Sozialarbeiterische Maßnahmen der Prävention und Intervention bei Mobbing am Arbeitsplatz

"Wenn der Job zur Hölle wird"


Diplomarbeit, 2004

98 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Mobbing
2.1 Entstehung des Begriffs
2.2 Definition des Begriffs „Mobbing“
2.3 Der „Mobbing-Verlauf“
2.3.1 Fallbeispiel der Schweißerin Lena aus Schweden
2.3.2 Das Phasenmodell
2.4 Differenzierung der Begriffe „Mobbing“ und „Konflikt“

3. Allgemeine statistische Ergebnisse der Forschung
3.1 Die deutsche Mobbing-Studie
3.2 Das Ausmaß von Mobbing
3.2.1 Die Betroffenheit nach Geschlechtern
3.2.2 Die Betroffenheit nach Alter
3.2.3 Die Betroffenheit nach Berufsgruppen
3.3 Die Mobbing-Handlungen
3.4 Die Häufigkeit und die Dauer
3.5 Die Mobber

4. Die Folgen von Mobbing
4.1 Die Folgen für das Mobbing-Opfer
4.1.1 Überblick über statistische Ergebnisse
4.1.2 Physische und psychische Folgen
4.1.3 Folgen auf der sozialen Ebene
4.1.4 Das posttraumatische Stresssyndrom
4.2 Die Folgen für den Mobber
4.3 Die Folgen für den Betrieb
4.4 Die Folgen für die Gesellschaft
4.5 Überblick über mögliche rechtliche Folgen

5. Ursachen für Mobbing
5.1 Ursachen für die Opfer-Rolle
5.2 Ursachen für die Täter–Rolle
5.3 Ursachen im Betrieb
5.4 Ursachen in der Gesellschaft

6. Intervention
6.1 Eigenständige Bewältigungsmöglichkeiten seitens des Opfers
6.1.1 Die „innere Kündigung“
6.1.2 Die Eigenkündigung
6.1.3 Gesundheitserhaltende Maßnahmen
6.1.4 Stärkung des Selbstbewusstseins
6.1.5 Schaffung neuer beruflicher Perspektiven
6.2 Die persönliche Gegenwehr des Opfers
6.3 Bewältigung seitens des Opfers mit Unterstützung
6.3.1 Die Selbsthilfegruppe
6.3.2 Die Mobbing-Beratung
6.3.3 Rechtliche Schritte
6.3.4 Hilfe durch Therapie
6.3.5 Die Mediation und das Schlichtungsverfahren
6.3.6 Outplacement
6.4 Intervention auf betrieblicher Ebene

7. Prävention
7.1 Information und Aufklärung
7.2 Formelle Verfahrenswege/ Betriebsvereinbarungen
7.3 Schulung der Konfliktfähigkeit
7.4 Supervision und Moderation
7.5 Gestaltung der Arbeitsbedingungen
7.6 Coaching/ Führungskräftetraining
7.7 Führungsstil
7.8 Feedback der Mitarbeiter

8. Wirkungsmöglichkeiten der Sozialarbeit gegen Mobbing
8.1 Die betriebliche Sozialarbeit
8.2 Die Soziale Arbeit im Allgemeinen
8.3 Möglichkeiten eines Sozialpädagogen/-arbeiters
8.4 Anforderungen an einen Sozialpädagogen/ -arbeiter

9. Resümee

10. Literaturverzeichnis

11. Anhang

1. Einleitung

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ lautet der Titel eines Spielfilms, dessen Macher sich des Themas Mobbing angenommen haben und der unter anderem den Anreiz zu der Anfertigung dieser Diplomarbeit mit dem Titel „„Wenn der Job zur Hölle wird“ – Sozialarbeiterische Maßnahmen der Prävention und Intervention bei Mobbing am Arbeitsplatz“ gegeben hat.

In den Medien und auch in den alltäglichen Gesprächen zwischen Verwandten, Freunden und Bekannten wird in den letzten Jahren mehr und mehr von Mobbing-Handlungen am Arbeitsplatz berichtet. Ob es sich bei diesen scheinbaren Mobbing-Attacken tatsächlich auch um solche handelt, wird nach der intensiven, schriftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema sicherlich besser zu beurteilen sein.

Zu wissen, woher der Begriff „Mobbing“ kommt, wie er definiert, wie der systematische Verlauf und was kein Mobbing ist, ist hierfür sicher grundlegend wichtig. Daher beantwortet auch genau diese Fragen das zweite Kapitel dieser Arbeit.

„Vier Wände. Keine Fenster. Fünf leergeräumte Schreibtische – keine Akten, keine Bildschirme, keine Schreibutensilien, keine Bücher, kein gar nichts. An den Schreibtischen sitzen fünf Männer. Sie blicken starr geradeaus. Sie reden nicht, weil Redeverbot herrscht. Sie laufen nicht herum, weil das nicht erlaubt ist. Sie telefonieren nicht, weil es keine Telefone gibt. Sie sitzen einfach da. Sie waren einmal unentbehrlich für ihre Firma. Heute sind sie überflüssig. Warum kündigt man ihnen nicht? Weil es in Japan undenkbar ist, einem Firmenangehörigen zu kündigen. Deshalb sitzen sie nun hier. Kaltgestellt abseits der Gemeinschaft. Die Geschäftsführung wartet geduldig auf ihre Kündigung. Einige reichen sie nach ein paar Tagen ein. Andere halten schweigend und zur Untätigkeit verdammt Monate durch. Viel länger schafft es kaum jemand – trotz asiatischer Duldsamkeit und weiterlaufender Bezüge.“[1]

