Die Entstehung des jüngeren Stammesherzogtums in Sachsen. Der Fall Hermann Billungs


Hausarbeit, 2008

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entstehung des jüngeren sächsischen Stammesherzogtums
2.1 Die Entwicklungen in Sachsen vor 919
2.2 Die Entwicklungen in Sachsen nach 919

3. Der Fall Hermann Billung im Besonderen
3.1 Quellenüberblick und Kritik
3.2 Die Titulatur Hermann Billungs in den Urkunden Ottos I
3.3 Titulatur durch Widukind von Corvey
3.4 Die Situation von 953 anhand der Überlieferungen Widukinds
3.5 Hermanns Rolle während Ottos I. zweiten Italienzug 961 – 965
3.6 Hermanns Rolle während Ottos I. drittem Italienzug 966-972

4. Schluss

5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1 Quellen
5.2 Literatur

1. Einleitung

Wenn man über das Herzogtum Sachsen aus dem 9. und 10. Jahrhundert spricht, ist es zunächst wichtig, dieses geografisch richtig einzuordnen.

Bei der Einarbeitung in diese Materie darf man nicht an das heutige Bundesland Sachsen im Osten Deutschlands denken, sondern sich vielmehr auf den Westen konzentrieren in dem Gebiet, wo heute in etwa Niedersachsen und Nordrheinwestfalen liegen.

Neben dieser geografischen „Falle“ zeichnet sich das Herzogtum Sachsens besonders als Heimatprovinz großer Könige wie Heinrich I. und Otto I. aus, welcher in Anlehnung an Karl den Großen ebenfalls mit dem Beinamen „der Große“ bedacht wurde.

Otto I. musste seine eigene Stärke als Nachfolger Heinrichs gegenüber dem eingesessenen Adel erst noch unter Beweis stellen. Hierbei folgte er dem Motto, dass man bei dem Versuch, in große Fußstapfen zu treten, meistens stolpert und er daher seinen eigenen Weg ging, indem er Hermann Billung anderen Adeligen vorzog und ihn unter anderem zum princeps militiae ernannte. Doch er ernannte Hermann nicht nur zum princeps militiae, sondern vertraute ihm auch während diverser Italienzüge die procuratio über Sachsen an.

Hierbei kommt eine in der Forschung höchst brisante und viel diskutierte Frage auf, welche es gilt im Zuge meiner Arbeit, so weit und gut es geht, zu beantworten: die Frage, ob Hermann Billung als ein Stellvertreter des Königs (im Stile eines Reichsvikars) agierte oder ob er direkt als Herzog Sachsens eingesetzt wurde und somit als „Begründer“ des jüngeren Stammesherzogtums in Sachsen herangezogen werden kann? Hiefür habe ich mich in meiner Arbeit zuerst der allgemeinen Entwicklung bzw. der Ethnogense der Sachsen im 10 Jahrhundert zugewandt, um dann den Fall des Hermann Billung anhand chronologischer Überlieferungen für die einzelnen Zeitpunkte zu bewerten.

2. Die Entstehung des jüngeren sächsischen Stammesherzogtums

2.1 Die Entwicklungen in Sachsen vor 919

Die Forschung sowie Zeitgenossen haben die Liudolfinger stets als sächsisches Geschlecht angesehen, das der Reichsaristokratie angehörte, ohne dabei groß aufzufallen.[1] Die moderne ethnogenesische Forschung schafft neue Erkenntnisse mit Untersuchungen über das Werden der europäischen Nation im Mittelalter.[2] Die Voraussetzungen hierbei sind, dass sich mehrere ethnische Gruppen unter einem König gemeinsam zusammengehörig fühlen, wobei die gemeinsame Sprache oder Religion eher zweitrangig ist. Exemplarisch dafür lässt sich die Entwicklung der Liudolfinger in Sachsen heranziehen.

Nach der Niederlage der Sachsen gegen Karl den Großen, mussten sie selber einen neuen Prozess der Ethnogenese durchlaufen, da sie von den siegreichen Franken unterdrückt wurden. Mit dieser Unterdrückung gingen der Verlust eigener politischer Institutionen und Bräuche einher. Außerdem sahen sich die Sachsen gezwungen, den christlichen Glauben, so wie die fränkische Grafschaftsverfassung anzunehmen.[3] Dennoch waren die meisten sächsischen Adeligen zur Kooperation mit den neuen Herrschern bereit, so dass daraus ein enger Kontakt mit dem fränkischen König resultierte.[4] Darüber hinaus passte sich ein Großteil des sächsischen Adels dieser Situation an, wodurch er „wichtige Positionen übernahm“, denjenigen, die dies nicht taten, stand eine soziale Deklassierung bevor.[5]

Diese Situation dient als Grundlage für die Annahme, dass „Franken und Sachsen […]seit Karl dem Großen im christlichen Glauben unter der Herrschaft des fränkischen Königs gleichsam zu einem Volk geworden [sind].“[6] Daraus resultiert ebenfalls die Theorie, dass es vor 919 kein sächsisches politisches Eigenständigkeitsbewusstsein gab. Bis dahin kannten die Sachsen keinen eigenen politischen Verbund, welcher unter einem gemeinsamen dux zusammengefasst hätte werden können.[7] Vielmehr verehrten sie weiterhin den Rex Francorum als ihren politischen Führer.

