Kindheit und Armut. Wie Kinder Armut erleben und bewältigen


Vordiplomarbeit, 2004

20 Seiten, Note: 1

Anonym


Leseprobe


inHalt

1 Einleitung

2 Armutsbegriff

3 Armutskonzepte
3.1 Ressourcenansatz
3.2 Konzept der Lebenslage

4 Wie Kinder Armut erleben
4.1 AWO-ISS-Studie „Lebenslagen und Lebenschancen von (armen) Kindern und Jugendlichen“
4.1.1 Armutskonzept
4.1.2 Auswirkungen von Armut auf die Lebenssituation von Kindern im Vergleich zu nicht-armen Kindern
4.2 Analyse der Lebenslage von Grundschulkindern anhand des Spielräumekonzeptes ( Studie: “meine Familie ist arm“ von Chassé, Zander und Rasch)
4.2.1 Das Spielräumekonzept
4.2.2 Auswirkungen von Armut in verschiedenen Spielräumen

5 Wie Kinder Armut bewältigen
5.1 Bewältigungskonzepte
5.2 Untersuchung von Richter zum Bewältigungsverhalten von armen Grundschulkindern
5.3 Bedeutung von Ressourcen für die Bewältigung von Armut bei Kindern

6 Resümee und Ausblick

7 Literatur

8 Anhang

1 Einleitung

Laut einer Studie der Arbeiterwohlfahrt (AWO) wächst 1998 etwa jedes siebte Kind beziehungsweise jeder siebte Jugendliche in Einkommensarmut auf (vgl. AWO Bundesverband e.V. 2000, S. 42). Obwohl Kinderarmut in den letzten Jahren zunehmend als eigenständiges Problem in der Armutsforschung thematisiert wird, wurde das Thema meist aus der Sicht der Erwachsenen (z.B. anhand von Befragungen von Sozialpädagogen) untersucht.

Erst Ende der neunziger Jahre wurde „in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen die Subjektperspektive, das heißt zum einen die Kinderperspektive an sich sowie zum anderen die kindliche Wahrnehmung ihrer Lebenslage und die kindlichen Deutungs-, Bewältigungs- und Handlungsmuster, verstärkt zum Thema gemacht“ (ebd., S.19).

Einige der Studien, die sich mit Kinderarmut speziell aus der Kinderperspektive beschäftigt haben, möchte ich in dieser Arbeit vorstellen. Dabei werde ich den Fragen nachgehen, ob Einschränkungen und Benachteiligungen in verschiedenen Lebensbereichen für arme Kinder bestehen, welche dies sind, wie die Kinder selbst diese wahrnehmen und deuten und welche Bewältigungsmöglichkeiten die Kinder haben. Zuvor werde ich jedoch die gängigen Armutsbegriffe- und Konzepte vorstellen und kurz erläutern. Diese liegen auch den Studien zugrunde bzw. werden dort weiter ausdifferenziert . Am Ende meiner Arbeit werde ich darstellen, welchen Handlungsbedarf ich in der Praxis sehe.

2 Armutsbegriff

Um mit dem Begriff der Armut umzugehen, muss erst einmal definiert werden, was in der vorliegenden Arbeit unter Armut verstanden wird.

In der Diskussion um Armut in Deutschland wird meist von einem relativen Armutsbegriff ausgegangen, da der Begriff der absoluten Armut, also das „Fehlen des zum Überleben Notwenigen“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2002, S.138) in einer modernen Gesellschaft wie der, der Bundesrepublik Deutschland, verfehlt wäre. Armut wird relativ zu den Standards der jeweiligen Gesellschaft definiert (vgl. ebd., S. 138). Damit ist Armut also abhängig von dem Wohlstandsniveau einer Gesellschaft, dass heißt, wenn der gesellschaftliche Wohlstand wächst, steigt auch die entsprechende Armutsgrenze.

3 Armutskonzepte

In der Armutsforschung wird im Allgemeinen zwischen zwei verschiedenen Armutskonzepten unterschieden: einem mehrdimensionalen Ansatz der Lebenslagenarmut und einem Ansatz, der an „Ressourcen“ orientiert ist.

3.1 Ressourcenansatz

Der Ressourcenansatz verwendet als Bemessungsgrundlage für Armut die finanziellen Ressourcen, das Einkommen und/oder das Vermögen der Betroffenen (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2002, S. 138).

Es gibt mehrere Möglichkeiten, um Armut im Bereich des Einkommens zu messen. Häufig wird der Sozialhilfebezug als Indikator für Armut herangezogen. Der Sozialhilfebezug in Form von „laufender Hilfe zum Lebensunterhalt“ (HLU) wird politisch jedoch eher als Indikator für Armutsbedrohung als für Armut selbst verwendet[1] (vgl. ebd., S. 139). Die meisten Armutsstatistiken in der empirischen Armutsforschung orientieren sich am Netto-Äquivalenzeinkommen.[2] Im Bereich der Europäischen Union wird die 50 Prozent-Grenze als relative Armutsgrenze verwendet und macht damit internationale Vergleiche möglich. Das heißt, dass diejenigen, die weniger als 50 Prozent des Netto-Äquivalenzeinkommens zur Verfügung haben, als arm gelten. Weitere Grenzen, die in einigen Studien verwendet werden, liegen bei 40 bzw. 60 Prozent (vgl. AWO Bundesverband e.V. 2000, S. 23). Aber der Ressourcenansatz ist mit seiner „eindimensionale[n] [...] Fokussierung auf Einkommensarmut [...] - gerade in bezug auf Kinder - nur begrenzt aussagekräftig“ (Walper 1995, S. 182; Auslassungen: J.V.).

3.2 Konzept der Lebenslage

Ein mehrdimensionaler Ansatz, der neben dem Einkommen auch verschiedene zentrale Lebensbereiche mit einbezieht ist das Lebenslagenkonzept. Das Konzept der Lebenslage wurde bereits in den dreißiger Jahren von dem Nationalökonomen und Philosophen Otto Neurath begründet und wurde in den fünfziger Jahren von Gerhard Weisser wieder aufgegriffen (vgl. AWO Bundesverband e.V. 2000, S. 24). Weisser definiert Lebenslage als den „...Spielraum, den einem Menschen (einer Gruppe von Menschen) die äußeren Umstände nachhaltig für die Befriedigung der Interessen bieten, die den Sinn seines Lebens bestimmen“ (Weisser zit. n. Glatzer/Hübinger 1990, S. 35).

Im Vordergrund steht bei diesem Ansatz das Verhältnis zwischen objektiv gegebenen Handlungsspielräumen und subjektiv vorhandenen Interessenorientierungen. Der Lebenslagenansatz bezieht sich auf die Gesamtsituation der Versorgung.

Für die Definition von Armut werden nach diesem Ansatz neben dem Einkommen auch Faktoren wie Wohnraumversorgung, Bildung, soziale Kontakte und Gesundheit berücksichtigt (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, S. 138).

4 Wie Kinder Armut erleben

4.1 AWO-ISS-Studie „Lebenslagen und Lebenschancen von (armen) Kindern und Jugendlichen“

Im Auftrag des Bundesverbandes der AWO führte das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Frankfurt am Main (ISS) eine Studie zu „Lebenslagen und Lebensgesamtchancen von (armen) Kindern und Jugendlichen“ durch (AWO Bundesverband e.V. 2000, S. 10). In dieser Studie wurde die Lebenslage von armen Vorschulkindern in vier zentralen Lebenslagebereichen untersucht und mit der Lebenssituation von nicht-armen Kindern verglichen.

4.1.1 Armutskonzept

Die AWO-ISS-Studie hat versucht, einen kindgerechten Armutsbegriff zu entwickeln. Dabei orientierte sie sich an einem mehrdimensionalen Armutskonzept, bei dem neben der materiellen Lage der Familie des Kindes vor allem die Lebenssituation und Lebenslage des Kindes selbst im Mittelpunkt stehen sollte.

Die „Grundbedingungen eines kindgerechten Armutsbegriffs“ nach der ISS-Studie der AWO möchte ich hier zusammengefasst wiedergeben.

Die Definition muss, laut der Studie, vom Kind ausgehen. Sie ist notwendigerweise mehrdimensional. Die einbezogenen Dimensionen müssen die anstehenden Entwicklungen und die spezielle Lebenssituation der untersuchten Altersgruppe aber auch die subjektive Wahrnehmung der Kinder berücksichtigen. Gleichzeitig muss die Gesamtsituation des Haushalts berücksichtigt werden. Allerdings soll Armut nicht als Sammelbegriff für benachteiligte Lebenslagen verwendet werden. Nur wenn bei den Kindern „familiäre Armut“[3] vorliegt, gelten sie als arm (vgl. AWO Bundesverband e.V. 2000, S. 28).

Tabelle 1 zeigt, welche Dimensionen im Rahmen der Studie berücksichtigt wurden.

Tabelle 1 (vgl. ebd., S. 28)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die AWO-ISS-Studie nennt verschiedene Faktoren, die Einfluss auf die Lebenslage und die zukünftigen Lebenschancen des Kindes/Jugendlichen haben. Dabei handelt es sich um die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (Arbeitsmarktlage, sozial- und familienpolitische Gesetze (z.B. Asylgesetzgebung) und Bildungspolitik), die Lebenssituation in der Familie (Wohnsituation, soziale und kulturelle Kompetenzen der Eltern, Familienklima emotionale Zuwendung, die das Kind erhält und der Erziehungsstil), das Umfeld und soziale Netzwerk der Familie und die Zugangsmöglichkeiten zu professioneller Unterstützung (vgl. AWO Bundesverband e.V. 2000, S. 29f.). Die beschriebenen Dimensionen und Einflussfaktoren erweitern das Armutskonzept der AWO-ISS-Studie zu einem Lebenslagekonzept von Kindern und Jugendlichen bei dem die Entwicklungsmöglichkeiten und Teilhabechancen der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen.

[...]


[1] Auch wenn Armut nicht mit dem Empfang von Sozialhilfe gleichgesetzt werden kann, stellt die Zahl der Sozialhilfeempfänger/Innen „...dennoch ein Maß dafür dar, wie viele Personen zur Sicherung ihrer gesellschaftlichen Teilhabe auf finanzielle Hilfen durch den Staat angewiesen sind und sich damit in vergleichsweise prekären sozioökonomischen Lebensverhältnissen befinden“ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2002, S. 139).

[2] Um Einkommen von Haushalten verschiedener Größen vergleichen zu können werden sogenannte Äquivalenzgewichte verwendet. Hierbei werden die Haushaltseinkommen je nach Zahl und Alter der einzelnen Haushaltsmitglieder gewichtet. Nach einer neueren OECD-Skala erhält der Haushaltsvorstand das Gewicht 1, weitere Haushaltsmitglieder ab 15 Jahren das Gewicht 0,5 sowie Haushaltsmitglieder unter 15 Jahren das Gewicht 0,3 (vgl. AWO Bundesverband e.V. 2000, S. 23).

[3] „Familiäre Armut“ liegt vor, „wenn das Einkommen der Familie des Kindes bei maximal 50 Prozent des deutschen Durchschnittseinkommens liegt“ (AWO Bundesverband e.V. 2000, S. 29).

[4] Grundlage bildet der WHO-Gesundheitsbegriff, demzufolge Gesundheit (vollständiges) körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen bedeutet“ (ebd., S. 29).

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Kindheit und Armut. Wie Kinder Armut erleben und bewältigen
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V33670
ISBN (eBook)
9783638340939
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kindheit, Armut, Kinder, Armut
Arbeit zitieren
Anonym, 2004, Kindheit und Armut. Wie Kinder Armut erleben und bewältigen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33670

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