Dies ist die Einleitung einer Broschüre, die die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Jahr 2003 herausgegeben hat. Ihr Titel lautet „Wenn aus Kollegen Feinde werden – Der Ratgeber zum Umgang mit Mobbing.“ Die Tatsache, dass es sich hierbei um eine Broschüre, die 48 Seiten umfasst handelt und nicht um ein Merkblatt oder einen Flyer, zeigt deutlich, dass Mobbing ein großes Problem in unserer Gesellschaft darstellt. Darauf, wie häufig genau und in welcher Form Mobbing auftritt, gegen welche Personengruppe/ n es sich richtet und von welchen Personen/gruppen es ausgeht, wird im dritten Kapitel unter dem Titel „Allgemeine statistische Ergebnisse der Forschung“ eingegangen.

Zwar sind solch arge Fälle, wie oben im Beispiel aus Japan geschildert, in Deutschland nicht bekannt, doch auch hier werden in Fällen von Mobbing oftmals die Grundrechte eines jeden Menschen, besonders in Bezug auf die Menschenwürde, mit Füßen getreten.

Je mehr Menschen sich mit diesem Phänomen beschäftigen und um seinen Nährboden und seine Folgen wissen, desto schwieriger wird es Mobbing–Handlungen durchzuführen. Die Kapitel vier und fünf zeigen daher „Die Folgen von Mobbing“ und „Die Ursachen von Mobbing“ auf.

Diese reichen von der Unlust zur Arbeit zu gehen bis hin zum Selbstmord. Soweit muss es aber nicht kommen, denn es gibt verschiedene Möglichkeiten sich gegen Mobbing zu wehren, als Mobbing-Opfer glimpflich davon zu kommen oder von vornherein systematisch dem Ganzen entgegen zu wirken. An dieser Stelle sind eingreifende und vorbeugende Maßnahmen gefordert. In den Kapiteln sechs und sieben der vorliegenden Arbeit werden daher verschiedene Modelle der „Intervention“ und der „Prävention“ vorgestellt.

In vielen Fällen ist bei der Durchführung dieser Maßnahmen Unterstützung von außen gefordert. Ein Gebiet, auf dem Sozialarbeiter/-pädagogen zum Einsatz kommen. Kapitel acht thematisiert die „Wirkungsmöglichkeiten der Sozialarbeit gegen Mobbing“.

Das abschließende Resümee wird noch einmal alle durch diese Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassen und so ihren Abschluss bilden.

Zu der Ausdrucksweise sei vorweg noch gesagt, dass bei generellen Nennungen von Personen ausschließlich auf die männliche Form zurückgegriffen wird. Dies ist keinesfalls als Diskriminierung der weiblichen Form oder von Frauen im Allgemeinen zu verstehen. Es soll lediglich zu einer Erleichterung des Schreibens und Lesens führen.

2. Mobbing

Aufgabe und Ziel dieses zweiten Kapitels ist es, den Begriff Mobbing zu erklären, möglichst so, dass keine Fragen mehr offen bleiben.

Daher wird zunächst erläutert, woher der Begriff stammt.

Die Definition, die natürlich fortan auch dieser gesamten Arbeit zu Grunde

liegen wird, bildet den zweiten Teil der Erklärung, gefolgt von der Schilderung des Mobbing-Verlaufs.

Wie bereits erwähnt wird der Begriff „Mobbing“ leider sehr oft falsch verwendet und verliert dadurch an Seriösität. Daher verdeutlicht der Punkt 2.4, worum es sich bei dem Begriff „Mobbing“ eben nicht handelt. Die Differenzierung zwischen den Begriffen „Mobbing“ und „Konflikt“ ist hier das Thema.

2.1 Entstehung des Begriffs

Anfang der siebziger Jahre verwendete erstmals der Ethnologe Konrad Lorenz den Begriff „Mobbing“. Er beschrieb damit die „Angriffe, die Gruppen von Tieren auf ein einzelnes Tier ausführten, um dieses zu verscheuchen“[2].

Etwa zur gleichen Zeit brachte der Mediziner Peter-Paul Heinemann eine Studie zum Abschluss, die das Gruppenverhalten von Kindern auf dem Schulhof beschrieb und systematisierte. Bei der Lektüre von Lorenz’ Schriften stieß Heinemann auf den Begriff des „Mobbings“ und nutzte diesen fortan zur Beschreibung eines Phänomens, das er während seiner Studie an den Kindern beobachtet hatte.

Dabei verhielten sich die Kinder ähnlich wie die von Lorenz beschriebenen Tiere. In Form einer Gruppe traktierten sie einzelne Kinder auf dem Schulhof so sehr, dass diese im schlimmsten Fall sogar versuchten, sich das Leben zu nehmen.[3]

In den achtziger Jahren bemerkte Heinz Leymann, ein deutschstämmiger Arbeitspsychologe, der nach Schweden ausgewandert war, dass es genau das selbe Phänomen auch in der Arbeitswelt gab.

Auch er benutzte zur Beschreibung dessen den Begriff des „Mobbings“ und führte diesen im Jahr 1993 durch einen Vortrag zu diesem Thema auch in Deutschland ein.

