Die Geschichtsschreibung in den Etymologiae des Isidors von Sevilla


Hausarbeit, 2012

11 Seiten, Note: 1

Clara Omag (Autor:in)


Leseprobe


DIE GESCHICHTSSCHREIBUNG IN DEN ETYMOLOGIAE DES ISIDORS VON SEVILLA

Einführende Anmerkungen

Die Etymologiae des Isidors von Sevilla, ein umfangreiches Opus, das das Wissen seiner Zeit in sich vereint, entstand Anfang des 7. Jahrhunderts, einer Epoche, die in der Historiographie als weltgeschichtlicher Wendepunkt viel diskutiert wird. Es waren literarisch dunkle Jahre und die wenigen Menschen, die schreiben konnten, fanden kaum Zeit dazu. Gerade in dieser Zeit verfasst Isidor dieses Werk, das als größtes literarisches Denkmal und zugleich als bedeutendstes historisches Selbstbekenntnis des Okzidents im 7. Jahrhundert nach Christus bezeichnet werden kann. Über Jahrtausende wurde es überliefert, immer wieder abgeschrieben und gerne zitiert. Dennoch war gerade dieses Werk Grund für eine große Kontroverse und war ab dem 19. Jahrhundert unter Historikern sehr umstritten.[1]

In dieser Arbeit sollen nun die Aspekte beleuchtet werden, die für das Verständnis der Etymologiae wichtig erscheinen. So wird zuerst die historische Epoche, in der Isidor lebte, in ihren Grundzügen dargelegt, denn diese bestimmte das Handeln des Sevillaners durchaus. In einem nächsten Schritt werden dann die Ereignisse in Isidors Leben präsentiert, die ihn zum Verfassen der Etymologiae angeregt und inspiriert hatten. Dies bildet die Brücke zu der Analyse der Etymologiae, wobei der Fokus auf der Analyse der Geschichtsschreibung liegt, die in seinem ersten Buch „De grammatica“ ausgelegt wird. So soll diese Arbeit das Leben, die Arbeitsweise und Inhalte Isidors sowie auch seine Bedeutung der Geschichtsschreibung klären – denn gerade diese ist für Historiker besonders interessant.

Historischer Kontext

Zum ausreichenden Verständnis der Etymologiae des Isidors von Sevilla erscheint es unerlässlich, zuerst den historischen Kontext kurz zu beleuchten. Als Isidor Mitte des 6. Jh. geboren wurde, war die Einheit des Weströmischen Reichs schon zusammengebrochen und Spanien befand sich seit über einem Jahrhundert unter der Herrschaft der Westgoten. Das Westgotenreich war aber wenig stabil; im 6. Jh. wurden vier Könige nacheinander ermordet und um 557 belagerten die Byzantiner die südöstliche Küste Spaniens, weshalb auch Isidors Eltern aus Cartagena flüchten mussten.[2]

Obwohl die Westgoten die Herrscher Spaniens waren, machten sie nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus und die meisten Menschen waren noch vorwiegend der hispano-römischen Tradition verhaftet.[3] So war unter den arianischen Herrschern die katholische Kirche frei und Arianismus und Katholizismus bestanden lange Zeit friedlich nebeneinander. Dies änderte sich aber, als der Königssohn Hermenegild und sein Bruder Rekkared, später der König der Westgoten, zum Katholizismus übertraten. So hatten die Monarchen die Kontrolle über die Ernennung der Bischöfe und über andere Entscheidungen, die zuerst von der Kirche allein getroffen wurden. Nun begannen die systematische Zerstörung der arianischen Kirche und die Konvertierung aller Arianer zum Katholizismus, wobei große Teile des arianischen Gedankenguts der Vernichtung zum Opfer fielen.[4] Auch wenn sich die politische und kirchliche Einheit der Westgoten zu der Zeit, als Isidor Bischof von Sevilla wurde, schon vollzogen hatte, beeinflussten diese Ereignisse sein Leben und Wirken durchweg, das nun im folgenden Teil in seinen Grundzügen kurz nachgezeichnet wird.