Warum aber kam es ab 919 zu einem Wandel dieses Verständnisses für eine eigene politische Wahrnehmung?

2.2 Die Entwicklungen in Sachsen nach 919

Die sächsische Ethnogenese erfuhr im Jahr 919 einen besonderen Schub, als Heinrich I. der neue König wurde und sich dadurch der politische Schwerpunkt des „Ostfrankenreiches“ in sächsisches Heimatgebiet verlagerte.[8] Der König als Sachse bot den Sachsen selber eine deutlich bessere Identifikationsfigur. Nun traten auch sächsische Geschichtsschreiber auf den Plan, die versuchten „den Vorfahren ihres Herrschaftsgeschlechts, den früheren Liudolfingern, einen möglichst hohen Rang zuzuweisen“[9], indem sie diese oftmals als duces bezeichneten, was jedoch nicht unbedingt der Wirklichkeit entsprach. Auch die Liudolfinger selber bekräftigten diese Vorstellung ausschließlich innerhalb der eigenen gens zwecks der Loyalitätswahrung, während sie sich aber gegenüber dem Rest des Reiches „ganz in die das Reich prägende fränkische Tradition“[10] stellten.

Allerdings bedeutete die Königswürde von 919 für die Sachsen ebenso Kompromisse. So musste Heinrich I. seinem Mitstreiter Eberhard, Sohn des verstorbenen Konrads, die Position eines secundus a rege einräumen und auch an die Herzöge Bayerns und Alemanniens gewisse Kompetenzen abtreten.[11] Doch besonders dadurch, dass sich Heinrich nunmehr vermehrt in seiner Heimatprovinz aufhielt, förderte dies das politische Selbstbewusstein innerhalb der sächsischen gens immens.[12] In Folge dessen hatte Heinrich einige Konflikte, auch in den eigenen Reihen, zu bewältigen. Neben diesen Konflikten kam es dazu, dass sich ab 953 mit dem neuen König Otto I. der Herrscher nicht mehr so regelmäßig im „Stammland“ aufhielt, weswegen dieser eine ständige Identifikationsfigur für das sächsische Volk benötigte.[13] Diese fand er in dem aus dem Geschlecht der Billunger stammenden Hermann, welcher erstmals 953 richtig in Erscheinung trat. Inwieweit die Entstehung des jüngeren sächsischen Stammesherzogtums von Hermann Billung beeinflusst bzw. vorangetrieben wurde, sollen die folgenden Ausführungen näher erläutern.

3. Der Fall Hermann Billung im Besonderen

3.1 Quellenüberblick und Kritik

Um mich nun dieser Fragestellung anzunehmen, habe ich zuerst zeitgenössische Quellen von Widukind und Thietmar zu Rate gezogen, um selber ein genaues Bild der Sachlage aus der damaligen Sicht zu erhalten, bevor ich mich daraufhin mit der zu diesem Thema erschienenen Literatur auseinander zu setzen. Schließlich kommt man selber oft in Situationen, in denen man merkt, was für unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten entstehen können, wenn lediglich ein einziges Wort auf mehrere verschiedene Arten und Weisen übersetzt werden kann.

Die res gestae Saxonicae des Widukinds „umfassen einen Zeitraum von mehr als 500 Jahren“[14] wobei sie uns besonders einen Einblick in die Geschichte der sächsischen Könige, Heinrich und Otto I. liefern über welche Widukind am ausführlichsten berichtet. Des Weiteren führt Rudolf Köpke aus, dass wir heute ohne die Berichte des Widukind bezüglich der Sachsengeschichte sehr schlecht bis hin zu gar nicht informiert wären. Zwar berichtet auch Thietmar von Merseburg ebenfalls über Hermann Billung, der während Ottos I. Italienaufenthalten für diesen Aufgaben übernahm, in welcher Form sei an dieser Stelle hinten angestellt, wobei er deutlich mehr Bezug auf die Verbindung zum kirchlichen nimmt.

Dennoch ist die Chronik Thietmars ein wichtiges Element, um zu begreifen in welcher Form Hermann Billung seine Aufgabe als Herzog, oder Stellvertreter des Königs verübte.

