Aufgaben einer Heilstättenschule

Evaluierung von Unterricht an der Heilstättenschule Linz


Bachelorarbeit, 2012

71 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Heilstättenschule – Definition
2.1 Warum ist Unterricht im Krankenhaus notwendig?
2.1.1 UNESCO Charta für Kinder im Krankenhaus
2.1.2 Die Charta der Schulrechte des kranken Kindes

3. Die Entwicklung von Heilstättenschulen und Heilstättenklassen in Österreich

4. Überblick über die Standorte in Österreich

5. Gesetzliche Grundlagen

6. Ausbildung zum „Akademischen Heilstättenpädagogen / zur Akademischen Heilstättenpädagogin“
Die einzelnen Module der Ausbildung

7. Anforderungen und Aufgaben eines Heilstättenpädagogen/einer Heilstättenpädagogin
Anforderungen
Aufgaben

8. Die Heilstättenschule Linz
Standort Zentrum Spattstraße
Standort an der Landes-Nervenklinik Wagner Jauregg
Standort am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern
Die Heilstättenschule Linz an der Landes-Frauen und Kinderklinik
Empirischer Teil

9. Forschungsfeld Heilstättenschule
9.1 Forschungsfrage und Methodenwahl

10. Ziele und Aufgaben einer Heilstättenschule im Vergleich zur Volksschule
10.1 Lehrpläne
10.2 Unterrichtsformen
10.3 Neue tagesklinische Klasse an der Landes- Frauen- und Kinderklinik

11. Projekte an der Heilstättenschule Linz am Standort der Landes- Frauen- und Kinderklinik

12. Der Lehrer/die Lehrerin an der Heilstättenschule im Vergleich zur Volksschule
12.1 Mein Unterricht an der Volksschule Perg
Leitsätze und Ziele
12.2 Mein Unterricht an der Heilstättenschule am Standort der Landes- Frauen – und Kinderklinik

13. Interpretation der Ergebnisse und Ausblick

14. Resümee

15. Literaturverzeichnis

16. Anhang

Fortbildungstage im Überblick

Danksagung

Meine Forschungsarbeit wäre nicht möglich gewesen ohne die tatkräftige Unterstützung der Lehrer und Lehrerinnen der Heilstättenschule Linz am Standort der Landes- Frauen- und Kinderklinik sowie Herrn Direktor SOL Robert Katzmair.

Ganz besonders bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meiner Ausbildungslehrerin Frau Dipl. Päd. Michaela Samhaber, die mir während meines Praxisaufenthaltes an der Heilstättenschule Linz und auch noch danach eine große Hilfe war.

Mein Dank gilt auch Frau Mag.a Gertrude Androsch und Herrn Mag. Dr. Raphael Oberhuber, die immer ein offenes Ohr für meine Fragen hatten und mich bei meiner Arbeit als Betreuer unterstützt haben.

Vorwort

Bei dieser wissenschaftlichen Arbeit geht es um die Aufgaben von Heilstättenschulen im Vergleich zu herkömmlichen Volksschulen. Während meiner Recherchen habe ich keinerlei Literatur gefunden, die sich auch mit diesem Thema beschäftigt, weshalb ich meine Arbeit komplett auf meine eigenen Praxiserfahrungen an der Heilstättenschule Linz und an anderen Volksschulen insbesondere der Volksschule Perg stütze. Ziel der Arbeit war aufzuzeigen, wie sich Unterricht für betroffene Kinder und Jugendliche im Krankenhaus, im Vergleich zur Regelschule, gestaltet. Weiters stelle ich tolle Projekte und die neu strukturierte tagesklinische Schulkasse an der Heilstättenschule Linz vor.

1. Einleitung

Als ich 5 Jahre alt war, wurde ich aufgrund einer notwendigen Herzoperation für vier Wochen stationär an der Universitätsklinik Innsbruck aufgenommen.

Ich war damals noch nicht schulpflichtig und konnte daher an keinem Unterricht teilnehmen. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie langweilig mir im Krankenhaus war. Schon ein Vormittag erschien wie eine Ewigkeit, da ich keine Beschäftigung hatte, außer in meinem Bett zu liegen und an meine Zimmerdecke zu starren. Genau deshalb empfinde ich schulische Betreuung im Krankenhaus als sehr wichtig, sonst würde es den Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter auch nicht anders gehen als mir damals. Der Unterricht im Krankenhaus ist sehr wichtig und ebenso speziell.

