeit, von bequemem Gehenlassen und ceremoniöser Frömmigkeit".
79
Hegel besucht von 1773-75 die Deutschschule, von 1775-80 die Lateinschule und ab 1780
das Stuttgarter Gymnasium Illustre, eine Schule mit überaus konservativem Charakter. Hegel
wählt also den Weg über das Gymnasium und nicht über die Klosterschulen. Zum Unterricht,
den er erhält, ist zu sagen, dass es an einem Gesamtplan mangelt und jeder Lehrer auf eigene
'Verantwortlichkeit' unterrichtet. Als Gewinn für den Schüler ist festzuhalten, dass er im
konsequenten Denken geübt wird, dass er eine gründliche Einführung in die Gedankenwelt
des klassischen Altertums erhält und dass er in der Geschichtsforschung ausgebildet wird,
besser jedenfalls als in der Theologie, und so wird in Hegels jungen Jahren bereits der Grund
gelegt für das ihn sein ganzes Leben begleitende Interesse für die Geschichte. (Diese
geschichtliche Orientierung wird er schließlich auch in seine philosophische Auffassung vom
Bewusstsein einbringen, das seine ganz eigene Geschichte hat.)
Hegel ist ein Musterschüler : "vom 10ten Jahr an bis ins 18te war er der Erste in seiner
Abteilung am Gymnasium", wie seine Schwester noch im hohen Alter der Witwe Hegels
mitzuteilen weiß.
80
Er erarbeitet sich seinen Stoff in fast philiströser Zähigkeit und gilt unter
seinesgleichen als "lumen obscurum"
81
. Überliefert sind von ihm aus dieser Zeit - neben
brieflichen Äußerungen - ein Tagebuch, ein Heft voller Exzerpte, zwei kleinere Aufsätze und
die Abgangsrede vom Gymnasium, gehalten ganz in der verständigen Rede der Zeit.
Aus allen diesen Quellen spricht der ruhige Verstandesoptimismus der noch herrschenden
Aufklärung : Gott ist im Sinne der natürlichen Religion der Aufklärung rein monotheistisch -
untrinitarisch das einfache, höchste Wesen. Man ist den Dingen zugewandt, ist ungeheuer
'objektiv', vom Interesse an der Sache selbst geleitet. Allseitige Aufmerksamkeit wird
gefordert, und Hegel erfüllt sie auf das beste. Keine Wallungen des Gefühls, wie sie etwa in
Hölderlins Briefen und Gedichten erscheinen, keine Themen, die ein junger Mensch
gemeinhin einem Tagebuch anvertraut, sondern trockene Verständigkeit und - mitten im
Tagebuch des Sechzehnjährigen - lateinische Stilübungen, bei denen sich allerdings "sein
deutscher Stil eine dauernde Erkältung zugezogen" hat.
82
Vergleicht man den jungen Hegel
mit dem jungen Hölderlin, so fühlt man sich aus den freien Ätherhöhen der Poesie versetzt in
die platte Prosa hausbackenster Verständigkeit.
83
"Altklug" wird Hegel in fast allen

18
Untersuchungen über seine Jugendzeit genannt. Der Anschein des bloß Durchschnittlichen
kann nicht geleugnet werden.
Der aufklärerische Wunsch, sich ganz von der Sache durchdringen zu lassen, verbindet
sich bei Hegel mit einer biederen schwäbischen Gründlichkeit, die einem Hölderlin abgeht.
Ausdruck dieser Hegelschen Gründlichkeit ist die Vielzahl überlieferter Exzerpte, auf die an
dieser Stelle nicht näher einzugehen ist, da es keinerlei Gewissheit darüber gibt, inwieweit in
ihnen sich Hegels eigene Auffassung wirklich widerspiegelt.
In Hegels Untersuchungen der Zeit finden sich Vordeutungen auf Späteres, so der Angriff
gegen die Priester, von denen er als von diesen feisten, ausschweifenden und vollends
gemeinen Menschen spricht. Anlässlich des Besuches eines Gottesdienstes von Katholiken
(Hegel ist ja wie Hölderlin Protestant) notiert er seine Beobachtungen, dass ihm die Messe
zwar wie jedem gesunden Menschen außerordentlich missfallen habe (hier richtet der
Aufklärer über habituelle Traditionen der Kirche), dass ihm aber doch die Predigt
Werkmeisters gefallen habe, der als Vertreter des aufgeklärten Katholizismus gilt : Nicht ein
einziges Wort war zu hören, aus dem man den beweinenswerten Zwiespalt der Christen hätte
erkennen können
84
. Die Thematik der theologischen Jugendschriften kündigt sich an.
Zu den beiden erhaltenen Aufsätzen ist zu sagen, dass der erste Über die Religion der
Griechen und Römer vom 10. August 1787 ganz im Aufklärungston gehalten ist vom
Gedanken einer fortschreitenden Erfassung der Wahrheit bis zur - allerdings überlegen
klingenden - Toleranz den Irrthümern
85
überwundener Entwicklungsstufen gegenüber. Auch
im zweiten Aufsatz Über einige charakteristische Unterschiede der alten Dichter (von den
Neuern) vom 7. August 1788 wird durch das Kontrastieren der beiden Kulturen (wobei die
ältere als Maß der neueren anerkannt wird) auf Hegels späteres Denken vorgedeutet.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass Hegel in Stuttgart Leben und Denken der
Griechen hoch einschätzt; er, der aus einem Beamtenhaushalt stammt, in dem die Einordnung
in Staat und Kirche eine Selbstverständlichkeit ist, der durch das Fehlen jeglichen Pochens
auf das Recht der Individualität charakterisiert ist, er fühlt sich in Stuttgart schon von der
natürlichen Selbstverständlichkeit der Einordnung des griechischen "zoon politikon" in die
Vorherrschaft überindividueller Mächte angesprochen.
Ein zusammenfassender Vergleich der Entwicklung Hölderlins und Hegels in ihrer Jugend
kann schon - unangesehen des Inhalts ihrer Texte - auf den Unterschied verweisen, der sich
bis zum Ende der von uns beobachteten Zeitspanne durchhalten wird : Hegel ist der ruhige,
verständige Materialsammler und -verarbeiter, Hölderlin hingegen ist beweglich, unruhig, er

19
leidet unter den unvollkommenen Zuständen und zeigt sich rastlos, ein Rad, welches schnell
Läuft
86
, wie die Schiller-Freundin Charlotte von Kalb einmal über ihn urteilen wird. In
Tübingen, wo beide, Hölderlin und Hegel, sich in der nächsten Zeit näherkommen werden,
wird man sie charakterisieren als den "alten Mann" (Hegel) und den "Jüngling" (Hölderlin).
4. Hölderlin und Hegel in Tübingen
Zum Wintersemester 1788/89 treten Hölderlin und Hegel als Stipendiaten in das Tübinger
Stift ein. Es werden aber noch zwei Jahre vergehen müssen, bis sie einander freundschaftlich
näherkommen. Bevor diese Freundschaft thematisiert werden kann, erscheint es notwendig,
über die Zustände und Ereignisse am Tübinger Stift in dieser Zeit der Gärung (hinsichtlich
sowohl der persönlichen Entwicklung der Stiftler als auch der politischen Ereignisse) zu
sprechen.
4.1. Das Tübinger Stift. Die Stiftler
Württemberg wird zu diesem Zeitpunkt regiert von Herzog Karl Eugen (1728-93); dieser
Herrscher entzieht sich - seinen Charakter und seine Wirkungsweise betreffend - jeder
vorschnellen Beurteilung. Am Hofe Friedrichs des Großen erzogen, von daher bestrebt,
seinem Land ein ebenso guter "Landesvater" zu sein wie der Preuße, gilt er als ein
geistreicher, zugleich prachtliebender und gewalttätiger Herrscher. Gewiss ist es nicht falsch,
im Zusammenhang mit seiner Person von "willkürliche(r) herzogliche(r) Gewalt"
87
zu
sprechen (man denke nur an den Verkauf seiner Landeskinder als Soldaten nach Amerika, um
die Hof-Feste für die Mätresse Franziska von Hohenheim zu finanzieren), und es ist sicher
auch nicht falsch, ihn als konservativen Bewahrer des alten Zustandes zu sehen, der aus der
Sorge um die Labilität der Zeit heraus dieser mit Festigkeit begegnen möchte
88
, doch ist auch
nicht zu leugnen, dass er zeitweilig aufklärerische Tendenzen verfolgt : So gründet er die
Karlsschule bei Stuttgart - in vielleicht guter Absicht, doch ohne jegliche pädagogische
Einfühlsamkeit, was am Bei-spiel der Jugendjahre Schillers nur allzu deutlich abzulesen ist.
In Tübingen gibt er der seit 1477 bestehenden Universität seinen Namen, und er hat ein
waches Auge auf das 1534 gegründete theologische Stift, das Hölderlin und Hegel von 1788 -
1793 besuchen.
In dieser Zeit steht das Stift unter der Leitung des Ephorus Schnurrer, dem das Verdienst
zukommt, es in politisch unsicherer Zeit mehr oder weniger am lockeren Zügel geführt zu
haben. Ein Zeitgenosse urteilt über ihn, er befördere "die Freiheit im Denken, soviel er kann,

20
d.h. er behindert sie nicht. (...) Man darf lesen, was man will."
89
Gerade diese großzügige
Freiheit der Wahl der Lektüre wird den Stiftlern das Material an die Hand geben, sich gegen
die Zustände am Stift und gegen die Unterdrückung im Lande aufzulehnen.
Die Stipendiaten des Stifts setzen sich zusammen größtenteils aus den Söhnen der
intellektuellen Elite des Landes; dieses Moment der Auslese lässt es begreiflich erscheinen,
warum so anspruchsvolle Denker und Poeten wie Kepler, Mörike, Uhland und Schwab,
Waiblinger nicht zu vergessen, gerade aus diesem Stift hervorgegangen sind.
Das Stift selbst steht in dieser Zeit in einem weniger guten Licht : äußerlich in einem
verwahrlosten Zustand, dazu eine veraltete Stiftsordnung, die auch von der Leitung nicht
gutgeheißen wird; eine Überwachung der Stiftler durch Repetenten und Famuli - Zustände,
die in der Kennzeichnung einer "militärisch kasernenartige(n) Lebensweise"
90
zusammengefasst werden. Man hat als Studierender zwar mehr Zeit als auf den
Klosterschulen, doch wird es einem nicht gestattet, davon Gebrauch zu machen. Wen wundert
es, dass die Studentenschaft sich unter Druck fühlt und dass sie gegen diesen Druck
aufbegehrt ? Anlässlich eines herzoglichen Erlasses, mehr Strenge walten zu lassen, spricht
Hölderlin in einem Brief an seine Mutter von seinem Temperament, wie es so wenig für
Misshandlungen, für Druck und Verachtung taugt
91
. Worte wie die des Herzogs :
"Subordination ist nötig, den Stolz der jungen Leute zu brechen"
92
und des Kanzlers Le Bret,
für einen künftigen Seelsorger sei es gut und heil- sam, wenn sein Wille in der Jugend
gebrochen werde
93
, sind der Boden, auf dem die Ideen der Französischen Revolution (die in
das erste Jahr des Aufenthalts Hölderlins und Hegels am Stift fällt) Früchte tragen müssen.
Friedrich Hölderlin schließt sich in seinen ersten Tübinger Jahren Ludwig Neuffer und
Rudolf Magenau an. In einem Dichterbund sucht man das (auch von Schiller thematisierte)
Ideal der Freundschaft : Man trifft sich in einem Gartenhäuschen, trinkt Punsch, tauscht
Gedichte aus und singt Lieder wie Schillers "An die Freude". Magenau schildert, wie man
sich vor dem Gesang Hände und Gesicht wäscht : "Dies Lied von Schiller, sagte Hölderlin,
darf kein Unreiner singen ! Nun sangen wir; bei der Strophe 'dieses Glas dem guten Geist'
traten helle, klare Tränen in Hölderlins Auge, voll Glut hob er den Becher zum Fenster hinaus
gen Himmel und brüllte 'dieses Glas dem guten Geist' ins Freie, dass das ganze Neckartal
widerscholl. Wie waren wir so selig !"
94

21
Im Herbst 1790 (nach zweijährigem Philosophiestudium und anschließender Ernennung
zum Magister) will es der Zufall, dass Hölderlin und Hegel auf einem Zimmer untergebracht
werden.
95
Zu ihnen stößt der erst fünfzehnjährige Schelling, der als ein frühreifes Talent gilt
96
,
so frühreif, dass sein Vater, der im Kloster Bebenhausen lehrt, den Elfjährigen schon hat am
Unterricht der anwesenden Promotion (gebildet von Siebzehnjährigen) teilnehmen lassen, und
Schelling hat sich den um sechs Jahre Älteren in jeder Hinsicht gewachsen gezeigt.
Schelling gilt als der feurigste Aufklärer unter den drei Freunden (sie seien hier so genannt,
auch wenn ihre eigentlich freundschaftlichen Beziehungen sich erst in der Folgezeit
herausgebildet haben), und er ist es auch, der die Parolen der Französischen Revolution noch
begeisterter als die anderen aufnimmt. Im Laufe der Jahre immer stärker unter dem Druck der
Verhältnisse am Stift leidend, verfolgt man aufmerksam die Ereignisse in Frankreich (so
Hölderlin im Juni 1792 an seine Schwester : Und bete für die Franzosen, die Verfechter der
menschlichen Rechte
97
) und begrüßt die Revolution "as the dawn of a new day"
98
. Zum
Jahrestag des Sturms auf die Bastille errichten die Stiftler (so will es die Legende) einen
Freiheitsbaum und Schelling werden, als er unter den Verdacht gerät, die Marseillaise
übersetzt zu haben, auf eine diesbezügliche Frage des Herzogs die Worte zugeschrieben :
"Durchlaucht, wir fehlen alle mannigfaltig"
99
.
Es ist an dieser Stelle zu betonen, dass sich längst nicht alle Stiftler diesem Widerstand
anschließen, und diejenigen, die es tun, finden nur in den seltensten Fällen den Weg zum
konsequenten praktischen Handeln wie etwa Louis Kerner, der aus dem Stift an seinen Vater
schreibt : "In dem Kerker dieses theologischen Stifts schmachte ich nicht länger mehr. Die
Zeit ist herangekommen, wo ein jeder ein freier Weltbürger ist. Ich habe mir einen
Buchsenranzen gekauft, in diesen werde ich Kants Schriften packen und mit ihnen nach Paris
wandern."
100
Wer im Lande bleibt, muss sich auf rein theoretische Art und Weise mit der Wirklichkeit
auseinandersetzen; daher ist es angebracht, an dieser Stelle auf Vor-Bilder dieser
Auseinandersetzung einzugehen.
4.2. Vor-Bilder
In Kapitel 3 der Arbeit ist gezeigt worden, dass Hölderlins geistige Entwicklung mehr im
Pietismus, die Hegels mehr im Aufklärungsdenken wurzelt. Beide Richtungen, gläubig-naiv
aufgenommen, können sich bei keinem von beiden rein erhalten, sondern sie verbinden sich
mit einander und mit den anderen geistigen Strömungen der Zeit. Gedankengut des Pietismus

22
wird in der "Reich Gottes"-Idee aufgenommen werden, während die tiefe Frömmigkeit und
das "heilige Gefühl", die den Pietismus auszeichnen, fast vollkommen verschwinden. Auch
die Idee der Aufklärung wird suspekt, hat man doch gerade in Herzog Karl Eugen das Bild
einer unheilvollen Verbindung von absolutistischen und aufklärerischen Tendenzen vor
Augen.
101
Man wendet sich vom Wissenschaftsideal der "Aufklärung", von den "Schwätzern"
102
ab,
die den bloßen Rationalismus absolut setzen, man stellt sich gegen die nüchterne
Verständigkeit des Daseins, man kritisiert die bloße Reflexion, die, weil ihren Bezugspunkten
äußerlich bleibend, einen Schein von Einheit erzeugt, in dem die Gegensätze nur fixiert und in
die Wirklichkeit versetzt werden.
103
Man wendet sich gegen alles "Gesetzte" (später wird
man es als alles "Positive" bezeichnen), da es in seiner Gesetztheit und Fixiertheit einseitig
und starr, d.h. unlebendig ist. Folglich wendet man sich auch gegen die geistige Bewegung
der Aufklärung, sobald sie zu einem Bestandteil des Bestehenden (und damit Unlebendigen)
geworden ist und sich - geht man von ihrer ursprünglichen Intention aus - in ihr Gegenteil
verkehrt hat. Aber man hält doch gleichzeitig noch an der Aufklärung fest als einem
Instrument der Befreiung von Herrschaft und zur Verteidigung der Autonomie des Menschen
: Diese Keime von Aufklärung, diese stillen Wünsche und Bestrebungen einzelner zur Bildung
des Menschengeschlechts werden sich ausbreiten und verstärken und herrliche Früchte
tragen, schreibt Hölderlin 1793 an seinen Bruder.
104
In Tübingen selbst hat man es weniger mit dem Kampf um eine überholte Aufklärung zu
tun als mit dem Kampf gegen das orthodoxe Christentum, das die Vertreter des
Supranaturalismus, Storr und Flatt, als Lehrer aufrechtzuerhalten suchen. Dieser
Supranaturalismus ist gekennzeichnet durch eine Mischung von orthodoxem Biblizismus und
einer scheinbaren Aufgeschlossenheit für moderne Bewegungen weltanschaulicher und
philosophischer Art; dabei aber schwingt doch die "geistige Subordination verlangende
orthodoxe Autorität ihr Richtschwert"
105
. Die Hauptaufgabe des Supranaturalismus ist es, aus
den heiligen Schriften den Wahrheitsgehalt der Offenbarung als ein geschlossenes, logisch
zusammenhängendes System zu entwickeln; dabei versucht man, gerade die Philosophie
Kants in Dienst zu nehmen. Letztere hat zu beweisen versucht, dass ohne Glauben an Gott
und die Unsterblichkeit der Durchsetzbarkeit des Sittengesetzes im Handeln hinreichende
Motive fehlen. Über diesen Gedanken der Notwendigkeit der Religion ist es ein Postulat der
praktischen Vernunft, einer glaubwürdigen Religion zu folgen. Dass diese Religion gerade die
christliche sei, versucht die historische Textkritik des Supranaturalismus zu erweisen. So soll
ausgerechnet die Kantische Philosophie der Autonomie, die die junge Generation doch zum

23
Mittel der Veränderung gebrauchen will, dazu dienen, das überlebte System der Orthodoxie
zu stützen.
106
Gegen Storr und seine Ansichten tritt in Tübingen der Repetent Diez auf, ein "enragierter
Kantianer", von dem Dieter Henrich als "von einem der wichtigsten Mittler zwischen Kant
und dem Idealismus" spricht
107
. Diez bekämpft die Orthodoxie Storrs mit den Mitteln der
"Kritik der reinen Vernunft". Als er 1792 Tübingen in Richtung Jena verlässt, übernimmt der
junge Schelling seine Position im Stift. Von Bern aus, seiner nächsten Station nach Tübingen,
wird Hegel 1795 zu Schellings Auseinandersetzung mit der Tübinger Orthodoxie Stellung
nehmen.
Zu erwähnen bleiben noch die wirklichen Vorbilder, denen man in Tübingen derzeit nach-
eifert; in ersten Linie sind hier Kant, Schiller und Rousseau zu nennen.
Die Beschäftigung mit Kant geht nur in geringem Maße auf dessen Erkenntnistheorie; man
gebraucht vielmehr seine kritische Terminologie und sieht in ihm "den großen Reiniger und
Vorkämpfer"
108
für die sittliche Autonomie des Menschen.
An Rousseaus Lehre muss die Stiftler der Gedanke anziehen, der besagt, dass der Mensch
wesentlich gut sei und nur durch den gesellschaftlichen Umgang verdorben worden sei;
konsequent glauben sie, es genüge, den äußeren Druck, das Verderbende, fortzunehmen, um
den Menschen als Menschen freizusetzen. "Vive Jean-Jacques" ist ein beliebter
StammbuchEintrag unter den Stipendiaten, und auch Hölderlin und Hegel verehren Rousseau.
So berichtet der Magister Leutwein über Hegel : "Sein Held war Rousseau"
109
, und Hölderlin
schreibt an Neuffer : Vom großen Jean-Jacques mich ein wenig über Menschenrecht belehren
lassen.
110
Schillers Einfluss auf die Stiftler geht natürlich auf seinen Ruhm als Autor der "Räuber"
und des "Carlos" zurück. Hölderlin wird in den folgenden Jahren des öfteren mit Schiller in
Berührung kommen und sich zu ihm hin orientieren. Eines lässt sich an dieser Stelle schon
sagen : Schiller ist d a s Vorbild für den jungen Hölderlin, und erst in dem Moment, da der
Jüngere sich aus dem Schatten des Älteren wird lösen können, wird er zu Eigenem kommen.
4.3. Hölderlin in Tübingen
Die Tübinger Zeit Hölderlins ist in starkem Maße überschattet von Auseinandersetzungen
mit der Mutter um die vorgesehene theologische Laufbahn. Geht die Furcht der Mutter auf die
Ungesichertheit des Lebens außerhalb des Halt (und Geld) gebenden Pfarramtes, so geht
Hölderlins Angst auf die zu erwartende Erstickung des Lebens in einem solchen Amte ; er

24
spricht von der Galeere der Theologie
111
. Der Kampf zwischen kindlicher Liebe und
Ehrgefühl
112
ist ein ständiger, denn gerade das Ehrgefühl, der "alle geläufigen Maße und
Grade" übersteigende Ehrgeiz"
113
, der doch dem Wunsch Hölderlins nach Anerkennung
vonseiten der Mutter wie auch der restlichen Umwelt entspringt, gerade er steht dem Wunsch
der Mutter nach einer ruhigen, bescheidenen, aber gesicherten Existenz entgegen. Hölderlin
bedarf, so ist bereits betont worden, der Anerkennung um der Erfahrung seiner Identität
willen. Das mag auf jeden jeden Menschen zutreffen, ist bei Hölderlin als Existential aber
besonders ausgeprägt. Eine Bestätigung gibt folgender überlieferte Vorfall : Hölderlin schlägt
auf der Straße einem Stifts-angestellten, der ihn nicht gegrüßt hat (wie es wohl Pflicht
gewesen), den Hut vom Kopf. Wenn W. Michel in diesem Zusammenhang von einer
"heitere(n), farbige(n) Miniatur aus studentischem Leben"
114
spricht, verkennt er
offensichtlich den Ernst der Situation.
Auf Hölderlin lastet also nicht nur der Druck des Stiftes (...die Verdrüßlichkeiten, die
Schikanen, die Ungerechtigkeiten, die ich leiden musste...)
115
, sondern auch sein
unbefriedigter Ehrgeiz
116
, den er in einem Brief an seine Braut Louise Nast gar als
Trennungsgrund angibt.Seine Stimmung schwankt ständig : Ich bin zum Stoiker ewig
verdorben. Das seh ich wohl. Ewig Ebb und Flut.
117
Er sucht seine Bestimmung in der
Vorstellung, zur Einsamkeit und zum Dienst berufen zu sein. Sein Los sei es, mehr zu dulden
als andere
118
. Als "Dienst" er-wählt er sich den dichterischen Gesang. Das Beispiel der
begeisterten Aufnahme Schillers am Stift führt ihm vor Augen, wie mächtig ein Dichter zu
wirken vermag, erfasst er nur seine Aufgabe. Dienstgedanke und Verlangen nach
Selbstbestätigung ergänzen einander.
Schon im ersten Tübinger Jahr spricht er von der heilige(n) Bahn des Dichtertums
119
, Ruhe
beglücke ihn nicht, ihn reizt der Lorbeer
120
. Ein Teil der Gedichte von 1789 steht noch unter
dem Eindruck der Tradition des christlichen Weltbildes und der Verehrung der Helden der
Vorzeit. Doch schwindet diese Schwabenbegeisterung 1790. Mit ihr schwindet auch ein Teil
der Wirkung Schubarts; ein anderer Teil aber, der auf den Freiheitsenthusiasten geht, wird
von Hölderlin in diesen Tagen in verschärfter Form aufgegriffen. Im Gedicht Die Weisheit
des Traurers spricht er von Tyrannenfeste(n), wo sich der Höflinge / Entmanntes Heer zu
Trug begeistert, und er kündigt an : Es nahet der Rache Tag.
121
In den folgenden Jahren wird
der bloße, unbestimmte Drang nach Freiheit gegen die Trias der Ideale der Französischen
Revolution ausgetauscht; zugleich orientiert Hölderlin sich in seinen Gedichten nach Form

25
und Gehalt stärker an Schillers Vorbild : Die Tübinger Hymnen entstehen, die erste Stufe auf
dem Weg zu Eigenem.
Auf den ersten Blick erscheinen diese Hymnen als ein einziger triumphierender Jubel,
geschrieben aus dem Staunen über die Machtfülle des schöpferischen Menschen heraus. Doch
verdeckt dieser Jubelton nur den von Hölderlin tief gefühlten Zwiespalt zwischen der
bedrückenden Wirklichkeit und dem Ideal, zwischen der erlittenen Gegenwart und der als
neuer Dimension sich auftuenden idealen Zukunft. Die Hymnen erweisen sich als eine schwer
erkämpfte Konzentration auf das Helle und - wenn man so will - als ein willkommener
Fluchtpunkt, denn der Weg bis zum Aushalten, Aufarbeiten und Überwinden der
Widrigkeiten, der Weg nach Frankfurt also, ist noch weit. Das "Helle" dieser Hymnen mag
zwar eine ideale Einheit sein, aber diese ist ihres gänzlich unbestimmten Charakters wegen
noch undifferenziert, ganz anders als die Einheit, die Hölderlin späterhin erreichen wird, die
von grundlegend entwickelterer Struktur sein wird.
Hölderlins Welt ist zusammengesetzt aus den Idealen seiner Vorbilder. Es ist eine bunte
Mischung von Theoremen, die er verarbeitet. Den Grundgedanken des harmonisch-
geordneten Weltalls übernimmt er von Leibniz und dessen Idee einer "prästabilierten
Harmonie". Über diesen Harmoniegedanken erhält die Welt den Charakter unbedingter
Einheit (die hier, wie erwähnt, noch gänzlich undifferenziert gedacht wird). Überall herrscht
bei Hölderlin der Blick auf das Ganze, das durchdrungen wird von den Idealen der Liebe und
Freundschaft, der Freiheit und der Schönheit als dessen Strukturmomenten. Diese haben ihren
Ursprung zum Teil in den Werken Schillers und Platos, zum Teil aber auch in den Parolen der
Französischen Revolution. Diese Ideale sind Hölderlin keine wirklichkeitsfernen
Vorstellungen, sondern objektive Realitäten (hierin ist er ganz Schüler Platos), aus deren
Anwesend-Sein er die Notwendigkeit seines Dienstes an ihnen erfährt, eine Notwendigkeit,
die, wie gesehen, ihm Selbstgewissheit verleiht; und umgekehrt verbürgt diese
Selbstgewissheit wiederum die Realität der besungenen Mächte, denn für Hölderlin gilt : Wie
sollte jemand mich
meiner Wirklichkeit versichern, der nicht selbst wirklich ist ?
122
Das Ich begreift sich als
integrierten und integrierenden Teil des Kosmos, da es einerseits teilhat und andererseits
durch den Dienst am Ganzen diesem sein Selbstverständnis spiegelt, indem es das diesem
Kosmos Sinn gebende Gesetz der Harmonie besingt (ohne dieses Verhältnis

