Sozioprudente Handlungen in der Serie „Desperate Housewives“. Die Sozioprudenz der verzweifelten Hausfrauen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. ROLLEN UND STRATEGISCHES HANDELN

3. DIE VERZWEIFELTEN HAUSFRAUEN UND DIE SOZIOPRUDENZ

4. FAZIT: DERANSCHEIN DERROLLE

Literaturverzeichnis

1.EINLEITUNG

„Der Mensch als ganzer ist sozusagen ein noch ungeformter Komplex von Inhalten, Kraften, Moglichkeiten und je nach den Motivierungen und Beziehungen des wechselnden Daseins gestaltet er sich daraus zu einem differenzierten, grenzbestimmten Gebilde." (Simmel 2001, 182) Diese Ansicht Simmels scheint zunachst sehr gewohnungsbedurftig. 1st der Mensch nicht einfach das, was er ist? Werden wir nicht geboren und sind dann einfach das, was uns durch unsere Gene mitgegeben wurde und wozu uns unsere Eltern erzogen haben? Abergenau da ist der Punkt: wir werden dazu erzogen, an einer Gesellschaft teilzuhaben, die nach eigenen Gesetzen funktioniert und in der es nicht ausreicht, einfach ,,man selbst" zu sein. Zunachst ist der Mensch Baby, Kind, irgendwann Schuler, dann ggf. auch Student und dann Teilnehmer in der Arbeitswelt, aberauch andere Funktionen wie Tochter, Sohn und spater vielleicht selbst Vater Oder Mutter. Jede dieser Rollen bringt ein gewisses Spektrum an Rechten und Pflichten mit sich, die es zu erfullen gilt. Sozioprudenz, sozial klug handeln, knupft hier an. Jeder Mensch versucht das instinktiv zu tun und bedient sich so nicht nur konventioneller Rollenvorstellungen, sondern auch anderer Maxime, die im nachsten Kapitel dieser Arbeit vorgestellt werden sollen. Als praktischer Untersuchungsgegenstand dient die Serie „Desperate Housewives", in der es um insbesondere vier Hausfrauen geht, die das perfekte Leben im Vorort leben. Oder zumindest scheint es so. Sie werden mit vielerlei Problemen konfrontiert, die sie sozial klug zu losen suchen. Dabei scheuen sie nicht vor List und Tucke zuruck. Beispiele fur ihr Rollendenken und strategisches Handeln werden in Kapitel 3, die verzweifelten Hausfrauen und die Sozioprudenz, vorgestellt. Als letztes soil ein Fazit uber den Anschein der Rolle gezogen werden. Im Anhang befindet sich das Literaturverzeichnis.