Ich konnte keine einzige Studie ausfindig machen, die die Unterschiede zum gewöhnlichen Unterricht aufzeigt. Da mich diese Thematik besonders interessierte, entschied ich mich letztendlich auf diesem Gebiet zu forschen.

Ziel meiner Arbeit war herauszufinden, wie der Arbeitsalltag an einer Heilstättenschule aussieht im Vergleich zur normalen Regelschule und wie der Unterricht strukturiert ist.

Zu Beginn der Arbeit gehe ich auf die Entstehung von Heilstättenschulen ein und betrachte die Aufgaben und Anforderungen der Pädagogen/Pädagoginnen. Als Beispiel einer solchen Schulform führe ich die Heilstättenschule Linz genauer aus. Herr Direktor SOL Robert Katzmair und Frau Dipl. Päd. SOL Carolin Rodlauer sind für ein Interview zur Verfügung gestanden und haben mir zusätzliche Informationen zum Thema gegeben. Der empirische Teil meiner Arbeit befasst sich mit dem direkten Vergleich zur Volksschule des normalen Regelschulsystems.

2. Heilstättenschule – Definition

Eine Definiton der Heilstättenschule gibt es nicht. Es gibt lediglich Beschreibungen dieses Schultypes.

Schierer (2011, S.1) erläutert diese Art von Schule wie folgt:

„Die Heilstättenschule mit dem Auftrag, bei Krankheit pädagogisch zu wirken, hat die Aufgabe, die Kinder zu stärken und der Benachteiligung entgegenzuwirken – sowohl während der Phase des Spitalsaufenthalts, als auch während der Phase des Hausunterrichts.“

Auf der Homepage der Heilstättenschule Salzburg ist folgender Leitsatz zu finden:

„Eine besondere Schule, für besondere Kinder mit besonderen LehrerInnen.“

Heilstättenschulen werden in der Literatur oft als Hilfsschulen bezeichnet. Im Duden werden Hilfsschulen als „Schulen für lernbehinderte Kinder“ beschrieben.

Diese Schulen sind die Vorreiter unserer heutigen Sonderschulen. Auch im Gesetz werden Heilstättenschulen als eine Art der Sonderschule geführt. Näheres wird später noch unter Punkt 5 „Gesetzliche Grundlagen“ ausgeführt.

Als Heilstättenschule bezeichnet man eine Schule im Krankenhaus. Dort werden Kinder unterrichtet, die für längere Zeit stationär aufgenommen werden müssen. Der Unterricht kann in kleinen Klassen oder direkt am Krankenbett erfolgen.

Kinder und Jugendliche arbeiten am aktuellen Schulstoff ihrer Herkunftsschule und können während ihres Krankenhausaufenthaltes Tests, Schularbeiten und sogar Maturaprüfungen ablegen. So wird es ermöglicht, dass Schüler/Schülerinnen trotz eines längeren Krankenhausaufenthaltes möglichst wenig vom Lernstoff ihrer Stammschule versäumen und das Schuljahr nicht unbedingt wiederholen müssen.

Diese Form von Schule gibt es seit Beginn des 20. Jahrhunderts. In Schweden wurden schon damals Kinder im Krankenhaus unterrichtet. Diese Unterrichtsform wurde von niemandem finanziert und geschah ausschließlich freiwillig und unentgeltlich.

Bis heute zweifeln viele Menschen am Nutzen dieser Unterrichtsform, dennoch haben damals in Schweden einige Ärzte und Ärztinnen erkannt, welche positiven Auswirkungen dieser spezielle Unterricht auf ihre Patienten/Patientinnen hat und haben die Einführung von Heilstättenschulen durchgesetzt (vgl. Schöberl, Landauer, 2010, S. 7).

Zu Beginn wurde nur in Tuberkulose- und orthopädischen Anstalten unterrichtet bis sich in den siebziger Jahren die Pädagogik im Krankenhaus wandelte. Durch neue Erkenntnisse und Reformideen rückten die besonderen psychosozialen Bedürfnisse kranker Kinder und Jugendlicher in den Vordergrund. Neben den unterrichtlich-didaktischen Merkmalen gewannen auch psychosozial-therapeutische Ansätze im Unterricht immer mehr an Bedeutung.