Der grammatikalischen Interpretation des Begriffs liegt wahrscheinlich die lateinische Bezeichnung „mobile vulgus“ zugrunde. Sie steht für die Beschreibung einer aufgewiegelten Volksmenge, den Pöbel, für soziale Massengruppierungen mit sehr geringem oder völlig fehlenden Organisationsgrad, in denen triebenthemmte, meist zerstörerisch wirkende Verhaltenspotenz vorherrscht[4].

Aus dem lateinischen Wort ist bis heute der englische Begriff „mob“ für z.B. „(Verbrecher) Bande, Pöbel, Gesindel“[5] geblieben.

Doch auch das Verb „to mob“ gibt es noch. „Bedrängen, anpöbeln, attackieren, angreifen, über jemanden herfallen, sich zusammenrotten“[6], all dies sind Übersetzungsversuche aus dem Englischen.

Und eben solche Handlungen sind unter dem Begriff „Mobbing“ zu verstehen.

Obwohl der Begriff „Mobbing“ aus dem Englischen stammt, benutzen z.B. die Amerikaner synonym dafür viel häufiger die Begriffe „Bullying“ und „Bossing“.

Genau genommen stehen diese aber nur für eine bestimmte Form des „Mobbings“, nämlich dem von oben nach unten, Vorgesetzter gegen „Untergebenen“.

Umgekehrt, also „Untergebener“ gegen Vorgesetzten, heißt das Phänomen in den USA „Staffing“.

Auch für die Handlungen finden sich unterschiedliche Bezeichnungen. Zum einen gibt es im amerikanischen Sprachgebrauch das „Stalking“. Damit sind beispielsweise Nachstellen, Verfolgen oder Telefonterror gemeint. Gerade dieser Begriff wird mittlerweile auch häufig im Zusammenhang mit dem Verhalten von Fans gegenüber ihren Idolen gebraucht, in diesem Fall werden die Fans als „Stalker“ bezeichnet.

Der zweite Begriff, der als Beschreibung aller An- und Übergriffe am Arbeitsplatz benutzt wird und auch sexuelle Belästigung einschließt, ist das „Harassment“.[7]

Im Gegensatz zu dieser begrifflichen Vielfalt in Amerika ist es im deutschsprachigen Raum üblich, den Begriff Mobbing für alle Formen dessen zu verwenden. Auch für die verschiedenen Handlungen gibt es hier keine zusätzlichen Bezeichnungen.

2.2 Definition des Begriffs „Mobbing“

Die älteste, aber bis heute auch am weitesten verbreitete Definition des Begriffs „Mobbing“ lautet:

„Unter Mobbing wird eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen verstanden, bei der die angegriffene Person unterlegen ist (1) und von einer oder einigen Personen systematisch, (2) oft und während längerer Zeit (3) mit dem Ziel und/ oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis (4) direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.“[8]

Geprägt wurde und wird sie hauptsächlich von der von Heinz Leymann mitbegründeten „Gesellschaft gegen psychosozialen Stress und Mobbing e.V.“.

Allerdings ist diese Definition teilweise etwas schwammig formuliert, so dass einige Mobbing-Fälle darin nicht erfasst werden.

So bemerkt beispielsweise der Psychologe Prof. Dr. Oswald Neuberger, verschiedene Punkte, die er für unzureichend definiert hält.

Unter anderem den, dass die Häufigkeit und Dauer der Mobbing-Attacken durch die Begriffe „systematisch, oft“ und „während längerer Zeit“ festgelegt sind. Damit würden einmalige, seltene, zufällige und unsystematische Attacken ausgeschlossen“ und „z.B. eine intensive oder massive, aber kurzfristige (z.B. vierwöchige) Aggression nicht zum Gegenstandsbereich“ gezählt.[9] Doch auch solche Handlungen können die selben Folgen bei den Opfern hervorrufen, wie dauerhafte und regelmäßige Angriffe.

Auch umfasse die Beschreibung „konfliktbelastete Kommunikation“ im Sinne unseres alltäglichen Sprachgebrauchs nicht Übergriffe wie z.B. körperliche Angriffe oder Sabotage.

Und schließlich und endlich sei es, nach Neuberger, auch nicht grundsätzlich das Ziel der Mobber, ihr Opfer aus dem Betrieb zu vertreiben.[10]

Auch wenn die oben genannte Definition sehr weit verbreitet ist und sicherlich auch die wesentlichen Gedanken der meisten anderen Definitionsansätze zusammenfasst, scheint die derzeit gängige juristische Definition, eine sehr allgemein gehaltene, in jedem Fall zuzutreffen und somit alle Mobbing-Fälle, -handlungen einzuschließen.

Sie lautet

„Mobbing ist das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“[11],

und liegt fortan auch dieser Arbeit zugrunde.

2.3 Der Mobbing-Verlauf

An dieser Stelle ist es sicherlich sinnvoll neben den theoretischen Erkenntnissen auch einmal ein persönliches Schicksal darzustellen.

Anhand des Fallbeispiels der Schweißerin Lena aus Schweden sind, wie sich später zeigen wird, einige typische Phasen des Mobbing-Verlaufs zu erkennen. Zudem vermittelt es einen kleinen Überblick darüber, wie ein solcher Verlauf sich praktisch gestalten und welche Folgen er nach sich ziehen kann.

Zur theoretischen Untermauerung schließt sich daran eine Erklärung des in der Fachliteratur sehr häufig erwähnten „Phasenmodells“ nach H. Leymann an.