Leben und Wirken des Isidors von Sevilla

Über das Leben von Isidor von Sevilla ist nicht viel bekannt. Er wurde vermutlich um 560 in Südspanien als Sohn einer vornehmen hispano-römischen Familie geboren. Isidor hatte drei ältere Geschwister: Leander, Bischof von Sevilla, Fulgentius, Bischof von Astigis und Florentina, die als Nonne in einem Kloster lebte. Nach dem frühen Tod der Eltern übernahm Leander die Erziehung seiner jüngeren Geschwister – demnach übte er eine Vorbildfunktion auf Isidor aus, der dieselbe Laufbahn einschlug. So folgte Isidor nach dem Tod Leanders als Bischof von Sevilla.[5] Den Rahmen für Isidors Tätigkeiten bildete wie bereits erwähnt die Herstellung der kirchlichen und politischen Einheit der Westgoten, die für Isidor durchaus vorteilhaft waren. Zudem verband ihn eine enge Beziehung mit den Königen Suinthila und Sisebut, auf dessen Wunsch er angeblich auch die Etymologiae aufnahm. Isidor setzte sich für die Formierung der noch jungen katholischen Kirche ein und förderte die Ausbildung von Geistlichen und Lehrern. Den krönenden Abschluss seines Wirkens bildete das 4. Konzil von Toledo im Jahre 633, dessen Vorsitz Isidor inne hatte. Vermutlich starb er drei Jahre später.[6]

Von Isidor sind heute 17 Werke, die als authentisch gelten, erhalten. Darunter befinden sich viele Schriften zur biblischen Exegese oder solche, die auf eine Festigung von Kirche und Gesellschaft zielen, aber auch profanwissenschaftliche Bücher. Jedoch steht die Trilogie der großen, fundamentalen Werke an der Spitze Isidors Schaffens, die sich in folgende drei Titel gliedert: Differentiae, Etymologiae und Synonyma.[7] Im Rahmen dieser Arbeit werden die Etymologiae genauer behandelt und Isidors Ansicht von Geschichtsschreibung anhand der englischen Übersetzung von Barney genauer untersucht. Bevor aber zu der Textinterpretation übergegangen wird, soll zuerst ein allgemeiner Überblick über die Etymologiae geschaffen werden – ein Werk, das durchaus für Kontroversen sorgte.

Die Etymologiae: Kontroverse und Bedeutung

Die Etymologiae (griech: wahrer Wortsinn), auch Origines genannt, stellen Isidors Hauptwerk dar und vereinen antikes Wissen und christliche Lehre. Dieses Werk verbreitete sich schnell im ganzen lateinischen Europa und galt bald als nahezu unverzichtbar. So drückt dies Vossler mit den folgenden Worten aus:

Nachdem im nördlichen Europa durch die Völkerwanderung, im südlichen durch den Islam die alte Welt zertrümmert war, mußten die Etymologiae des Isidorus, das umfassendste seiner Sammelwerke, so wertvoll erscheinen wie etwa gegen Ende des letzten Krieges ein Handkoffer, in den eine durch Fliegerbomben geschädigte Familie das Nötigste ihrer Habseligkeiten zusammenpackte. Echte Wertstücke und törichter Kleinkram liegen da brav geordnet nebeneinander.[8]

Isidors tausendjähriger Ruhm wurde aber durch die Quellenkritik im 19. Jh. erschüttert. Es bildete sich die These, dass er die Etymologiae von einer verschollenen Enzyklopädie Suetons abgeschrieben hätte. Auch andere Kritikpunkte wurden an diesem Werk festgemacht. Theodor Mommsen behauptete 1894, dass Isidor ältere Autoren mit seinem Werk unkundig kontaminiert hätte und seine Schriften über die Gegenwart nur deshalb beachtenswert waren, da es keine besseren Autoren gab. Sein Geschichtsbild sei statisch und seine Arbeitsweise nicht historisch, da er nur den fertigen Zustand vor Augen führte. Die Philologie im 20. Jh. widerlegte aber die Sueton-Annahme und Isidors Werk gewann immer mehr an Profil. Isidor sei zwar eher Ausleger der Geschichte als Historiker, aber sein Werk sollte dennoch geschätzt werden.[9] So lobt auch Diesner Isidors Etymologiae, da sich darin das gerettete Gut der Antike wiederfindet und so auch weiter verwendet werden kann. Denn trotz aller Mängel, die diesem Opus nachgesagt werden können, ist die angebotene Fülle und Breite doch auch für heutige Zeiten unentbehrlich.[10]