26
erkenntnistheoretisch abgesichert zu haben). Hölderlin glaubt für einen Moment, seine
Berufung, seinen Beruf gefunden zu haben.
Sein in Tübingen intensiviertes Studium der Griechen trägt Früchte. Urania, die Göttin der
Harmonie, die für Hölderlin Schönheit und Wahrheit in sich vereinigt und die man nicht
denken, nur schauen kann (eine Vorstellung, die sich in der Jenaer Zeit in das Wissen um die
Unerkennbarkeit des absoluten Seyns verwandeln wird), sie weist über die Leibnizsche
Philosophie zurück in die Antike : In der griechischen Mythologie heißt sie Aphrodite, und
aus ihrer Verbindung mit Ares geht Eros, der Gott des liebenden Strebens, hervor. Diese
Liebe erscheint Hölderlin als ein wichtiger Wesenszug des griechischen Geistes (Du gründest
auf Liebe dein Reich, sagt er zum Genius Griechenlands
123
); sie umfasst mehr als die
christliche Liebe der Menschen untereinander und zu Gott, sie meint das Verbunden- und
Aufeinanderangewiesensein aller Teile der Welt.
124
Neben der Liebe wirkt bei den Griechen das Schöne einheitsstiftend. Sowohl in dessen
Bereich, der Kunst, sind die Griechen vorbildhaft (Das Vaterland der schönen Künste ist
unstrittig Griechenland
125
) als auch überhaupt im Leben : Die Griechen sind in den Augen
Hölderlins das heiterste, freieste und darum menschlichste Volk. Doch ist Attika, die Heldin,
(...) gefallen
126
, und es bleibt in trostloser Gegenwart nur der elegisch-trauervolle Blick
zurück.
Es ist nicht Aufgabe dieser Arbeit, Hölderlins Tübinger Hymnen zu analysieren. Ein
Überblick muss genügen, das Gesagte zu belegen. 1791 werden die ersten Dichtungen
Hölderlins in Stäudlins "Musenalmanach" veröffentlicht, so auch die für die Tübinger Zeit
zentrale Hymne An die Göttin der Harmonie
127
. Urania ist die Königin der Welt, der Mensch
der Göttin Sohn. Ihre Welt ist seiner Seele Spiegel, ihm erwächst die Aufgabe, ihr zu dienen :
Herrlicher mein Bild in dir zu finden
Haucht ich Kräfte dir und Kühnheit ein,
Meines Reichs Gesetze zu ergründen,
Schöpfer meiner Schöpfungen zu sein.
Wie dieses Wechselverhältnis praktisch zu bewältigen ist, welche Voraussetzungen und
welche Konsequenzen es impliziert, wird hier noch nicht thematisiert. Das bleibt der weiteren
Entwicklung vorbehalten, und so werden wir diesen Überlegungen später in modifizierter
Form wieder begegnen, wenn es heißen wird, dass die Götter der Menschen bedürfen, um
sich fühlen zu können. Dieser Anspruch, Diener und Künder des Göttlichen und Ganzen zu

27
sein, wird Hölderlin so lange gefangen halten, bis er an der Ausschließlichkeit, mit der er
diesen Gedanken aufnimmt, zerbrechen wird.
. Sechs weitere, zwischen Herbst 1791 und Frühjahr 1792 geschriebenen Hymnen (an die
Menschheit, die Schönheit, die Freiheit, die Freundschaft, die Liebe und an den Genius der
Jugend), ebenfalls durch Stäudlin veröffentlicht
128
, variieren das Thema nur wenig : Urania
thront über Orionen
129
, die Natur (hier nur als Beiwerk der Idee gesehen) spiegelt sie wider.
Der Dichter preist sie und die Ideale, die die kommende Vereinigung der Menschen herbei-
führen (eine Briefstelle der Zeit sagt, dass Lieb und Freundschaft die Fittiche sind, auf denen
wir jedes Ziel erschwingen
130
).
Neu an diesen Hymnen ist Hölderlins Aufruf zur Tat, in dem sich der Einfluss der
Revolution zeigt. Hölderlin spricht sich für den gerechten Kampf und den gerechten Krieg
aus, in dem der gute Bürger wenig oder gar nichts verloren und viel, viel gewonnen hat
131
.
Der Auf-ruf zur Tat (die stolzen Wüstlinge zu mahnen / Bricht jede Kraft von Bann und Kette
los
132
) und der Preis der Liebe sind Hölderlins Formen seiner revolutionären Aktivität
133
.
Allein - die deutsche Wirklichkeit ist s o nicht zu ändern; es fehlt der fruchtbare Boden
für die Aufnahme dieser Botschaft. So schwankt denn auch Hölderlins Hoffnung zwischen
der Erwartung sofortiger Verwirklichung seiner Vorstellungen und dem Wissen um der Frei-
heit heilig Ziel (...) dort in wolkenloser Ferne
134
. Der Enkel Heer erst werde ernten, so
bescheidet Hölderlin sich schließlich, was die jetzige Generation begonnen
135
. Das
Geschlecht der kommenden Jahrhunderte ist es, auf das Hölderlin in einem der letzten Briefe
der Tübinger Zeit im Stile eines Marquis Posa vertraut
136
. Ihm aber, dem Sänger, obliegt es,
dass ich in unserem Jahrhundert die Keime wecke, die in einem künftigen reifen werden (...)
Wir leben in einer Zeitperiode, wo alles hinarbeitet auf bessere Tage. Bildung des
Menschengeschlechtes ist sein Ziel : der Weg zu Schillers ästhetischer Erziehung durch die
Schönheit zur Freiheit
liegt nah.
Hölderlin ist aber mit sich und seinem Werk noch nicht zufrieden; in dem Brief, der auf
den letztzitierten folgt, spricht er bereits wieder davon, wie bitter unzufrieden er mit sich
selbst sei. Der optimistische Jubelton der Hymnen ist verstummt, eine "elegische Wende" tritt
ein
137
. Es ist die Frage, ob diese Wende reale, zeitbedingte Ursachen hat
138
- etwa die
inzwischen in Paris errichtete Diktatur der Jakobiner und im Zusammenhang damit der
Untergang der Girondisten, denen Hölderlins Sympathie gegolten hat; oder ist es die Einsicht,

28
seine Vorstellungen in Deutschland nicht verwirklichen zu können ? In jedem Fall sieht er
sich in seiner bisherigen schriftstellerischen Arbeit nicht bestätigt, und das bedeutet : in der
Wirkung seiner Hymnen. Die zu geringe Auflage des Stäudlinschen Musenalmanachs und das
geringe Verständnis, auf das die Hymnen bei den Lesern ihrer "Eintönigkeit" wegen
stießen
139
, las-sen den Plan eines Romans in ihm reifen : Ich fand bald, dass meine Hymnen
mir doch selten in dem Geschlechte, wo doch die Herzen schöner sind, ein Herz gewinnen
werden, und dies bestärkte mich in meinem Entwurfe eines griechischen Romans.
140
Der
Hyperion wirft seine Schatten voraus.
4.3.1. Exemplarische Textinterpretation : Tübinger Hymnen (2014)
Methodische Vorbemerkung : Um die einzelnen Entwicklungsschritte nachvollziehbar zu
machen, sie sozusagen zu illustrieren, sollen als beispielhaft ausgewählte Texte intensiver
untersucht werden, und "untersucht" meint in diesem Zusammenhang nicht "mit dem
Anspruch auf sog. Wissenschaftlichkeit", sondern der Begriff sei zu verstehen im
ursprünglichen Sinne von "Interpretation", von "Auslegung" also. Im Unterschied zum
Anspruch der sog. "Wissenschaftlichkeit", die im allgemeinen Verständnis auf "Objektivität"
geht (was immer das heißen mag angesichts der Perspektiv-Gebundenheit jeder
Auseinandersetzung mit "Realität")
141
, rekurriert der Begriff der "Auslegung" auf ihren
essayistischen Charakter. Es wird nachdrücklich auf die unter 1.2. angeführten methodischen
Hinweise verwiesen.
142
Will man die Grundtendenz der Tübinger Hymnen exemplarisch erfassen, bietet sich jenes
Thema an, das Hölderlin in dieser Zeit zweimal bearbeitet hat : das der Freiheit. Gerade an
diesem Thema (das eine Grund-Forderung der Französischen Revolution anspricht) lässt sich
auch eine Entwicklung der Hymnen feststellen : von der "harmonisch-optimistischen
Geschichtssicht", aus der die revolutionären Vorgänge als "ganz selbstverständlich
konstitutiver Bestandteil" des allgemeinen Werdens wahrgenommen werden, zu der Einsicht
der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung als "komplexes, ja problematisches Geschehen", in
dem sich eine bessere Zukunft nur "aus einem chaotischen Prozeß heraus" entwickeln
könne
143
.
In der früheren Fassung der Hymne an die Freiheit (die - folgt man einer Datierung des
Freundes Neuffer - bereits im Jahre 1790 geschrieben worden ist) findet sich erstmals im
Hölderlinschen Denken die grundlegende gedankliche Struktur der kommenden Jahre : die

29
dreischrittige, triadische. Strukturen unserer Wahr-Nehmung sind - das sollte immer wieder
ins Bewusstsein gerufen werden - Setzungen aus derjenigen Welt-Ansicht heraus, die jeder
Einzelne von uns für sich als die adäquate poniert, also fest-stellt oder fest-setzt. Andere
setzen davon abweichende Strukturen aus ihrer jeweilgen Perspektive heraus, ohne dass
irgendjemand in der Lage dazu wäre, über deren jeweilige Richtigkeit oder Falschheit ein
sicheres Urteil zu fällen. Wer diese Un-Sicherheit bedauert, sollte sich die Chancen bewusst
machen, die sich aus dieser Einsicht für die friedliche Koexistenz verschiedener Ansichten
ergeben.
144
Eine Koexistenz verschiedener Ansichten eröffnet den Diskurs über deren unterschiedliche
Be-Gründungen. Naheliegend - wenn auch darum noch lange nicht überzeugend - für eine
triadische Denkstruktur wäre der Verweis auf die Beschaffenheit unseres Bewusstseins, und
tatsächlich gibt es die Behauptung von der "triadischen Struktur unseres Geistes"
145
.
Naheliegend ist auch der vergleichende Rückgriff auf strukturäquivalente Muster aus unserer
täglichen Erfahrung. Ein solches Muster ist das christlich geprägte Schema vom Paradies, der
Vertreibung aus demselben und der Rückkehr in ein paradiesgleiches oder -ähnliches Gebilde.
Wenn man sich in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass Hölderlin und seine Freunde
Studenten eines theologischen Stiftes sind, so liegt diese gedankliche Anleihe wirklich nahe.
Die chiliastische Losung Reich Gottes auf der Basis pietistischen Denkens verstärkt diese
Vermutung.
146
Hinzu kommt die Verehrung der Stiftler für Jean-Jacques Rousseau (vgl. S. 15 dieser
Arbeit); seiner Hymne an die Menschheit hat Hölderlin ein Rousseau-Zitat aus dem "Contrat
social" als Motto vorangestellt
147
. Die Dreischrittigkeit in Rousseaus politischem Denken
ergibt sich aus der Annahme zunächst eines Naturzustandes (Schritt 1), in dem der Mensch
von Natur aus gut, aber unreflektiert ist, weiterhin aus der Annahme eines Verlustes dieser
natürlichen Bonté aufgrund von Problemen, die eine verstandesorientierte Reflexion (via
Ratio) erfordern, so dass aus der natürlichen Selbstliebe des Menschen (amour de soi) eine
künstliche, gesellschaftsgeprägte Selbstssucht (amour propre) wird (Schritt 2), und schließ-
lich aus der Hoffnung auf eine dritte Stufe der Entwicklung, in der der Mensch seine Vernunft
(Intellectus) einsetzt, um seine Selbstsucht wieder aufzugeben und in einen
Gesellschaftsvertrag einzuwilligen, in welchem die Beteiligten einen Gemeinwillen (volonté
générale) suchen, der von allen gutgeheißen wird. Es handelt sich also um ein Märchen, wenn
in der Literatur behauptet wird, Rousseau habe dem Menschen empfohlen, zur Natur
zurückzukehren. Diese ihm und seinem Denken immer wieder zugeschriebene Forderung
findet sich an keiner Stelle seines Werkes. Stattdessen geht es um ein progressives Auf-

30
Suchen eines paradies-ähnlichen Zustandes, wobei Stufe 3 sich von Stufe 1 qualitativ durch
das Merkmal der Bewusstheit unterscheidet.
148
Diese dreistufige Entwicklung zeigt sich also bei Hölderlin erstmals in der frühen Hymne
an die Freiheit
149
: einer Zeit der arkadischen Unschuld folgt die des Übermutes, in der des
Gesetzes Rute herrscht, bevor auf einer dritten Stufe der Liebe Band den langen Zwist
schlichtet; ein freies kommendes Jahrhundert bricht an. Einem ursprünglich offensichtlich
lebenswerten Zustand folgt die Vertreibung aus ihm; die Hoffnung ruht auf einem dritten
Zustand, den die Liebe herbeiführt. Auf der Stufe 1 Wußte Tugend nicht, wie schön sie war
(vgl. Rousseaus unbewusste Bonté), degeneriert auf der Stufe 2 zum blinde(n) Sklave(n), der
- nach Rousseau - von der Selbstsucht geblendet ist, die in einen gesellschaftlichen Zwist
mündet, dem auf einer 3. Stufe die freie Seele folgt.
Schauen wir uns nun aber dieses Folgen an, so sehen wir Hölderlin zu diesem frühen
Zeitpunkt seines literarischen Arbeitens noch nicht auf der gedanklichen Höhe Rousseaus.
Zwar ist die Seele frei, aber sie hat sich nicht selbst befreit, sondern sie wird erzogen und
geführt : Von der Muse zarter Hand erzogen / Schmiegt sie kühn an Göttlichkeit sich an; /
Götter führt in brüderlicher Hülle / Ihr die zauberische Muse zu. Es bedarf also eines
Mittlers, hier der Muse, um die neue Schöpfungsstunde beginnen zu lassen; die "göttliche
Stimme" der Ver-nunft (siehe Rousseau) ist also noch nicht selbsttätig. Hölderlin zeigt sich
hier (noch) den aus seinen religiösen Bindungen folgenden Herrschafts-Vorstellungen seiner
Jugend verpflichtet.
Dies zeigt sich auch in der an Schiller erinnernden Verszeile Millionen knüpft der Liebe
Band : Was unter dieser Liebe zu verstehen ist, welchen selbsttätigen Anteil das Ich an ihrem
Tun hat, wird nicht thematisiert; lediglich ihr Tun, nicht das ich-eigene, wird (im Lied der
Liebe, Erste Fassung) beschrieben : Liebe trümmert Felsen nieder, / Zaubert Paradiese hin, /
Schaffet Erd und Himmel wieder / Göttlich, wie im Anbeginn.
150
Es geht also auch hier um
eine Rückkehr zu paradiesischen Verhältnissen, und diese Rückkehr beruht auf einem Zauber.
Die Rolle des Dichters aber ist eine aktive; er sieht sich als Adler (Aar im grauen Felsen-
hange), der mit majestätischem Gesange den Übermut, der mit des Geiers Blick den
gegenwärtigen defizitären Gesellschaftszustand verantwortet, in seine Schranken verweist.
Der Adler, uns aus dem Sturm und Drang als Symbolfigur des Widerstandes bekannt als
König der Lüfte, steht gegen den Geier, der als Aasfresser dem Verkommenen und
Verfallenen zugeordnet ist. Der Dichter mit seinem glühenden Entschluß (auch der Terminus
"glühend" verweist auf das prometheische "heilig glühend Herz" des Stürmers und Drängers)
genießt seine Aufgabe (Süßer, unaussprechlicher Genuß !), was für einen offensichtlich

31
fraglosen Optimismus hinsichtlich der Umsetzung der im Gedicht aufgezeigten Entwicklung
spricht.
Dieser Optimismus scheint im zweiten Gedicht gleichen Titels, 1792 entstanden, nicht
mehr vorhanden zu sein. Prignitz (siehe Anmerkung 143) vermutet als Grund eine veränderte
Wahrnehmung der Verhältnisse im Stift oder eine wachsende Enttäuschung über die
Revolution in Paris (wobei anzumerken ist, dass die Verfolgung der Girondisten, denen
Hölderlin nahestand, erst 1793 erfolgte). Zwar zeigt sich auch in diesem Gedicht die Freiheit
als Königin froh und wild
151
, zwar ist auch hier ihr Programm versöhnlich und eröffnet Blicke
in eine nicht entfremdete Zukunft (Mein Gesetz, es tötet zartes Leben, / kühnen Mut und bunte
Freude nicht), zwar Winkt auch mir (dem Dichter) der Freiheit heilig Ziel, doch wird der
optimistische Anspruch auf eine baldige Umsetzung des Programms reduziert und erscheint
nunmehr dort in wolkenloser Ferne.
Was ist der Grund ? Nun, an der außer-menschlichen Welt kann es nicht liegen : Treu der
Liebe seligen Gesetzen, / lebt die Welt ihr heilig Leben frei. Man nehme sich einmal die Zeit,
um die Adjektive der Zitate intensiver zu betrachten : selig und heilig und frei, dazu zart und
kühn und bunt : Auch wenn die Begriffe "Liebe" und "Freiheit" erstaunlich "eintönig", wie
Schubart kritisiert hatte (vgl. Anmerkung 139), und zu undifferenziert auf den Leser kommen,
so ist doch klar, dass deren hier angesprochenen Gesetze jeglicher "Positivität" im negativen
Sinne (wie Hegel sie ihres Charakters des bloßen Gesetzt-Seins wegen in seiner Berner Zeit
brandmarken wird) entbehren und das Bild der Liebe eine zwar noch nicht begriffene, aber
doch geahnte Form der mit-menschlichen Beziehungen meint, bei der die Glieder der
Gemeinschaft sich wechselseitig fordern und fördern. Erst in ihrer Frankfurter Zeit werden
Hölderlin und Hegel in der Lage sein, dieses differenzierte MenschenBild zu entwickeln und
als Ideal einzufordern.
Einstweilen stellt Hölderlin betroffen fest, dass die Welt zwar treu und frei ist, wohingegen
Einer, einer nur ist abgefallen, und das ist der Mensch, der die Fähigkeit besäße, in den
Prozess der Freiheit einzustimmen, der diese aber nicht nutzt : Stark genug, die schönste Bahn
zu wallen, / Kriecht der Mensch am trägen Joche nach. In ein "Joch" spannt man Ochsen ein,
um sie als Nutztiere zu gebrauchen; das Bild zeigt den defizienten Modus des gegenwärtigen
Menschen, und es zeigt über das Attribut "träge", dass der Mensch sich diese Mißachtung und
Mißhandlung gefallen lässt und nicht aufbegehrt. "Faulheit" und "Feigheit" sind nach Kant
die Ursache für die selbstverschuldete Unmündigkeit des Menschen, und die Aufklärer
wissen, dass sie auch zu Fußangeln des fürstlichen Despotismus werden.

32
Der Dichter gibt eine Bestands-Aufnahme der Miss-Stände seiner Zeit und er verzichtet
darauf, einem Automatismus der Besserung das Wort zu reden. Aber er hat der Hoffnung
Kelch genossen, und so bleibt er bei seinem Grundsatz-Programm : Morgen steht's in neuer
Blüte da; / Aus Zerstörung wird der Lenz geboren, Aus den Fluten steigt Urania. Aller gegen
wärtigen Zerstörung zum Trotz : Trägerin der Hoffnung bleibt (noch) die Göttin.
4.4. Hegel in Tübingen
Das Bild des jungen Hegel, das uns aus der Tübinger Zeit überliefert ist, lässt zunächst auf
keinerlei Veränderung der Stuttgarter Zeit gegenüber schließen. Nach wie vor ist bei ihm
kaum eine Spur zu finden von den Sturm-und-Drang-Jahren eines Genius; er ist
gekennzeichnet durch eine "etwas grämliche Außenseite"
152
. Eine von einem Freund
angefertigte Karikate zeigt ihn als alten Mann mit Krücken und gesenktem Haupt : "Gott
stehe dem alten Mann bei" steht darunter geschrieben.
153
Von Hölderlin hingegen wird
überliefert : "Wenn er vor Tische auf und ab gegangen, sei es gewesen, als schritte Apollo
durch den Saal"
154
. Die Kameraden können an Hegel "nichts besonders Geistreiches"
155
finden; dafür ist er ein gern gesehener Zechgenosse in den Tübinger 'Gogenwirtschäftle', und
man ruft ihm gar zu : "O, Hegel, du saufst dir gewiß no dei bißle Verstand vollends ab"
156
.
Man fühlt sich an das platte Behagen der Studenten in Auerbachs Keller erinnert.
Aber der Schein trügt. Hegel weiß sich - wie seine Freunde - für die Revolution und ihre
Ideale zu begeistern; ihm wird nachgesagt, ein engagierter Redner der Freiheit und Gleichheit
zu sein, und Schwab berichtet gar, dass Hegel für einen derben Jakobiner gilt
157
. Der
Ortswechsel von Stuttgart nach Tübingen führt also zumindest einen Stimmungswechsel mit
sich; seine Methode aber ist - auch in der allgemeinen Begeisterung in Tübingen - die
gleiche geblieben, denn er ist immer noch der Empiriker, der sorgfältige Sammler. Dem
Enthusiasmus seiner Freunde gegenüber folgt er dem ihm eigenen Bedürfnis, sich zu allererst
Klar-heit über das zu verschaffen, was ihn (an politischen und sozioökonomischen
Verhältnissen) umgibt und was doch so wenig mit den als Ideal gesehenen Verhältnissen in
Frankreich übereinstimmt.
Mit seinen Untersuchungen setzt er dort an, wo er - studienbedingt - zu Hause ist : bei
Fragen der Religion. Aus der Tübinger Zeit sind uns ein Fragment und kleinere Entwürfe
erhalten.
158
Dass es Hegel bei dieser Thematik nicht primär um theologische Fragen, sondern
um die Frage nach dem rechten Verhältnis der einzelnen Glieder zum Ganzen einer
Gemeinschaft (nach dem Vorbild der Polis) geht, ist bei Hegels Nähe zu griechischem
Denken klar. Aber gerade in diesem Zusammenhang ist es nach Hegel wichtig, die Rolle zu

33
untersuchen, die die Religion zu spielen in der Lage ist : Kann sie das gemeinschaftliche
Leben stützen, oder stört sie es ?
Die uns erhaltenen Texte dieser Zeit (sie sind erst 1907 von Nohl herausgegeben worden
und wurden lange Zeit in der Forschung nicht oder kaum beachtet) tragen einen vom
Herausgeber formulierten Titel, der zeigt, dass es sich zunächst einmal um Fragen der
Religion handelt : Fragmente über Volksreligion und Christentum. Und diese beginnen
sogleich mit einer grund-legenden Feststellung : Religion ist eine der wichtigsten
Angelegenheiten unseres Lebens
159
. In einem ersten Schritt der Differenzierung stellt Hegel
objektive Religion und subjektive Religion einander gegenüber. Die objektive mit ihren
Kräften des Verstandes (vgl. hierzu die Stufe der Ratio bei Rousseau) und des Gedächtnisses
ist diejenige, die in den Schulen gelehrt (!) wird (Hegel : totes Kapital)
160
, während die
subjektive, die auf das Herz und die Phantasie geht, sich in Empfindungen und Handlungen
äußert. Die objektive Religion setzt Hegel der (Schul-)Theologie gleich, die für Hegel nicht
mehr Religion
161
ist. Wahre Religion ist nach Hegel nämlich nicht bloße Wissenschaft von
Gott
162
, sondern sie geht das Herz etwas an : das heilige, das zarte Gewebe der menschlichen
Empfindung
163
. Man beachte hier den Hinweis auf das Gewebe, das das Bild vielfältiger
Verflechtungen und Verbindungen meint (im Unterschied zum linear ausgerichteten und
damit eindimensionalen, starren, einseitigen Denken), und man beachte zudem die
Hinzufügung zart, die auf die Fragilität und Gefährdung dieses Gebildes hinweist.
Hegel wendet sich also gegen die objektive Religion als eine bloß verstandesmäßig
gesteuerte Analyse; die Aufklärung durch den Verstand, die bloße Ratio, kann uns zwar
klüger machen - wie jedes bloß angelernte Wissen-, doch kann sie uns nicht im ethischen
Sinne besser machen; dies aber wäre Aufgabe der Religion. Nach Hegel ist die Natur des
Menschen mit den Ideen der Vernunft gleichsam nur geschwängert, so dass es der Religion
bedürfe, die der Moralität und ihren Beweggründen einen neuen erhabeneren Schwung ver-
leihe.
164
Das zu befördern, sei Aufgabe der Praxis initiierenden Empfindung, während der
Verstand - so hatten wir bei Rousseau gesehen - ein Vertrauter, ja ein Diener der Selbst-
sucht sei. Hegel verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel der Kinder, denen man
(um sie auf die bürgerliche Gesellschaft hin abzurichten - die eben eine vertragsgesteuerte
Gesellschaft und keine Gemeinschaft ist und die daher an Fragen des Nutzens und nicht an
Fragen der Moral ausgerichtet ist) den theologischen Sauerteig mit dem Katechismus
eingeprügelt hat
165
.
Den Unterschied, um den es ihm geht, verdeutlicht Hegel an den Beispielen des jugend-
lichen und des alternden Genius, die hier der bildhaften Sprache wegen ausführlicher zitiert

34
werden sollen : Jener fühlt sich und jauchzt in seiner Kraft, fliegt mit Heißhunger auf etwas
Neues, interessiert sich aufs lebhafteste dafür, verläßt es aber vielleicht wieder und ergreift
was anderes, nie aber kann dies etwas sein, das seinem stolzen und freien Nacken Fesseln
auflegen wollte; der alternde Genius zeichnet sich vorzüglich durch feste Anhänglichkeit an
das Hergebrachte in jeder Rücksicht aus, (...) lässt sich stoßen und rütteln, wie sein Herr-
scher es will, genießt aber nur mit halbem Bewußtsein, nicht frei, nicht offen, mit heiterer,
schöner Freude, die andere zur Sympathie einlädt
166
. Es geht in Hegels Zielsetzung also
offensichtlich um "Freiheit" und "Offenheit", um "Beweglichkeit" und "Lebendigkeit" (man
erinnere den Begriff des "zarten Gewebes") - aus diesen Bausteinen wird sich das Gespräch
zwischen Hölderlin und Hegel in Frankfurt zusammensetzen. Dass es sich um Bausteine an
einem politischen Gebilde handelt, zeigen die Hinweise auf den Herrscher und auf den
stolzen und freien Nacken, der zu Hegels (wenn auch sehr idealisiertem) Griechen-Bild passt.
Und diesem Bild einer idealen politischen Gemeinschaft entspricht das Bild einer Religion,
die diese zu befördern weiß (zumindest bei denjenigen, denen die philosophische
Durchdringung der Probleme nicht leichtfällt), und diese Religion, die der Entwicklung eines
nicht entfremdeten, lebendigen, beweglichen Volkes förderlich ist, ist für Hegel die
Volksreligion. In dieser Aufgabe findet sie ihre Berechtigung.
Hegel setzt eine zweite Unterscheidung hinzu, die von öffentlicher und privater Religion :
Die Moralität einzelner Menschen zu bilden, ist Sache einer Privatreligion, der Eltern,
eigener Anstrengung und der Umstände
167
; der öffentlichen gehe es um Erhebung, Veredlung
des Geistes einer Nation, und ihre Methode erinnert an die der subjektiven Religion. Sie soll
einer Vernunftreligion Vorschub leisten, die Gott im Geist und in der Wahrheit anbetet und
den Dienst nur in die Tugend setzt
168
. Im Gedanken dieser Vernunftreligion zeigt sich die
letzt-liche Ausrichtung am Ideal des Kantschen Sittengesetzes (bei aller Kritik Hegels an
dessen Rigorosität, welche Kritik er mit Schiller teilt); Kants philosophische Aufstellung und
Begründung ist jedoch nach Hegel im Hinblick auf das gegenwärtige Geschlecht zu hoch
gesteckt, und aus diesem Grund habe die auf einer vergleichsweise niedrigeren Stufe
stehende Volksreligion mit ihrer Verfeinerung der Sinnlichkeit und ihrer Legalität
169
einen
Wert für sich (hierin unterscheidet sich Hegel vom Anspruch Kants).
170
Diese Volksreligion werde getragen von der Liebe (man vergleiche Hölderlins Ausrichtung
am Liebes-Begriff zur gleichen Zeit), die ein Grundprinzip des empirischen Charakters des
Menschen darstelle
171
. Die Liebe solle aus dem Grund gefördert werden, dass sie etwas
Analoges mit der Vernunft hat : sie finde im anderen Menschen sich selber (diesen Gedanken
wird Hegel im Satz des Selbstbewußtseins innerhalb seiner Phänomenologie des Geistes