2.3.1 Fallbeispiel der Schweißerin Lena aus Schweden

Gleich nach ihrer Umschulung zur Schweißerin hatte Lena einen Arbeitsplatz gefunden. Entgegen ihrer Befürchtungen, dass es auf Grund ihres Geschlechts – sie war die einzige Frau unter Männern – vielleicht Schwierigkeiten hätte geben können, lief zunächst alles gut.

Nach etwa einem Monat bat sie der Werksmeister darum, in der Küche auszuhelfen, da dort zwei Mädchen krank geworden waren.

Lena sprang vorerst in der Küche ein, hatte jedoch Bedenken, dass diese Ausnahmesituation zur Regel werden könnte. Genau so kam es dann auch.

Bei einem der nächsten Male, die der Meister sie in die Küche schickte, verweigerte Lena diesen Dienst und sagte „nein“.

Ab diesem Zeitpunkt musste sie sich täglich Lästereien über ihre Person anhören und einige ihrer jüngeren Kollegen kniffen ihr im Vorbeigehen sogar in den Hintern.

Lena hatte das Gefühl, dass sie nicht an ihren Arbeitsplatz gehörte, dass ihre Kollegen sie in der Hand hatten und mit ihr machen konnten, was sie wollten. Auch von ihrem Meister fühlte sie sich gehasst, er ließ kein gutes Haar mehr an ihr.

Lena hatte fortan Angst zur Arbeit zu gehen, morgens bekam sie Weinkrämpfe und Magenschmerzen.

Einmal hatte sie versucht, sich gegen die Gemeinheiten ihrer Kollegen zu wehren, indem sie sich diese Behandlung verbat. Daraufhin wurden die verbalen Attacken jedoch nur noch aggressiver.

Sogar in der Lohneinstufung wurde Lena ihren Kollegen gegenüber benachteiligt.

Das Erscheinen eines Artikels über Lenas Fall in der Gewerkschaftszeitung hatte zur Folge, dass sie einen anonymen Drohbrief mit beleidigenden Behauptungen erhielt.

Über ihre darauf folgende Beschwerde bei ihrem Meister lachte dieser nur.

Lena stand also den Quälereien im Betrieb ganz allein gegenüber. Keiner ihrer Kollegen, nicht ihr Meister und auch niemand aus der Gewerkschaft stand ihr zur Seite.

Zusätzlich zu den Magenbeschwerden litt Lena von nun an unter leichten Depressionen und Schlaflosigkeit.

Wegen dieser Symptome ging sie zum Arzt, der sie für eine Woche krank schrieb.

Ohne die Attacken ihrer Kollegen erholte sich Lena und ging guten Mutes wieder zur Arbeit. Doch die Situation dort änderte sich nicht.

Lena geriet in eine Serie von kurzen Fehlzeiten. Ihr Werkmeister teilte ihr daraufhin eines Tages mit, dass sie so den Produktionsablauf störte und sie daher versetzt würde. Von nun an arbeitete sie im Lager.

Diese Degradierung bedeutete eine mindestens ebensolche Qual für Lena wie die Lästereien und Behandlungen ihrer Kollegen.

Mittlerweile bekam sie schon beim Klingeln ihres Weckers Angstzustände. Aufgrund der diversen psychosomatischen Symptome, die Lena mittlerweile aufwies, wurde sie letztlich auf lange Zeit krank geschrieben.

Das Resultat des Mobbings an Lena ist, dass sie mit 39 Jahren bereits Frührentnerin ist. Sie ist depressiv, mittlerweile mit hoher Wahrscheinlichkeit abhängig von den vielen Psychopharmaka, die sie seit langer Zeit geschluckt hatte und zu keiner Arbeit mehr fähig.[12]

2.3.2 Das „Phasenmodell“

Heinz Leymann, einer der ersten, die sich mit dem Thema Mobbing intensiv beschäftigten, beschrieb in seinem ersten Buch (1993 in der ersten Auflage erschienenen) zum Thema Mobbing, ein Phasenmodell, das den Weg in die Mobbing-Katastrophe veranschaulichen und systematisieren sollte.

Dieses Modell erstreckte sich zunächst über vier Phasen.

Ein ungelöster Konflikt stellt die erste dar. Das Opfer muss sich während dieser einzelnen Unverschämtheiten und Gemeinheiten stellen.

Die zweite Phase ist geprägt durch den Versuch, das Opfer mürbe zu machen. Der oder die Mobber konzentrieren sich völlig auf sein/ ihr Opfer und setzen es dauerndem Psychoterror aus.

Möglich ist diese Entwicklung nur dann, wenn niemand von außen in das Geschehen eingreift, z.B. der Arbeitgeber oder der Betriebsrat.

Doch selbst die müssen, wenn sie sich auch erst mal sehr zurückgehalten, bzw. das ganze ignoriert oder sogar daran mitgewirkt haben, irgendwann in das Geschehen eingreifen.

Dieser Eingriff findet jedoch, laut Leymanns Theorie, sehr oft mit den falschen Mitteln statt. Rechtsbrüche durch Über- und Fehlgriffe der Personalverwaltung in Form von Versetzung, Abmahnung, Drohungen, Abqualifizierung oder Kündigungsversuchen gegenüber dem Opfer sind Gegenstand der dritten Phase des Mobbing-Prozesses.

Die vierte und letzte Phase beinhaltet den Ausschluss aus der Arbeitswelt. Dies kann geschehen durch Abschieben, mehrere Versetzungen hintereinander, die Zwangseinweisung in eine Nervenheilanstalt, eine Kündigung mit Abfindung, langfristige Krankschreibung, Frührente oder Eigenkündigung.[13]

Nach weiteren Untersuchungen und Studien kam Leymann dann jedoch zu dem Schluss, dass es noch eine fünfte Phase im Mobbing-Verlauf gab.

