Kooperatives Lernen muss gelernt werden

Anregungen und Beispiele


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2016

19 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Was heißt kooperatives Lernen?

2. Warum ist kooperatives Lernen wichtig?

3. Ist kooperatives Lernen mehr als nur Gruppenarbeit?

4. Wie kann kooperatives Lernen optimiert werden?
4.1 Kooperatives Lernen muss gelernt werden
4.2 Bedingungen der Kooperation sicherstellen
4.3 Lösungen durch innovative Konzepte

5. Welche Rollen und Aufgaben kommen auf die Lehrperson zu?

6. Zusammenfassung und Ausblick

Literatur

Menschen sind soziale Wesen; sie definieren sich im Rahmen sozialer Beziehungen und gesellschaftlicher Werte. Ihre Individualität verwirklicht sich nur in einem sozialen Kontext. Das hat Auswirkungen auf das Lernen. Individuen erwerben ihr Wissen und ihre Denkstrukturen nicht als einsame Sololerner, sondern im Rahmen sozialer Interaktionsgefüge, in Austausch und Diskussion. Dies gilt nicht nur für das Lernen in Freizeit und Beruf, sondern auch für die Schule. Hier stellt kooperatives Lernen eine zentrale Grundform und eine notwendige Ergänzung des Unterrichts im Klassenverband und in der Einzelarbeit dar. Wie eine mittlerweile große Zahl von Forschungsarbeiten ebenso wie praktische Erfahrungen von Experten belegen, vermag kooperatives Lernen, sofern in geeigneter Form durchgeführt, positive Wirkungen auf eine ganze Reihe von sozialen, affektiven, motivationalen und (meta)kognitiven Verhaltensmerkmalen auszuüben (Pauli & Reusser, 2000, S. 1).

1.Was heißt kooperatives Lernen?

Der traditionelle Unterricht stößt an seine Grenzen - sowohl im Bereich der Unterrichtsakzeptanz als auch im Hinblick auf die fachliche sowie lernpsychologische Nachhaltigkeit. Mit veralteten oder unpassenden „Lehrstrategien“ oder „Lernumgebungen“ wird nicht „mehr“ gelernt. Hier setzt das kooperative Lernen in seinen verschiedenen Ausprägungen an. Als zentrale Bildungsziele rücken sozial- und gruppendynamische Kompetenzen in den Mittelpunkt des Unterrichts.

Was ist mit kooperativem Lernen genau gemeint?

Kooperatives Lernen ist „eine Interaktionsform, bei der die beteiligten Personen gemeinsam und in wechselseitigem Austausch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben“ (Konrad & D. Bernhart, 2013, S. 3f). Hintergrund kooperativer Lernszenarien sind theoretische Vorstellungen, die dem Konstruktivismus nahestehen. Zu den zentralen Merkmalen gehören (Konrad & Traub, 2007):

- Positive Wechselbeziehungen: Die Lernpartner arbeiten zusammen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
- Individuelle Verantwortlichkeit: Die Lernenden sind für die Erledigung ihrer Teilaufgaben verantwortlich und tragen damit Verantwortung für den Lernerfolg der Gruppe.
- Hilfreiche Face-to-face Interaktion: Neben den individuellen Lern- und Arbeitsleistungen müssen die Gruppenmitglieder untereinander kommunizieren und agieren.
- Feedback: Durch wechselseitige Information und Feedback können die Teilnehmer ihr individuelles Verständnis überprüfen und zu neuen Einsichten gelangen.
- Gruppenprozesse: Die Gruppenmitglieder setzen sich gemeinsame Ziele, überprüfen die Gruppenaktivitäten, entwerfen Strategien, um künftig effektiver arbeiten zu können.

Wie Lehrer. Teamleiter oder Erwachsenenbildner immer wieder erleben können, kommen die genannten kooperativen Dimensionen letztlich nicht nur dem Lernerfolg der Gruppe zugute; sie unterstützen auch das individuelle Lernen. Es wird eine Situation hergestellt, in der zwei oder mehr Personen in einer Situation zusammentreffen, gemeinsam Aufgaben bearbeiten und sich dabei wechselseitig unterstützen, um erfolgreich zu sein.

2. Warum ist kooperatives Lernen wichtig?

Menschen erwerben ihre Kenntnisse und ihr Denken nur selten für sich alleine an, vielmehr sind sie ständig eingebunden in soziale Netzwerke und Austauschprozesse.

Umso wichtiger erscheint es, sich die Vorteile der Zusammenarbeit vor Augen zu halten.

Drei Argumente unterstreichen die Vorzüge des kooperativen Unterrichts:

(1) Pädagogische Begründungen des kooperativen Lernens verweisen in der Regel auf dessen Potenzial im Hinblick auf die Förderung sozial-kognitiver Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, selbstständiges Lernen, Sozial- und Kommunikationskompetenz. Lehrerzentrierter Vorträge kommen hier an ihre Grenzen. Sozial-kognitive und -kohäsive Potenziale werden nicht genutzt.