35
aufgreifen, der da lautet : Das Selbstbewußtsein ist an und für sich, indem und dadurch, daß
es für ein anderes an und für sich ist.
172
).
Hegel beschäftigt sich in Tübingen also mit dem Nahziel einer Volksreligion. Auf die
Frage nach ihrer Ausrichtung betont er, daß ihre Lehren auf der allgemeinen Vernunft
gegründet sein, dass sie durch letztere autorisiert, zugleich aber auch einfach und menschlich
sein müssten
173
: "einfach" seien sie als Wahrheiten der Vernunft, die keines mühsamen
Beweises bedürften; "menschlich" seien sie, wenn sie der Stufe von Moralität angemessen
sind, auf der ein Volk steht. Dem werde das dogmatische Christentum seiner Zeit, das nach
Hegels Auffassung eine unheilvolle Verbindung mit dem Despotismus eingegangen ist, nicht
gerecht.
Hegel sieht - hier in seiner Tübinger Zeit - das Christentum rein von seiner negativen
Seite : Es hat viele Märtyrer - Helden im Dulden, aber nicht Helden im Handeln
hervorgebracht
174
, den vom Despotismus beherrschten, schwachen, verkümmerten
Menschentypus der Zeit, der des törichtesten Aberglaubens, der größten hierarchischen und
politischen Sklaverei fähig gewesen sei
175
. Diesem Christentum stellt Hegel die subjektiv
empfundene Religion der freien griechischen Polis gegenüber; Griechenland ist ihm in dieser
Hinsicht Vorbild wie seinem Freunde Hölderlin, nur dass Hegel sich nicht wie dieser trauernd
zurück- wendet zu einem vergangenen Ideal, sondern dass er analog zum Vergangenen ein
Neues schaffen will, eine Volksgemeinschaft, die - attischen Verhältnissen entsprechend -
durch eine den ganzen Menschen ansprechende Religion verbunden ist. Bei Hegel wie bei
Hölderlin stehen Liebe, Schönheit und Lebendigkeit der griechischen Lebenskunst dem
Toten, Erstarrten des christlich geprägten Buchstabenmenschen gegenüber
176
. Und - wenn
man aus Hegels Denken eine Struktur herauslesen möchte, so findet man (ohne dass es
explizit gesagt wird) auch bei ihm den geschichtlichen Dreitakt von einstigem Ideal (hier
repräsentiert durch den griechischen Menschen), vom Leiden an der Gegenwart (wegen der
erstarrten Formen der Positivität in Religion und Politik) und schließlich vom Aufzeigen der
Bedingungen, unter denen die zukünftige Religion (und in eins damit die zukünftige Politik),
repräsentiert vom Volksgeist, wird erblühen können. Das Resultat seiner Tübinger
Untersuchungen fasst Hegel in den Satz zusammen : Volksreligion, die große Gesinnungen
erzeugt und nährt, geht Hand in Hand mit der Freiheit.
177

36
4.5. Gemeinsames. Hen kai pan und Reich Gottes
Die Untersuchung ist am Ende der turbulenten Tübinger Jahre angelangt. Da diese
Ausgangspunkt sind für alles weitere Schaffen der Freunde, war es nötig, auch den
biographischen Hintergrund stärker zu beleuchten : Die Zeitstimmung, die Bereitschaft zum
Kampf gegen alles Überlieferte, Starre, Einseitige und durch seine Einseitigkeit
Unterdrückende sollten klar herausgestellt werden. Ausgeklammert aus der Erörterung
wurden bisher die Losungen der Freunde : "Reich Gottes" und "Hen kai pan". Auf sie soll nun
abschließend eingegangen werden.
Im Herbst 1793 trennen die Freunde sich mit eben jener Losung "Reich Gottes" : Ich bin
gewiß, daß du indessen zuweilen meiner gedachtest, seit wir mit der Losung "Reich Gottes"
voneinander schieden, schreibt Hölderlin am 10. Juli 1794 an Hegel
178
. Und unter
Hölderderlins Eintrag in Hegels Stammbuch findet sich die Formel Hen kai pan - das meint
Eins und Alles und ist (wie später noch zu zeigen sein wird) in dieser Form oder in wichtigen
Varianten auf das philosophische Werk Heraklits (des Dunklen) von Ephesos zurückzuführen.
Zu diesem Zeitpunkt unserer Überlegungen ist ein anderer Hinweis sinngebend : Es ist
überliefert (179), dass zur Lieblingslektüre der Stiftler Jacobis Spinoza-Büchlein, das im
Jahre 1785 erschienene Buch "Über die Lehre des Spinoza in Briefen an Herrn Moses
Mendelssohn", gehörte. Dieses Buch ist das Resultat einer Reise Jacobis im Sommer 1780,
auf der er Lessing besucht. Bei der Gelegenheit eines Gespräches über Goethes "Prometheus"
sagt Lessing : "Die orthodoxen Begriffe von der Gottheit sind nicht mehr für mich; ich kann
sie nicht genießen. 'Hen kai pan' ! Ich weiß nichts anders." Und auf die Frage Jacobis, ob er
denn mit Spinoza einverstanden sei : "Wenn ich mich nach jemand nennen soll, so weiß ich
keinen andern."
180
Diese Bemerkung entfacht eine rege literarisch-philosophische Auseinandersetzung weit
über Jacobi und Lessing hinaus, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden
kann. Für die Stiftler ist sie in zweifacher Hinsicht wichtig : negativ als Ausdruck des
Protestes gegen die herrschende Orthodoxie, positiv als "massiver Anschlag auf den
politischen Dualismus von Regent und Regierten"
181
. Der so rezipierte Spinozismus als ein
Pan-Theismus trifft auf die 'Hen kai pan'-Idee Heraklits und tritt in den Gedanken auf in Form
religiöser und politischer Emanzipation, denn : gibt es keinen extramundanen, persönlichen
Gott mehr, so wird auch die heteronome Bestimmung des Menschen wegfallen. In diesem
Verständnis ist der Spinozismus eine Verheißung für eine dem im Kantischen Sinne
autonomen Menschen gerechter werdende Zukunft.
182
Mit ihm verbinden sich in der
Hoffnung der Stiftler Elemente des Rousseauismus und des Pietismus : Selbstgewissheit,

37
Freiheitsbewusstsein und religiöse Gewissheit sind untrennbar miteinander verbunden. Wo
alles eins ist, wo Gott in allem ist, ist die Forderung der égalité selbst-verständlich und liegt
die fraternité zum Greifen nahe.
In dieser Hinsicht entsprechen politische und religiöse Emanzipation einander. Es ist
erwähnt worden, dass Hegel mit seiner Kritik an der orthodoxen Theologie in eins das
despotische, feudale System angreift. Und auch Hölderlin sehnt sich nach freier
Menschengemeinschaft, zu der er als Sänger erziehen will. Dieser Gedanke einer Erneuerung
findet Ausdruck in der Losung "Reich Gottes". Gewiß können sowohl der schwäbische
Pietismus wie auch das Lukas-Evangelium als Quellen dieser Losung angesehen werden,
doch ist es wichtig zu betonen, dass bei Hölderlin und Hegel die religiöse Begriffsfüllung sich
zur Vorstellung einer innerweltlichen Erneuerung hin verschoben hat. Auch Kant ist als
Quelle nicht zu leugnen, auch er erweist sich als "chiliastischer Stichwortgeber"
183
. In seiner
1793 erscheinenden Schrift "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" sagt er
: "Der allmähliche Übergang des Kirchenglaubens zur Alleinherrschaft des reinen
Religionsglaubens ist die Annäherung des Reiches Gottes."
184
Aus welcher Quelle die Stiftler die "Reich Gottes"-Idee nun auch entnommen haben : Sie
ist ihnen Kampfsymbol gegen die herrschende Orthodoxie und den herrschenden
Despotismus. Die Stiftler wollen in diesem Kampf das erstarrte Leben auf allen Gebieten, vor
allem aber in Kirche, Staat und Sittlichkeit, wieder in Fluss bringen.
185
Dabei geht man
unterschiedliche Wege : Schelling, einige Jahre jünger als Hölderlin und Hegel, aber frühreif
und doch schon Mitglied der Gemeinschaft, ist zunächst der einzig ernsthafte Revolutionär
unter den Freunden, der alles von Grund auf ändern möchte, während es Hegel mehr um die
lebendige Durchdringung des Alten geht, um Um-Bildung also und nicht um Um-Sturz.
Hölderlin rettet sich aus der trostlosen Wirklichkeit in die Welt seiner Ideale, immer aber
unter der Absicht, durch deren Preisung auf die Bildung der Menschen einwirken zu wollen;
doch hinsichtlich der Möglichkeit der Durchführung seines Vorhabens schwankt er stets
zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
Gemeinsames gedankliches Eigentum ist ihnen in der Tübinger Zeit der schon erwähnte
Kampf gegen alles Einseitige und in seiner Einseitigkeit Fixierte und damit das zarte Gewebe
(s.o.) der Vorstellung eines "Eines und Alles" Bedrohende. Der jugendliche Idealismus der
Freunde konzentriert sich auf die gedankliche Beseitigung der sie unterdrückenden
Gegenwartsverhältnisse. Man will die Vollendung in der Einheit, im "Eins und Alles", ohne
zu diesem Zeitpunkt schon zu sehen, dass diese Einheit differenziert betrachtet werden muss,
dass zur Vorstellung der Einheit auch die antithetische Struktur gehört, ohne die eine zu
bildenden Einheit keine wahre wäre. Das zunächst noch intendierte, rein negative

38
AufhebenWollen all dessen, was im Wege steht, resultiert zum einen aus jugendlicher
Ungeduld, zum anderen aus dem Vorbild der ebenfalls bloß negierenden Bewegung der
Französischen Re-volution. Bei diesem Hinweis auf die große Politik darf eines aber nicht
übersehen werden : Im Stift sucht man primär das Ideal der Menschengemeinschaft; sie steht
gedanklich im Mittelpunkt und nicht so sehr - wie auf der großen Bühne der Französischen
Revolution - das Menschenrecht des Einzelnen. Der Gedanke an einzelne Rechte impliziert
Trennung; im Tübinger Freundeskreis aber erstrebt man die Verbindung und die Vereinigung,
für die die persönliche Freiheit des Einzelnen nur Bedingung der Möglichkeit, noch nicht der
Zielpunkt ist.
5. Die Zwischenzeit (1794 - 1796)
Im September 1793 werden Hölderlin und Hegel nach abgeschlossenem Studium aus dem
Tübinger Stift entlassen. Ihre Wege trennen sich für drei Jahre. Hegel geht als Hauslehrer
nach Bern, Hölderlin zunächst - ebenfalls als Hausleher - nach Waltershausen, in der Folge
dann als Student nach Jena (um Schiller und Fichte nahe zu sein), bevor er 1796 wieder eine
Hauslehrer-Stelle, diesmal in Frankfurt am Main, annehmen wird. (Dieser kurze Überblick
bestätigt die uns schon bekannte Unruhe Hölderlins, die sich hier im Ortswechsel äußert. Im
Gegensatz hierzu bleibt Hegel, seiner ruhigen und sesshaften Natur gemäß, die drei Jahre an
einem Ort.)
Inzwischen dreht das Rad der Weltgeschichte sich weiter. Frankreich ist zwar immer noch
der Nabel der Welt und hierher sind weiterhin die hoffnungsvollen Blicke all derjenigen
gerichtet, die in den Idealen der Revolution die Befreiung von Despotismus und
Dogmatismus angekündigt sehen, doch wandelt sich in den neunziger Jahren das Bild der
Revolution, und etliche der deutschen Intellektuellen, die zunächst Sympathien für die
weltgeschichtliche Bewegung empfunden haben, wenden sich enttäuscht oder auch angeekelt
ab : Die Revolutionäre in Paris haben den König hingerichtet und haben sich obendrein
gezwungen gesehen, der Bedrohung durch den äußeren Feind und durch innere Probleme
(Hungersnöte, Inflation und royalistisch gesteuerte Bauernaufstände) mit Fanatismus und
Härte zu begegnen. Die Schreckensherrschaft der Jakobiner hat begonnen, deren erste Opfer
die Girondisten, ihre bisherigen Verbündeten im Kampf gegen herrschaftliche Willkür und
Gewalt, sind. Hölderlin schreibt im Oktober 1793 an seinen Freund Neuffer : Ach ! das
Schicksal dieser Männer macht mich oft bitter, und er meint mit "diesen Männern" keine
anderen als eben die Girondisten.
186

39
Auch wenn das in der Folge ausgebaute Terror-Regime nach Robespierres Vorstellungen
als eine Diktatur der Tugend und der Vernunft daherkommt, werden die Menschenrechte, eh-
dem von den Revolutionären als wesentliches Ziel gesetzt, nunmehr mit Füßen getreten. Das
Fallbeil der Guillotine vertritt das "Recht". Ihm fallen bis Juli 1794 allein in Paris 1251
"Verdächtige" zum Opfer. Aber auch der Terror der Jakobiner findet schließlich ein Ende, die
Revolution frisst ihre eigenen Kinder, denn auch die führenden Jakobiner müssen ihr Leben
lassen : Marat wird von Charlotte Corday ermordet, während Robespierre, der
"Unbestechliche", der viele seiner Mitstreiter hat beseitigen lassen (darunter Hébert und
Danton), durch die Verschwörung vom 9. Thermidor ( = 27.7.1794) selbst gestürzt und
hingerichtet wird. Die Revolution ist zunächst einmal gescheitert.
5.1. Hegel in Bern
Anfang Oktober 1793 nimmt Hegel bei dem Berner Patrizier Steiger von Tschugg eine
Hauslehrerstelle an. Über seinen Aufenthalt in Bern ist wenig überliefert; bekannt ist, dass
ihm in diesem Hause eine große Bibliothek mit wichtigen philosophischen und
historischpolitischen Schriften zur Verfügung steht. Hier kann er seiner - uns nun schon
hinlänglich bekannten - Lieblingstätigkeit des Sammelns von geistigem Material in
ausgedehnter Form nachgehen. Als Früchte dieser Berner Zeit sind uns einige Fragmente
Hegels erhalten, die Herman Nohl gesichtet, geordnet und 1907 unter dem Titel "Hegels
Theologische Jugendschriften" veröffentlicht hat. Sie sollen nun in wesentlichen Zügen
dargestellt werden.
5.1.1. Volksreligion und Christentum (Nohl 30 - 71)
187
Die erste Fragmentengruppe, von Nohl zusammengefasst unter dem Titel "Volksreligion
und Christentum", weist hinsichtlich des Datums ihrer Entstehung noch bis in die Tübinger
Jahre zurück (wir sind oben darauf zu sprechen gekommen). Inhaltlich entsprechen auch die
folgenden Fragmente dem Geist dieser Tübinger Überlegungen zum Thema "subjektive und
objektive Religion". Das Ideal bleibt auch hier die reine Vernunftreligion, zu der, da das Volk
für sie noch nicht reif ist, eine "Volks"-Religion hinführen soll, welche zum Zwecke der
moralischen Stützung die reinen Vernunftideen in einer dem Volke angemessenen Form
sinnenfällig machen soll. Dieser anzustrebenden Volksreligion wird kontrastierend die reine
Privatreligion des Christentums gegenübergestellt.

40
Zum Gedankengang : Der höchste Zweck des Menschen ist Moral, und unter seinen
Anlagen, diesen zu befördern, ist seine Anlage zur Religion eine der vorzüglichsten.
188
Die
Wirkung der Religion besteht in einer Verstärkung der Triebfedern der Sittlichkeit durch die
Idee von Gott als moralischem Gesetzgeber.
189
Der Führer eines sich als frei verstehenden
Staates sollte sich diese Wirkung der Religion zu eigen machen. Doch - wie sieht es in
Wirklichkeit aus ?
Zwar ist es wahr, sagt Hegel, dass es kein rührenderes, kein wohltätigeres Schauspiel
190
gibt, als wenn bei einem Volke der Kindessinn in der Religion
191
und die Einfalt der Sitten
192
allgemein sind, d.h. wenn sie Regierende wie Regierte und die für die
Religionsangelegenheiten zuständigen Priester umfassen. Verliert nun aber der Regent oder
die Priesterschaft diesen Geist der Einfalt, so ist die Unterdrückung, die Entehrung,
Herabwürdigung des Vol-kes (...) dann gewiß.
193
Die Regierenden werden zu despotischen
Herrschern, die Priester zu öffentlich aufgestellte(n) Sittenwächter(n), zu Leuten mit dem
moralischen und religiösen Lineal
194
, die nicht mehr nur die religiösen Angelegenheiten des
Volkes verwalten, sondern die allererst bestimmen, wie die Religion eines Volkes auszusehen
hat und wie sie aufzufas- sen ist. In einem solchen Fall ist es die Aufgabe des Volkes, den
Priestern ihre Funktion zu nehmen; der analoge Gedanke, den Herrschern ebenfalls ihre
Funktion streitig zu machen, liegt nahe. Der Geist der Revolution lässt sich ahnen.
In Tübingen hat Hegel schon festgestellt, dass die Religion der Griechen für eine bereits
verwirklichte Volksreligion angesehen werden kann : ihre Religion ist wahrhaft subjektiv,
der Grieche selbst ein freier Mensch, der sich keiner ihn knechtenden Autorität unterwirft, die
ihm in Fragen der Moralität mit nicht aus seiner freien Einsicht stammenden Geboten den
Weg hätte weisen wollen. Sokrates ist für Hegel das gute Beispiel eines Tugendlehrers, der im
eigentliche Sinne kein "Lehrer" ist, da er ohne den Anschein auftritt
195
, belehren zu wollen.
Seine Art, ein Gespräch zu führen (die Mäeutik), vergleicht Hegel mit der Tätigkeit einer
Hebamme
196
: die Begriffe, die Sokrates mit seinem Gesprächspartner herausarbeitet, liegen
in dessen Seele schon vor. Aufgabe des Philosophen ist es, den mit ihm interagieren-den
Partner in sich selbst hinein zu führen, denn das Agathon, das Gute, ist mit uns geboren, ist
also etwas, das nicht eingepredigt werden kann
197
, sondern uns schon zu eigen ist. Als
Gegenentwurf zu Sokrates sieht Hegel Jesus, den seine Jünger, anders als die sokratischen
Schüler ihren Lehrer, als Herrn und Meister anerkennen und auf dessen Wort sie bauen, ohne
auf Eigenes zu gehen.
Aber in diesem Glauben der Jünger an das Wort Christi (als an etwas einmal und damit
endgültig - als Wahrheit - Gesetztes) liegt nicht der einzige Unterschied zwischen der
griechischen und der christlichen Religion begründet. Wesentlicher im Sinne Hegels ist, dass

41
er die Religion der Griechen als wahre Volksreligion ansieht, was die christliche gar nicht
sein kann, da sie als "Privatreligion" konzipiert ist. Dieser Terminus ist uns in Tübingen
bereits begegnet und hat dort schon die Belehrung über das rechte Verhalten in Einzelfällen
moralischer Pro-
bleme zum Ziel gehabt. Christus habe, so Hegel, bei seinem Unterricht nur die Bildung und
Vollkommenheit des einzelnen Menschen vor Augen
198
. Der Versuch, diese Privatreligion
durch ihr äußerliche Machtverhältnisse zur Volksreligion zu erheben, habe scheitern müssen.
Was im Einzelfalle für das Recht-Tun eines Menschen taugen möge, könne nicht in Form
eines Gesetzes auf die gesamte Gesellschaft übertragen werden. Zwar könne eine partielle
Gesellschaft
199
diese Gebote Christi an den Einzelnen übernehmen, wie es in der Urgemeinde
auch geschehen sei; doch sei es falsch gewesen, dass, was nur für eine kleine Familie angeht,
auf die bürgerliche Gesellschaft (insgesamt) ausgedehnt wurde.
200
Habe es ursprünglich
jedem Einzelnen freigestanden, sich gläubig der christlichen Religion zuzuwenden, so hätten
mit dem Übergehen dieser rein privaten in eine allgemeine Religion Gebote, die dem
Einzelnen zwar in seiner je eigenen Situation gerecht werden könnten, zu von dieser
Einzelsituation abstrahierenden Gesetzen werden müssen. Die Gebote Jesu, schon von seinen
Jüngern allzu starr 'beim Wort genommen', würden so als allgemein verpflichtend gesetzt;
ihnen zu folgen, werde, statt Angelegenheit eines freien Glaubens zu sein, eine Ängstlichkeit
des Gewissens
201
in der Befolgung der Gesetz gewordenen Gebote mit sich führen. Den
Geistlichen als den offiziellen Auslegern der Schrift, den Buchstabenmenschen
202
, werde es
nunmehr obliegen, Hände voll Zweifel zu lösen
203
. Die rein verstandesmäßig ausgerichtete
Analyse der Heiligen Schrift werde einer lächerlichen Exegese überlassen, es würden Lehren
aufgestellt, die zur Befolgung dem Gedächtnis einzuprägen seien, ohne dass - wie in
Tübingen von Hegel für die subjektive Religion gefordert - Herz und Phantasie
angesprochen würden. Zudem sei es dem Priesterstand unbenommen, unmoralisch-religiöse
Galimathias
204
- als Beispiel sei der Ablaßkram erwähnt - als dem Wort Christi entsprechend
zu behaupten.
Das Christentum, von Hegel als ein System der Angst gesehen, findet seiner Ansicht nach
seinen Ausdruck auch in der Furcht vor der Alternative nach dem Tod : Himmel oder Hölle.
Das irdische Leben habe keinen Wert an sich, es sei nur Vorbereitungsschule
205
zum
zukünftigen Leben, wobei auf Erden der bloße Glaube zum Selbstzweck werde, Gottes
Wohlgefallen zu erregen. Der christlichen Angst vor dem so eingeschätzten Tod stellt Hegel
die Todesauffassung der Griechen gegenüber, in der der Tod ein schöner Genius sei, der den
Menschen an ein genossenes Leben erinnere.
206

42
In der Gegnerschaft zu dem christlichen System der Angst berühren sich antike
Vorstellungen mit neuzeitlichen, wie wir sie bei Kant finden in seinem Verständnis von
autonomer Vernunft; diese kennt keine Angst, da sie ihren Grund in sich selbst hat und nicht
in einem Glauben an Zeugnisse und Lehren anderer. Diese Eigenständigkeit, diese Befreiung
von einer Unterdrückung durch fremde Autorität, ist dabei für Hegel wichtiger als die Kant
wesentliche Forderung nach einer Erfüllung der Pflicht.
In erster Linie aber (und das gilt es zu betonen) geht es Hegel in der angesprochenen
Fragmentengruppe darum zu zeigen, dass das Christentum als eine reine Privatreligion zur
Staatsreligion nicht tauge. Würden Gebote, die der Einzelne in seiner je eigenen Situation
anzunehmen bereit ist oder nicht, allgemeinverpflichtende Gesetze, so werde der Mensch
seiner Freiheit der eigenen Ent-Scheidung (sprich : seiner Autonomie) beraubt, er werde
abhängig von den Lehren und den Lehrern, die sie verbreiten. Dass letztere Hand in Hand
arbeiten mit den weltlichen Herrschern, das ist Hegel schon seit Tübingen Gewissheit :
Christentum und Despotismus gründen sich auf die Knechtschaft des gläubigen Menschen,
der seinen 'Grund' nicht mehr in sich selbst zu finden weiß (Hesse würde davon sprechen,
dass diesem Menschen der 'eigene Sinn', der Eigen-Sinn, fehle
207
). Auch Rousseau hat betont,
dass das Christentum nicht geeignet sei, eine Verbindung mit der republikanischen Staatsform
einzugehen : "Aber ich täusche mich, wenn ich von einer christlichen Republik spreche :
jedes der beiden Worte schließt das andere aus. Das Christentum predigt nur Knechtschaft
und Unterwerfung. Sein Geist ist der Tyrannei nur zu günstig, als dass sie nicht immer
Gewinn daraus geschlagen hätte. Die wahren Christen sind zu Sklaven ge-schaffen."
208
Es bleibt also festzuhalten, dass eine Kritik wie die Hegels am Christentum offensichtlich
zugleich eine Kritik am gegenwärtigen Staat ist, dessen Religion eben dieses Christentum ist.
Die vergleichende Analyse dieser Religion mit der der griechischen Demokratie gewinnt auf
diese Weise aktuelle politische Bedeutung. Hegel ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der
Lage, die geschichtliche Bewegung und ihre Bedingungen einzuschätzen und in ihrer
Faktizität anzuerkennen, doch liegt eine solche Betrachtung auch noch nicht in seinem
Interesse. Es geht ihm hier und jetzt um das Gegenbild zur (in seinen Augen) degenerierten
Moderne, wo-bei er Vorbilder zur Überwindung des herrschenden Despotismus bei den
Griechen und bei Kant sieht. Das Gedankengut der Französischen Revolution ist in seiner
Wirkung auf den Ex-Stiftler ungemindert.