Einzuordnen ist diese zwischen der bisherigen dritten und vierten Phase.

Die „neue“ Phase vier hat ärztliche und therapeutische Fehldiagnosen, als auch vergebliche juristische Schritte zum Inhalt.[14]

Dieses mittlerweile also „Fünf-Phasen-Modell“ hat sich unter Fachleuten bewährt und wird quasi als Richtlinie angewandt.

Axel Esser und Martin Wolmerath vergleichen das Modell in ihrem Buch „Mobbing – Der Ratgeber für Betroffene und ihre Interessenvertretung“ sehr anschaulich mit einer guten „Landkarte, um sich zu orientieren,... Aber nicht jede eingezeichnete Straße einer Landkarte wird auch häufig befahren“.[15]

Damit wollen sie klar machen, dass es nicht zwingend so sein muss, dass in einem Mobbing-Verlauf alle fünf Phasen durchlebt werden.

Um auf das Fallbeispiel der Schweißerin Lena zurück zu kommen; auch ihr Fall entspricht nicht vollständig dem Modell.

Zwar gibt es den anfänglichen Konflikt mit dem Meister, aber diesem folgen nicht einzelne Gemeinheiten, sondern direkt die der zweiten Phase zugeordneten massiven Belästigungen, die bei Lena den durch die Kollegen gewünschten Effekt, nämlich ihr Fernbleiben von der Arbeit, hervorriefen.

Die dritte Phase trat in Lenas Fall völlig ein, und zwar in Form der Benachteiligung bei der Lohneinstufung und ihrer Versetzung.

Die vierte von Leymann später dem Modell hinzugefügte Phase der ärztlichen und therapeutischen Fehldiagnosen und vergeblichen juristischen Schritte, fehlt hingegen in Lenas Mobbing-Verlauf.

Um so massiver tritt dafür die fünfte Phase, nämlich der Ausschluss aus der Arbeitswelt ein. Lena ist durch die Folgen des Mobbings so sehr beeinträchtigt, dass sie nicht nur ihrer bisherigen Arbeitsstelle fern bleiben muss, sondern in ihrer andauernden Verfassung auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Chance mehr hat eine neue Anstellung zu finden, da sie in keinster Weise mehr belastbar ist.

Es ist z.B. auch denkbar, dass der Mobbing-Verlauf nach der zweiten Phase des Mobbings und Psychoterrors direkt in Phase fünf übergeht, weil das Opfer so sehr unter den Attacken leidet, dass es eigenständig kündigt oder langfristig krankgeschrieben wird.

Eine weitere, nicht gerade seltene Verlaufsform ist die, dass der Betroffene die Mobbing-Handlungen über einen gewissen Zeitraum erträgt und diese dann aus diversen Gründen wieder aufhören, ohne dass es zu weiteren Phaseneintritten kommt.

Auch wenn also das „Fünf-Phasen-Modell“ ein gutes Gerüst bildet, das aufzeigt, was im schlimmsten Fall alles eintreten kann, aber nicht zwingend muss, ist eine individuelle Betrachtung jedes einzelnen Mobbing-Falls immer von Nöten, gerade auch, um dem Opfer, seiner derzeitigen Situation entsprechend, die beste Hilfe zukommen zu lassen.

2.4 Differenzierung der Begriffe „Mobbing“ und „Konflikt“

Zwischen den Begriffen „Mobbing“ und „Konflikt“ kommt es allgemein sehr häufig zu Verwechslungen. Z.B. kann es vorkommen, dass jemand bei der Arbeit einen Streit mit dem Kollegen hat oder sich bei der Aufgabenverteilung ungerecht behandelt fühlt. Schon kommt er abends nach Hause und erzählt seiner Frau, dass er bei der Arbeit gemobbt werde. Genau solche falschen Anwendungen des Begriffs „Mobbing“ führen dazu, dass dieser mehr und mehr zum Modewort verkommt. Als Folge daraus werden Menschen, die tatsächlich davon betroffen sind, mit ihren Schilderungen nicht mehr ernst genommen.

Daher an dieser Stelle die Begriffs-Differenzierung.

In H. Leymanns bereits vorgestelltem „Phasenmodell“ taucht der Begriff „Konflikt“ in der ersten Phase als mögliche Ursache für einen Mobbing-Prozess auf. Leymann grenzt aber diesen Begriff in seinen Äußerungen klar von dem des Mobbing ab. Mobbing findet nach seiner Auffassung zeitlich dem Konflikt nachgelagert statt.[16]

Allgemein steht sicherlich fest, dass Konflikte dazu gehören, wenn mehrere Menschen über längere Zeit zusammen sind.

Gerade im Arbeitsleben können sie schließlich auch gute Ergebnisse hervorbringen, sofern die beteiligten Parteien dazu fähig sind, den Konflikt ordentlich und fair auszutragen und fortan weiterhin respektvoll und kollegial miteinander umzugehen.

In diesem Fall würde es sich um einen konstruktiven Konflikt handeln.[17]

H. Leymann hat eine Definition festgelegt, die es unumstritten ermöglicht zwischen „Konflikt“ und „Mobbing“ zu differenzieren.