Nicht oder weniger von Lehrpersonen (an)geleitetes gemeinsames Lernen, gibt dagegen Autonomiespielräume, in denen Schüler zielgerichtet und eigenverantwortlich handeln und die erwünschten Kompetenzen einüben können (Pauli & Reusser, 2000, S. 2). Um Missverständnisse zu vermeiden: Kompetenz ist kein Wissen. Kompetenz bedeutet die Lösung von Inhalten, um die Nachwachsenden auch als Persönlichkeiten so zu stärken, dass sie tatsächlich in der Lage sind, neuartige Situationen selbstgesteuert und sachgemäss zu bewältigen.

(2) Lernpsychologische Begründungen für kooperative Lernsituationen legen das Gewicht auf die kognitive und motivationale Qualität der Lernprozesse. Der besondere Nutzen der Kooperation wird in der Förderung einer vertieften, aktiven und interaktiven Auseinandersetzung mit Problemen und Gegenständen in einem sozialen Kontext gesehen. Lernpsychologen postulieren Bezüge des sozialen Engagements zur Tiefenverarbeitung, für die enge Bezüge zum Lernerfolg nachgewiesen wurden.

Grundlegend für beide Argumentationslinien ist eine Abgrenzung von traditionellen Vermittlungsphasen und der damit verbundenen Steuerung durch die Lehrperson. Beides wird tendenziell mit rezeptiv-passivem Lernen assoziiert. Dagegen birgt kooperatives Lernen Chancen für (inter-)aktives oder sozial-konstruktives Verhalten und Verstehen. In dieser Argumentationslinie offenbart sich ein dritter Vorzug, der die beiden bereits genannten spezifiziert und über sie hinausweist.

(3) Kooperatives Lernen fördert und erweitert die individuelle Selbststeuerung. Lernen in sozialer Interaktion ist eine jener Strategien beim selbstgesteuerten Lernen, die das Lernen wirkungsvoll unterstützen können (Konrad, 2008, 2014; Friedrich, 2000, S. 9):

- Lernen in Gruppen ist häufig anregender als Einzellernen. Jeder hat andere Ansichten, andere Vorkenntnisse, andere Ideen usw. Dies belebt und bringt das Individuum selbst auf neue Ideen. Nicht zuletzt hierauf ist der in vielen (nicht in allen!) Untersuchungen belegte „Gruppenvorteil" hinsichtlich der Kreativität und Qualität von Problemlösungen zurückzuführen.
- Wer sich aktiv am Gruppengeschehen beteiligt, kommt nicht umhin zu argumentieren und zu diskutieren. Dabei muss der Sprecher sein Wissen explizit machen. Dadurch werden Wissenslücken und Verständnisschwierigkeiten offen gelegt. Das eigene Wissen wird so getestet und mehr oder minder stark ergänzt und verändert.
- Argumentieren und Diskutieren in Gruppen verlangt den Teilnehmern ab, ihr Wissen verständlich vorzutragen. Sie strukturieren und organisieren, Inhalte um die Diskussionspartner zu überzeugen. Dies trägt ebenfalls zur Klärung und Stabilisierung des eigenen Wissens bei.
- In Gruppen sehen und hören die Anwesenden, wie andere sich verhalten, welche Problemlösungen Sie anzubieten haben. Die Beteiligten lernen durch Beobachtung („Lernen am Modell “).
- Eine Gruppe kann die Lern- und Durchhaltemotivation steigern. Eine gute Lerngemeinschaft bietet soziale Unterstützung und trägt dazu bei, dass die Gruppenmitglieder dabei bleiben.
- Schließlich: Gruppensituationen sind nicht nur wichtige Wissenserwerbssituationen, sie sind zugleich Anwendungssituationen. Im beruflichem Leben besteht die Wissensanwendung häufig darin, anderen etwas zu erklären und sie zu überzeugen.

Diese Argumente sprechen dafür, dass soziale Interaktion wichtige Komponenten des selbstgesteuerten Lernens – Wissenserwerb / Wissensanwendung, Motivation, Nutzung von Ressourcen – beeinflussen und moderieren kann.

Ausgehend von den genannten Vorzüge stellt sich die Frage nach dem Erfolg kooperativer Maßnahmen.

Für Lehrer und Dozenten besonders wichtig ist die Frage nach der Lernleistung. Kooperatives Lernen kann zu Qualitätssteigerungen führen, die in verschiedene Richtungen weisen. Von Lehr-Lernarrangements, die kooperatives Lernen ermöglichen oder verlangen, profitieren neben Lernzuwachs und Lernerfolg insbesondere kognitive Lernstrategien, Selbstwirksamkeit, Selbstverantwortung und Metakognitionen, Erklären von Problemlösestrategien, Rückmeldungen und Diskussionen (Konrad, 2005).

[...]

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Details

Titel
Kooperatives Lernen muss gelernt werden
Untertitel
Anregungen und Beispiele
Hochschule
Pädagogische Hochschule Weingarten  (Psychologie)
Autor
Jahr
2016
Seiten
19
Katalognummer
V338685
ISBN (eBook)
9783668280694
ISBN (Buch)
9783668280700
Dateigröße
846 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kooperatives, lernen, anregungen, beispiele
Arbeit zitieren
Klaus Konrad (Autor:in), 2016, Kooperatives Lernen muss gelernt werden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338685

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