43
5.1.2. Das Leben Jesu
In seinen Berner Schriften weiß Hegel neben seiner Kritik am Christentum als einer
uneigentlichen Staatsreligion aber auch Jesus als Tugendideal durchaus von der Pervertierung
in Aufnahme und Verbreitung seiner Lehre abzugrenzen : Jesus ist der Gottesssohn, und
dieser Zusatz des Göttlichen qualifiziert den tugendhaften Menschen Jesus zu einem Ideale
der Tugend
209
. Tugendhaft ist auch Sokrates gewesen, ohne dass er - seines Menschseins
wegen - zu einem ebensolchen Tugendideal hätte werden können. Jesus hingegen, göttlichen
Abstammung, nahm des Menschen Gestalt an (wie Hölderlin es in seiner Elegie Brod und
Wein sagen wird); er ist weder nur Mensch noch kaltes Abstraktum
210
, in ihm ist Verbindung
von Unbedingtem und Sinnlich-Anschaulichem. Er ist nicht nur ein tugendhafter Mensch,
sondern er ist die Tugend selbst.
Eine einzige vollständige Arbeit Hegels aus der Berner Zeit ist erhalten : das zwischen
dem 9. Mai und dem 24. Juli 1795 entstandene Leben Jesu, eine Nacherzählung des Lebens
Christi unter Verzicht auf alle Wundergeschichten und Verklärungen. Zwar ist sie für Hegels
philosophische Entwicklung kaum von Bedeutung
211
, doch soll sie hier erwähnt werden
aufgrund ihrer Würdigung der Person Jesu als eines Tugendideals. Als ein solches wird Jesus
von Hegel in Leben und Lehre gezeigt, ganz im Sinne der von Kant in der Schrift "Die
Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" aufgestellten Forderung nach einer
"Auslegung der uns zu Händen gekommenen Offenbarung" nach einer "durchgängige(n)
Deutung derselben zu einem Sinn, der mit den allgemeinen praktischen Regeln einer reinen
Vernunftreligion zusammenstimmt"
212
.
Das Leben Jesu ist eine Apologie seiner Sittlichkeit; Jesus wird hier als lebendiges Vor-
bild gezeichnet unter Verzicht auf das Bild eines (durch Jünger und Priester) als Macht fest-
gesetztes Absolutes, fixiert und damit unlebendig, dem es blind zu folgen gilt. Wenn Hegel
Jesus zu den Pharisäern von ihren willkürlichen Lehren und Satzungen, von ihrer
Herabwürdigung der Endzwecke der Menschen, der Tugend, unter dieselben sprechen lässt
und von dem Zwang, womit ihr das Ansehen eures Glaubens und eurer Gebote unter eurem
Volk aufrechterhalten wollt
213
, so führt er mit diesem Angriff Jesu auf die Pharisäer zugleich
einen Angriff auf die "Pharisäer" seiner Zeit, auf die Priester und Exegeten der Schrift. Hegel
weiß einen solchen Jesus, der noch nicht durch die geschichtliche Hypostasierung zu einer
den Menschen dominierenden Macht belastet ist, durchaus zu schätzen.

44
5.1.3. Der Briefwechsel Hegel - Schelling
Der Briefwechsel dieser Jahre soll (dem Thema der Arbeit entsprechend) allein in seiner
Bedeutung für Hegels weitere Entwicklung untersucht werden. In der Forschung ist diese
Bedeutung teils überbetont worden als eine "metaphysische Wende" Hegels
214
, teils aber auch
herabgespielt worden, so u.a. mit dem ablehnenden Verweis auf den "ganzen Schellingschen
spekulativen Enthuasiasmus"
215
.
Der erste Brief Hegels an Schelling datiert vom 24.12.1794. Bis zu diesem Zeitpunkt, so
haben wir gesehen, geht Hegels Intention auf eine Volksreligion auf dem Boden Kantischer
Vernunftmoralität, wobei er seinen Ausgang nimmt von den reinen Ideen der praktischen
Vernunft und sie auf einen politisch-religiösen Horizont hin deutet. Versinnlichung der reinen
Vernunftideen fordert Hegel von einer Volksreligion, die das Volk zum Endzwecke der
Moralität leiten soll.
Im angesprochenen ersten Brief erinnert Hegel Schelling an ihre Freundschaft und fragt
ihn, der noch in Tübingen studiert, nach den Verhältnissen am Stift, an dem gerade die Exe-
geten am Werk sind, die Hegel in seinen Überlegungen so sehr bekämpft : Nirgends wird
wohl so getreulich als dort das alte System fortgepflanzt
216
. Schelling kann das in seinem
Antwortbrief vom Dreikönigsabend 1795 bestätigen : Alle möglichen Dogmen sind nun
schon zu Postulaten der praktischen Vernunft gestempelt
217
, womit er auf das oben
angesprochene Verfahren der Tübinger Supranaturalisten (vgl. S. 14 dieser Arbeit) anspielt.
Schelling ergänzt, dass er sich von den theologischen Arbeiten ab- und philosophischen
zugewendet habe, denn : Die Philosophie ist noch nicht am Ende. Kant hat die Resultate
gegeben; die Prämissen fehlen noch.
218
Hinter dieser Behauptung steht die Aufgabe, vor die
sich alle Nachfolger Kants gestellt sehen : Die Formulierung "Resultate" verweist auf
Erkenntnisse Kants in den einzelnen Bereichen seiner Philosophie, die eine Zwei-Welten-
Theorie birgt. Die Nachfolger Kants vermissen die Herleitung dieser Resultate aus einem sie
vereinheitlichenden Prinzip.
Schelling verweist in diesem Zusammenhang auf den Versuch Fichtes und auf seine eigene
Arbeit : Nun arbeite ich an einer Ethik á la Spinoza (vgl. hierzu Anmerkung 181); sie soll die
höchsten Prinzipien aller Philosophie aufstellen, in denen sich die theoretische und
praktische Vernunft vereinigt
219
. Damit spielt Schelling auf seine im Frühjahr 1795
erscheinende Schrift Vom Ich als Prinzip des Wissens an. In ihr sucht Schelling durch eine
Identifikation des 'absoluten Ich' mit dem 'Sein' Fichtes Einseitigkeit, die in ihrer
Hypostasierung des Ich das Sein als Nicht-Ich abwertet
220
, zu überwinden.

45
Hegel antwortet Ende Januar 1795 auf Schellings Bericht aus Tübingen : Die Orthodoxie
ist nicht zu erschüttern, solang ihre Profession mit weltlichen Vorteilen verknüpft in das
Ganze e(ine)s Staates verwebt ist.
221
Und am Unfug
222
der Tübinger Supranaturalisten, sich
der Kantischen Schriften zu bedienen, gibt Hegel dem von Schelling bevorzugten Fichte die
Mitschuld : Fichte hat in seinem ersten Werk ("Versuch einer Kritik aller Offenbarung") die
Möglichkeit einer Offenbarung Gottes damit zu erweisen versucht, dass die bloße Vernunft
nicht Kraft genug habe und deshalb einer Verstärkung ihrer Wirksamkeit bedürfe
223
. Hegel
sieht in diesem Hinweis einen Schritt, aus Kants Verschiebung der Gottes-Erfassung aus dem
Bereich des Wissens in den bloßen Glauben wieder ein Wissen zu machen. (Die hier bei
Hegel zu beobachtende scharfe Trennung zwischen Glauben und Wissen wird zu Beginn der
Frankfurter Zeit bei der Begegnung mit Hölderlin eine Rolle spielen.)
Hat Schelling im vorhergehenden Brief gegen den Gott der Tübinger Exegeten als
persönliches, individuelles Wesen polemisiert, so versteht Hegel diesen Hinweis nicht ganz :
Glaubst Du, wir reichen eigentlich nicht so weit ?
224
fragt er den Freund. Schelling antwortet
am 4. Februar 1795, dass er eine solche Frage von einem Vertrauten Lessings nicht erwartet
hätte
225
, und mit einem Verweis auf seine eigene Schrift Vom Ich sagt er : Wir reichen weiter
noch als zum persönlichen Wesen
226
, was er aus seiner Sicht zu beweisen versucht : Gott ist
nichts als das absolute Ich ... Persönlichkeit entsteht durch die Einheit des Bewußtseins.
Bewußtsein ist aber nicht ohne Objekt möglich; für Gott aber, d.h. für das absolute Ich gibt es
gar kein Objekt, denn dadurch hörte es auf, absolut zu sein - mithin gibt es keinen
persönlichen Gott
227
. Schelling legt dem Brief seine philosophische Erstlingsschrift bei, von
der Hegel ihm am 16. April 1795 berichtet, dass er zu einem gründlichen Studium derselben
nicht genügend Zeit gehabt habe; ergänzend fügt er hinzu, dass er vom Kantischen System
und dessen höchster Vollendung eine Revolution in Deutschland erwarte, dass nach seiner
Meinung aber immer auch eine esoterische Philosophie bleiben werde und dass die Idee
Gottes als des absoluten Ich darunter gehören werde
228
.
Versuchen wir, das einzuordnen. Hegel ist hier ganz offensichtlich noch nicht soweit, die
"Sagbarkeit des Unsagbaren"
229
anzugehen. Er hat auch Schellings Versuch noch nicht
durchschaut (im doppelten Wortsinne); fügt er in diesem Brief hinzu, dass er Ahndungen
davon habe, was Schelling ihm im vorhergehenden Brief habe sagen wollen, so ergibt sich ein
Bild, das zeigt, dass Hegel noch nicht bereit ist, auf Schellings Gedanken einzugehen. Noch
bleibt Kant sein Heros, und Hegel sieht sich auch über das Problem der Erfassung des
Esoterischen in der Philosophie in seiner Absicht bestätigt, die in ihrer Unzugänglichkeit
problematischen Ideen der Vernunft dem Volk über eine Versinnlichung qua Volksreligion
verständlich zu machen. Die Philosophen, so schreibt er, bewiesen die Würde der Menschheit

46
und die Völker werden sie fühlen lernen
230
. Er gibt auch in aller Deutlichkeit an, was er sich
von der von ihm intendierten Volksreligion verspricht : Religion und Politik haben unter
einer Decke gespielt, jene hat gelehrt, was der Despotismus wollte, Verachtung des
Menschengeschlechts, Unfähigkeit desselben zu irgend einem Guten, durch sich selbst etwas
zu sein. Mit Verbreitung der Ideen, wie etwas sein soll, wird die Indolenz der gesetzten Leute,
ewig alles zu nehmen, wie es ist, verschwinden.
231
Hegel steht also nach wie vor auf dem Standpunkt einer möglichen, ja not-wendigen
Erziehung durch Religion (im gleichen Brief erwähnt er den großen Genuß, den ihm
SchillersBriefe über eine ästhetische Erziehung des Menschen verschafft haben). In dieser
Hinführung zu einer echt religiösen Erziehung des Volkes sieht er seine politische Tat im
Zeitalter der Revolution : Vernunft und Freiheit bleiben unsre Losung, und unser
Vereinigungspunkt die unsichtbare Kirche, und er fügt hinzu : Das Reich Gottes komme, und
unsre Hände seien nicht müßig im Schoße.
232
Die Frage der Tiefe des Eindrucks Schellingscher Gedanken auf Hegel ist zu diesem
Zeitpunkt noch nicht entschieden. Eine Antwort können erst die Schriften Hegels in den
Folgejahren geben.
5.1.4. Die Positivität der christlichen Religion (Nohl 152 - 213 und 233 - 239)
233
Diese Schrift Hegels ist uns aus den Jahren 1795/96 nebst einigen Zusätzen
fragmentarischer Art erhalten. Thematisch - in der Gegenüberstellung der griechischen
Volksreligion und des Christentums - schließt die Schrift an die bereits besprochenen an,
doch fokussiert sich die Fragestellung stärker auf eine Analyse des Christentums als einer
Staatsreligion.
Der Terminus "Positivität" ist ein zur Zeit Hegels geläufiger Begriff, der auf ästhetischem
wie auch auf juristischem Gebiet als Gegenbegriff zu "natürlich" verwendet wird. Wenn
Hegel selbst den Begriff in den Zusammenhang mit Fragen des Glaubens bringt, so hat dieser
Begriff nichts mit einer Wertung zu tun (im Sinne von 'positiv' contra 'negativ'), sondern ist
vom lat. 'ponere' abgeleitet, was "fest-setzen, fest-stellen" meint. Die Sätze eines positiven
Glaubens sind also dadurch gekennzeichnet, dass sie fest-gesetzt sind : Ein positiver Glaube
ist ein solches System von religiösen Sätzen, das für uns deswegen Wahrheit haben soll, weil
es uns geboten ist von einer Autorität, der unseren Glauben zu unterwerfen wir uns nicht
weigern können.
234
Es ist dem Gläubigen Pflicht, der Lehre dieser Autorität (= Gott) zu
glauben. Nicht das sittlich-autonome Ich wird durch diesen positiven Glauben gefördert, im
Gegenteil - der Mensch wird zum Abhängigen eines Wesens außer ihm, eben des Gottes, da

47
(wie die Orthodoxie behauptet) die Vernunft zwar imstande ist, ein reines System der Moral
zu erbauen
235
, dabei aber unvermögend ist, ihre Forderungen zu realisieren. Das Christentum
ist ein solcher positiver Glaube in der Bewertung Hegels. Er untersucht in dieser Schrift, wie
es dazu kommen konnte.
Der Gedankengang : Jesus trat auf unter den Juden. Über den traurige(n) Zustand der
jüdischen Nation
236
hat Hegel schon in den vorhergehenden Schriften gesprochen. Die Juden
betrachteten, so Hegel, ihre Gesetzgebung als von Gott selbst gegeben, eine Gesetzgebung,
deren Gesetze der ganzen Nation das Ansehen eines Mönchsordens gaben
237
. Unter diesem
Volke trat Jesus auf als d e r Jesus, den wir oben als "Tugendideal" gekennzeichnet haben.
Er drang nicht auf eine auf Autorität gegründete (...),sondern auf eine freie Tugend
238
. Jesus
wollte eine religiöse Sekte bilden, die Hegel als Mittleres zwischen einer philosophischen
Sekte, der es rein um Sittlichkeit geht, und einer positiven Sekte, die dem Glauben an etwas
Positives gleichen Rang mit der Sittlichkeit zugesteht, ansiedelt. Die religiöse Sekte möchte
die Gebote Gottes als Tugendgebote verbreiten ohne positive Lehren und befohlene
Gebräuche.
Wie kommt es nun - nach Hegel - dazu, dass die Lehre Jesu dennoch als positive
angenommen wurde ? Hegel legt ausführlich dar, dass der Grund dafür zum einen in der
Tatsache zu suchen ist, dass Jesus auf sich als auf Gottes Sohn verweisen musste, um
Autorität bei ei-
nem Volke zu erlangen, welches seine Gesetze von Gott empfangen zu haben glaubte.
Ebenfalls aus Gründen der Wirksamkeit nutzte er die Erwartung des Messias bei den Juden
aus. Neben den in der Person Jesu selbst gelegenen Aspekten kommen solche zum Tragen,
die bei den Jüngern zu suchen sind : sie hatten Wahrheit und Freiheit nicht selbst errungen
und waren deshalb bemüht, die Lehre ihres Meisters getreu aufzufassen und
aufzubewahren
239
. Sie predigten die Autorität Jesu, die er ihnen war, dem Volke, so daß die
Vernunft zu einem bloß empfangenden, nicht gesetzgebenden Vermögen gemacht wurde. So
wurden die Tugendlehren positiv, d.h. als nicht für sich selbst, sondern als Gebote Jesu
verpflichtend
240
.
In der Folge führt Hegel seine Gedanken der vorigen Arbeiten aus, indem er die Momente
anführt, die sich seiner Meinung nach beim Übergang der christlichen Sekte in den
christlichen Staat nicht in ihrem ursprünglichen Sinn erhalten ließen : die Gemeinschaft der
Güter, die Gleichheit untereinander und der Freundschaftsdienst des Abendmahles. Im
Zusammen-hang unserer Arbeit ist zu betonen, dass Hegel in diese Analyse des Verhältnisses
von Religion und Politik (das, wie wir gesehen haben, in seiner pervertierten gegenwärtigen

48
Form zu Unterdrückung auf beiden Gebieten führen musste) ökonomische und juristische
Argumente mit einbringt - ein Ergebnis seiner intensiven Berner Studien auf diesen Feldern.
Dass er auch Kants Philosophie weiterhin vor Augen hat, zeigt der Gedanke, dass Religion
vorzüglich ein Mittel des Staates sei, seine Bürger zwar moralisch zu machen, dass aber,
würden die religiös motivierten Einsichten zu Gesetzen, bei den Bürgern nicht (die auch von
Kant geforderte) reine Moralität, sondern bloße Legalität die Folge sein könne
241
. Die
Autonomie des sittlichen Willens werde auf diese Weise dem Bürger genommen zugunsten
einer Gesetzgebung, die die (bloße) Sicherheit aller garantieren solle.
Diese Gedanken werden unterfüttert durch Hegels schon bekannte Idealisierung der
antiken Verhältnisse. Auf die innerhalb der Zusätze zur Positivitätsschrift gestellte Frage, wie
es dazu habe kommen können, dass das Christentum Staatsreligion geworden sei, verweist
Hegel
darauf, daß griechische und römische Religion (...) nur eine Religion für freie Völker gewesen
sei
242
und dass mit dem Verlust dieser Freiheit auch diese Religion habe untergehen müssen.
Das Christentum habe erst dann in Rom Fuß fassen können, als das ehemals freie Volk, in
dem jeder seine Individualität freiwillig der Idee des Vaterlandes untergeordnet habe, durch
Luxus verweichlicht worden sei. Das kraftlose Geschlecht sei zu dem Altar, auf dem es
Selbständigkeit und Moralität fand und anbetete
243
, geflüchtet. Das dem Menschen eigene
Absolute sei in das Vermögen der Gottheit gelegt worden (verschoben worden), während die
antiken Götter als Götter der freien Menschen selbst mit menschlichen Schwächen haben
ausgestattet werden können, denn das Ewige, Selbständige hatten jene Menschen in ihrem
eigenen Busen
244
.
Hegel fasst in einem Satz eines Fragmentes zusammen, was die freie Religion der
einheitgebenden antiken Republik von dem in 'Individuen' aufgesplitterten christlichen Staat
unterscheide, wobei er seine Differenzierung zwischen einer Idee, wie es sein soll und der
Gottheit als Ideal, das ist, einbezieht : Der große Geist in der Republik wendet alle seine
Kräfte, physische und moralische, an seine Idee, sein ganzer Wirkungskreis hat Einheit - der
fromme Christ, der sich dem Dienst seines Ideals ganz weiht, ist ein mystischer Schwärmer
245
- der, so könnte man hinzufügen, sein eigenes Schicksal und das der Gemeinschaft nicht in
eigene Hände zu legen wisse. Wie so oft beim jungen Hegel gehen religiöse und politische
Freiheit resp. Unterwerfung Hand in Hand. Und er sieht in seiner eigenen Zeit, die ihm den
Befreiungskampf des französischen Volkes vor Augen führt, wenn auch nur erst in der
Theorie, so doch die Möglichkeit einer Veränderung : Es bleibe, so sagt er, unseren Tagen

49
vorzüglich aufbehalten, die Schätze, die an den Himmel verschleudert worden sind, als
Eigentum der Menschen, wenigstens in der Theorie, zu vindizieren.
246
Wenn wir nach einem Fazit des Berner Intermezzos für Hegel fragen, so können wir
Schindlers Einschätzung folgen : "So sehr sich Sprach-, Kultur- und Religionskritik in Hegels
Berner Studien oft unentwirrbar zu einem umfassend angelegten kritizistischen Programm
vereinen, um durch kontinuierliches Schütteln und Rütteln von allen Seiten her endlich eine
Wirkung von Wichtigkeit zu erzielen
247
, so wenig scheint Hegel in Bern zu begreifen, daß er
in Staat und Kirche, in Kultur und Gesellschaft im Grunde sein eigenes, dem 18. Jahrhundert
verpflichtetes, aber noch nicht eigens reflektiertes Verständnis von (sprachlicher) Objektivität
kritisiert."
248
Diese Reflexion wird ihn in Frankfurt und Jena beschäftigen - eine für sein
späteres System wesentliche Reflexion, die ihn zur "Sprache des konkreten Begriffs" führen
wird. Die Auseinandersetzung mit seinen Freunden wird ihm dabei helfen, bis er auch ihre
gedanklichen Positionen schließlich in einer für seine Vorstellung notwendigen Weise wird
transzendieren müssen.
5.2. Hölderlin als Hauslehrer in Waltershausen und Jena
Anfang 1794 tritt Hölderlin - auf Empfehlung Schillers - eine Hauslehrerstelle im Hause
von Kalb in Waltershausen an. Das Unternehmen beginnt mit einer Enttäuschung : Hölderlin
hat angenommen, es handle sich um das Städtchen Waltershausen bei Jena (und Jena ist
derzeit der intellektuelle Knotenpunkt schlechthin - nicht zuletzt durch die Professur
Fichtes)
249
, und muss nun zur Kenntnis nehmen, dass es sich stattdessen um das dörfliche
Waltershausen in der Rhön, fernab aller Kultur, handelt; immerhin ist er durch die Hausherrin
und Schiller-Freundin Charlotte von Kalb, die in Kontakt mit den geistigen Größen ihrer Zeit
steht, hinreichend informiert.
So geht er schließlich (wie immer in den folgenden Jahren) guten Muts seiner Bestimmung
entgegen
250
. Und er scheitert (auch das wird in den folgenden Jahren stets der Fall sein) schon
nach der relativ kurzen Zeit von einem Jahr. Sein Zögling Fritz ist ihm zunächst eine echte
Freude, ganz dazu geschaffen, um nach humanern Grundsätzen der Erziehung gebildet zu
werden
251
. Gegen Ende seines Aufenthaltes spricht Hölderlin dann von der mittelmäßigen
Naturanlage
252
des Jungen und von dessen Verstocktheit
253
. Aber nicht nur pädagogischer
Misserfolg lässt Hölderlin scheitern, auch anstrengende Tag- und Nachtwachen über seinen
Zögling, dessen Laster
254
(vermutlich Onanie) er verhindern helfen soll. Ich fing auch an, auf

50
eine gefährliche Art an meinem Kopfe zu leiden durch das öftere Wachen
255
, berichtet er
Anfang 1795 Neuffer. Zu dem Zeitpunkt ist er als Begleiter des Jungen schon in Jena, und als
auch dort das Problem weiterbesteht, trennt er sich im Einvernehmen mit der Familie vom
Hause von Kalb. Charlotte, von der die treffendste Charakterisierung Hölderlins überliefert ist
("Ruhe, Selbstgenügsamkeit - und Stetigkeit werde doch endlich dem Rastlosen. Er ist ein
Rad, welches schnell Läuft !!"
256
) setzt sich dafür ein, dass er eine finanzielle Übergangshilfe
erhält, die es ihm in den Folgemonaten ermöglicht, tatsächlich nach Jena zu gehen.
Die Auseinandersetzung mit der Mutter um die berufliche Zukunft dauert fort, denn sie
lässt nicht davon ab, ihn mit konkreten Hinweisen auf freigewordene Pfarrämter zu verfolgen.
Er, der dem Wunsch der Mutter nach einer gesicherten Stellung entsprechen möchte, lobt
zunächst seine ihn erfüllende Hauslehrerstelle und lehnt eine feste häusliche Lage ab, weil er
seine Bildung so gut als aufgeben müßte
257
. Denn er hat vor, ohne die Einschränkungen eines
fixierten bürgerlichen Verhältnisses, meinen Geist und mein Herz zu nähren
258
. Dabei
versichert er der Mutter sein ständiges Bestreben, ihr nie zur Last zu fallen oder Unehre
machen zu wollen (vgl. Brief vom 1. Juli 1794
259
).
Aus den Briefen Hölderlins erfahren wir, dass er sich in Waltershausen mit den Griechen
und dem herrliche(n) Geist Kants beschäftigt. (Die Parallele zu Hegel ist augenfällig.) Beleg
für diese Beschäftigung ist der wichtige Brief an seinen Bruder vom 21. August 1794 : Man
reife zum Manne, so schreibt er, unter dem unablässigen Bestreben, seine Begriffe zu
berichtigen und zu erweitern. Und es erinnert ein weiteres Mal an Hegels Berner
Überlegungen und dessen Auseinandersetzung mit 'positiver' Autorität, wenn Hölderlin
fordert : ... unter der unerschütterlichen Maxime, in Beurteilung aller möglichen
Behauptungen und Handlungen, in Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit und Vernunftmäßigkeit
schlechterdings keine Autorität anzuerkennen.
260
Anfang November 1794 lernt Hölderlin - auf der Reise mit seinem Zögling nach Jena -
Fichte kennen, die Seele von Jena
261
. Unter dem Eindruck von dessen Persönlichkeit und
dessen philosophischer Aufforderung zur Tat schreibt Hölderlin : Wenn's sein muß, so
zerbrechen wir unsere unglücklichen Saitenspiele und tun, was die Künstler träumten.
262
Für
eine bemessene Zeit vermag Fichte den jungen Sänger aus seiner selbstgestellten Aufgabe,
"nur" Sänger und Priester des Wahren und Schönen zu sein, herauszuholen. Dennoch fährt
Hölderlin fort zu dichten. Dem Ertrag seiner Arbeit soll jetzt unsere Aufmerksamkeit gelten.