Diese besagt, dass es, wenn der Betroffene von einer oder mehreren von 45 konkret beschriebenen Handlungen (1), mindestens einmal die Woche (2) und für die Dauer wenigstens eines halben Jahres (3) betroffen ist, sich eindeutig um Mobbing handelt.[18]

Natürlich kann es während eines Konflikts vorkommen, dass eine der 45 von H. Leymann aufgeführten Handlungen (oder eine artverwandte) vorkommen. Auch die Dauer eines Konflikts kann sich mal über mehrere Tage oder Wochen erstrecken. Aber erst, wenn alle drei oben genannten Punkte gemeinsam auftreten, zudem noch untermauert von persönlicher Feindschaft[19], handelt es sich um „Mobbing“ und nicht mehr nur um einen „Konflikt“.

3. Allgemeine statistische Ergebnisse der Forschung

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist der Sinn dieses Kapitels, einen Überblick darüber zu verschaffen, wie stark Mobbing in Deutschland verbreitet ist, welche Mobbing-Handlungen am häufigsten ausgeführt werden, welche Folgen am meisten beschrieben werden etc.

Die Grundlage für dieses Kapitel ist „Der Mobbing-Report“, eine „Repräsentativstudie für die Bundesrepublik Deutschland“.

3.1 Die deutsche Mobbing-Studie

Diese Studie ist bisher die einzige zum Thema Mobbing in der BRD.

Zu Beginn der 90er Jahre führten Wissenschaftler um den Mobbing-Forscher Heinz Leymann in Schweden verschiedene Studien durch, später wurden diese auf den gesamten skandinavischen Raum ausgeweitet.

Für den deutschsprachigen Raum, speziell für Deutschland, gab es zunächst keine Forschungsergebnisse, die etwas über die Verbreitung oder Art des Mobbings hierzulande ausgesagt hätten.

Die skandinavischen Ergebnisse wurden vorerst einfach hochgerechnet und auf Deutschland übertragen. Dabei wurde jedoch nicht berücksichtigt, dass beispielsweise in Schweden andere rechtliche und ökonomische Rahmenbedingungen gelten als in Deutschland. Somit ist eine Hochrechnung und Übertragung nicht unbedingt aussagekräftig.

Etwa zehn Jahre nach den ersten skandinavischen Studien gibt es nun auch Ergebnisse für den deutschen Raum. Und diese zeigen, dass es tatsächlich Unterschiede zwischen Skandinavien und Deutschland in der Betroffenheit der Geschlechter, dem Status und der Anzahl der mobbenden Personen gibt.[20]

Die Studie wurde in zwei Befragungsstufen durchgeführt. In beiden Stufen wurde dabei ein (weitgehend) standardisierter Fragebogen als Grundlage für die Befragung genutzt.

In der ersten Stufe fand die Befragung durch einen Interviewer am Telefon statt, in der zweiten füllten die Befragten den Bogen zuhause aus und schickten ihn dann anonym an das Forschungsinstitut zurück.

Die Befragung am Telefon hat den Vorteil, dass eventuelle Unklarheiten durch den Interviewer direkt geklärt werden können.

Die anonyme, schriftliche Befragung per Fragebogen ermöglicht dagegen, dass viele Befragte sich zusätzlich trauen über sensible und intime Details zu berichten.

Insgesamt wurden in den beiden Stufen der Studie 5.700 Menschen befragt.

Angelehnt an Leymanns Definition lautete bei deren Befragung die erste Frage grundsätzlich:

„Unter Mobbing ist zu verstehen, dass jemand am Arbeitsplatz häufig über einen längeren Zeitraum schikaniert, drangsaliert oder benachteiligt und ausgegrenzt wird. – Sind Sie derzeit oder waren sie schon einmal in diesem Sinne von Mobbing betroffen?“[21]

Je nach dem, ob diese Frage mit ja oder nein beantwortet wurde, wurden weitere Fragen zu Art, Dauer, vermuteten Ursachen usw. abgearbeitet.

3.2 Das Ausmaß von Mobbing

Eines der ersten Ergebnisse bei der Auswertung der Studie besagt, dass die Quote derjenigen, die in dem Jahr, auf das sich die Befragung bezog, also das Jahr 2000, akut von Mobbing betroffen waren, bei 2,7 % liegt. Allerdings gaben 5,5 % der Befragten an, dass sie im Laufe des Jahres betroffen gewesen seien, die Mobbing-Attacken aber mittlerweile ein Ende gefunden hätten.

Diese Zahlen lassen darauf schließen, dass die Wahrscheinlichkeit während der gesamten Zeit der Erwerbstätigkeit zum Mobbing-Opfer zu werden, bei 11,3 % liegt. Somit ist etwa jede neunte Person mindestens einmal im Leben von Mobbing betroffen.

So erschreckend hoch diese Zahlen wirken mögen, sie entsprechen den Ergebnissen der bisherigen europäischen Studien.[22]

3.2.1 Die Betroffenheit nach Geschlechtern

Die Frage, wer stärker von Mobbing betroffen ist, Frauen oder Männer, lässt sich jedoch auch mit den Ergebnissen der Studie nur schwer beantworten.

Die Zahlen sprechen dafür, dass es das weibliche Geschlecht ist, dass häufiger unter Mobbing-Attacken zu leiden hat. 58 von 100 Betroffenen sind Frauen. Diese Zahl ist jedoch nicht bereinigt.