(Vgl. Theis, 1991, S. 55)

2.1 Warum ist Unterricht im Krankenhaus notwendig?

Noch immer müssen die Heilstättenschulen um ihren Stellenwert im Schulsystem kämpfen, da viele Eltern meinen, Schule während des Krankenhausaufenthaltes würde nichts bringen oder zu belastend sein. Sie fürchten, dass zu starker Stress und Leistungsdruck entstehen und die Genesung negativ beeinflussen könnte. Aus diesem Grund lehnen Eltern den Unterricht im Krankenhaus oft ab. Sie wissen aber meistens nicht, dass Heilstättenschulen unter Beachtung sonderpädagogischer Grundsätze arbeiten und dies die Genesung begünstigt.

(Vgl. Bergmann, 1980, S. 41f)

Bergmann (1980, S. 34) spricht sogar von unrealistischen Vorstellungen bezüglich Heilstättenschule. Viele Menschen hätten nicht gedacht, dass schwerkranke Schüler/Schülerinnen dem Unterricht folgen und gute Ergebnisse erzielen können.

Schiffermüller (1997, S. 116) hat als Jugendlicher selbst am Heilstättenunterricht teilgenommen und beschreibt seine Erfahrungen wie folgt:

„Aufgrund den (!) Belastungen der Therapie war ich in dieser Zeit in meiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Ansonsten ging es mir relativ gut. Durch das Lernen konnte ich meine Krankheit für kurze Zeit vergessen, und ich hatte teilweise wieder normalen Alltag. Ferner hatte ich ein konkretes Ziel für die Zeit nach der Krankheit. Ein weiterer Aspekt war, daß (!) ich durch das Lernen gefordert wurde. Daß (!) ich trotz der Belastungen zu mehr fähig bin, als ich mir zugetraut hatte, war eine Erfahrung, die mir während der Genesung sehr viel half.“

Die Heilstättenschule ist ein sehr spezieller Schultyp, der sich an den Bedürfnissen der Schüler/Schülerinnen orientiert. Der Unterricht geschieht immer in Absprache mit Lehrer/Lehrerinnen, Ärzten/Ärztinnen, Therapeuten/Therapeutinnen und dem Pflegepersonal. Der Informationsaustausch in diesem interdisziplinären Team ist enorm wichtig, denn nur so kann man den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden und ein Stück Normalität beziehungsweise Alltag ins Krankenhaus bringen. Die größte Befürchtung vieler Eltern, dass sich die zusätzliche schulische Belastung negativ auf die Genesung der Kinder und Jugendlichen auswirken könnte, kann Schiffermüller ausräumen. Er beschreibt den Unterricht als hilfreiche Erfahrung.

Bergmann (1980, S. 10) meint, dass „ein guter, am Patienten orientierter Unterricht manchen Schmerz vergessen läßt(!), Ängsten entgegenwirkt und das Selbstbewusstsein stärkt.“

Hilff (1997, S. 164) bezeichnet die Schule im Krankenhaus als „Nabelschnur zur Normalität.“

Krankenhausaufenthalte sind besonders für Kinder und Jugendliche nicht leicht zu ertragen und prägen den weiteren Lebensweg. Sie werden aus der gewohnten Umgebung beziehungsweise aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen. Für Kinder und Jugendliche ist die Schule das wichtigste soziale Umfeld. Die Schule im Krankenhaus hilft, dass Schüler/Schülerinnen den Anschluss in ihrer Stammschule und somit auch die sozialen Kontakte nicht verlieren.

(Vgl. Pfeiffer, 1998, S. 14).

In der Literatur wird die Heilstättenschule in durchaus positivem Licht gesehen. Es fällt jedoch auf, dass die Vermittlung von Schulstoff nicht vordergründig erwähnt wird, sondern die Autoren sich eher auf heilpädagogische Aspekte beziehen.