51
5.2.1. Hölderlins Lyrik in diesem Zeitraum
Der lyrische Ertrag dieser Jahre ist rein umfangmäßig gering, da Hölderlin sich mit dem
Plan und der Ausführung eines Romans, seines Hyperion, befasst. Dennoch bedürfen diese
Gedichte einer genaueren Betrachtung, da Hölderlins sprunghafte Entwicklung in diesen
Jahren als explosionsartig bezeichnet werden kann (was im übrigen erst recht für die
Entwicklung seiner Theorie gilt). Was diese Betrachtung nicht gerade leicht macht, ist die
mitunter problematische zeitliche Zuordnung der Gedichte.
Ausgangspunkt unserer Betrachtung ist ein dreistrophiges Gedicht An Neuffer. Im Merz
1794 betitelt, das sogleich den Unterschied zu den bisherigen Werken aufzeigt : Es erscheint
in seiner Kürze (drei Strophen zu je 4 Zeilen) und in seiner Gleichmäßigkeit sehr kompakt
und geschlossen. Bewirkt wird dieser Eindruck durch das Metrum einerseits (durchgehender
fünfhebiger Jambus mit den Ausnahmen jeweils der dritten Zeilen mit 6 Hebungen) und
durch die Satzstruktur andererseits (in der ersten Strophe verteilen sich die vier Zeilen auf vier
Sätze, in der zweiten auf zwei, und die vier Zeilen der dritten Strophe bilden ein
zusammenhängendes Satzgefüge). Geprägt wird das Gedicht obendrein durch die fünffache
Anapher noch.
Deren Auswirkung auf die inhaltliche Be-Deutung ist zunächst zu prüfen. Das Wort meint
in temporaler Hinsicht einen Zustand, der andauert, der aber in Gefahr ist, der zeitlichen
Veränderung zu unterliegen. In logischer Hinsicht enthält der Terminus den Hinweis auf
einen möglichen alternativen Zustand, der in seiner Andersheit als besser oder schlechter
angesehen werden kann. Ein Beispiel für eine erhoffte Besserung in diesem Sinne liegt in
Ernst Blochs Formulierung eines "Noch-Nicht", das einen utopischen Vorschein konnotiert.
In seinem Begleitbrief an Neuffer (nach Sattler vermutlich um den 20. März 1794) nennt
Hölderlin dies Gedicht das Produkt einer frölichen Stunde
263
, eine Einschätzung, die der
Leser nur sehr bedingt wird teilen können. Das Gedicht hat im Unterschied zu den Hymnen
der Tübinger Zeit keinen feiernden Charakter mehr, sondern einen elegischen, vielleicht am
ehesten "melancholisch" zu nennenden. Das lyrische Ich verweist auf positiv erfahrene
Phänomene, die noch da seien, aber eben nicht un-bedingt. Die Bedingung wird in der letzten
Zeile genannt : sie sind noch da, so lang (...) mit uns ein freundlich Auge weint. Es bedarf zur
Aufrechterhaltung also der Gemeinschaft mit dem Gefährten (Hölderlin erinnert damit an die
Tage seiner unmittelbaren Freundschaft mit Neuffer), und in einer solchen Gemeinschaft ist
es möglich, dass Bilder beßrer Zeit um unsre Seele schweben. Diese verweisen also zunächst
einmal zurück auf vergangene Tage gemeinsam erlebten Glücks; gleichzeitig deuten sie (wie

52
Blochs "Noch-Nicht") die Möglichkeit einer als besser bewerteten Zukunft an. Günter Mieth
spricht an dieser Stelle von einer "wirkungsästhetisch funktionierenden syntaktischen
Dehnung" : der auf die Vergangenheit bezogene stimmungsvolle Moment werde gleichsam in
die Zukunft verlängert
264
.
Diese "syntaktische Dehnung" vorausgesetzt, finden wir auch hier die triadische Struktur
einer dreistufigen Entwicklung, wie sie oben (auf S. 19 dieser Arbeit) erläutert worden ist :
einer als entfremdet-entfremdend empfundenen Gegenwart stehen (als besser bewertete)
Vergangenheit und Zukunft gegenüber, wobei diese untereinander markante Unterschiede
aufweisen, da die Entwicklung durch die Entfremdung hindurch die Zukunft auf einer
(dialektisch verstanden) höheren Stufe zeigt. Festzuhalten bleibt, dass eine solche
Entwicklung auf die Gemeinsamkeit des wir verweist, und so spricht das lyrische Ich in den
ersten beiden Strophen seine eigenen Erfahrungen an, bevor es in der dritten Strophe in die
Sichtweise des Plurals wechselt.
Über diese Einsicht in diesen dialektischen Prozess verfügt der Autor Hölderlin zu diesem
Zeitpunkt noch nicht. Die beteiligten Personen sind noch nicht selbst-tätig und treten daher
auch nicht als Subjekte auf, sondern als Objekte, mit denen etwas geschieht : Es bedarf des
Anstoßes durch den süße(n) Frühling, des Trostes durch den blaue(n) Himmel und die grüne
Flur, um den Taumelkelch der Freude zu erleben (ein Terminus, der bei Hölderlin schon in
einem anderen Jugendgedicht aufgetaucht ist und der nicht gerade auf Besonnenheit deutet),
und dieses Erleben ist an die Voraussetzung geknüpft, dass uns Armen Gottes Sonne scheint.
Hölderlin bleibt (noch) Theologe und sieht sich und seinen Freund auf die Gnade Gottes
verwiesen, doch taucht am Horizont ein neuer, die Lyrik der kommenden Jahre bestimmender
Gedanke auf : der Taumelkelch wird gereicht durch die Göttliche, und damit ist die
freundliche Natur gemeint, die jetzt in den Fokus der Betrachtung rückt.
Diese in ihrer "Freundlichkeit" heilkräftige Natur steht auch im Zentrum des
WidmungsGedichtes An Rosine Stäudlin; es wird ein Bild einer Person gezeichnet, die der
"Mutter Natur" treu geblieben sei, der unter dem Eindruck der ihr lächelnd begegnenden
Natur das Wesen der Liebe sich offenbare und die damit in den Genuss der Freiheit komme :
Und die freie Seele fliege / Liebend den Gestirnen zu.
"Der bestirnte Himmel über mir", so hat Kant gesagt, erfülle ihn - neben dem moralischen
Gesetz in ihm - "mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht" aufgrund
der Erfahrung der Erhabenheit. Was erhaben ist, ist auch erhoben und verweist auf das Bild
von Niveauunterschieden, die zugleich Rangunterschiede implizieren. Anders bei Hölderlin :
Subjekt (die freie Seele), Prädikat (fliege) und Modaladverbiale (liebend) zeugen von einem
polaren Verhältnis mit befreiender, egalitärer Wirkung. Auch wenn dieses Gedicht als

53
tröstende Zuwendung zu der an Schwindsucht erkrankten Braut Neuffers gedacht ist, enthält
es wesentliche Gedanken der Hölderlin zu dieser Zeit beschäftigenden Liebesmetaphorik.
Die Waltershausener Lyrik zeigt Hölderlin also in einem Prozess weg vom jubelnden Ton
seiner Tübinger Hymnen hin zu einer reflektierteren Position, bei der sich elegische Trauer
und kämpferischer Trotz die Waage halten. In seinem Gedicht Griechenland. An Gotthold
Stäudlin (dessen erste Fassung noch in das Jahr 1793 zurückreicht) folgt Hölderlin Schillers
Klage um die "Götter Griechenlands". Liebend hätte in jenen bessern Tagen sein Herz für
dieses Volk geschlagen - das gegenwärtig zu versuchen, sei umsonst, und so endet das
Gedicht in der Konsequenz Denn mein Herz gehört den Todten an.
Verzichtet Hölderlin (anders als Schiller in seinem Gedicht) auf eine Schelte der
gegenwärtigen Zustände (die Auswirkungen der christlichen Religion eingeschlossen), so
geht es doch spürbar um eine "Noth", und diese fordert eine Not-Wendigkeit, wie sie das
kämpferische Gedicht Das Schicksaal zeigt. Durch Noth vereiniget treten heldenhafte
Jünglinge auf, in deren Nachfolge sich der junge Dichter sieht : Im heiligsten der Stürme falle
/ Zusammen meine Kerkerwand, / Und herrlicher und freier walle / Mein Geist in's
unbekannte Land ! Das Ausrufezeichen deutet die Entschlossenheit an, die aber - ebenso wie
die Möglichkeit,Bilder beßrer Zeiten um unsere Seele schweben lassen zu können (s.o. S. 34)
- auf eine Bedingung verweist : Es bedarf der Hilfe der Mutter der Heroen, und das ist
niemand anderes als die weise, zürnende Natur. So wird in der 2. Strophe die Existenz des
Herakles angedeutet, und er wird als Sohn der heiligen Natur eingeführt. Heilig meint "Heil
bringend", also den Verlust "heilend"; dazu bedarf es der Personifikation der Natur als
einsichtig (weise) und aufbegehrend (zürnend). Diese ihre Eigenschaften werden auf den
Menschen übertragen, der helfen soll, die Not zu wenden. Das ins Bewusstsein zu rufen, ist,
wie sich in Hölderlins weiterem Werk zeigen wird, Aufgabe des Dichters, auch und gerade in
dürftiger, in bleierner Zeit.
5.2.2. Der Hyperion
Mitte Juli 1793 hat Hölderlin seinem Freund Neuffer zum ersten Mal seinen Plan eines
griechischen Romans
265
mitgeteilt. Noch in Tübingen muss ein Fragment (s.o. S.18)
entstanden sein, das aber nicht überliefert ist. Die erste erhaltene Fassung, das sog. Thalia-
Fragment, datiert aus der Waltershausener Zeit. Bis zur endgültigen Fassung in Frankfurt
wird Hölderlin sich veranlasst sehen, den Plan (die Anlage und die Schreibweise betreffend)
mehrfach zu ändern, und das liegt darin begründet, dass die Entwicklung des Protagonisten

54
Hyperion und die sprunghafte seines Dichters in eins fallen : der Werdegang Hyperions ist (in
wesentlichen Zügen) der Werdegang Hölderlins, d.h. jede neue Hyperion-Stufe spiegelt ein
neues Bewusstseinsbild Hölderlins. Im April 1797 wird Hölderlin seiner Schwester gestehen :
Es ist auch ein Teil von mir ...
266
Der Roman spielt in Griechenland. Wenn in der Forschung dieses Faktum, dass ein
griechischer Schauplatz statt eines deutschen gewählt wird, als eine Art von "Verkleidung"
267
angesehen wird, als Schutz des Dichters vor einer direkten Anklage der deutschen Miss-
Stände, so spricht das - aus dem Blickpunkt dieser Arbeit - für ein nicht unerhebliches
Missverstehen, und das aus zweierlei Gründen : Zum einen spielt der Roman im Griechen-
land der Gegenwart, und die gegenwärtigen Verhältnisse dort (man lebt sozusagen unter
türkischer Besatzung, also unfrei) haben in einigen Punkten durchaus Ähnlichkeit mit den
gegenwärtigen deutschen (so dass die beiden Protagonisten, der griechische Briefeschreiber
Hyperion und der deutsche Empfänger der Briefe, Bellarmin, am eigenen Leib erleben,
wovon die Rede ist); zum anderen ist allein der Name "Griechenland" für Hölderlin ein
Faszinosum, ein Ideal (so wie er es versteht), das einmal tatsächlich existiert hat. Wo anders,
so gilt es nun zu fragen, hätte es Hölderlin eher gelingen können, ideale Verganheit und reale
Gegenwart in den schärfsten Gegensatz zueinander zu bringen, als eben auf dem Schauplatz
Griechenland ?
5.2.3. Das Thalia-Fragment
Im November 1794 erscheint Hölderlins Fragment von Hyperion in Schillers "Neuer
Thalia". Schon am Frühjahr ist er an eine Umformung der Tübinger Urfassung gegangen, von
der fast keine Zeile blieb
268
.
Von grundlegender Bedeutung für die weitere Interpretation ist die Vorrede. Sie enthält
den Kerngedanken aller Hyperion-Stufen und verweist so auf den Zusammenhang der
Ausarbeitung des Romans, die sich immerhin über sechs Jahre erstreckt. Bestimmend ist
dabei das Bild der exzentrischen Bahn , das im Fokus der Aufmerksamkeit der Interpretation
zu stehen hat. Eine "Bahn" sucht sich ihren Weg zwischen zwei Polen, und in diesem Sinne
unterscheidet Hölderlin zu Beginn der Vorrede zwei Ideale unseres Daseins : einen Zustand
der höchsten Einfalt, wo unsre Bedürfnisse mit sich selbst, und mit unsern Kräften, und mit
allem, womit wir in Verbindung stehen, durch die bloße Organisation der Natur, ohne unser
Zutun, gegenseitig zusammenstimmen, und einen Zustand der höchsten Bildung, wo dasselbe
stattfinden würde bei unendlich vielfältigen und verstärkten Bedürfnissen und Kräften, durch
die Organisation, die wir uns selbst zu geben imstande sind.

55
Ideale sind Fixpunkte (Günter Eich würde, um das setzende "Fix" zu vermeiden, von
"trigonometrischen Punkten" sprechen) der jeweiligen Vor-Stellung von Vollkommenheit;
"jeweilig" bezieht sich auf die leicht einsehbare Beschränkung, dass jegliche Ideale die
Reichweite unserer möglichen (angeblich gesicherten) Erkenntnisse transzendieren und daher
vom jeweiligen Ideal-Isten als sog. "Faktum" gemacht = gesetzt werden. Nur so können sie
überhaupt "positiv" (s.o. S. 31) in Erscheinung treten. Diese hier von Hölderlin aufgestellten =
gesetzten Ideale weisen also auf ihn (und, wie zu zeigen sein wird, auf andere Ur-Heber aus
dem geistesgeschichtlichen Kontext) zurück.
Wir erinnern uns an die Verwendung des Adverbs noch in Hölderlins Lyrik. Sein hier
gezeichnetes erstes Ideal, der Zustand der höchsten Einfalt, ist nicht mehr, bleibt aber als ein
idealisierter Orientierungspol noch in unserer Vorstellung und taucht, wie gesehen, unter
bestimmten Bedingungen (Beispiel : Freundschaft) in unserem Erfahrungshorizont auf. Das
zweite Ideal, der Zustand der höchsten Bildung, fällt (wie der Konjunktiv würde anzeigt)
unter das "noch nicht", von dem (wie oben erwähnt) im 20. Jahrhundert Ernst Bloch sprechen
wird. Mit diesen Idealen sind wir also im Bereich der "Utopie" angelangt, die ein "Nirgend-
wo-Ort" ist, wobei wir es hier bei Hölderlin mit einer "konkreten Utopie" zu tun haben, die
Anspruch auf Verwirklichung erhebt.
Die triadische Struktur dieses Gedanken-Modells ist unverkennbar. Wir finden sie
zeitgleich nicht nur bei seinen Freunden Schelling und Hegel, sondern auch in Kants
Geschichts-philosophie (man vergleiche die Studie "Mutmaßlicher Anfang der
Menschengeschichte" von 1786) und bei Schiller, der in seiner Arbeit "Etwas über die erste
Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunde" (erschienen 1791 im 11.
Heft der "Thalia") an Kant anknüpft.
Dessen Absicht ist es, Rousseaus (zunächst aufgestellte) Antithese von Natur und Kultur
aufzulösen. Ist der Mensch, so sagt Kant, im paradiesischen Zustand im Einklang mit der
Natur, so ist der Moment des Erwachens der Vernunft, da der Mensch sich anschickt, ein
moralisches Wesen zu werden, der erste Freiheitsakt, in eins damit aber auch ein
"Sündenfall", das Hervorbrechen einander widerstreitender Kräfte im Menschen, aus dem das
Böse entsteht. Verliert damit das Individuum seinen paradiesischen Frieden, so gewinnt dabei
die Gattung, deren Bestimmung "in nichts als im Fortschreiten zur Vollkommenheit
besteht"
269
(und das ist der für Kant entscheidende Aspekt).
Der Gedanke einer Entwicklung zu einem Gesellschaftszustand, der von der Vernunft
geleitet ist, überwindet Rousseaus ursprünglichen Kulturpessimismus und schwenkt auf die
vernunftorientierte Lösung ein, die Rousseau selbst in seinem "Contrat social" gegeben hat.
270

56
Schiller spricht von diesem "Abfall des Menschen vom Instinkte, der das moralische Übel
zwar in die Schöpfung brachte, aber nur um das moralische Gute darin möglich zu machen",
als von der "glücklichste(n) und größte(n) Begebenheit in der Menschengeschichte".
271
Ohne diese Wertung zu übernehmen, greift Hölderlin die Struktur dieses Gedankens von
den zwei möglichen Zuständen des Menschen im Bild der exzentrischen Bahn auf, welche
Bahn von einem Punkte (der mehr oder weniger reinen Einfalt) zum andern (der mehr oder
weniger vollendeten Bildung) verläuft. Diese menschliche Bahn scheint sich, nach ihren
wesentlichen Richtungen, immer gleich zu sein. Daraus ergibt sich zweierlei : Zum einen ist
gesagt, dass die exzentrische Bahn sowohl der Menschheit im Ganzen (man vergleiche hierzu
die entsprechenden Gedanken Kants und Schillers) wie auch dem einzelnen, individuellen
Menschen zu eigen ist; beide, der Mensch als einzelner und die Menschheit als Gattung,
gehen von einem gegenwärtig verlorenen Zustand der Einigkeit aus und suchen ihn (auf
exzentrischer Bahn) wiederzuerringen. Ex-zentrisch meint also zunächst den Verlust eines
Zentrums, in der Folge aber auch den Versuch, eine Bahn zu einem neuen Zentrum zu finden.
Zum anderen ist gesagt, dass es nicht nur eine einzige exzentrische Bahn gibt, sondern
mehrere, die sich nach ihren wesentlichen Richtungen immer gleich sind. Diese Aussage
bezieht sich auf die Grund-Struktur, nicht auf den jeweiligen Inhalt. Es wird sich zeigen, dass
nach Hölderlin jeder Mensch mehrere exzentrische Bahnen durchläuft, oder besser : dass
seine exzentrische Bahn keine einmalige und endgültige ist, sondern dass sie immer wieder
nach verschiedenen "Richtungen" in ihm aufbricht. (Bei diesem variationsreichen Prozess
handelt es sich um ein Musterbeispiel "vagabundierenden Denkens".
272
)
Man hat in der Hölderlin-Forschung versucht, den Gedanken der "exzentrischen Bahn" im
astronomischen Sinne aufzufassen.
273
Dieser Interpretationsansatz vermag aber ein wichtiges
Moment des Hölderlinschen Bildes nicht zu erfassen : den permanenten Fort-Schritt. Der
Hyperion steht in der Tradition der Bildungsromane, in denen der Protagonist fortschreitend
sich "bildet" (welcher Terminus weniger das Wissen als die Bildung der Persönlichkeit
meint). Zum Ende der letztgültigen Fassung wird die exzentrische Bahn Hyperions ins Ziel
gekommen sein, indem er seine "Berufung" erkannt haben wird.
Bis dorthin aber ist es ein weiter Weg. Hier, im Thalia-Fragment, auf dessen Inhalt wir
nicht weiter eingehen (er wird in der Endfassung als - im dialektischen Sinne - "aufgehoben"
erscheinen), ist Hyperion noch recht unvermittelt auf seiner "Bahn" : Was mir nicht alles und
ewig alles ist, das ist mir nichts. Und er hasst wie den Tod alle die armseligen Mitteldinge von
Etwas und Nichts. Er strebt zum Un-Bedingten, zum Vollkommenen, doch das jeweilige
Alles, ekstatisch erlebt, ist nicht von Dauer. Stets fällt Hyperion deshalb ins Nichts zurück, aus
dem er dann wieder aus- und aufzubrechen versucht. Seine Versuche, abzulassen von dieser

57
verwegnen Neugier, scheitern : Aber ich kann nicht ! Ich soll nicht ! Es muß heraus, das
große Geheimnis, das mir das Leben gibt oder den Tod.
Das verzweifelte Ringen Hyperions gibt dem Ringen des Autors Ausdruck. Auch er
kämpft, auch er sucht, und auch sein Ziel ist zunächst "Alles". In Jena wird er Fichte
begegnen, und diese Begegnung wird Hölderlin ein gutes Stück - im Hinblick auf die
Bildung der Persönlichkeit und des kritischen Bewusstseins - weiterbringen. Er wird lernen,
seine derzeitige Haltung (Wir sind nichts; was wir suchen ist alles)
274
zu transzendieren.
5.2.4. Hölderlin als Student in Jena (Januar bis Mai 1795)
Seit November 1794 hält Hölderlin sich mit seinem Zögling in Jena auf, und seit dieser
Zeit hört er Fichtes Vorlesungen.
275
Er ist so begeistert von diesem geistigen Jakobiner
276
, der
am entschiedensten von allen Philosophen für die Revolution Partei ergreift, dass er sich nach
seiner Trennung vom Hause von Kalb Mitte Januar 1795 entschließt, in Jena als Student zu
bleiben. Ich muß mir heraushelfen aus Dämmerung und Schlummer
277
, begründet er seine
Entscheidung. Fichte soll ihm dabei ebenso helfen wie Schiller, in dessen Haus Hölderlin jetzt
verkehrt und dabei auch auf Goethe trifft, ohne diesen allerdings zu erkennen und zu beachten
: Der Himmel helfe mir, mein Unglück und meine dummen Streiche gutzumachen.
278
Eine neue Periode mit neuer Hoffnung hebt also an; wieder einmal ist er zunächst
optimistisch, wieder einmal fühlt er neue Kraft und neuen Mut
279
in sich. Doch wie immer, so
hält auch dieses Mal die Hochstimmung nicht lange an. Bald spricht er davon, dass er alle
Tage, die Gott gibt, durch eine andere Brille sieht, die ihm, wer weiß woher ? aufgesetzt
wird.
280
Hölderlins Unzufriedenheit ist auf eine von ihm selbst deutlich bemerkte theoretische
Unsicherheit zurückzuführen; gerade durch seinen Aufenthalt in Jena, von welchem er sich
für seine Ausbildung so viel versprochen hatte, ist er nur noch mehr verunsichert worden.
Aber gerade das ist es schließlich, was ihn zu eigener Gedankenarbeit treibt. Das Resultat
dieser Überlegungen gipfelt - wie zu zeigen sein wird - in einer Abhandlung, die (nach ihrer
späten Entdeckung) von den Herausgebern als "Urtheil und Seyn" betitelt worden ist.
Wichtig für das Bemühen um diese theoretischen Arbeiten ist die Freundschaft mit Isaac
von Sinclair (1775 - 1815), der nach dem frühen Tod seines Vaters vom Landgrafen von
Hessen-Homburg protegiert wird und ebenfalls in Jena studiert. Hölderlin bewohnt zusammen
mit ihm ein Gartenhaus am Rande Jenas. Diese Freundschaft wird in der Frankfurter Zeit
Hölderlins fortgesetzt werden (Sinclair wird dann in den Diensten des Homburger Landgrafen

58
stehen.) Ende Mai 1795 vermag aber auch die Freundschaft zu Sinclair Hölderlin nicht mehr
in Jena zu halten; Hals über Kopf verlässt er die Stadt, ohne Angabe von Gründen, und sucht
Unterschlupf in der Heimat Nürtingen bei seiner Mutter. Es ist ungewiss, ob
Studententumulte in Jena (an denen Sinclair als Mitglied des demokratischen Ordens der
"Schwarzen Brüder" beteiligt ist und dafür auch mit Verweis von der Universität bestraft
wird) der Anlass sind oder ob Hölderlin sich vom Einfluss der Luftgeister mit (...)
metaphysischen Flügeln
281
(gemeint sind wohl Fichte und Schiller, deren starker Einfluss auf
Hölderlin zwar unbezweifelbar, aber eben deswegen auch ambivalent ist) befreien will. Eine
weitere Spur zu einer möglichen Erklärung führt zurück in die Waltershausener Zeit, da die
Gesellschafterin der Charlotte von Kalb, Wilhelmine Marianne Kirms, eine Dame von
seltnem Geist und Herzen
282
, die Hölderlin in einem Brief Freundin
283
genannt hat, in diesen
Sommermonaten eine uneheliche Tochter auf die Welt bringt. Wer an Spekulationen dieser
Art interessiert ist, der lese bei Adolf Beck nach ("Die Gesellschafterin Charlottens von Kalb.
Eine Episode im Leben Hölderlins. Versuch der Sammlung und Erklärung archivalischer
Dokumente." in : Hölderlin Jahrbuch, Zehnter Band, 1957, 46-66).
Gründe für eine Flucht finden sich also reichlich. Fest steht, dass ein zwar kurzer, aber
ungemein wichtiger Abschnitt in Hölderlins Leben abrupt beendet ist. Der Bedeutung dieses
Lebensabschnitts entsprechend, sind die Resultate seines Schaffens in dieser Zeit für uns
wichtige Dokumente. Sie zu sichten und dem Gang ihrer Gedanken Folge zu leisten, der -
entwicklungsbedingt - noch sprunghaft und provisorisch ist
284
, zeigt sich als schwieriges
Unterfangen. Es ist kaum möglich und auch sinnwidrig, seine theoretischen Arbeiten dieser
Zeit von den Gedanken der entsprechenden "Hyperion"-Stufe zu trennen; stattdessen soll eine
Zusammenschau versucht werden - ein schwieriger Weg, bedenkt man die Wechselhaftigkeit
und Unabgeschlossenheit Hölderlinschen Denkens in diesen Monaten.
5.2.5 Hölderlins theoretische Fragmente. Über Urtheil und Seyn. Hyperions Jugend
In Jena sehen wir Hölderlin mit Kant und Fichte beschäftigt
285
, aber auch mit Schillers
Abhandlung Über Anmut und Würde. Es geht ihm in dieser Zeit darum, seine Existenz als
Dichter auf ein philosophisch gesichertes Fundament zu gründen; er will vollends zum Manne
reifen : Der große Übergang aus der Jugend in das Wesen des Mannes
286
ist das Thema
seines Hyperion. Hölderlin, der seinen Beruf - wie in Tübingen gesehen - immer schon im
Dienste des Dichters an der All-Einheit sah, er hat inzwischen begriffen, dass seine kosmische
"Liebes -Einheit" der Tübinger Hymnen eine Scheineinheit
287
war. Es reicht nicht hin, eine
bloß imaginierte und in der Folge postulierte "Einheit" hymnisch zu preisen.; es bedarf der

59
Klärung des Verhältnisses von Einheit und Vielheit, von Ganzheit und Mannigfaltigkeit :
Kann es ein freies, wechselseitiges sein oder geht es nicht ohne Herrschaft und Knechtschaft ?
Und : Wie wird aus dem Einen das Viele und umgekehrt ? Das durchschaut zu haben - und
zwar auf dem unhintergehbaren Boden der Philosophie Kants - würde die Geburt einer neuen
Denkmethode bedeuten. Hölderlin - und mit ihm Hegel - werden die Denkvorstöße Kants,
Fichtes und Schillers dankbar annehmen und sie in mühevoller Denk-Arbeit transzendieren.
Es ist offensichtlich, dass wir im Kern dieser Untersuchung angekommen sind - der
Nachvollzug der gedanklichen Schritte wird stetig mühevoller werden; um ihn einsichtiger zu
machen, kommt auch eine umfangmäßig begrenzte Untersuchung wie diese an einem
erläuternden Exkurs an dieser Stelle nicht vorbei.
Als grund-legende Figur mag das 'Hen kai pan', das Eins und Alles Heraklits, genommen
werden : das Eine ist Alles, das Alles ist in Einem. Zwischen beiden ist also ein polares
Wechselverhältnis anzunehmen. Wie aber wird das Eine zu Allem und Alles zu Einem ?
Gehen wir bei dem Renaissance-Kardinal Nikolaus von Kues in die Lehre, so geschieht der
Weg vom Einen zum Mannig'faltigen' durch Aus'faltung' und vice versa durch Ein'faltung'.
Das ist ein beeindruckendes poetisches Bild, vielleicht das weitreichendste unter dem
traditionellen Wahrheitsbegriff, der darauf pocht, dass Wahrheit Angleichung des Intellekts
an die Sache sei (veritas est adaequatio intellectus ad rem). Hier ist das Objekt der Erkenntnis
der vorgegebene Prüfstein. Unter dieser Vorgabe kann es aber keine wahre Erkenntnis geben,
da der Prüfstein uns in seinem Ansichsein nicht fassbar ist. Deshalb ist es für Hölderlin und
seine Freunde selbstverständlich, ihre Überlegungen nur auf dem Boden Kants weiterführen
zu können, der einen anderen Wahrheitsbegriff setzt und sich in seiner 'kopernikanischen
Wende' hinsichtlich unserer Erkenntnis nicht mehr an den Objekten, sondern an der
Verfassung und den Möglichkeiten des Subjekts orientiert. Gehe ich so vor, verliere ich zwar
jegliche Täuschung einer Schein-Objektivität früherer Ansätze, verschärfe aber das Problem,
indem klar ist, dass der Erkenntnisprozess abhängig ist von den Möglichkeiten des
zugrundeliegenden Subjekts (nicht des individuellen, sondern des allen Menschen gemeinen).
Ich habe also weiterhin keine 'wahre' Erkenntnis vom Ansichseienden, sondern erfasse es nur
in dem Modus, wie es mir (als Mensch) erscheint. Diese "Erkenntnis", wenn ich sie so nennen
will, ist nicht wahr, sondern 'gültig' (für ein Bewusstsein wie das menschliche).
Aber nicht nur die Welt der 'Wahrheit' bleibt mir als Erkennendem so verschlossen,
sondern auch alle metaphysischen Ideen, für deren Erkenntnis mir die empirische Basis fehlt.
Eine 'Einheit' wie die, die Hölderlin sucht, ist nach Kant aus dem Bereich des Wissens
ausgeschlossen und in den Bereich des Glaubens (an Ideen) verschoben. Das reicht Kants

60
Nachfolgern nicht - mehr noch, sie stören sich daran, dass Kant den Menschen als "Bürger
zweier Welten" konstruiert, zweier Welten, die dualistisch voneinander getrennt sind. Der
wesentliche Riss, der durch den Menschen geht, liegt in der Trennung von Körper und Geist.
Dualistisch aufgefasst, kann diese Trennung prinzipiell nicht versöhnt werden; der Dualismus
bedeutet eine Art Kriegszustand, der nur durch die Unterwerfung einer Seite "befriedet"
werden kann, und (nicht nur) bei Kant zeigt sich die Dominanz des Geistes in ihrer Herrschaft
über den Körper.
Setzen wir für die Welt der Körperlichkeit, den Mundus sensibilis, die "Natur" ein, so sind
wir bei derAufgabe angekommen, vor die Hölderlin sich selber stellt : Er will die Natur aus
der Falle befreien, in die sie dualistisches Denken stecken will. Deshalb bietet ihm auch
Fichtes Grundgedanke keine wirkliche Lösung, der die Situation für die Natur sogar noch
verschärft, indem die (bei Kant noch nicht gefundene) Einheit ins absolute Ich verlegt wird,
dem alles Nicht-Ich (also auch die Natur) nur zu bewältigender Stoff, zu transzendierende
Barriere sein wird. Hölderlin ist klar : Als Dichter will er mit seinem "Geist" der "Natur" zu
einer polaren Gleichberechtigung verhelfen, ohne die Eigenbedeutung der jeweiligen Pole zu
verwischen; die Struktur der Gegensätzlichkeit soll dabei nicht unterdrückt, sondern - ganz
im Gegenteil - fruchtbar gemacht werden; in diesem Sinne versteht Hölderlin seine Dichtung
als not-wendigen Dienst am Einen Seyn. Noch steht er am Anfang dieses Weges; wenn er ihn
zu Ende gegangen sein wird, wird er nicht nur Kant und Fichte "uminterpretiert"
288
haben,
sondern er wird auch - in Zusammenarbeit mit Hegel - die Entwicklung des Deutschen
Idealismus entscheidend vorangebracht haben.
Wie sehr die ersten theoretischen Schriften Hölderlins (neben dem noch lange spürbaren
Einfluss Schillers) noch auf Kant verweisen, zeigt schon das wohl in der letzten
Waltershausener Zeit entstandene Fragment, das Mieth Über das Gesetz der Freiheit betitelt,
während die Frankfurter Ausgabe (deren Text hier gefolgt wird) im ihrem 17. Band zur
Kennzeichnung die Eingangsworte Es giebt einen Naturzustand ... wählt. In Rousseauscher
Diktion wird einem Naturzustande der Phantasie eine natürliche Unschuld zugesprochen, die
als himmlisch angesehen wird, derer teilhaftig zu sein, so gestimmt zu sein, aber ein bloses
Glük , also nicht durch Reflexion erarbeitet, sondern nur instinktiv gegeben - oder eben nicht
gegeben -ist. Diesem wird - ganz kantisch - das Sittengesetz gegenübergestellt, das Gesez der
Freiheit, das erst einen vesten (reflektierten) Zustand gibt. Dieses gebietet, one alle Rücksicht
auf die Hülfe der Natur. Die Natur mag zu Ausübung desselben förderlich sein oder nicht, es
gebietet. Vielmehr sezt es einen Widerstand in der Natur voraus, sonst würde es nicht
gebieten. Das erstemal, daß das Gesetz der Freiheit sich an uns äußert, erscheint es strafend.