2. ROLLEN UND STRATEGISCHES HANDELN

In Goffmans Abhandlung „Wir alle spielen Theater" (2002) stellt Goffman fest, dass menschliche Interaktion im Alltag wesentlich von der Rolle bestimmt wird, die der Spielende als Vorstellung fur andere inszeniert (vgl. Goffman 2002, 19). Dabei geht er jedoch davon aus, dass legitime Darstellungen im (all-)taglichen Leben nicht in dem Sinne gespielt werden, sondern im Idealfall lediglich bereits so viele Ausdrucksdetails erlernt wurden, dass den Einzelnen dazu befahigt, jede ubertragene Rolle auszufullen und mit ihr fertig zu werden (vgl. ebd., 68). Dies macht vor allem den aufrichtigen Darsteller aus: dass er von seiner eigenen Rolle uberzeugt ist (vgl. ebd., 19). Allerdings lasst sich hier auch sagen, was La Rochefoucauld passend formuliert hat: ,,Wir sind so gewohnt daran, uns vor anderen zu verstellen, daft wir uns am Ende vor uns selbst verstellen." (La Rochefoucauld, (119)) In den meisten Fallen handelt es sich urn aufrichtige Darstellungen, da wir von ihrer Echtheit uberzeugt sind und sie weiterhin vor uns selbst spielen. Eine zynische Darstellung, wobei Darstellung die „Bezeichnung des Gesamtverhaltens des Einzelnen" (ebd., 23) ist, ist jedoch das Gegenteil: der Darsteller selbst ist nicht von der eigenen Rolle uberzeugt und sucht vermutlich aus Eigennutz das Publikum zu tauschen (vgl. ebd., 19), was Selbigen in eine gefahrliche Lage manovriert. Der Darsteller lauft Gefahr, jederzeit entdeckt zu werden, da die Zuschauer meist ein Gespur dafur haben, ob der Eindruck des Spielenden wahr Oder falsch, echt Oder unecht ist (vgl. ebd., 55). Urn dies zu vermeiden nutzt sowohl der aufrichtige, als auch der zynische Darsteller Methoden, urn seine Rolle glaubhaft zu machen. Zum einen wird eine Fassade aufgebaut, die als „standardisiertes Ausdrucksrepertoire" (ebd., 25) beschrieben werden kann. Hierzu zahlt ebenso das Buhnenbild, also die szenischen Komponenten, wie beispielsweise die Raumgestaltung, wie auch die eigene personliche Fassade, welcher Ausdrucksmittel, wie Kleidung, Haltung, Sprechweise, etc. angehoren (vgl. ebd., 25). Insbesondere die Kleidung soil laut Knigge standesgemaft sein (vgl. Knigge 2011, 64). Ein Bettler hat sich also nicht wie ein Konig zu kleiden und ein Konig nicht wie ein Bettler. Selbiges gilt fur Ausdrucksweisen und weitere Komponenten der personlichen Fassade. Hier kann man weitere zwei Teile unterscheiden. Auf der einen Seite gibt die Erscheinung daruber Aufschluss, mit welchem sozialen Status das Gegenuber interagiert, auf der anderen Seite soil das Verhalten die Rolle anzeigen, welche „der Darsteller in der Interaktion zu spielen beabsichtigt" (Goffman 2002, 25). Diese beiden Teile der Fassade sind interdependent: Der Zuschauer erwartet die Bestatigung des einen durch Beobachtung des anderen, konnen sich aber dennoch widersprechen (vgl. ebd.,26). Nicht nur um Widersprechungen zu vermeiden, sind weitere Methoden in der Darstellung prasent. Um die Darstellung zu untermauern, bedarf es der dramatischen Gestaltung, bei der es darum geht, dem Gegenuber die Rolle sichtbar zu machen. Die Tatigkeit muss so gestaltet werden, dass „sie wahrend der Interaktion das ausdruckt, was [der] Einzelne mitteilen will" (ebd., 31). Hier spielt ebenfalls die Idealisierung eine Rolle. Generell betrachtet, ist die Idealisierung die Entsprechung des Darstellers mit den Klischeevorstellungen des Publikums (vgl. ebd., 40). Das heiftt, dass der Spielende der Rolle und des sozialen Status’, die er gerade verkorpert, gerecht wird. Um das zu erreichen, nimmt man „in jedem Stande eine Miene und Haltung ein, um zu scheinen, wofur man gehalten sein will, so daft man sagen kann, die Welt besteht aus Masken." (La Rochefoucauld, (256)). Fur einen Burgermeister ziemt es sich nicht, wahrend eines offiziellen Anlasses, an dem er als Burgermeisterfungiert, sich am Gesaft zu kratzen Oder bspw. zu rulpsen, da es gegen konventionelle, anerkannte Werte der Gesellschaft verstoften wurde. Aber eben diese muss er als Burgermeister vertreten. Um seine Rolle weiterhin zu starken, bedient er sich der Ausdruckskontrolle, da das Publikum nach kleinen Hinweisen sucht, die als ,,Zeichen der Wahrhaftigkeit der Rolle" gesehen werden. So muss der Darsteller darauf bedacht sein, versehentliche Gesten Oder eine unaufrichtige Mimik zu vermeiden. Er braucht also „keine hohere Herrschaft, als die uber sich selbst und uber seine Affekten" (Gracian, (8)). Aufterdem „soll man sein Aufteres studieren, sein Gesicht in seiner Gewalt haben, nicht grimassieren" (Knigge 2011, 62). „Eine einzige Note in der falschen Tonart [kann] den Klang eines ganzen Konzerts zerstoren (kann)." (Goffman 2002, 49), was dazu fuhren kann, dass der Darsteller entlarvt wird und ihm nicht mehr getraut wird. Der Spielende ist also dazu angehalten, sich jeder Zeit unter Kontrolle zu haben und eine homogene Darstellung zu bieten (vgl. ebd., 53). Diese kann von Ereignissen dreier Kategorien bedroht werden: Zum einen ungewollte Unfahigkeiten, wie bspw. das Verlieren der Muskelkontrolle (Stolpern, gahnen, versprechen, etc.), zum anderen zu stark Oder wenig an einer Interaktion beteiligt zu sein, was sich bspw. durch Stottern, Nervositat, unpassendes Gelachter, Oder Ahnliches ausdruckt. Zuletzt kann die Darstellung auch durch eine mangelhafte Inszenierung zerstort werden, wenn zum Beispiel peinliche Pausen entstehen Oder das Buhnenbild nicht zur Rolle passt. (vgl. ebd., 49ff). Wobei auch manchen Menschen die Gabe zuteil wird, „mit ihren Fehlern [zu] gefallen" (La Rochefoucauld, (155)), was dazu fuhrt, dass einigen Leuten ihre Fehler gut stehen, aber andere trotz ihrer guten Eigenschaften widerwartig erscheinen (vgl. ebd., (251)). Abschlieftend wird der Darsteller danach suchen, ein Objekt der Mystifikation zu sein. Hiermit ist die Distanzhaltung des Publikums gemeint, um ihn daran zu hindern, den Darsteller zu betrachten (vgl. Goffman 2002, 64). „Bei allem lasse man etwas Geheimnisvolles durchblicken und errege, durch seine Verschlossenheit selbst, Ehrfurcht. (...) Behutsames Schweigen ist das Heiligtum der Klugheit." (Gracian, (3)). Hiergeht es insbesondere auch um die Verbergung von Schwachen, weshalb auch das Publikum dafur ein besonderes Gespur hat. Denn dieses halt insbesondere die Grenze des Respekts fur die Rolle ein, wenn es auf Dinge trifft, „deren Entdeckung den Darsteller beschamen wurde" (Goffman 2002, 65). Gerade aber dieser Umstand ermoglicht es dem Darsteller, einen selbstgewahlten Eindruck aufzubauen (vgl. ebd.), der laut Gracian vor allem durch Zuruckhaltung gepragt sein soil: ,,Man lege nicht immer alles zur Schau: sonst wird es morgen keiner mehr bewundern." (Gracian, (58))