Haas (1981, S. 72) schildert eine Begebenheit mit einem 9-jährigen Schüler, der sich nicht ernst genommen und aufgegeben fühlte, wenn er nicht Mathematik oder Deutsch lernen durfte. Auch wenn er noch so hohes Fieber hatte, wollte er unbedingt kurz ernsthaften Schulunterricht haben. Erst danach konnte er wieder erleichtert in seinem Bett liegen. Bei diesem Schüler war deutlich erkennbar, wie sehr er an seinem Platz als Schulkind festhalten wollte.

Natürlich steht die Krankheit immer im Vordergrund, da es aber durch den Krankenhausaufenthalt zu vielen Fehlstunden an der Stammschule kommt, häufen sich nach kurzer Zeit die Sorgen bezüglich Jahreszeugnis beziehungsweise Schulabschluss.

Bei Krankheitsbildern wie zum Beispiel Schulphobie oder Schulverweigerung wird der Krankenhausaufenthalt oftmals auch als befreiend empfunden. Schüler/Schülerinnen mit diesen Krankheitsbildern sind erstmals froh, aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen worden zu sein und genießen es ihre Schule nicht besuchen zu müssen. Dennoch wollen auch sie ihre sozialen Kontakte nicht verlieren und versuchen bald ihre Situation wieder zu verbessern.

Bei Kindern und Jugendlichen mit anderen Krankheitsbildern stößt man oft auf Unverständnis seitens der Eltern. Viele meinen, ihr Kind solle doch erst wieder gesund werden und sich nicht noch zusätzlich mit Schulstoff plagen müssen.

Dennoch ist Schule extrem wichtig für die jungen Patienten/Patientinnen. Kinder und Eltern sind durch die Erkrankung stark verunsichert und suchen nach Halt, wobei Schule eine große Hilfe sein kann. Die meisten Eltern würden schulische Probleme, die sich wegen des Krankenhausaufenthaltes ergeben, beiseite schieben, da in dieser Situation für sie nur die Genesung ihres Kindes im Mittelpunkt steht. Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen ist es aber sehr wichtig den Kontakt zum Freundeskreis nicht zu verlieren und ein Stück Normalität während des Krankenhausalltages zu erfahren. Dabei hilft ihnen die Heilstättenschule.

(Vgl. Pfeiffer, 1998, S. 69)

Schiffermüller (1997, S. 117) hat eine Erhebung bei krebskranken Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Er hat die Patienten/Patientinnen befragt, welchen Stellenwert für sie Lernen während ihrer Erkrankung hatte. Schiffermüller erwähnt auch, dass es in diesem Bereich bis jetzt noch keine vergleichbaren Untersuchungen gibt.

Bei dieser Pilotstudie antworteten zwei Drittel der Befragten, dass für sie Lernen während der Erkrankung wichtig gewesen sei. Dadurch ergab sich eine Zukunftsperspektive und der Anschluss zur Stammklasse blieb erhalten, was wiederum die Genesung und Therapiemitarbeit positiv beeinflussen konnte.

Die Pilotstudie wurde mittels Fragebögen durchgeführt, bei denen eine/einer der Befragten äußerte:

„Man hat gemerkt, daß (!) das Leben weitergeht, und wenn ich z.B. Unterricht hatte, bekam ich auch mehr Hoffnung. Du weißt ja, man lernt nicht zum Spaß. Man ging halt davon aus, daß (!) ich es schaffe und wieder gesund werde.“

2.1.1 UNESCO Charta für Kinder im Krankenhaus

Von der UNESCO wurde folgende Charta ausgearbeitet, in der die Rechte des Kindes verankert sind.

„Jedes Kind und jeder Jugendliche hat ein Recht auf Bildung und Unterricht entsprechend seiner körperlichen, geistigen und psychischen Verfassung. Da Kinder/Jugendliche durch einen stationären Krankenhausaufenthalt nicht in der Lage sind, die Schule zu besuchen, muss die Schule, d. h. eine Lehrperson, zu den Schüler/innen kommen.

Laut der „Charta für Kinder im Krankenaus“ der UNESCO, verabschiedet durch die 1. Europä-ische „Kind im Krankenhaus“ – Konferenz in Leiden (NL) im Mai 1988, stehen jedem Kind folgende Rechte zu:

UNESCO Charta für Kinder im Krankenhaus Das Recht auf bestmögliche medizinische Behandlung ist ein fundamentales Recht, besonders für Kinder (UNESCO).