3.2 Die Titulatur Hermann Billungs in den Urkunden Ottos I.

Anders als in den Berichten Widukinds, welche zumindest Indizien dafür liefern, dass Hermann Billung als erster sächsischer Herzog eingesetzt wurde, unterstützen die Urkunden Ottos I. eher die Kritiker dieser These, indem in ihnen niemals von Hermann Billung als dux, sondern dreimal als comes und einmal als marchio die Rede ist.[15]

Allerdings wird diese Aussage durch Ruth Bork relativiert, indem sie darauf verweist, dass „die Bezeichnungen ‚comes’, ‚dux’, ‚praefectus’ u.a. im Allgemeinen zu jener Zeit ohne genaue Abgrenzung für die höheren Stellungen gebraucht wurden.“[16] In Folge dessen gilt der Titel des comes für die jüngere Forschung auch nicht mehr als sicherer Beleg für eine fürstliche Stellung seines Trägers im 9. und 10. Jahrhundert, was sich auch anhand der engen Zusammengehörigkeit des Grafen- und Herzogamtes zu dieser in manchen konkreten Fällen belegen lässt: „Qui fungitur meo nomine, vestri consilii auctoritate, dux et comes, haeresque erit haereditatis meae“ [17] waren die Worte des Normannenherzogs Richard I., als er 996 seinen gleichnamigen Sohn zu seinem Nachfolger bestimmte. Besonders interessant und auch signifikant für die oben gestellte These ist die Wortwahl ‚ dux et comes’, welche in sehr anschaulicher Art und Weise die bereits angesprochene Zusammengehörigkeit der beiden Ämter nochmals unterstreicht.

Lediglich in einer „halboffiziellen“ Urkunde, in welcher Bischof Ebrachar von Lüttich die Verlegung seines Bischofsitzes verkündet, wird Hermann in der Signumszeile als dux geführt. Jedoch ist diese Urkunde nicht mehr im Original erhalten und wird unter anderem von Manfred van Rey und Winfried Glocker als Fälschung bezeichnet.[18]

Insgesamt lässt die geringe Zahl der überlieferten Urkunden keinen endgültigen Beleg dafür zu, dass man Hermann Billung die herzogliche Stellung gänzlich absprechen könne. Ebenso zeigen Amtsbezeichnungen wie dilectus und marchio durch die Königskanzlei, dass sich Hermann Billung zumindest auf dem Weg befand, die Position eines Herzogs einzunehmen.[19]

3.3 Titulatur durch Widukind von Corvey

Gemäß Widukind von Corvey wird Hermann Billung 936 von Otto I. zum „princeps militiae“[20] ernannt, worin die Forschung „die Keimzelle des billungischen Herzogtums“ sieht.[21] Darüber hinaus wird dieses Amt der Stellung eines Markgrafen gleichgesetzt, wenngleich es verwundert, dass Widukind in diesem Zusammenhang nicht die für Markgrafen damals üblicheren Begriffe wie preses oder comes verwendete, so wie er es für die Markgrafen Gero und dessen Bruder Siegfried getan hat.[22]

In dieser terminologischen Unsicherheit erkennt Ruth Bork eine temporäre Übertragung der Kommandogewalt für Hermann Billung lediglich für die damalige Situation, wobei es offen bleibt, ob Hermann Billung im Anschluss an diese Aufgabe noch mit weiteren Ämtern betraut wurde.[23]

[...]


[1] Becher, Matthias, Rex Dux und Gens – Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert, Husum 1996, S.92.

[2] Becher, Rex, Dux und Gens, S.302.

[3] Becher, Rex, Dux und Gens, S.302.

[4] Becher, Rex, Dux und Gens, S.302.

[5] Becher, Rex, Dux und Gens, S.303.

[6] Becher, Rex, Dux und Gens, S.303.

[7] Becher, Rex, Dux und Gens, S.303.

[8] Becher, Rex, Dux und Gens, S.304.

[9] Becher, Rex, Dux und Gens, S.304.

[10] Becher, Rex, Dux und Gens, S.304.

[11] Becher, Rex, Dux und Gens, S.305.

[12] Becher, Rex, Dux und Gens, S.306.

[13] Becher, Rex, Dux und Gens, S.307.

[14] Köpke, Rudolf, Widukind von Korvei. Ein Beitrag zur Kritik der Geschichtsschreibeer des zehnten Jahrhunderts, Berlin 1867, S.11.

[15] Becher, Rex, Dux und Gens, S.259.

[16] Bork, Ruth, Die Billunger. Mit Beiträgen zur Geschichte des deutsch-wendischen Grenzraumes im 10. und 11. Jahrhundert, Diss. phil. Greifswald 1951, S.57.

[17] Becher, Rex, Dux und Gens, S.260.

[18] Becher, Rex, Dux und Gens, S.261;

[19] Becher, Rex, Dux und Gens, S.262

[20] Widukind II, 4, S. 70

[21] Becher, Rex, Dux und Gens. S.252

[22] Becher, Rex, Dux und Gens S. 252

[23] Bork, Die Billunger. S.52

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Entstehung des jüngeren Stammesherzogtums in Sachsen. Der Fall Hermann Billungs
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V336857
ISBN (eBook)
9783668266483
ISBN (Buch)
9783668266490
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
entstehung, stammesherzogtums, sachsen, fall, hermann, billungs
Arbeit zitieren
Fabian Zschiesche (Autor:in), 2008, Die Entstehung des jüngeren Stammesherzogtums in Sachsen. Der Fall Hermann Billungs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336857

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