In Deutschland gilt offiziell Gleichberechtigung der Geschlechter. Trotzdem lassen sich als Gründe für das höhere Mobbingrisiko geschlechtshierarchische Einflüsse vermuten, und auch formale Aspekte wie „Zugehörigkeit zu hierarchischen Positionen, weniger etablierte Stellung in Organisationen, weniger abgesicherte Arbeitsverhältnisse etc. werden hier Wirkung zeigen.“[23]

3.2.2 Die Betroffenheit nach Alter

In Bezug auf das Alter lässt sich festhalten, dass 25- bis 34-jährige, 35- bis 44-jährige, 45- bis 54-jährige und 55-jährige und ältere etwa gleich stark von Mobbing betroffen sind. Die Altersgruppe zwischen 45 und 54 Jahren weicht dabei prozentual leicht nach unten ab, die der 55-jährigen und älteren schlägt leicht nach oben aus.

Besonders stark betroffen sind allerdings die Befragten unter 25 Jahren, also die Berufsanfänger. Während die Zahlen sich bei den anderen Gruppen um die 2,6 % drehen, ist das Ergebnis in dieser Gruppe eine Betroffenheitsquote von 3,7 %.

Dies ist umso dramatischer, da die Betroffenen erst am Beginn ihrer beruflichen Karriere stehen und ohnehin in ihrer Persönlichkeit noch nicht sehr gefestigt sind.[24]

3.2.3 Die Betroffenheit nach Berufsgruppen

Wie sich zeigte, ist das Risiko gemobbt zu werden in den verschiedenen Berufsgruppen unterschiedlich hoch.

Am stärksten von Mobbing betroffen ist die Berufsgruppe der sozialen Berufe. Dieser Gruppe gehören auch Sozialpädagogen/-arbeiter an, also genau diejenigen, die unter anderem dazu da sind, Mobbing-Opfern zu helfen. Dies ist verwunderlich, denn gerade von denjenigen, die wissen, worum es sich bei Mobbing handelt, sollte man doch erwarten können, dass sie dies tunlichst vermeiden.

Nicht ganz so häufig, aber doch überdurchschnittlich stark betroffen ist Verkaufspersonal, sind Techniker, Bank-, Bausparkassen- und Versicherungsfachleute. Auch Menschen, die in Gesundheitsdienstberufen tätig sind, berichten verstärkt über Mobbing, genau wie solche, die Büroberufen nachgehen, kaufmännische Angestellte, Rechnungskaufleute und Informatiker.

Im Gegensatz zu Berufsgruppen, die besonders stark von Mobbing betroffen sind gibt es natürlich auch solche, die kaum Probleme damit haben. Darunter fallen in erster Linie landwirtschaftliche Berufe, Berufe des Landverkehrs und Reinigungs- und Entsorgungsberufe. Aber auch Groß- und Einzelhandelskaufleute, Ein- und Verkaufsfachleute berichten nur ganz selten von Mobbing-Fällen.[25]

3.3 Die Mobbing-Handlungen

Wie bereits erwähnt, gibt es eine Liste mit dem Titel „Die 45 Handlungen – was die „Mobber“ tun“[26]. Die folgenden Mobbing-Handlungen lassen sich allesamt in diese einordnen und erfreuen sich zudem, laut der hier zugrunde liegenden Studie, der größten Beliebtheit bei den Mobbern.

Am häufigsten verbreiten diese Gerüchte und Unwahrheiten um ihren Opfern zu schaden. Auch Sticheleien, Hänseleien, Ausgrenzung, Isolierung, das Opfer als unfähig darzustellen oder es zu beleidigen sind Handlungen, die in der Befragung überdurchschnittlich häufig genannt wurden. Die Schädigung des Ansehens der Opfer scheint also in der Regel das erste Ziel und auch der erste Erfolg der Mobber zu sein.

Ebenfalls häufig wurden auch Handlungen wie die falsche Bewertung der Arbeitsleistung, die Verweigerung wichtiger Informationen, das massive, ungerechte Kritisieren der Arbeit, Arbeitsbehinderung als auch Arbeitsentzug genannt.

Ziel dieser Handlungen, die größtenteils eher durch Vorgesetzte als durch Kollegen ausgeführt werden können, ist es, laut Leymanns Liste, die Berufssituation des Opfers anzugreifen.[27]

Leymann nennt in seiner Auflistung noch drei weitere Angriffspunkte für die Mobber. Dies sind zum einen die Möglichkeiten des Opfers, sich mitzuteilen, dann die sozialen Beziehungen des Opfers und letztlich dessen Gesundheit.[28]

Gerade mit Angriffen auf diese Bereiche beginnen Mobbing-Verläufe aber meistens und ziehen sich durch diese hindurch. Da die Mobbing-Opfer in der Studie diese Handlungen aber als weniger häufig benannten, ist zu vermuten, dass die Angriffe auf ihr soziales Ansehen und ihre Arbeitsleistungen von ihnen als wesentlich massivere Einschränkungen empfunden werden.

Unterschiede gibt es auch hier zwischen den Geschlechtern und Altersgruppen.

Aus den Angaben der Befragten ergibt sich, dass Frauen häufiger im sozialen Bereich angegriffen werden. Männer hingegen haben verstärkt darunter zu leiden, dass ihre beruflichen Fähigkeiten in Frage gestellt oder ihnen sogar ganz abgesprochen werden.