1. Kinder sollen nur dann in ein Krankenhaus aufgenommen werden, wenn die medizinische
Behandlung, die sie benötigen, nicht ebenso gut zu Hause oder in einer Tagesklinik erfolgen kann.
2. Kinder im Krankenhaus haben das Recht, ihre Eltern oder eine andere Bezugsperson jederzeit bei sich zu haben.
3. Bei der Aufnahme eines Kindes ins Krankenhaus soll allen Eltern die Mitaufnahme angeboten werden, und ihnen soll geholfen und sie sollen ermutigt werden zu bleiben. Eltern sollen daraus keine zusätzlichen Kosten oder Einkommenseinbußen entstehen. Um an der Pflege ihres Kindes teilnehmen zu können, sollen Eltern über die Grundpflege und den Stationsalltag informiert werden. Ihre aktive Teilnahme daran soll unterstützt werden.
4. Kinder und Eltern haben das Recht, in angemessener Art ihrem Alter und ihrem Verständnis entsprechend informiert zu werden. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, um körperlichen und seelischen Stress zu mildern.
5. Kinder und Eltern haben das Recht, in alle Entscheidungen, die ihre Gesundheitsfürsorge betreffen, einbezogen zu werden. Jedes Kind soll vor unnötigen medizinischen Behandlungen und Untersuchungen geschützt werden.
6. Kinder sollen gemeinsam mit Kindern betreut werden, die von ihrer Entwicklung her ähnliche Bedürfnisse haben. Kinder sollen nicht in Erwachsenenstationen aufgenommen werden. Es soll keine Altersbegrenzung für Besucher von Kindern im Krankenhaus geben.
7. Kinder haben das Recht auf eine Umgebung, die ihrem Alter und ihrem Zustand entspricht und die ihnen umfangreiche Möglichkeiten zum Spielen, zur Erholung und Schulbildung gibt. Die Umgebung soll für Kinder geplant, möbliert und mit Personal ausgestattet sein, das den Bedürfnissen von Kindern entspricht.
8. Kinder sollen von Personal betreut werden, das durch Ausbildung und Einfühlungsvermögen befähigt ist, auf die körperlichen, seelischen und entwicklungsbedingten Bedürfnisse von Kindern und ihren Familien einzugehen.
9. Die Kontinuität in der Pflege kranker Kinder soll durch ein Team sichergestellt sein.
10. Kinder sollen mit Takt und Verständnis behandelt werden, ihre Intimsphäre soll jederzeit respektiert werden.“

(Schöberl, Landauer, 2010, S. 7f)

2.1.2 Die Charta der Schulrechte des kranken Kindes

Die Schulrechte des kranken Kindes wurden am 20. Mai 2000 durch die Generalversammlung der Europäischen Vereinigung der Krankenhauslehrer, der „Hospital Organisation of Pedagogues in Europe“ (H.O.P.E) verankert.

1. „Jedes kranke Kind und jeder Jugendliche hat das Recht auf Unterricht im Krankenhaus oder zu Hause.
2. Ziel des Unterrichts für kranke Kinder und Jugendliche ist die Fortführung von Bildung und Erziehung und die Erhaltung ihrer Stellung als Schüler.
3. Die Krankenhausschule fördert die Gemeinschaft von Kindern und Jugendlichen und normalisiert den Alltag. Krankenhausunterricht kann als Klassen-, Gruppen- und Einzelunterricht organisiert werden.
4. Krankenhaus- und Hausunterricht müssen, in Abstimmung mit der Heimatschule, den Bedürfnissen und Fähigkeiten kranker Kinder oder Jugendlicher entsprechen.
5. Lernort, Lernumwelt und die Lernhilfen müssen den Bedürfnissen kranker Kinder und Jugendlicher angepasst sein. Kommunikationstechnologien sollen auch für die Vermeidung von Isolierung genutzt werden.
6. Der Inhalt des Unterrichts umfasst mehr als den formalen Stoffplan und enthält auch Themen, die aus besonderen Bedürfnissen durch Krankheit und Krankenhausaufenthalt erwachsen. Eine Vielzahl von Unterrichtsmethoden und -quellen sollen genutzt werden.
7. Die Kliniklehrer und die Lehrer für Hausunterricht müssen voll qualifiziert sein und ständig Fortbildung erhalten.
8. Die Lehrer kranker Kinder und Jugendlicher sind als schulische Fachleute vollwertige Mitglieder des multidisziplinären Pflegeteams. Sie sind die Verbindung zwischen der Krankenhauswelt des Kindes oder Jugendlichen und seiner Heimatschule.
9. Die Eltern werden über das Recht ihres kranken Kindes oder Jugendlichen auf Schulunterricht und über das Unterrichtsprogramm informiert. Sie sind als aktive und verantwortliche Partner zu betrachten.
10. Der Schüler wird als ganzheitliche Person betrachtet. Das schließt das Arztgeheimnis und den Respekt vor der Privatsphäre und dem religiösen Bekenntnis ein.“