,,Die menschliche Personlichkeit ist etwas Heiliges; man verletzt sie nicht und ubertritt ihre Grenzen nicht, obwohl gleichzeitig das hochste Gut die Gemeinschaft mit anderen ist.“ (ebd., 64) Genau hier knupft Plessner in „Grenzen der Gemeinschaft" (2015) an. Denn bei alien Darstellungen geht es letztlich um den „Kampf urns wahre Gesicht" und „das Risiko der Lacherlichkeit" (Plessner 2015, 58). Plessner liefert eine schlussige Argumentation, warum sich der Mensch seine Personlichkeit verhullt und Rollen spielt. Er nennt diese Personlichkeit die Seele, die als Individualist keine „endgultige Beurteilung" (ebd., 63) ertragt, sondern sich gegen „jede Festlegung und Formulierung ihres individuellen Wesens" (ebd.) wehrt. Dies ist nicht zuletzt ihrer eigenen Ambivalenz geschuldet, da sie zwar sich selbst sehen will und auch gesehen werden will, allerdings die Gefahr der Bestimmtheit nicht eingehen mochte, da hinter dieser die „unsagbaren Moglichkeiten des Andersseins" (ebd.) verloren gehen. Mehr noch, „ein treffendes Urteil trifft uns, verletzt uns ebensosehr als ein falsches. Getroffen, sehen wir uns, im eigenen Oder im fremden Blick, vereinseitigt und festgelegt. (...) Miftdeutbarkeit ist ihr [der Seele] Schicksal. (ebd., 64) Bei diesem „getroffen sein" kann es sich ebenso um gute Eigenschaften wie Schwachen handeln. „Die Verschwiegenheit ist das Stempel eines fahigen Kopfes: Eine Brust ohne Geheimnisse ist ein offener Brief. (...) Die Verschwiegenheit, und sich diesem Stucke zu uberwinden ist ein wahrer Triumph. So vielen man sich entdeckt, so vielen macht man sich zinsbar." (Gracian, (179)) Dieses Zitat druckt genau das aus: Weift das Gegenuber uber meine Starken, bspw. Gutmutigkeit, so kann der Interagierende leicht diese Gutmutigkeit ausnutzen und zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Genauso verhalt es sich auch mit Schwachen. Auch diese konnen von anderen fur den eigenen Zweck missbraucht werden. Des Weiteren sieht der Mensch in allem Individuellem, dass seine Seele (seine Personlichkeit) zeigt, das Risiko der Lacherlichkeit, was ihn dazu treibt, sein Selbst mit Form zu bekleiden, „damit es das auch an der Oberflache bleibt, was es, in seiner unsichtbaren Tiefe genommen, ist.“ (ebd., 72) Diese Form ist einer Rustung gleich, mit der es den Kampfplatz der Offentlichkeit betritt (vgl. ebd., 82), ahnlich der Fassade und Rollenerscheinung, wie Goffman sie beschrieben hat. Zu dieser Rolle schreibt Plessner:

[...]

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Details

Titel
Sozioprudente Handlungen in der Serie „Desperate Housewives“. Die Sozioprudenz der verzweifelten Hausfrauen
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Soziologie und Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Grundlagen der Sozioprudenz
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V337471
ISBN (eBook)
9783668274662
ISBN (Buch)
9783668274679
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Desperate Housewives, Goffmann, Rollen, Plessner
Arbeit zitieren
Eva Heuft (Autor:in), 2016, Sozioprudente Handlungen in der Serie „Desperate Housewives“. Die Sozioprudenz der verzweifelten Hausfrauen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337471

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