Bei den Unterschieden in der Art wie unterschiedliche Altersgruppen gemobbt werden fällt auf, dass Berufsanfängern im Alter bis etwa 25 Jahren das Gefühl vermittelt wird, dass sie über zu geringe fachliche Kompetenzen verfügen. Bei den älteren Mobbing-Opfern, ab 55 Jahren, setzten die Mobber darauf, sie spüren zu lassen, dass sie nicht mehr gebraucht werden und überflüssig sind.[29]

Es ist klar ersichtlich, dass es sich hier um Angriffe handelt, die auf die Psyche der Opfer abzielen. Die Schwachstellen der Gemobbten werden ausgemacht und dann gezielt attackiert.

Bei Frauen ist allgemein die Sensibilität im sozialen Bereich größer als bei Männern. Diese sind dafür wesentlich empfindlicher, was die Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit angeht.

Genauso ist bekannt, dass sich Neulinge, gerade im Berufsleben erst einmal beweisen müssen und es eine der größten Ängste, besonders älterer Menschen ist, nicht mehr gebraucht zu werden.

Selbst wenn die Mobber sich also nicht bewusst für eine Taktik entscheiden, so werden sie sicherlich intuitiv die „richtige“ Wahl der Mittel treffen.[30]

3.4 Die Häufigkeit und die Dauer

Über die Häufigkeit der Mobbing-Angriffe sagt die Studie aus, dass mehr als die Hälfte aller Betroffenen diesen mindestens mehrmals in der Woche, wenn nicht sogar täglich ausgesetzt ist.

17,9 % der Befragten äußerten, dass sie weniger als mehrmals im Monat attackiert würden. Da, wie oben bereits erwähnt, neben der Häufigkeit Art und Kontinuität der Angriffe ebenfalls eine bedeutende Rolle für die Folgen spielen, können jedoch auch diese verhältnismäßig seltenen Angriffe die selben Folgen haben wie die täglichen.

Zur Dauer ergab die Studie, dass mehr als die Hälfte aller Mobbing-Fälle „nur“ kürzer als ein Jahr dauert.

Allerdings sind es immer noch knapp ein Viertel der Opfer, die zwischen ein und zwei Jahren direkt unter den Angriffen leiden müssen.

Und leider besagen die Ergebnisse der Studie auch, dass noch etwa 12,5 % der Befragten länger als drei Jahre in der so unerträglichen Situation ausharren (müssen).

3.5 Die Mobber

Ein sehr erschreckendes Ergebnis der Studie ist, dass die Anzahl der Fälle, in denen ein Vorgesetzter allein das Mobbing zu verantworten hat oder wenigstens dabei mitwirkt, fast genauso häufig auftreten, wie die, in denen ausschließlich Kollegen dafür verantwortlich sind.

Dramatisch ist dies insbesondere dadurch, dass das subjektive Empfinden der Situation durch die Opfer auswegloser erscheint. Es ist ohnehin schon schwer, sich gegen einen oder mehrere Mobber durchzusetzen. Handelt es dich dabei aber auch noch um eine Person, die in der Firmenhierarchie höher gestellt ist, sinken die Chancen der erfolgreichen Gegenwehr zusätzlich.[31]

Erwähnt sei an dieser Stelle auch noch, dass ein Vorgesetzter der erste Ansprechpartner für Mobbing-Opfer sein sollte. Umso schlimmer ist es daher, wenn er selbst der Mobber ist.

[...]


[1] Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2003, S. 4

[2] Kollmer 2003, S. 2

[3] vgl. Kollmer 2003, S. 2 f.

[4] vgl. Kollmer 2003, S. 3

[5] Langenscheidts Taschenwörterbuch Englisch 1992, S. 382

[6] Kratz 2003, S. 10

[7] vgl. Kollmer 2003, S. 7

[8] Leymann 1995, S. 18

[9] Neuberger 1999, S. 17

[10] vgl. ebd., S. 17

[11] http://www.mobbing-zentrale.com/htmltonuke.php?filnavn=definition.html, Datum 22.02.2004, s. auch Anhang

[12] vgl. Leymann 2002, S. 19 f. u. 57 f.

[13] vgl. Leymann 2002, S. 59 ff

[14] vgl. Leymann 1995, S. 20 f.

[15] Esser/ Wolmerath 1997, S. 24

[16] vgl. Niedl 1995, S. 30 f.

[17] vgl. Leymann 2002, S. 60

[18] vgl. Leymann 1995, S. 17

[19] vgl. Esser/ Wolmerath 1997, S. 35

[20] vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2003, S. 9 ff

[21] Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2003, S. 19

[22] vgl. ebd., S. 23 f.

[23] ebd., S. 27

[24] vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2003, S. 27 f.

[25] vgl. ebd, S. 29 ff

[26] s. Leymann 2002, S. 33 f., s. auch Anhang

[27] vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2003, S. 39 ff

[28] vgl. Leymann 2002, S. 33 f.

[29] vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Lagenhoff 2003, S. 42 ff

[30] vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2003, S. 42 ff

[31] vgl. Meschkutat/Stackelbeck/Langenhoff 2003, S. 64 ff

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Sozialarbeiterische Maßnahmen der Prävention und Intervention bei Mobbing am Arbeitsplatz
Untertitel
"Wenn der Job zur Hölle wird"
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
98
Katalognummer
V33677
ISBN (eBook)
9783638340960
Dateigröße
719 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wenn, Hölle, Sozialarbeiterische, Maßnahmen, Prävention, Intervention, Mobbing, Arbeitsplatz
Arbeit zitieren
Jessica Noll (Autor:in), 2004, Sozialarbeiterische Maßnahmen der Prävention und Intervention bei Mobbing am Arbeitsplatz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33677

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