61
Begriffe wie "gebieten" und "strafen" verweisen auf die einzig mögliche Lösung des
ZweiWelten-Konflikts nach Kant; selbst Schiller setzt in Über Anmut und Würde der
anmutigen schönen Seele Grenzen, sobald sie sich den Konfliktfällen des Lebens
gegenübersieht und sich dadurch ge'nöt'igt sieht, aus dem Modus der Anmut in den der Würde
zu wechseln, sich 'würdig' zu erweisen, was nichts anderes meint, als dem kategorischen
Imperativ zu folgen.
289
Dort aber, wo "geboten" und "gestraft" wird, ist von der von Hölderlin
und seinen Mitstreitern intendierten "polaren Gleichberechtigung" noch nicht die Rede. Das
wird Hölderlin deutlich gespürt haben; die Denk-Position dieses (vielleicht deshalb) nur als
Fragment erhaltenen Tex-tes wird der Autor bald verlassen. Die kritische Auseinandersetzung
mit Fichtes ambivalentem Einfluss wird ihm dabei weiterhelfen.
Wer sich mit der Philosophie Fichtes ernsthaft beschäftigen will, wird damit seine liebe
Not haben. Nicht nur, dass die Arbeiten über Fichte selten dieselbe Sprache sprechen, Fichte
selbst nimmt zeitlebens Veränderungen an seinen Überlegungen vor. Auch die Begegnung
mit Hölderlin wird ihm zu Veränderungen Anlass geben.
290
(Ähnliches gilt für Schillers
Zweitfassung seiner "Briefe über eine ästhetische Erziehung des Menschen", die ein 'work in
progress' darstellen.)
Hölderlin erwähnt Fichtens spekulative Blätter
290
, mit denen er auf Fichtes Grundlage der
gesamten Wissenschaftslehre von 1794/95 anspielt, in einem Brief. Fichte will in dieser
Schrift die Möglichkeit und die Prinzipien allen Wissens (siehe Kant) ganz un-kantisch aus
einem (Einheit verbürgenden) Grund-Satz ableiten, dem Satz "Ich bin ich" (dem 1. Satz der
Logik, dem sog. Identitäts-Satz, nachempfunden). Aus dieser Selbst-Setzung des Ich wird
sich bei Fichte die gesamte philosophische Welt-Deutung entwickeln.
220
Fichte sieht seine Wissenschaftslehre als das erste System der Freiheit, das den Menschen -
wie ihn die Französische Revolution von den Ketten der Unterdrücker befreit hat - von den
von Kant aufgestellten Fesseln losreißt. Freiheit atmet dabei schon das sich selbst setzende,
von keinem Objekt determinierte absolute Ich. Diesem mangelt es - bei aller Freiheit ­ aber
an etwas Wesentlichem : an einem Bewusstsein. Dazu bedarf es eines Objektes, denn das
Wesen des Bewusstseins ist eine Verbindung zwischen einem Subjekt und einem Objekt. Ein
"ab-solutes" (also von allen Bindungen losgelöstes) Ich erreicht eine solche Verbindung nicht.
In der Denkweise Fichtes : die unendliche, aber bloße Potentialität des absoluten Ich muss
"beschränkt" werden durch ein Objekt, auf ein Objekt, das dem losgelösten Ich
(vorübergehend) dazu verhilft, über diese Beschränkung eine Kontur seiner selbst zu erhalten.
"Vorübergehend", denn aufgrund seiner Potentialität kann das Ich bei dieser Beschränkung

62
nicht bleiben, sondern muss sie (wie jede weitere Beschränkung) übersteigen, transzendieren.
Da jede Transzendierung aber im Gedächtnis bleibt, erhält das Ich nicht nur ein
konturgebendes Bewusstsein, sondern dieses wächst im Laufe der Zeit aufgrund der
gemachten Erfahrungen.
Um den Status eines (wenn auch immer beschränkten) Bewusstseins erhalten zu können,
sieht Fichte das absolute Ich also vor der Not-Wendigkeit, ein Nicht-Ich zu setzen. Die Natur
als das Objektive ist nach Fichte (und das wird der Hauptkritikpunkt Hölderlins sein) so
ihrerseits nichts dem absoluten Ich Gleich-Wertiges, sondern nur Grenze, möglicher Stoff, an
dessen Bewältigung das reine Ich sich auf den Weg macht, sich seiner selbst bewusst zu
werden. Wenn Fichte dabei von einer Wechselbestimmung von Ich und Nicht-Ich spricht, so
darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass in dieser gleichberechtigt scheinenden
Wechselwirkung doch dem Ich das Primat zukommt - und Primat bedeutet Herrschaft. Die
drei Tübinger Theologen Hölderlin, Hegel und Schelling sind aber angetreten, gerade diese
(auch versteckten) Formen von angemaßter Herrschaft, die im politischen Bereich zum
Despotismus führen, zu entlarven. Wie Hölderlin dieses Vorhaben in seiner Jenaer Hyperion-
Stufe verarbeitet, soll nun thematisiert werden.
Zunächst zum Inhalt : Ein junger Mann in den ersten Jahren der Mündigkeit, wenn der
Mensch vom glücklichen Instinkte sich losgerissen hat (man vergleiche das Fragment Über
das Gesetz der Freiheit), sucht Hyperion auf, der hier als alter, weiser Mann erscheint. Der
junge Mann, der in die Schule der sog. (!) "Weisen" gegangen ist, die streng ohne Maß, in
vollem Sinne Tyrannisch gegen die Natur (siehe Fichtes ambivalente Wirkung auf Hölderlin)
ist, antwortet auf Hyperions Frage, wie er denn die Menschen sehe : mehr tierisch als göttlich.
Hyperion entgegnet ihm : O wenn sie nur erst menschlich wären, und auf die Bitte seines
jungen Besuchers erklärt er sich in der Folge genauer : Der Mensch sei einst mangellos und
frei von aller Schranke wie die Götter gewesen, doch habe er das Gefühl des Lebens, das
lichte Bewusstsein für die leidensfreie Ruhe der Götter eingetauscht. Diese Beschränkung sei
des Menschen Bedingung der Möglichkeit seines Bewusstseins : Sich aber nicht zu fühlen ist
der Tod. Dass Fichtes Überlegungen hier Pate stehen, ist offensichtlich. Und Hölderlin wird
weitere Fichtesche Gedanken verwenden, um dann letztlich Fichte mit Fichte zu
überwinden.
291
Auf seinem eigenen gedanklichen Weg greift Hölderlin also auf weitere Termini Fichtes
zurück : den Trieb, uns auszubreiten, zu befreien, und den Trieb, beschränkt zu werden, zu
empfangen. Der Terminus "Trieb" meint hier nicht die Triebstruktur im engeren Sinne,

63
sondern das den Menschen als Menschen grundsätzlich ausmachende doppelte Angetrieben-
Werden durch die Doppeltheit des polaren Wechselspiels von zentrifugalen ( = das Zentrum
fliehenden) und zentripetalen (= zum Zentrum zurückkehrenden) Kräften, wie wir es vom
Bild der ex-zentrischen Bahn her schon kennen : Unser Leben besteht darin, erreichte
Positionen (also Gesetzheiten, die auf willkürlichen Beschränkungen basieren, die wir aber
be'nöt'igen, um überhaupt ein Bewusstsein zu 'haben' als ein vorübergehendes "Zentrum")
jeweils zu transzendieren auf differenziertere Positionen hin, d.h. von jeder Stufe unseres
Bewusstseins-Standes frei (zentrifugal) auszugreifen, um aus dem Bereich, in den hinein wir
ausgegriffen haben, erneut (zentripetal) zu empfangen und durch das Empfangene wiederum
beschränkt zu werden, aus welcher erneuten Beschränkung wir durch ein erneutes
Transzendieren, ein Über-Schreiten wieder ausbrechen auf ein Neues hin. Not-wendig sind
also beide Triebe, das spon-tane Tun und das rezeptive Leiden.
Beides ist nach Hölderlin also im gleichberechtigten Wechselspiel anzustreben, und für
diese Gedankenfigur steht ihm die Liebe. Sie allein ist in der Lage, den Widerstreit der Triebe,
deren keiner entbehrlich ist, zu vereinigen. Durch diese Fähigkeit wird sie sich zum zentralen
Terminus entwickeln, der gerade auch in der Frankfurter Zeit das Denken Hölderlins und
Hegels prägen wird. Der Begriff nimmt, wie gesehen, Fichtesche Gedanken kritisch auf,
verweist aber auch auf andere Vor-Denker
292
, unter denen besonders Johann Gottfried Herder
mit seinem Text Liebe und Selbstheit zu nennen ist.
Der Vorgang des Vereinigens durch die Liebe ist nun aber nicht etwa so zu verstehen, als
ob die Liebe als ein den beiden dargestellten Trieben Äußerliches sie sozusagen ausgleicht
(im Sinne einer Einebnung oder Abschleifung der Widersprüche), sondern der Vorgang ist im
polaren Sinne des Auslebens beider Seiten mit der Vorstellung des wechselseitigen Forderns
und Förderns verbunden. Die beiden Strebensrichtungen sind selbst Momente und damit Ent-
Faltungen der einen Liebe; diese ist als das Ganze zu verstehen, das - wiederum in polarer
Sicht - sich als Einheit erst durch die Differenzen seiner beiden Momente gewinnt; die Teile
fördern die Komplexität des Ganzen und sind selbst sinnvoll als dessen Momente.
Bei diesem Gedanken-Modell stand ein Teil der antiken Geistesgeschichte Pate, nicht
zuletzt Platos Idee des erotischen Strebens und Heraklits Gegensatz-Philosophie. Sie sind das
Handwerkszeug, mit dem die an den Griechen geschulten Stiftler den Vor-Wurf Fichtes von
der nicht enden wollenden Aktivität des Menschen begeistert aufnehmen und zugleich in
einigen (für sie wesentlichen) Aspekten kritisieren und korrigieren. Setzt Fichte den (von
allen als erforderlich angesehenen) Einheitsgrund ins absolute Ich, so kann auch Hölderlin
ihm hierin nicht mehr folgen.

64
Wie er Hegel in einem Brief vom 26. Januar 1795 mitteilt
293
, hat er Fichte sehr im
Verdacht des Dogmatismus : er möchte über das Faktum des Bewusstseins in der Theorie
hinaus. Und er begründet seinen Verdacht. Fichtes absolutes Ich enthalte alle Realität; das
habe zur Folge, dass nichts außer ihm sei, dass es kein Objekt haben könne. Bewusstsein ohne
Objekt aber sei undenkbar (das Ich selbst könne das Objekt nicht sein, da es als solches
beschränkt und damit nicht absolut wäre), also ist in dem absoluten Ich kein Bewußtsein
denkbar, als absolutes Ich habe ich kein Bewußtsein und insofern ich kein Bewußtsein habe,
insofern bin ich (für mich) nichts, also das absolute Ich ist (für sich) nichts. Hölderlin
verweist damit Fichtes absolutes Ich als Einheitsgrund in den Bereich der bloßen leeren
Annahme, die niemals ins Bewusstsein treten kann. Damit ist kein Fortschritt Kants
Verweigerung eines feststellbaren Einheitsgrundes gegenüber erreicht. Die Fiktion als sog.
Faktum reicht da nicht hin.
Versuchen wir, Hölderlins Fichte-Kritik in ihrer Tragweite zu verstehen. Das absolute Ich
ist (für sich) nichts; es "hat sich nicht", wie Bloch es ausdrücken würde. Es ist aber auch
nichts für uns, denn es ist nicht be-greif-bar. Ich kann es als Idee setzen, vielleicht in der Form
eines Postulates (stärker noch : als Postulat der Vernunft), aber damit ist hinsichtlich seiner
intendierten Begreifbarkeit nichts gewonnen. Wir wären damit auf einem ähnlich fehlerhaften
Weg wie auf dem, den Descartes gegangen ist, als er das Ich zur Substanz, zur res cogitans,
erklärt hat. Solcherlei Erklärungen sind willkürlich und beliebig und helfen uns bei unserer
Suche nach dem Einheitsgrund nicht weiter.
Was wir haben, ist ein Bewusstseinsvorgang, die cogitatio. Versuchen wir, diesen in Worte
zu fassen, so würden wir heuristisch zu der Formulierung greifen : Ich denke (stelle vor,
bezweifle) ein Etwas. Über dieses Ich und dieses Etwas (als den beiden durch den
Bewusstseinsvorgang zu Verbindenden) können wir aber keine weiteren gesicherten
Aussagen treffen, also müssen wir sie, hierin dem Beispiel der Phänomenologen folgend, als
nicht weiter zu erkennen "einklammern", d.h. die Antwort auf ihre Erkennbarkeit außen vor
lassen.
Versuchen wir sie dennoch als so Eingeklammerte weiterzudenken : Ist es denk-möglich,
eine der beiden Seiten (Ich, Etwas) als Einheitsgrund zu rechtfertigen ? Das muss verneint
werden : Das Etwas kann der Einheitsgrund nicht sein, selbst wenn ich einen Laplaceschen
Dämon ansetze, der alles überblickte, denn das so überblickende Subjekt selbst bliebe (in
seiner Funktion als das das Etwas erfassende Ich) von diesem Überblick ausgeschlossen. Ein
Einheitsgrund aber verträgt keinen Ausschluss. Schuld daran ist die unhintergehbare Spaltung
des Bewusstseins in ein Subjekt und ein Objekt, die auch die Annahme des Ich als
Einheitsgrund scheitern lässt.

65
Diesen Gedanken greift Hölderlin auf zwei Notiz-Blättern auf, die erst 1961 ins
Bewusstsein der Öffentlichkeit gekommen sind und von den Herausgebern mit dem Titel
"Urteil und Sein" versehen wurden, zwei Blätter, die zu den wichtigsten Dokumenten der
offenen Variante des Deutschen Idealismus zählen und schlagartig die Rolle Hölderlins
innerhalb dieser Bewegung - wenn schon nicht verdeutlichten, so doch - ahnen ließen.
294
In diesem (nicht zur Veröffentlichung gedachten) Fragment werden die beiden
denkmöglichen Subjekt-Objekt-Verhältnisse mit den leitenden Begriffen Urtheil und Seyn in
Verbindung gebracht. Unseren Überlegungen der letzten Abschnitte entsprechend, spricht
Hölderlin die dem Bewusstseinsvorgang immanente Subjekt-Objekt-Spaltung dem Urtheil zu
und deren (ideale) Vereinigung dem Seyn schlechthin : Wo Subject und Object schlechthin,
nicht nur zum Theil vereiniget ist, mithin so vereiniget, daß gar keine Theilung vorgenommen
werden kan, ohne das Wesen desjenigen, was getrennt werden soll zu verlezen, da und sonst
nirgends kann von einem Seyn schlechthin die Rede seyn. In dieses ideale vereinigte Seyn (es
wird sich zeigen, dass dieses Hölderlins Vorstellung von dem gesuchten Einheitsgrund
entsprechen wird) bringt das in S und O aufgespaltene Urtheil eine Ur-Teilung hinein :
Urtheil, ist im höchsten und strengsten Sinne die ursprüngliche Trennung des in der
intellectualen Anschauung innigst vereinigten Objects und Subjects, diejenige Trennung,
wodurch erst Objekt und Subject möglich wird, die Ur-Theilung. In diesem Verständnis
personifiziert das Bewusstsein also sozusagen den erkenntnistheoretischen Sündenfall. Folgen
wir diesem Gedankenmodell, haben wir vom Baum der Erkenntnis gegessen und sind aus
dem spaltungs-losen Paradies vertrieben. Einen bewussten Weg dorthin zurück kann es nicht
geben - der angebissene Apfel kann nicht zurückgehängt werden. Wie Edgar Wind es in
seinem Gedicht ausdrückt : "Wir haben vom Baum der Erkenntnis gegessen und können uns
nicht rückwärts ins Paradies zurückstehlen : das Tor ist verriegelt und der Engel wacht
davor."
295
So schön und so viel-sagend dieses Bild auch sein mag - die Künstler und Philosophen
beschäftigt in dessen Folge eine wesentliche Frage : was nun ? Eine der rästselhaftesten
Antworten wird von Kleist am Ende seines Aufsatzes "Über das Marionettentheater" gegeben
: "Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntniß
essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er, das ist das
letzte Capitel von der Geschichte der Welt."
296
Nicht minder sibyllinisch klingt das Ende des
Edgar Wind-Gedichtes : "Aber der Garten ist vielleicht am anderen Ende offen." Um sich die
Tragweite des hier aufgegebenen Rätsels zu verdeutlichen, empfehle ich, das gegebene Bild
versuchsweise aufzuzeichnen.

66
Auch Hölderlin muss in dieser Frage seinen Weg finden; der Textauszug oben enthält die
Zauberformel von der intellectualen Anschauung
297
. Sie soll die S-O-Vereinigung herstellen.
Als bloße Zauberformel aber hilft sie uns nicht weiter. Gibt es Erläuterungen ? Hölderlin
wählt zunächst einmal eine Abgrenzung von dem, was nicht gemeint sein kann. So wird von
ihm sogleich Fichtes Identität "Ich bin Ich" als Resultat des Grundsatzes "Das abso-lute Ich
setzt sich selbst" als gesuchter möglicher Einheitsgrund verworfen. Zur Begründung dient
folgende Relexion : Der Identitätssatz kennt - wie jedes Urteil - S und O, und auch diese
"Identität" ist nur dadurch möglich, daß ich mich mir selbst entgegenseze, mich von mir selbst
trenne. Sollte dieses Ich aber dem Anspruch, der Einheitsgrund zu sein, Genüge leisten, so
dürfte es in sich keine Trennung aufweisen. Auch darf man nicht über diese Identität hinaus
auf ein noch ursprünglicheres Ich gehen und meinen, in ihm den Einheitsgrund zu erfassen; es
hat keinen Sinn, in dieser Dimension von einem Ich zu reden, wo das Ich sich nicht als Ich
erfassen kann. Dieser Versuch führt in den Bereich willkürlicher Spekulation. Damit ist in
Hölderlins Augen Fichtes Ansatz untauglich, das gewünschte Ziel zu erreichen.
Das Problem bleibt also bestehen, ebenso wie die Frage : was nun ? Wir werden nicht
umhin kommen, den Begriff der intellectualen Anschauung näher zu untersuchen. Nomen und
attributiv gebrauchtes Adjektiv stehen zunächst einmal im Modus der Unvereinbarkeit
gegeneinander. Der "Intellekt" und die "Anschauung" verweisen auf wesensverschiedene
Bereiche unserer Erkenntnisvermögen, und so lehnt z.B. Kant ihre Verbindung auch ab :
"Von einer 'nichtsinnlichen', 'intellektuellen' Anschauung, deren Gegenstände Noumena im
positiven Sinne sind, haben wir keinen positiven Begriff, wir können sie nicht begreifen. Ein
Verstand, der die Dinge 'intuitiv in einer nichtsinnlichen Anschauung' (nicht 'diskursiv' durch
Katego-rien) erkennt, ist für uns rein problematisch" (KrV tr. Anal. 2. B. 3. H.)
298
Fichte, der
Kant in grundlegenden Fragen korrigierend ergänzen (und damit wesentlich verändern)
möchte, braucht aber eine solche Anschauung zur Aufstellung seiner Theorie. Er begibt sich
damit in problematische Regionen und scheut auch vor dementsprechend problematischen
Aussagen nicht zurück : "Daß es ein solches Vermögen der intellektuellen Anschauung gebe,
läßt sich nicht durch Begriffe demonstriren, noch, was es sey, an Begriffen entwickeln. Jeder
muß es unmittelbar in sich selber finden, oder er wird es nie kennen lernen."
299
So wenig
überzeugend uns diese Aussage vorkommen mag, die Generation der Romantiker hat sie
inspiriert. Dass auch Hölderlin von Fichte fasziniert ist, haben wir gesehen. Aber er folgt ihm
nicht in dessen spekulativer Setzung.
Seinen Entwicklungsstand im Frühsommer des Jahres 1795 in der Folge der Begegnung
mit Fichte beschreibt Hölderlin in einem Brief vom 13. April an seinen Bruder wie folgt : Es

67
ist im Menschen ein Streben ins Unendliche, eine Tätigkeit, die ihm schlechterdings keine
Schranke als immerwährend, schlechterdings keinen Stillstand möglich werden läßt, sondern
immer ausgebreiteter, freier, unabhängiger zu werden trachtet; diese ihrem Triebe nach
unendliche Tätigkeit ist beschränkt; die ihrem Triebe nach unendliche unbeschränkte
Tätigkeit ist in der Natur eines Wesens, das Bewußtsein hat (eines Ich, wie Fichte sich
ausdrückt) notwendig, aber auch die Beschränkung dieser Tätigkeit ist einem Wesen, das
Bewußtsein hat, notwendig, denn wäre die Tätigkeit nicht beschränkt, nicht mangelhaft, so
wäre diese Tätigkeit alles und außer ihr nichts; litte also unsere Tätigkeit keinen Widerstand
von außen, so wäre außer uns nichts, wir wüßten von nichts, wir hätten kein Bewußtsein;
wäre uns nichts entgegen, so gäbe es für uns keinen Gegenstand; aber so notwendig die
Beschränkung, der Widerstand und das vom Widerstande bewirkte Leiden zum Bewußtsein
ist, so notwendig ist das Streben ins Unendliche, eine dem Triebe nach grenzenlose Tätigkeit
in dem Wesen, das Bewußtsein hat, denn strebten wir nicht, unendlich frei zu sein, so fühlten
wir auch nicht, daß etwas diesem Streben entgegen wäre, also fühlten wir wieder nichts von
uns Verschiedenes, wir wüßten von nichts, wir hätten kein Bewußtsein.
300
Durch die Begegnung mit Fichte ist Hölderlin in der gedanklichen Ausarbeitung seiner
Grundstruktur einer exzentrischen Bahn (denn keine andere als diese hat er soeben beschrie-
ben) ein gutes Stück vorangekommen; stete Beschränkung und stete Aufhebung dieser
Beschränkung sind der Entwicklung des menschlichen Bewußtseins not-wendig. Die
intellektuale Anschauung in Form einer heuristischen Annahme braucht er (noch), um das
unserem Bewußtsein nicht zugängliche Seyn überhaupt fassen zu können : "Die Bedeutung
der intellektualen Anschauung ist also dahingehend zu präzisieren, daß sie das exzentrische
Ich des Gegründetseins im Ganzen des Seyns versichert."
301
Hölderlin setzt also an die Stelle des absoluten Ichs Fichtes als Einheitsgrund das Seyn als
eine zwar theoretisch unerkennbare, aber unabdingbare Voraussetzung, von einer
intellektualen Anschauung verbürgt. Die Ich-Lastigkeit Fichtescher Provenienz passt nicht in
sein Weltbild und zugleich auch nicht in sein Selbstverständnis als Künstler. Um explizieren
zu können, warum er mit dieser eigen-artigen Setzung seine dichterische Existenz als not-
wendige auf ein philosophisch abgesichertes Fundament gegründet hat, muss diese
Untersuchung an dieser Stelle der Zeit ein Stück weit vorausgreifen und spätere Dokumente
zur Interpretation heranziehen, die aber allesamt innerhalb des Zeitraumes eines Jahres
niedergeschrieben sind.