(Capurso, Cogels)

Wertgen (2009, S. 64 ff) zeigt auf, dass die einzelnen Punkte der Charta nicht immer erreicht werden können. Schüler/Schülerinnen müssen zum Beispiel einer Stammschule angehören, um das Recht auf Unterricht zu haben. Handelt es sich um einen Schulabgänger/eine Schulabgängerin, der/die noch keinen neuen Schulplatz hat, trifft das nicht zu. In Deutschland müssen die Schüler/Schülerinnen mindestens vier Wochen im Krankenhaus sein, um Recht auf Unterricht zu erhalten, was Wertgen ebenfalls kritisch betrachtet.

In Österreich gibt es keine einheitliche Regelung. In Oberösterreich erfolgt der Unterricht nach 14 Tagen, wobei Feiertage und das Wochenende dazugezählt werden. Unter anderem gibt es auch Ausnahmen für Patienten/Patientinnen der Onkologie. Hier kann Unterricht schon ab dem 5. Tag stattfinden und bei Schülern/Schülerinnen mit neuropsychiatrischen Erkrankungen kann ab dem 1. Aufenthaltstag die Heilstättenschule besucht werden. Bei anorektischen Kindern und Jugendlichen erfolgt der Unterrichtsbeginn in Absprache mit den behandelnden Ärzten. Bei Wiederholungsaufenthalten entfallen diese Fristen (vgl. Anhang E, Erlass B1-9/6-2003).

Weiters betrachtet Wertgen die Stellung des Lehrers/der Lehrerin innerhalb des interdisziplinären Teams sowie die Möglichkeiten zur Aus- und Fortbildung kritisch. Es wird jedoch erwähnt, dass es in Österreich einen eigenen Hochschullehrgang betreffend Heilstättenschule gibt. (Näheres dazu wird in Punkt 7 „Ausbildung zum Akademischen Heilstättenpädagogen / zur Akademischen Heilstättenpädagogin“ erläutert.)

In der europäischen Charta für Erziehung und Unterricht von Kindern und Jugendlichen im Krankenhaus und zu Hause sind alle grundlegenden Rechte verankert, jedoch muss man bedenken, dass in der Praxis vieles nicht erfüllt werden kann und es auch hier einige Grauzonen gibt.

3. Die Entwicklung von Heilstättenschulen und Heilstättenklassen in Österreich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Vgl. Diepold, 2010, S. 10f)

4. Überblick über die Standorte in Österreich

Burgenland

Heilstättenklasse Eisenstadt (Krankenhaus der Barmherzigen Brüder)

Heilstättenklasse Oberwart (Landeskrankenhaus Oberwart)

Heilstättenklassen Rust (Heilpädagogisches Zentrum)

(Vgl. Kneschitz, Hütter, 2010, S. 35f)

Kärnten

Heilstättenschule 1 Klagenfurt (Landeskrankenhaus Klagenfurt)

Heilstättenschule 2 Klagenfurt (Sozialpädagogisches Zentrum des Landes Kärnten)

Standorte:

- Marienhof
- Maria Saal

Heilstättenklasse Villach

(Vgl. Heidegger, 2010, S. 37ff)

Niederösterreich

Heilstättenschule Wiener Neustadt (Landesklinikum Wiener Neustadt)

Heilstättenklasse Amstetten (Landesklinikum Mostviertel Amstetten)

Heilstättenklassen Amstetten – Mauer (Landesklinikum Mostviertel Amstetten - Mauer)