Bei der Konzeption dieses Werkes ging Isidor von einem sprachlich-philologischen Standpunkt aus. Das Werk ist nicht alphabetisch, sondern nach verschiedenen Sachgebieten geordnet. Es soll die Einzelphänomene der Welt erklären, um so das ganze Wissen seiner Zeit zu umfassen. Isidor versucht hier, die Wörter durch Ableitung aus ihrem griechischen, römischen oder barbarischen Ursprung, ihren Gegenteilen, ihrem Klang oder auch aus dem Urheber zu erklären. Gleichzeitig sollen aber auch Glaube und Gotteserkenntnis vermittelt werden. So wird das Wissen der klassischen Antike mit den Geschichten des Alten und Neuen Testaments gemischt und als Wahrheit ausgelegt. Die besondere Leistung Isidors besteht hier in der Auswahl, Anordnung und klaren Darstellungsweise des Stoffes.[11]

Beim Bearbeiten dieser gewaltigen Fülle standen Isidor von Sevilla sicherlich viele Helfer, vor allem aus Klöstern, zur Seite. Als er dann vor Fertigstellung des Werkes starb, führte es sein Schüler Braulio von Saragossa zu Ende. Bereits ein Jahrzehnt nach Isidors Tod wurde es im ganzen lateinischen Europa verbreitet und wurde zu einem unverzichtbaren Bücherschatz.[12] Nun wird, wie oben angekündigt, ein Teil dieses Opus im Detail analysiert. Die für Historiker und die Quellenforschung interessante Passage über Geschichtsschreibung, die Isidor im ersten von zwanzig Büchern darlegt, wird genau untersucht, wobei der Inhalt und die Methode kritisch reflektiert werden.

[...]


[1] vgl. Arno Borst, Das Bild der Geschichte in der Enzyklopädie Isidors von Sevilla, in: Baethgen Friedrich/Grundmann Herbert (Hg.), Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters namens der Monumenta Germaniae Historica, 22. Jahrgang, Köln 1966, 1-10.

[2] Isidorus/ Stephen A. Barney, The Etymologies of Isidore of Seville, Cambridge 2006, 4.

[3] Isidorus/Möller, Lenelotte: Die Enzyklodädie [sic] des Isidor von Sevilla, Wiesbaden 2008, 9.

[4] Isidorus/Barney, The Etymologies, 6.

[5] Lexikon des Mittelalters, Hg. von Bautier Robert Henri, Bd. 1-9,5, München 2003, 677.

[6] Isidorus/Möller, Die Enzyklodädie, 10.

[7] vgl. Hans-Joachim Diesner, Isidor von Sevilla und seine Zeit, Stuttgart 1973, 19-28.

[8] Karl Vossler, Südliche Romania, Leipzig 1940, 150f.

[9] Borst, Bild der Geschichte, 3-6.

[10] Diesner, Isidor von Sevilla, 25;28.

[11] Ebd., 25f.; Isidorus/Möller, Die Enzyklodädie, 12-15.

[12] Oxford Dictionary of the Middle Ages, Hg. Von Bjork Robert E., Bd 1-4, 2, Oxford 2010, 863.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Die Geschichtsschreibung in den Etymologiae des Isidors von Sevilla
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Quellen und Methoden der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Europaforschung
Note
1
Autor
Jahr
2012
Seiten
11
Katalognummer
V337688
ISBN (eBook)
9783668270121
ISBN (Buch)
9783668270138
Dateigröße
620 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
geschichtsschreibung, etymologiae, isidors, sevilla
Arbeit zitieren
Clara Omag (Autor:in), 2012, Die Geschichtsschreibung in den Etymologiae des Isidors von Sevilla, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337688

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