68
Folgt man den bisherigen Überlegungen Hölderlins und hält man also fest, dass das
reflexive Bewusstsein niemals seinen als unabdingbar angenommenen Ursprung, seinen
Grund, erkennen kann, ist von der Philosophie keine Rettung zu erwarten. Der intellektualen
Anschauung als - wie gesehen - heuristischer Methode ist also eine andere Ausrichtung zu
geben, und zwar eine ästhetische. Gr. "aisthesis" meint zunächst "Wahrnehmung", wird zu
Hölderlins Zeit (in der Nachfolge von Baumgarten) allerdings häufig mit der Kunst (und
damit auch mit der Schönheit) in Verbindung gebracht. Gibt Hölderlin also der intellektualen
Anschauung eine ästhetische Ausrichtung, so kommt in dieser seiner Auffassung der Kunst
die einzigartige Aufgabe zu, das zu vergegenwärtigen, was das reine Denken nicht vermag,
nämlich die (gesuchte) ursprüngliche Einheit. In einem Brief an Schiller vom 4. September
1795 stellt Hölderlin fest, dass die Vereinigung von Subjekt und Objekt in einem Ganzen
302
zwar ästhetisch, in der intellektualen Anschauung, theoretisch aber nur durch eine unendliche
Annäherung möglich ist, wie die Annäherung des Quadrats zum Zirkel.
303
(Zirkel = Kreis)
Auch an Niethammer schreibt er am 24. Februar
1796, dass wir zur intellektualen
Anschauung, die den Widerstreit zwischen Subjekt und Objekt verschwinden macht,
ästhetischen Sinn brauchen
304
In der "Vorrede zur vorletzten Fassung des Hyperion" kommt Hölderlin schließlich zur
Explikation seiner Gedanken. Er spricht davon, dass weder unser Wissen noch unser Handeln
(...) in irgendeiner Periode des Daseins dahin gelange, wo aller Widerstreit aufhört, wo alles
eins ist. Der Mensch sei auf seiner exzentrischen Bahn, nachdem er sich losgerissen habe vom
friedlichen Hen kai pan der Welt; sein Ziel sei es, die Vereinigung wieder herzustellen durch
sich selbst, sich sich mit der Natur zu vereinigen zu einem unendlichen Ganzen. Doch weder
wissend noch handelnd könne der zur Wiedervereinigung strebende Mensch sein Ziel
erreichen, da Wissen und Handeln nicht an den Urgrund reichten. Das sei Aufgabe der
ästhetischen intellektualen Anschauung, die, da sie selbst von der Erkenntnis nicht erfasst
werden könne, auf eine uns sichtbare Vergegenwärtigung in der Zeit zurückgreifen müsse :
auf die Schönheit.
Hölderlin führt aus : Wir hätten auch keine Ahnung von jenem unendlichen Frieden
(gemeint ist der "Frieden" in der kampf- und herrschaftslosen Einigkeit des Seyns), wenn
nicht dennoch jene unendliche Vereinigung, jenes Sein, im einzigen Sinne des Worts
vorhanden wäre. Es ist vorhanden - als Schönheit.
305
Inwiefern diese so verstandene
Schönheit eine Vergegenwärtigung des Seyns sein soll, wird uns erst die Interpretation der
Endfassung des Hyperion zeigen können. Wir wissen aber, dass Hölderlin Schüler Schillers
ist, und über ihn sind wir geschult in dem Einblick in die Potentialität des Schönen : Das
Schöne ist Sinnbild für das seine Teile sinngebend integrierende Ganze.

69
Die endgültige Fassung des Hyperion wird die Problematik ihrer Vorstufen noch einmal
aufgreifen, um sie zu überwinden. Hyperion wird zunächst ruhelos versuchen, Welt und
Selbstheit zu vereinen. Diotima - als die Priesterin der Schönheit - erst wird ihn lehren, dass
seine Ungeduld des Strebens die Gegensätzlichkeit nur verfestigt. Schönheit und Liebe als
vermittelnde Bewegungen können nicht in einem einmaligen, ekstatischen Akt durch eine
Überhebung über die Dissonanzen der Welt Wirkung erlangen, sondern nur in ihnen.
5.2.6 Nürtingen 1795. Das erste Frankfurter Jahr 1796
Der Lauf der Dinge ist nicht so schnell wie der nachvollziehende Flug der Gedanken. Die
Untersuchung ist den Ereignissen etwas vorausgeeilt und hat überblickend vorgestellt, was
von Hölderlin erst mühsam erkämpft werden muss. Er ist sich seiner Überwindung Fichtes im
Sommer 1795 noch keineswegs bewusst; er ist in seinen Resultaten und in deren Bewertung
noch schwankend, und der Aufenthalt daheim in Nürtingen - nach seiner Flucht aus Jena -
vermag ihm erst recht keinen inneren Ausgleich zu verschaffen. Er spricht von Maladie und
Verdruß
306
: Ich friere und starre in dem Winter, der mich umgibt. Er sei wie ein hohler
Hafen
307
und suche seine Zuflucht bei Kant, wie immer, wenn ich mich nicht leiden kann
308
.
Und doch gibt es auch Lichtblicke für ihn : Mit meinem spekulativen Pro und Kontra glaub
ich immer näher ans Ziel zu kommen.
309
In ihm gären die Gedanken, die wir eben aufgezeigt.
Ein weiterer Lichtblick ist ihm die Aussicht auf eine neue Hauslehrerstelle, diesmal in
Frankfurt, und er teilt seinem Freund Ebel, der ihm die Stelle vermitteln will, seine
Erziehungsgedanken mit, die Spiegelbild seiner theoretischen Überlegungen sind : Das Kind
solle aus dem Zustande der Natur auf den Weg geführt werden, wo es der Kultur
entgegenkömmt, sein höheres Bedürfnis solle geweckt werden, und der Erzieher habe die
Aufgabe, dem Kind die Mittel an die Hand zu geben, womit es jenes höhere Bedürfnis zu
befriedigen suchen muß. Diese Mittel müssten aber ihre Wirkungen aufs Herz tun und dürften
vom Kind nicht als ein Mittel zur Gedächtnis- oder auch Verstandesübung betrachtet
werden
310
. Letztere Forderung - das ist offensichtlich - entspricht der Forderung Hegels an
die Beschaffenheit einer subjektiven Religion !
Anfang Januar 1796 tritt Hölderlin diese Hauslehrerstelle bei der Bankiersfamilie Gontard
in Frankfurt an; wie immer zu einem Neubeginn ist er auch diesmal optimistisch, denn er
habe die besten Menschen zu Freunden und Zöglinge (...), wie man sie wohl nicht leicht
wieder finden dürfte
311
. Aber : er fühlt es wohl, er sei so stark nicht mehr wie vor zwei
Jahren
312
. Die Bildungsjahre haben Kraft gekostet, der Nachhall aus Jena tönt noch zu
mächtig in mir, und die Erinnerung hat noch zu große Gewalt, als daß die Gegenwart mir

70
heilsam werden könnte.
313
Die Philosophie, in der er einst Rettung aus seiner Uneinigkeit
suchte, ist ihm eine Tyrannin; die Natur, in Jena durch die Fichtesche Philosophie zum reinen
Stoff des Widerstandes entfremdet, wird ihm, der in der intellektualen Anschauung des reinen
Seins den Urgrund findet und in der Schönheit der Natur ihr Bild, wieder zum Wert. Er sehnt
sich ins grüne Feld des Lebens, wie er in seinem Gedicht Der Jüngling an die klugen
Ratgeber sagt : Begrabt sie nur, ihr Toten, eure Toten, / Und preist das Menschenwerk und
scheltet nur ! / Doch reift in mir, so wie mein Herz geboten, / Die schöne, die lebendige
Natur.
314
Leben, Schönheit, Herz und Natur stehen in krassem Gegensatz zum Toten des
Menschenwerkes; der Dichter fühlt die Verwandtschaft, in der wir stehen mit der weiten
frohen Natur
315
, die wandellos in stiller Schöne lebt
316
. Das Gedicht An die Unerkannte zeigt
die Natur als die Bewahrerin des geahnten, aber unerkannten Einen : Die das Eine, das im
Raum der Sterne, / Das du suchst in aller Zeiten Ferne / Unter Stürmen, auf verwegner Fahrt,
/ Das kein sterblicher Verstand ersonnen, / Keine, keine Tugend noch gewonnen, / Die des
Friedens goldne Frucht bewahrt.
317
In einem Brief vom März 1796 an seinen Bruder spricht er von seinem eigenen Weg, wenn
er vom Ankommen im stillen Lande der Schönheit spricht. Glaubst du nicht, fragt er, dass
man, um die Bedürftigkeit der Wissenschaft kennenzulernen und so ein Höheres über ihr zu
ahnden, müsse zuvor diese Bedürftigkeit eingesehen haben ?
318
Aber er selbst ist in diesem
Lande der Schönheit noch nicht endgültig heimisch geworden. Der Hyperion, der ihm die
Überwindung der Probleme bringen soll, entsteht erst. Noch geht es ihm wie seinem Helden
auf dem Weg zum Ziel : Die Augenblicke, wo wir Unvergängliches in uns finden, sind
so bald zerstört.
319
Doch ihm widerfährt Entscheidendes : er begegnet seiner Götterbotin
320
,
seiner "Diotima", in Susette Gontard, der Ehefrau seines Arbeitgebers. Lieblichkeit und
Hoheit, und Ruh und Leben, und Geist und Gemüt und Gestalt ist e i n seliges Eins in diesem
Wesen.
321
. Hölderlin fühlt sich in einer neuen Welt. Diese Frau wird ihm - wie seinem Helden
Hyperion, dessen Gang sein eigener Gang ist - zur entscheidenden Begegnung. Warum diese
Begegnung (neben dem Einfluss der Französischen Revolution und neben dem Einfluss
griechischen Geistes) zum Entscheidenden in Hölderlins Leben zählt, muss die Analyse des
weiteren Frankfurter Schaffens aufzeigen.

71
5.3. Bilanz der "Zwischenzeit"
Zwischen dem Augenblick der Trennung beim Verlassen des Tübinger Stifts und dem
Wiedersehen Anfang 1797 in Frankfurt vergehen gut drei Jahre, in denen Hölderlin und Hegel
sich nicht sehen. Aber sie hören voneinander, nicht zuletzt in einem Briefwechsel, von dem
uns vermutlich nur Teile erhalten sind. Man nennt sich Bruder
322
, man wünscht, einander
nahe zu sein
323
und man weiß um das Tun des anderen : Hölderlin schreibt Hegel, dass er mit
dem Ideal einer Volkserziehung
324
umgehe und ihn, Hegel, zum Konduktor der Gedanken
wählen möchte, da er wisse, dass Hegel sich mit einem Teil der Volkserziehung, der Religion,
intensiv beschäftige.
Man weiß also voneinander; doch wird dieses Wissen ein recht oberflächliches gewesen
sein, denn Hegel wird mit dem bemerkenswerten Fortschritt, den Hölderlin in der
"Zwischenzeit" gemacht hat, erst in Frankfurt konfrontiert werden. Aus den uns erhaltenen
Briefen ist jedenfalls keine Diskussion der Probleme, vor die Hölderlin sich gestellt sieht,
ersichtlich. Man darf also annehmen, dass Hölderlin (durch die Auseinandersetzung mit
Fichte) auf theoretischem Terrain Hegel gegenüber einen Vorsprung hat. In der Methode
seines Voranschreitens erinnert Hölderlin allerdings in dieser Phase an Hegel : er möchte erst
die gedankliche Basis seiner dichterischen Existenz abgesichert wissen, bevor er sich mit
seinem Werk an die Öffentlichkeit wendet.
Hegel befindet sich im Ausland zu sehr abseits von der großen theoretischen Auseinander-
setzung der Zeit, als dass er sich entscheidend an ihr orientieren könnte. Er bleibt im Grunde
seinen Tübinger Anschauungen treu, er bleibt (trotz seines Briefwechsels mit Schelling)
Kantianer, der in der Wahrung der sittlichen Autonomie des Menschen einen Ausweg aus
politischen Zwängen sieht. Sein Thema ist nach wie vor die Auseinandersetzung mit allen
Formen von Positivität, erläutert in erster Linie an religiöser Problematik, zugleich aber auch
erweitert auf die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Fragen der Zeit.
Die Gemeinsamkeiten der Freunde liegen im Ringen um eine alle Einseitigkeiten
umfassende und daher transzendierende Einheit auf dem Hintergrund des politischen
Bestrebens um eine wahre Volks-Einheit, wobei beiden die republikanische griechische
Staatsform zum Vorbild dient. Die Lebendigkeit griechischen öffentlichen Lebens ist für
beide eine lebens-werte Alternative dem seine Untertanen knechtenden, weil "toten"
Herrschaftssystem ihrer Gegenwart gegenüber. Beispiel für eine mögliche Veränderung bleibt
der Kampf des französischen Volkes, über den man gut informiert ist : Hegel hat in Bern
nachweislich französische Zeitungen gelesen, und Hölderlin steht in Gedankenaustausch u.a.
mit dem noch in Paris weilenden Ebel und mit dem Kreis der Demokraten um Sinclair, von

72
dem noch zu sprechen sein wird. Dass Hölderlin sich von den Greueltaten des Terrors in
Frankreich beeindruckt zeigt, ändert vorläufig nichts an seiner Bereitschaft zur Erneuerung
der Verhältnisse.
In seinem Widmungsgedicht Eleusis an Hölderlin anlässlich ihres bevorstehenden
Wiedersehens in Frankfurt fasst Hegel die ihnen gemeinsame Überzeugung in wenigen Zeilen
treffend zusammen : Der freien Wahrheit nur zu leben, Frieden mit der Satzung, / Die
Meinung und Empfindung regelt, nie, nie einzugehn.
325
6. Bilanz des 1. Teils dieser Arbeit
In dem Rhythmus von Anziehung, Trennung und Anziehung der Freunde kann an dieser
Stelle eine Zäsur gesetzt werden. Hölderlin und Hegel haben ihre "Ausbildung" abgeschlos-
sen und können nunmehr daran gehen, in einer Art Wechselbeziehung die Ernte ihrer Bemü-
hungen einzufahren. Was wir bisher gehört haben, legt den Schluss nahe, dass Hölderlin
zunächst die treibende Kraft, der Gebende, sein wird. Schaut man auf das nächste Jahrzehnt,
so wird Hölderlin an den Verhältnissen verzweifeln, während Hegel sich kontinuierlich wei-
terentwickeln wird, um schließlich in seiner Phänomenologie des Geistes die Propädeutik
seines Systems zu entwerfen.
An der Entwicklung der dialektischen Methode arbeiten sie beide gemeinsam. Hölderlin
wird einen nächsten Schritt tun, indem er einen Richtungswechsel des Blickes vornehmen
wird : die intellektuale Anschauung wird nicht mehr zum Einheitgrund führen, sondern in ihn
hineinverlegt werden. Damit gelingt eine Form der Ableitung, des Übergangs, aus der All-
Einheit durch die Trennung in die Lebendigkeit der Vielfalt, die die Einheit fühlbar macht :
Die Fühlbarkeit des Ganzen schreitet also in eben dem Grade und Verhältnisse fort, in
welchem die Trennung in den Theilen und in ihrem Centrum, worin die Theile und das Ganze
am fühlbarsten sind, fortschreitet. Die in der intellektualen Anschauung vorhandene Einigkeit
versinnlichet sich in eben dem Maaße, in welchem sie aus sich herausgehet, in welchem die
Trennung ihrer Theile stattfindet, die denn auch nur darum sich trennen, weil sie sich zu einig
fühlen, wenn sie im Ganzen dem Mittelpuncte näher sind, oder weil sie sich nicht einig genug
fühlen der Vollständigkeit nach, wenn sie Nebentheile sind, vom Mittelpuncte entfernter
liegen, oder, der Lebhaftigkeit nach, wenn sie weder Nebentheile, im genannten Sinne, noch
wesentliche Theile im genannten Sinne sind, sondern weil sie noch nicht gewordene, weil sie
erst theilbare Theile sind. Und hier, im Übermaaß des Geistes in der Eingkeit, und in seinem
Streben nach Materialität (...) liegt eigentlich der ideale Anfang der wirklichen Trennung.
326

73
In diesen Worten wirft das spätere Hegelsche System deutlich seine Schatten voraus. Noch
aber sind wir nicht soweit. Der eben zitierte Auszug stammt aus dem Text Hölderlins Über
die Verfahrungsweise des poetischen Geistes, und der verweist auf die Jahre um den
Jahrhundertwechsel. Die Arbeit an den dort entstandenen Texten verlangt dem Leser
zunehmend mehr ab an Bereitschaft, sich in sie hineinzufinden, ab; die Texte werden spürbar
hermetischer und bedürfen des hermeneutischen Bemühens um eine Entschlüsselung. Wir
werden uns im 2. Teil dieser Arbeit dieser Aufgabe stellen. Nächstens mehr.
(Diese Aufgabe wird eine Neukonzeption des in der Examensarbeit bisher vorliegenden
Textes bedeuten und wird geraume Zeit in Anspruch nehmen. Fort-Schritte können unter
www.philosophersonly.de eingesehen werden.)

74
Anmerkungen
1.
vgl. hierzu Kurz, 2 : ,,Diese Arbeit ist in einem gänzlich uneitlen Sinn ein Versuch";
Henrich 1971, 7 : ,,Wer Hegel verstehen will, ist immer noch mit sich allein."
2.
Kurz , 1
3.
siehe Pöggeler, 212
4.
Henrich 1971
5.
Bertaux 1966, 67
6.
Kurz , 255
7.
vgl. hierzu Gundolf, 26 und Guardini,185
8.
Scherer / Walzel : Geschichte der deutschen Literatur, 3. Auflage Berlin 1921
9.
Beckermann / Canaris : Vorwort, in : Der andere Hölderlin, 7
10.
Gundolf , 26
11.
Guardini , 14
12.
vgl. hierzu Ryan, L. : Nachwort zu : Friedrich Hölderlin, Sämtliche Briefe und Wer
ke, Darmstadt 1970, Band 2, 1217
13.
Guardini , 185
14.
Gundolf , 36
15.
Minder, 22
16.
Köpp, 172
17.
Ryan 1968, 146
18.
siehe Anmerkung 5
19.
ebd., 73 u. 75
20.
Ausspruch Kants zu Abegg, zitiert bei K. Weyand : Kants Geschichtphilosophie. Ihre
Entwicklung und ihr Verhältnis zur Aufklärung, Köln 1964, S. 189
21.
Ryan 1968, 146
22.
Böckmann 1970, 103
23.
Bertaux 1966, 91
24.
Bertaux 1973, 7-17
25.
ebd., 7
26.
Henrich ,1965
27.
Hegel, Hannelore 1969
28.
Haering, 1929
29.
Lukács, 1948
30.
Dinkel, 1974

75
31.
Hegel (1970), Werke 7, 26
32.
ebd., Werke 12, 529
33.
vgl. hierzu Walser, Martin (a.a.O.) und Stierlin, Helm (a.a.O.)
34.
vgl. hierzu meine Überlegungen unter ,Das philosophische Licht um mein Fenster 2`
unter
www.philosophersonly.de
35.
vgl. Hans-Jost Frey, Der unendliche Text, Frankfurt / Main 1990
36.
Über das Schubladen-Denken und unseren Drang zu einer ,interpungierten
Welt`erfährt man Bewusstseinserweiterndes bei Egon Friedell, Kulturgeschichte der
Neuzeit ( 1927), München 1965, 59-60
37.
Griewank, 189
38.
ebd., 187
39.
ebd., 144
40.
ebd., 190
41.
Eines der geistigen Zentren ist Jena, und insofern ist der verdienstvollen Arbeit von
Dieter Henrich zu danken, dass Licht in diese Entwicklungsgeschichte gebracht
worden ist. Aus der vielseitigen Literatur seien als Empfehlung herausgegriffen
Henrich 1991 und Strack 1994.
42.
Kurz, 7
43.
Heinrich Heine, Werke und Briefe, Berlin und Weimar 1972, Bd. 1, 452; zum Marx-
Zitat vgl. Griewank, 180
44.
Kant hat die Vorgänge in Frankreich mit warmer Teilnahme verfolgt, wie sein
Biograph Jachmann berichtet (in : Immanuel Kant. Sein Leben in Darstellungen von
Zeitgenossen, Darmstadt 1968, 175), in welchen Vorgängen er ein Geschichtszeichen
sah des Fortschreiten(s) zum Besseren, so in Kant, ,,Der Streit der Fakultäten". An
dieser Formulierung ist noch nichts Außergewöhnliches zu erkennen, was die jungen
Wilden der Zeit hätte reizen können.
45.
vgl. hierzu Marx, Werner, 39; vgl. ebenfalls Hegels Ausführungen zum Bedürfnis
der Philosophie in den Jenaer Schriften, Werke 2, 20 ff.
46.
Hölderlin Werke 2, 717
47.
ebd., 1, 738
48.
Schiller Werke V, 584
49.
Hegel Werke 3, 68 ff. (Einleitung in die PhdG); vgl. hierzu auch meine Hegel-Arbeit
zur Einleitung in die PhdG
50.
ebd., 3, 14
51.
vgl. Anmerkung 41, vor allem Henrich 1991

76
52.
Zitiert nach Fetscher, Iring, Rousseaus politische Philosophie. Zur Geschichte des
demokratischen Freiheitsbegriffs, Frankfurt / Main 1975, 189
53.
Zitiert nach Bertaux 1969, 80
54.
ebd., 74-83
55.
Lukács (1948), 1, 50-52
56.
Wilhelm Michel führt in seiner Hölderlin-Biographie als weitere Gründe an : die
Theologenlaufbahn war Familienüberlieferung, sie war derzeit der ,,führende Typ
des akademischen Berufs überhaupt" und sie war (was der Witwe wesentlich
gewesen sein dürfte) unentgeltlich (ebd. S.14).
57.
Daneben ist der grundlegende Einfluss des Pietisten Friedrich Cristoph Oetinger
(1702-1782) zu erwähnen; vgl. hierzu die Studie von Walter Dierauer, Hölderlin und
der spekulative Pietismus Württembergs. Gemeinsame Anschaungshorizonte im
Werk Oetingers und Hölderlins, Diss. Zürich 1986.
58.
vgl. Minder, 25
59.
vgl. hierzu die Hölderlin-Chronik (Beck), 12
60.
Hölderlin, Werke 2, 481
61.
Hölderlin, Werke 2, 473
62.
Hölderlin, Werke 2, 485
63.
Hölderlin, Werke 2, 482 : Liebste Mama ! Sie können mir's jetzt (!) glauben - dass
mir, außer in einem ganz außerordentlichen Fall, wo mein Glück augenscheinlich
besser gemacht wäre - dass mir nie mehr (!) der Gedanke kommen wird, aus meinem
Stand zu treten. - Ich sehe jetzt ! (!) man kann als Dorfpfarrer der Welt so nützlich
sein, man kann noch glücklicher sein, als wenn man, weiß nicht was ? wäre.
64.
Hölderlin, Werke 2, 471
65.
Hölderlin, Werke 1, 48
66.
Hölderlin, Werke 1, 31
67.
ebd.
68.
vgl. hierzu das Gedicht Die Ehrsucht, Werke 1, 44
69.
Lüders Band 2, 78
70.
Hölderlin, Werke 1, 46
71.
Hölderlin Werke 2, 493, auch 476
72.
Kaiser, Gerhard : Das innere Vaterland. in : Pietismus und Patriotismus im
literarischen Deutschland, Wiesbaden 1961
73.
Hölderlin, Werke 1, 58
74.
Hölderlin, Werke 1, 63

77
75.
Hölderlin, Werke 1, 44
76.
Hölderlin, Werke 1, 32
77.
Hölderlin, Werke 1, 60
78.
ebd., 61
79.
Klaiber, 67
80.
Wiedmann, 9
81.
Hoffmeister, 276
82.
Müller. G.E., 16
83.
Klaiber, 63
84.
zu den Zitaten vgl. Nicolin 1970
85.
ebd., 75
86.
Hölderlin-Chronik, 40
87.
Haering, 48
88.
Brecht, 23
89.
zitiert nach Michel 1940, 43
90.
Aspelin, 17
91.
Hölderlin Werke 2, 518
92.
Brecht, 23
93.
ebd., 29
94.
Hölderlin Werke 1, 946
95.
Im Hegel-Handbuch wird darauf hingewiesen, dass neben Hölderlin und Hegel
zumindest noch acht weitere Studenten sich das Zimmer teilten; Jaeschke 2010, 6
96.
vgl. Klaiber, 112 f.
97.
Hölderlin Werke 2, 554
98.
Gray, 20
99.
zit. nach Michel 1940, 68
100.
zit. nach Kurz, 4
101.
Lukács 1,37
102.
Hegel Werke 1, 27
103.
Kurz , 14
104.
Hölderlin Werke 2, 571
105.
Hegel, Erwin, 35
106.
vgl. hierzu : Hegel, Hannelore, 74; Henrich 1971,5 u. 60; Aspelin, 18
107.
Henrich / Döderlein,, 279
108.
Stoelzel, 48

78
109.
zitiert nach Wiedmann, 17
110.
Hölderlin Werke 2, 547
111.
ebd., 567
112.
ebd., 551
113.
Michel 1940, 45
114.
ebd. 52
115.
Hölderlin Werke 2, 519
116.
ebd., 524
117.
ebd., 531
118.
ebd., 526
119.
Hölderlin Werke 1, 73
120.
ebd., 83
121.
ebd., 87 f.; die am schärfsten formulierte Strophe ist von Hölderlin selbst getilgt
worden :
Wie da der große Geist um den Thron sich krümmt,
Mit heulendem Gewinsel Erbarmung fleht !
Hinweg ! Tyrannen keine Gnade,
Ewige Rache den Völkerschändern ! (Werke 1, 943/44)
122.
vgl. hierzu Binder 1973, 10
123.
Hölderlin Werke 1, 112
124.
ebd., 113
125.
ebd., 808
126.
ebd., 166
127.
ebd., 117 ­ 121
128.
in dessen "Poetischer Blumenlese fürs Jahr 1793"
129.
Hölderlin Werke 1, 137
130.
Hölderlin Werke 2, 547
131.
ebd., 560
132.
Hölderlin Werke 1, 133
133.
Ryan nennt Hölderlin im Nachwort zur Werkausgabe einen mittelbaren Fortsetzer
der Französischen Revolution; Werke 2, 1218/19
134.
Hölderlin Werke 1, 145
135.
ebd., 133
136.
Hölderlin Werke 2, 571
137.
vgl. Vietor, 65/66

79
138.
Diese Frage wird von Lukács, 117 bejaht, von Michel 1943, 70 verneint.
139.
Schubart rezensiert in seiner "Chronik" vom 20.9.1791 den Stäudlinschen Almanach
und bemerkt zu Hölderlin : "Hölderlins Muse ist eine ernste Muse; sie wählt edle
Gegenstände; nur fast immer in gereimten Jamben, wodurch seine Gedichte sehr
eintönig werden." (zit. nach Hölderlin Werke 1, 952)
140.
Hölderlin Werke 2, 564
141.
vgl. hierzu meine grundlegenden erkenntnistheoretischen Überlegungen in meinem
Essay "Vagabundierendes Denken in einer schraubenförmigen Welt", München 2013
142.
vgl. hierzu meinen Text "Der fiktionale Text und sein Auslegungsspielraum" unter
www.philosophersonly.de
.
143.
Prignitz, 12 ­ 15
144.
vgl. hierzu meinen Essay über Wahr-Nehmungen, Mollowitz 2011
145.
vgl.
www.gute-schulen.de
/ psychischeentwicklung / triadischestrukturdesgeistes
146.
detaillierte Überlegungen hierzu finden sich bei Hayden-Roy, a.a.O.
147.
zur inhaltlichen Entsprechung vgl. die Arbeit von Jürgen Scharfschwerdt, 1970
148.
Zitat Rousseau : "Wie aber ? Wird man die Gesellschaften zerstören, das Mein und
Dein aufheben und wieder in die Wälder zurückkehren müssen ? Dies ist eine
Folgerung, die vielleicht meine Gegner werden ziehen wollen (Unterstreichung von
mir, B.M.). (...) Was aber die Menschen meinesgleichen betrifft, deren
Leidenschaften schon auf ewig ihre ursprüngliche Einfalt unterdrückt haben, (...)
jene, welche überzeugt sind, daß die göttliche Stimme das ganze menschliche
Geschlecht zu den Einsichten und zu der Glückseligkeit der himmlischen Geister
gerufen hat, sie alle, sage ich, werden sich durch die Ausübung solcher Tugenden, zu
welchen sie sich verpflichten, indem sie sie lehren, um den ewigen Preis bemühen,
den sie dafür zu erwarten haben." (Rousseau, a.a.O., 281-282) Unter der "göttlichen
Stimme ist m.E. die Vernunft qua Intellectus zu verstehen und unter dem "ewigen
Preis" die Utopie eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses (nicht Kompromisses !).
149.
Hölderlin Werke 1, 125 ­ 128
150.
Hölderlin Werke 1, 98 ­ 99
151.
Hölderlin Werke 1, 142 ­ 145
152.
Rosenkranz, 30
153.
Aspelin, 26
154.
Schwab-Zitat nach Stierlin, 535
155.
Rosenkranz, 29/30
156.
Wiedmann, 107