Heilstättenklasse Amstetten Krisenzentrum

Heilstättenklassen Landessonderschule Hinterbrühl

Heilstättenklassen SPZ Hinterbrühl

Heilstättenklasse Horn

Heilstättenklasse Krems

Heistättenklassen Mödling Hinterbrühl (Landesklinikum)

Heilstättenklassen Mistelbach (Landesklinikum Weinviertel Mistelbach)

Heilstättenklassen Mödling (Landesklinikum Themenregion Mödling)

Heilstättenklassen Tulln (Landesklinikum Donauregion Tulln)

Heilstättenklassen Tulln (Landesklinikum)

Heilstättenklassen im Schwedenstift (Kinderheim Schwedenstift)

Heilstättenklasse in Zwettl (Landesklinikum)

(Vgl. Wittmann-Golaszewski, 2010, S. 41-45)

Wien

Heilstättenschule Wien

Standorte:

- Allgemeines Krankenhaus
- St. Anna Kinderspital
- Preyer´sches Kinderspital (Sozialmedizinisches Zentrum Süd)
- Unfallkrankenhaus Meidling
- Orthopädie Speising
- Rosenhügel (Krankenhaus Hietzing mit neurologischem Zentrum)
- Baumgartner Höhe
- Wilhelminenspital
- Lorenz Böhler Unfallkrankenhaus
- Rathausklasse im Zusammenwirken mit dem SOS-Kinderdorf
- Donauspital
- Kinder- und Jugendpsychiatrie (Tagesklinik des Psychosozialen Dienstes)

(Vgl. Schierer, 2010, S. 65f)

Oberösterreich

Heilstättenschule Linz

Standorte:

- Willingerstraße (Zentrum Spattstraße, Sonderkrankenhaus)
- Landesnervenklinikum Wagner-Jauregg
- Landes-Frauen- und Kinderklinik

Heilstättenschule Steyr (Landeskrankenhaus Steyr)

Heilstättenklasse Vöcklabruck (Landeskrankenhaus Vöcklabruck)

Heilstättenklassen Wels (Klinikum Wels-Grieskirchen GmbH)

Heilstättenklasse Grieskirchen (Klinikum Grieskirchen)

(Vgl. Oberhuber, 2010, S. 48f)

Salzburg

Heilstättenschule Salzburg (Landeskrankenhaus)

Standorte:

- Christian-Doppler-Klinik (Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie)
- Institut für Heilpädagogik
- Kinderspital Schwarzach

(Vgl. Schöberl, Landauer, 2010, S. 52)

Steiermark

Heilstättenschule Landeskrankenhaus-Universitätsklinikum Graz

Standorte:

- Siegmund Freud Klinik
- Graz Heilpädagogische Station
- Ellen Key Schule
- Höhere Privatschule- Lernen kann heilen helfen

Heilstättenklassen Bad Radkersburg (Rehabilitationsklinik Maria-Theresia)

Heilstättenklasse im Landeskrankenhaus Deutschlandsberg

Heilstättenklasse Fürstenfeld (Jugend-Krisen-Interventionszentrum „Die Burg“)

Heilstättenklasse an der Rehabilitationsklinik Judendorf-Straßengel

Heilstättenklassen Leoben (Landeskrankenhaus Leoben)

Heilstättenschule Stolzalpe (Sonderpädagogisches Zentrum Murau)

(Vgl. Haucinger, Diepold, 2010, S. 55ff)

Tirol

Heilstättenschule Innsbruck (Universitätsklinik Innsbruck)

Heilstättenklasse Schwaz (Bezirkskrankenhaus Schwaz)

(Vgl. Waidhofer, Walser, 2010, S. 59)

Vorarlberg

Heilstättenschule Carina Feldkirch (Zentrum für Kinderpsychiatrie und Kinderpsychosomatik)

Heilstättenklasse Bregenz (Landeskrankenhaus Bregenz)

Heilstättenklasse Dornbirn (Krankenhaus der Stadt Dornbirn)

(Vgl. Rosenberger, 2010, S. 61)

5. Gesetzliche Grundlagen

Heilstättenschulen sind im Österreichischen Schulorganisationsgesetz verankert und werden in § 25 und § 27 wie folgt beschrieben:

Organisationsformen der Sonderschule

„§ 25. (1) XV, XX, XXII, 1 Sonderschulen sind je nach den örtlichen Erfordernissen zu führen

a) als selbständige Schulen oder
b) als Sonderschulklassen, die einer Volks- oder Hauptschule oder einer Polytechnischen Schule oder einer Sonderschule anderer Art angeschlossen sind (…)

(…) (4) V, XX In Krankenanstalten und ähnlichen Einrichtungen können für schulpflichtige Kinder nach Maßgabe der gesundheitlichen Voraussetzungen Klassen bzw. ein kursmäßiger Unterricht nach dem Lehrplan der Volksschule, der Hauptschule, der Polytechnischen Schule oder einer Sonderschule eingerichtet werden (…)“

Klassenschülerzahl

„§ 27. (1) VIII Die Zahl der Schüler in einer Klasse in einer Sonderschule für blinde Kinder, einer Sonderschule für Gehörlose und einer Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder darf 8, die Zahl der Schüler einer Klasse einer Sonderschule für sehbehinderte Kinder, einer Sonderschule für schwerhörige Kinder und einer Heilstättenschule darf 10 und die Zahl der Schüler einer Klasse einer sonstigen Sonderschule darf 15 nicht übersteigen (…)“

(Jonak, Kövesi, 2007, S. 254-255)

6. Ausbildung zum „Akademischen Heilstättenpädagogen / zur Akademischen Heilstättenpädagogin“

In der Literatur wird oftmals die fehlende Ausbildung der Pädagogen/Pädagoginnen im Krankenhaus kritisiert (vgl. Wienhues, 1979, S. 210, 217; vgl. Bauer, 1986, S. 11; vgl. Seifert, Hirscher, Wienhues 1977, S. 398; vgl. Wertgen, 2009, S. 69).

In Österreich gibt es seit dem Jahr 2001 die Ausbildung zur „Akademischen Heilstättenpädagogin /zum Akademischen Heilstättenpädagogen“. Seit 2008 wird diese als Hochschullehrgang mit 60 EC Punkten geführt.

Zulassungsvoraussetzungen sind ein abgeschlossenes Lehramtsstudium, mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und die Zustimmung der jeweiligen Schulbehörde.

Weiters sind eine schriftliche Bewerbung mit Lebenslauf und ein gültiger Erste-Hilfe Kurs notwendig.

Wer diesen Hochschullehrgang absolvieren möchte, muss mit einem Zeitaufwand von ca. 1500 Stunden in 6 Semestern rechnen.

Die Absolventen/Absolventinnen verfügen über Kenntnisse der Lernumgebung im Krankenhaus und haben Möglichkeiten kennengelernt Unterricht unter diesen speziellen Bedingungen gut umzusetzen. Weiters wird während der Ausbildung an der persönlichen Entwicklung, an der Sozialkompetenz, an der Kommunikations-, Konflikt- und Reflexionsfähigkeit sowie an der Teamfähigkeit jedes einzelnen Teilnehmers gearbeitet.

Bei dieser Ausbildung wird auch großer Wert auf praktische Erfahrungen gelegt. Ein großer Teil der Ausbildung umfasst Hospitationen und Praktika an verschiedenen Heilstättenschulen.

Die theoretische Ausbildung ist in Module gegliedert und wird immer geblockt angeboten. Da aufgrund des geringen Bedarfs an Heilstättenlehrern/Heilstättenlehrerinnen der Hochschullehrgang immer bundesweit abgehalten wird, können auch die Lehrveranstaltungen im ganzen Bundesgebiet stattfinden.

Beurteilt werden alle Module mit der Beurteilungsform „mit Erfolg teilgenommen“ oder bei negativem Erfolg „ohne Erfolg teilgenommen“ gemäß der allgemeinen Prüfungsordnung für Lehrgänge und Hochschullehrgänge VO 102 der Studienkommission der PH OÖ vom 23. April 2009.

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Details

Titel
Aufgaben einer Heilstättenschule
Untertitel
Evaluierung von Unterricht an der Heilstättenschule Linz
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2012
Seiten
71
Katalognummer
V338026
ISBN (eBook)
9783668277885
ISBN (Buch)
9783668277892
Dateigröße
706 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heilstättenschule, Schule, Krankenhaus
Arbeit zitieren
Tina Schiefer (Autor:in), 2012, Aufgaben einer Heilstättenschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/338026

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