80
157.
Beck, 39
158.
An dieser Stelle sei auf die Darstellung des Fragmentes bei Aspelin verwiesen.
159.
Hegel, Werke I, 9
160.
ebd., 13
161.
Hegel, Werke I, 16
162.
ebd., 11
163.
ebd., 27
164.
ebd., 11/12
165.
ebd., 21
166.
ebd., 13
167.
ebd., 42
168.
ebd., 28
169.
ebd., 29
170.
Busche, 48 : "Hegels Verlegenheit besteht nicht zuletzt darin, daß er einerseits in
Kants Autonomie-Prinzip die vernünftige Einheit von Moralität und Freiheit findet,
andererseits durch seine organische Anthropologie am Ideal eines unmittelbaren
Handelns aus der Fülle des Herzens festhält."
171.
Hegel, Werke, I, 30
172.
Hegel, Werke, III, 145
173.
Hegel, Werke I, 33/34
174.
Nohl, 357
175.
Hegel, Werke I, 31
176.
ebd., 28
177.
ebd., 41
178.
Hölderlin, Werke, 2, 608
179.
vgl. hierzu Pellegrini, 31
180.
siehe "Jacobis Spinoza-Büchlein", hrg. von F. Mauthner, München 1912, 65/66;
181.
Kurz, 36. Ohne das Thema zu vertiefen, sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen
werden, dass Spinoza in der Nachfolge von Descartes steht, dessen Dualismus aber
monistisch aufgehoben hat. Kannte Descartes zwei Substanzen (den Geist als res
cogitans und die Materie als res extensa, die einander unaufhebbar gegenüberstehen,
wobei der Geist über der Materie steht), ging Spinoza von einer aus : Gott (als
Vertreter des geistigen Prinzips) = Natur (als Vertreter der Materie), also 'deus sive
natura'.
Mit dieser Gleichsetzung geht eine qualitative Änderung des Gottesbildes einher;

81
Gott steht nicht mehr über der Welt, sondern Gott ist sie. Mit der Streichung der
Präposition "über" sind auch alle Herrschaftsverhältnisse getilgt. (Kuno Fischer stört
sich in seinem Spinoza-Buch daran, dass in Hinsicht auf Spinozas Denkhaltung von
einem 'Monismus' gesprochen wird : "Spinoza war ein Pantheist, aber nicht als
Monist, sondern als Individualist." S. 387. Meine Zuordnung "monistisch" meint rein
begrifflich die prinzipielle Unterscheidung zu dualistischen Strukturen.)
182.
ebd. : "Die revolutionäre, demokratische Brisanz des spinozistischen Pantheismus
war für Hölderlin und Hegel Verheißung für die Zukunft und beherrschte noch das
Selbstverständnis der Revolutionäre von 1848."
183.
vgl. hierzu Staiger, Emil : Einleitung zu : Gedichte. Friedrich Hölderlin, Zürich
1944, 7
184.
Kant, Werke, VIII, 777
185.
vgl. hierzu auch Haering, 38
186.
Hölderlin, Werke II, 575
187.
textgleich Hegel-Werke I, 47 ­ 101
188.
Hegel, Werke I, 70
189.
ebd., 88
190.
ebd., 57
191.
ebd., 55
192.
ebd., 57
193.
ebd.
194.
ebd., 67
195.
ebd., 48
196.
ebd., 53
197.
ebd., 54
198.
ebd., 46
199.
ebd., 63
200.
ebd., 62 / 63
201.
ebd., 64
202.
ebd., 28
203.
ebd., 64
204.
ebd., 76
205.
ebd., 68
206.
ebd., 69

82
207.
Hesse, Hermann : Eigen-Sinn. Frankfurt am Main Mollowitz, Bernd : Eigen-
Sinn.Mut zu Wahr-Nehmungen. 2011
208.
zitiert bei Dinkel, 126
209.
Hegel, Werke 1, 83
210.
ebd.
211.
mit dieser Begründung nimmt die von Moldenhauer und Michel redigierte Theorie
Werkausgabe diesen Text nicht auf; vgl. hierzu Band 1, 622
212.
Kant , Werke, VIII, 771
213.
Nohl, 103
214.
vgl. Wolf, 95
215.
vgl. Haering, 19
216.
Hegel, Briefe 1, 12
217.
ebd., 14
218.
ebd.
219.
ebd., 15
220.
Fichtes Philosophie sperrt sich einem schnellen Zugriff und - wenn ich mir die
Sekundärliteratur anschaue - offensichtlich auch einer verständlichen Darstellung;
ich selbst habe versucht, knapp die wesentlichen Gedanken zusammenzufassen
(unter www.philosophersonly.de : "Fichte - die Seele von Jena").
221.
ebd., 16
222.
ebd., 17
223.
zitiert bei Hegel, Hannelore 76
224.
Hegel, Briefe 1, 18
225.
ebd. 1, 21
226.
ebd. 1, 22
227.
ebd.
228.
ebd., 23 / 24
229.
so Titel und Thema des Buches Schindler 1994 : "Hegels Weg vom kantischen
'Mysterium der Religion', von dem innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft
philosophisch verantwortbar nichts Verbindliches gesagt werden könne, zu seiner
philosophisch begründeten Überzeugung von der prinzipiellen Sagbarkeit des
Unsagbaren in der spekulativen 'Sprache des konkreten Begriffs' zu rekonstruieren,
versucht die vorliegende Studie." Wir werden innerhalb unserer Arbeit diesen Weg
mit Interesse verfolgen.
230.
Unterstreichung von mir, B.M.

83
231.
Hegel, Briefe 1, 24
232.
ebd. 1, 18
233.
textgleich Hegel Werke 1, 104 - 190 und 190- 196
234.
Hegel, Werke 1, 190
235.
ebd.,192
236.
ebd.,, 105
237.
ebd.
238.
ebd., 108
239.
ebd. ,119
240.
ebd. ,123
241.
vgl. hierzu ebd. 137/38
242.
ebd., 204
243.
ebd., 210
244.
ebd. ,207
245.
Nohl 366
246.
Hegel, Werke 1, 209
247.
Hegel, Briefe 1,17
248.
Schindler 1994, 59 /60
249.
vgl. hierzu den sehr informativen Aufsatzband "Evolution des Geistes : Jena um
1800"; Strack 1994
250.
Hölderlin, Werke 2, 579
251.
ebd., 584
252.
ebd., 630
253.
ebd., 631
254.
ebd., 630
255.
ebd., 634
256.
nach der Sattler-Ausgabe der Werke, 4, 104
257.
Hölderlin, Werke 2, 604
258.
ebd.
259.
Liebe Mutter ! es ist Pflicht, seinen eigentümlichen Charakter zu kennen, sei er nun
gut oder schlimm, und soviel möglich sich in Umständen zu erhalten, oder sich in
solche zu versezen zu suchen, welche gerade diesem Charakter günstig sind. Überdiß
ist es ganz gegen meine Grundsätze, auf solchem Wege in eine Stelle der
bürgerlichen Gesellschaft einzutreten. Wäre es in meinem Falle auch nur ein böser
Schein, so wil und soll ich vorzüglich in einer solchen Angelegenheit, auch diesen

84
meiden.
Ich bin, aus den angefürten Gründen, gewis, daß sie meinen nach wiederhohlter
unbefangener Ueberlegung gefaßten Entschlus billigen, umso mer, da ich Sie bei
dieser Gelegenheit versichere, daß ich niemals einen Weg zu meiner künftigen
Wirksamkeit wählen werde, wo ich Ihnen auf irgend eine Art zur Last fallen, oder
gar Unehre machen könnte. (ebd.; hier zitiert nach der Sattler-Ausgabe, 4, 35/36)
260.
ebd., 613/15
261.
ebd., 622
262.
ebd.
263.
Sattlers Werk-Ausgabe 4, 20
264.
Mieth 2007, 105
265.
Hölderlin, Werke, 2, 564
266.
Hölderlin, Werke 2, 729
267.
Diese These wird unter anderem vertreten von Alexander Abusch (14) und von
Pierre Bertaux (1969, 169); gegen derlei Ansichten wendet sich Martin Walser (107),
wenn er sagt, dass Hölderlin nicht Hölderlin wäre, hätte er seine
Mitwirkungsmöglichkeiten nicht deutlich zur Sprache gebracht.
268.
Hölderlin, Werke 2, 619
269.
Kant, Werke 1956, XI, 92
270.
vgl. zu Rousseau : Fetscher 1975, 112 / 113
271.
Schiller Werke IV, 769
272.
vgl. Mollowitz 2013
273.
vgl. Schadewaldt, 2 und Bertaux 1969, 157
274.
Alle verwendeten Zitate des Fragments : Hölderlin, Werke, 1970, I, 483 / 484, 506
275.
zu Fichte vgl. "Fichte - die Seele von Jena" unter
www.philosophersonly.de
276.
zur Zuordnung dieser Kennzeichnung zu Fichte vgl. Abusch, 11 und Lukács 1973,
88
277.
Hölderlin, Werke 2, 622
278.
ebd. 2, 623
279.
ebd. 2, 633
280.
ebd. 2, 653/54
281.
ebd. 2, 710
282.
ebd. 2, 585
283.
ebd. 2, 637
284.
vgl. hierzu das Grundlagenwerk über Hölderlins "Hyperion" von L. Ryan, 1965, 47

85
285.
vgl. hierzu Hölderlins Brief an seinen Bruder vom 13.4.1795; Hölderlin Werke 2,
647 ­ 49
286.
ebd., 2, 619
287.
Cassirer 1971, 125
288.
vgl. Boyle, Nicholas, Goethe II, 1999, 96
289.
vgl. Mollowitz 2008/2 (über Schillers Auseinandersetzung mit Kant)
290.
Hölderlin an Neuffer über Fichte in einem Brief vom November 1794 : Ich hör ihn
alle Tage. Sprech ihn zuweilen. (Werke 2, 623)
Janke 1994, 119 : "Am 28. Mai 1795 fand in Jena im Hause des vielseitigen
Vermittlers Friedrich Immanuel Niethammer - seit 1793 außerordentlicher Professor
der philosophischen Fakultät in Jena - eine einmalige und für die Geistesgeschichte
äußerst merkwürdige Begegnung statt. Zusammentrafen der 23jährige Student Georg
Friedrich Philipp von Hardenberg (Novalis), der 25jährige Magister der Theologie
Hölderlin (mit Niethammer entfernt verwandt und seit 1789 nahe vertraut) und der
Lehrer der Wissenschaftslehre Johann Gottlieb Fichte. Niethammer notierte in sein
Tagebuch, es wurde 'viel über Religion gesprochen und über Offenbarung und daß
für die Philosophie noch viele Fragen offen bleiben.'"
291.
In seiner Untersuchung "Vom Bilde des Absoluten" (Janke 1993) betont der Autor
den Doppel-Aspekt der Beurteilung Fichtes durch Hölderlin : Zum einen weist dieser
Fichtes Orientierung am absoluten Ich als höchstem Einheitspunkt zurück, zum
anderen greift er Gedanken Fichtes auf, indem er "gegen Fichte mit Fichte über die
Grenzlinie des ersten Grundsatzes hinaus"geht. (79)
292.
zu den geistesgeschichtlichen Vorgaben vgl. Kurz, 16 - 31 und Henrich, 1971, 12 ­
17
293.
Hölderlin Werke, 2, 639 ­ 40
294.
Aus den Anmerkungen der Hölderlin-Ausgabe von Günter Mieth : "Die Überschrift
stammt von Friedrich Beißner, den den Entwurf, dessen weitreichende philosophie-
geschichtliche Bedeutung in einem Aufsatz von Dieter Henrich im Hölderlin-
Jahrbuch 1965/66 nachgewiesen wird, erstmals 1961 veröffentlichte." Die
Frankfurter Ausgabe wählt den alternativen Titel "Seyn Urtheil Möglichkeit". Ihrer
Diktion wird in den hier wiedergegebenen Zitaten gefolgt.
295.
Edgar Wind, Art and anarchy. Kunst und Anarchie. Die Reith-Lectures von 1960
296.
Heinrich von Kleist, Brandenburger Ausgabe, II/7, 331
297.
Janke 1994, 127 sieht das Problem darin, "den Gedanken einer unvordenklichen
Seinseinheit anzunehmen, der sich weder objektivieren noch urteilsmäßig aussagen

86
läßt"
;
Sie sei "unsäglich". (1993, 83) Die "intellektuale Anschauung" nennt er
"dieses Rätsel- und Lösewort des Idealismus" (ebd, 85)
298.
Rudolf Eisler, Kant-Lexikon, Hildesheim New York 1977, 18
299.
Fichte 1962, III, 47
300.
Hölderlin Werke, 2, 648 ­ 49
301.
von Bassermann-Jordan, 123
302.
Hölderlin zögert an dieser Stelle mit dessen Benennung und spricht von einem
absoluten - Ich oder wie man es nennen will -; wahrscheinlich ist die Übernahme
dieses Fichteschen Terminus in diesen Brief darauf zurückzuführen, dass Hölderlin
davon ausgeht, durch den Gebrauch dieses zur Zeit geläufigen Begriffs sich Schiller
besser verständlich machen zu können.
303.
Hölderlin Werke, 2 , 667
304.
ebd. ,690
305.
ebd. , 1, 557-59
306.
ebd. 2, 667
307.
ebd., 673
308.
ebd., 674
309.
ebd., 669
310.
ebd., 664 /65
311.
ebd., 684
312.
ebd., 682
313.
ebd., 689
314.
ebd. 1, 194
315.
ebd. 2, 688
316.
ebd. 1, 179
317.
ebd. 1, 180
318.
ebd. 2, 693
319.
ebd. 2, 691
320.
ebd. 1, 190
321.
ebd. 2, 700
322.
ebd. 2, 639
323.
ebd. 2, 609
324.
ebd. 2, 640
325.
Hegel Werke 1, 230
326.
zitiert nach der großen Stuttgarter Ausgabe 4,1, 269

87
Quellennachweise
Abusch, Alexander : Hölderlins poetischer Traum einer neuen Menschengemeinschaft, in :
Weimarer Beiträge 16, 1970, 10-26
Aspelin, Gunnar : Hegels Tübinger Fragment, in : Acta Universitatis Lundensis, 28/1932
Bassermann-Jordan, Gabriele von : "Schönes Leben ! du lebst wie die zarten Blüten im
Winter ..." Die Figur der Diotima, Würzburg 2004
Beck, Adolf : Hölderlin als Republikaner, in : Hölderlin-Jahrbuch 1967/68, 33-52
Beck, Adolf und Raabe, Paul (Hrg) : Hölderlin. Eine Chronik in Text und Bild. Frankfurt am
Main 1970
Beckermann, Thomas / Canaris, Volker : Der andere Hölderlin, Frankfurt / Main 1972
Bertaux, Pierre (1966) : Hölderlin und die Französische Revolution. in : Beckermann /
Canaris (Hrg), Der andere Hölderlin, Frankfurt / Main 1972, 65-100
Bertaux, Pierre : Hölderlin und die Französische Revolution, Frankfurt / Main 1969
Bertaux, Pierre : War Hölderlin Jakobiner ? in : Riedel, Ingrid (Hrg), Hölderlin ohne
Mythos, Göttingen 1973
Binder, Wolfgang : Einführung in Hölderlins Tübinger Hymnen, in : Hölderlin- Jahrbuch
1973/74, 1 - 19
Böckmann, Paul : Die Französische Revolution und die Idee der Erziehung in Hölderlins
Denken. in : Paulsen, Wolfgang (Hrg), Der Dichter und seine Zeit,
Heidelberg 1970, 83-112
Boyle, Nicholas : Goethe II, München 1999, 91 - 100

88
Brecht, Martin : Hölderlin und das Tübinger Stift 1789-1793, in HJb 1973/74, 20-48
Busche, Hubertus : Das Leben der Lebendigen. Hegels politisch-religiöse Begründung der
Philosophie freier Verbundenheit in seinen frühen Manuskripten. Hegel-
Studien Beiheft 31, Bonn 1987
Cassirer, Ernst : Hölderlin und der deutsche Idealismus. in : E.C., Idee und Gestalt,
Darmstadt 1971, 113 - 155
Dinkel, Bernhard : Der junge Hegel und die Aufhebung des subjektiven Idealismus, Bonn
1974 (Phil. Diss. München)
Fetscher, Iring : Rousseaus politische Philosophie. Zur Geschichte des demokratischen
Freiheitsbegriff (1968), Frankfurt am Main 1975
Fichte, Johann Gottlieb : Ausgewählte Werke in sechs Bänden (Hrg. Fritz Medicus),
Darmstadt 1962
Fischer, Kuno : Spinozas Leben, Werke und Lehre, Heidelberg 1946
6
Franz, Michael : Tübinger Platonismus. Die gemeinsamen philosophischen Anfangsgründe
von Hölderlin, Schelling und Hegel. Tübingen 2012
Gray, J. Glenn : Hegel's hellenic ideal, New York 1941
Griewank, Karl : Der neuzeitliche Revolutionsbegriff (1955 aus dem Nachlass
herausgegeben), Frankfurt / Main 1973
Guardini, Romano : Hölderlin. Weltbild und Frömmigkeit, München 1955
Gundolf, Friedrich : Hölderlins Archipelagus. in : Dem lebendigen Geist, Heidelberg
Darmstadt 1962, 25-40

89
Haering, Theodor : Hegel. Sein Wollen und sein Werk. Eine chronologische
Entwicklungsgeschichte der Gedanken und der Sprache Hegels, Band 1,
Leipzig und Berlin 1929
Hayden-Roy, P. : Zwischen Himmel und Erde : der junge Friedrich Hölderlin und der
württembergische Pietismus; in : Hölderlin-Jahrbuch 35, 2006-2007, 30 -
66
Hegel, Erwin : Hölderlin und der christliche Erlösungsgedanke, Theologische Dissertation,
Heidelberg 1938
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich : Werke in 20 Bänden, Frankfurt / Main 1970
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich : Briefe von und an Hegel, hrg. von Johannes Hoffmeister,
Hamburg 1952
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich : Hegels theologische Jugendschriften, herausgegeben von
Herman Nohl, Tübingen 1907 (zitiert als "Nohl")
Hegel, Hannelore : Isaak von Sinclair zwischen Fichte, Hölderlin und Hegel. Phil. Diss.
Heidelberg 1969
Henrich, Dieter : Hölderlin über Urteil und Sein. Eine Studie zur Entstehungsgeschichte des
Idealismus. in : Hölderlin-Jahrbuch 14/ 1965-66, 73-96
Henrich, Dieter : Hegel im Kontext, Frankfurt / Main 1971
Henrich, Dieter : Konstellationen. Probleme und Debatten am Ursprung der idealistischen
Philosophie (1789 - 1795), Stuttgart 1991
Henrich / Döderlein : Carl Immanuel Diez, in : Hegel-Studien 3, Bonn 1965, 276 - 287
Hölderlin, Friedrich : Sämtliche Werke und Briefe (in zwei Bänden), herausgegeben von
Günter Mieth, Darmstadt 1970 (zitiert als "Werke")

90
Große Stuttgarter Ausgabe, herausgegeben von Friedrich Beißner (1943 f.)
Frankfurter Ausgabe, herausgegeben von D.E. Sattler (1975 f.)
Hölderlin. Eine Chronik in Text und Bild. (Hrg. Adolf Beck und Paul Raabe, Frankfurt/Main
1970)
Hoffmeister, Johannes : Die Heimkehr des Geistes. Studien zur Dichtung und Philosophie
der Goethezeit, Hameln 1946
Jaeschke, Walter : Hegel Handbuch, Stuttgart Weimar 2010
Janke, Wolfgang : Vom Bilde des Absoluten. Grundzüge der Phänomenologie Fichtes. Berlin
New York 1993
Janke, Wolfgang : Entgegensetzungen. Amsterdam 1994
Kant, Immanuel : Werke in 12 Bänden (hrg. von Weischedel), Wiesbaden 1956
Klaiber, Julius : Hölderlin, Hegel und Schelling in ihren schwäbischen Jugendjahren,
Stuttgart 1877
Köpp, Claus Friedrich : Der Begriff des Schönen in Hölderlins Dichtung und Theorie der
Dichtung, Phil. Diss. Greifswald 1968
Kurz, Gerhard : Mittelbarkeit und Vereinigung. Zum Verhältnis von Poesie, Reflexion und
Revolution bei Hölderlin, Stuttgart 1975
Lüders, Detlev : Friedrich Hölderlin. Sämtliche Gedichte, 2 Bände (Band 2 : Kommentar),
Bad Homburg 1970
Lukács, Georg (1948): Der junge Hegel. Über die Beziehungen von Dialektik und
Ökonomie, Frankfurt / Main 1973

91
Marx, Werner : Hegels Phänomenologie des Geistes. Die Bestimmung ihrer Idee in
"Vorrede" und "Einleitung, Frankfurt am Main 1971
Michel, Wilhelm : Das Leben Friedrich Hölderlins, Bremen 1940
Michel, Wilhelm : Hölderlins abendländische Wendung, in : Michel, Hölderlins
Wiederkunft, Wien 1943
Mieth, Günter : Friedrich Hölderlin. Zeit und Schicksal. (Vorträge) Würzburg 2007
Minder, Robert : Hölderlin unter den Deutschen. in : ,Hölderlin unter den Deutschen` und
andere Aufsätze zur deutschen Literatur, Frankfurt / Main 1968
Mollowitz, Bernd : Eigen-Sinn : Mut zu Wahr-Nehmungen. Mit dem Einbezug von C.G.
Jungs Libidotheorie und Christa Wolfs Bewusstseinsarbeit, München 2011
Mollowitz, Bernd : Hegels Einleitung in die ,Phänomenologie des Geistes` - unter
besonderer Berücksichtigung des Füres / Füruns, München 2008
Mollowitz, Bernd : Schiller als Philosoph in der Auseinandersetzung mit Kant - Analyse der
ästhetischen Schriften, München 2008/2
Mollowitz, Bernd : Vagabundierendes Denken in einer schraubenförmigen Welt, München
2013
Müller, Gustav Emil : Hegel. Denkgeschichte eines Lebendigen, Bern und München 1959
Nicolin, Friedhelm : Der junge Hegel in Stuttgart. Aufsätze und Tagebuchaufzeichnungen
1785-88, Marbach / Neckar 1970
Nohl, Hermann : Hegels theologische Jugendschriften (Hrg), Tübingen 1907
Pellegrini, Alessandro : Friedrich Hölderlin. Sein Bild in der Forschung, Berlin 1965

92
Pöggeler, Otto : Hölderlin, Hegel und das älteste Systemprogramm. in : Das älteste
Systemprogramm, Hegel-Studien Beiheft 9, Bonn 1973, 211-25
Prignitz, Christoph : Friedrich Hölderlin - Ideal und Wirklichkeit in seiner Lyrik, Oldenburg
1990
Rosenkranz, Karl : G.W.F. Hegels Leben, 1844, hier : Darmstadt 1963
Rousseau, J.J. : Abhandlung über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen
(1755); in : J.J. Rouseau, Schriften (Hrg. Henning Ritter) in zwei Bänden,
München Wien 1978, Band I, 165 - 302
Ryan, Lawrence : Hölderlins "Hyperion". Exzentrische Bahn und Dichterberuf. Stuttgart
1965
Ryan, Lawrence (1968) : Hölderlin und die Französische Revolution. in : Brinkmann,
Richard (u.a.), Deutsche Literatur und Französische Revolution. Sieben
Studien, Göttingen 1974, 129-148
Schadewaldt, Wolfgang : Das Bild der Exzentrischen Bahn bei Hölderlin; in : HJb 6/1952,
1 - 17
Scharfschwerdt, J. : Hölderlins Interpretation des "Contrat Social" in der "Hymne an die
Menschheit"; in : Schiller-Jahrbuch 14, 1970
Schiller, Friedrich : Sämtliche Werke in 5 Bänden, Hanser-Ausgabe, München 1975
Schindler, Bruno : Die Sagbarkeit des Unsagbaren. Hegels Weg zur Sprache des konkreten
Begriffs. Würzburg 1994
Stierlin, Helm : Hölderlins dichterisches Schaffen im Lichte seiner Psychose. in : Psyche
26/1972, 530-548
Stoelzel, Elisabeth : Hölderlin in Tübingen und die Anfänge seines Hyperion, Dissertation
Kiel 1938

93
Strack Friedrich : Evolution des Geistes. Jena um 1800, Stuttgart 1994
Vietor, Karl : Die Lyrik Hölderlins. Eine analytische Untersuchung, Frankfurt / Main 1921
Walser, Martin : Hölderlin zu entsprechen. in : Beckermann / Canaris, Der andere
Hölderlin (a.a.O.), 101-102
Wiedmann, Franz : G.W.F. Hegel, Hamburg 1965
Wolf, Kurt : Die Religionsphilosophie des jungen Hegel. Diss. München 1960
Bernd Mollowitz www.philosophersonly.de
Ende der Leseprobe aus 93 Seiten

Details

Titel
Geburt einer Denkmethode. Beobachtungen zum Verhältnis von Hölderlin und Hegel bis 1800
Untertitel
Teil 1 : Der freien Wahrheit nur zu leben, Frieden mit der Satzung, / Die Meinung und Empfindung regelt, nie, nie einzugehn
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1
Autor
Jahr
1976
Seiten
93
Katalognummer
V338945
ISBN (eBook)
9783668288539
ISBN (Buch)
9783668288546
Dateigröße
985 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Examensarbeit von 1976 (Titel : "Beobachtungen zum Verhältnis von Hölderlin und Hegel bis 1800") liegt hier in einer erweiterten und überarbeiteten Form (2010 f.) vor. Die erweiterte Form bedingt eine Aufteilung in zwei Teile, deren zweiter folgt.
Schlagworte
Hen kai pan, Reich Gottes, Tübinger Stift, triadische Struktur, exzentrische Bahn, Positivität, Kant, Fichte, Schiller, Dialektik, Liebe, zentrifugalerTrieb, zentripetaler Trieb
Arbeit zitieren
Bernd Mollowitz (Autor:in), 1976, Geburt einer Denkmethode. Beobachtungen zum Verhältnis von Hölderlin und Hegel bis 1800, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338945

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Geburt einer Denkmethode. Beobachtungen zum Verhältnis von Hölderlin und Hegel bis 1800



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden