Können Kinder philosophieren? Hans Ludwig Freese und die Kinderphilosophie


Hausarbeit, 2011

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Hans-Ludwig Freese
2.1 Das Kind
2.2 Philosophieverständnis
2.3 Methoden

3 Bedeutung des Philosophierens mit Kindern
3.1 Vorteile
3.2 Voraussetzungen
3.3 Medien
3.4 Praxis

4 Schlusswort

5 Quellenangaben

1 Einleitung

Die Bewegung der Kinderphilosophie hat ihre Ursprünge in den USA. Dort plädierte schon am Anfang des 20. Jahrhunderts John Dewey für eine kindliche Reflektivität. Diese Vision wurde in den 70er Jahren massiv vorangetrieben und es begannen intensive Studien zum Thema „Philosophieren mit Kindern“. Als Pioniere dieser Zeit können Matthew Lipman und Gareth Matthews angesehen werden. Durch deren Anregungen entwickelten sich in den 70er und 80er Jahren weltweit kinderphilosophische Ansätze. In Deutschland lassen sich erste Reflexionen auf das Philosophieren mit Kindern nach dem Ersten Weltkrieg vorfinden[1] und bis heute handelt es sich bei der Frage „Kann man mit Kindern philosophieren?“ um eine interessante Thematik.

Dabei versuchen viele Autoren und deren Modelle uns nahe zu bringen, dass ein Kind nicht in der Lage sei, sich mit komplexen Themenbereichen und dem Philosophieren zu befassen. Als einer der Gründe wird immer wieder angeführt, dass sich Kinder in jungen Jahren in einer prä-rationalen Welt befinden würden, in der logisches Denken noch nicht möglich sei. Doch sollten Kinder wirklich von Fragen philosophischer Natur ferngehalten werden, weil sie die dafür benötigten Fähigkeiten nicht besitzen? Und welche Gründe sprechen im Gegenteil für das Philosophieren mit Kindern?

In meiner Ausarbeitung möchte ich versuchen, unter anderem diese Fragen zu beantworten. Dabei werde ich zunächst Bezug auf Hans-Ludwig Freese nehmen, der sich positiv für das Philosophieren mit Kindern ausspricht. Um seine Vorstellungen zur Kinderphilosophie zu verdeutlichen, möchte ich nicht nur sein Bild vom Kind sowie sein Philosophieverständnis darlegen, sondern ich werde mich ebenso mit den Methoden befassen, die Freese für ein erfolgreiches Philosophieren mit Kindern anführt. Anschließend möchte ich mich in meinem vorletzten Kapitel der Bedeutung der Kinderphilosophie widmen, indem ich eventuelle Vorteile, aber auch Voraussetzungen beleuchte, die sich durch das Arbeiten mit Kindern an philosophischen Fragestellungen ergeben. Am Ende dieses Kapitels möchte ich einen Blick in die Praxis werfen, um in meinem Schlusswort schließlich zurück zu der Frage zu gelangen, ob philosophieren mit Kindern möglich sein kann.

2 Hans-Ludwig Freese

Hans-Ludwig Freese wurde 1934 geboren und ist Diplom-Psychologe und Professor für Pädagogik an der Freien Universität Berlin. Als Übersetzer der kinderphilosophischen Werke von Matthews, lehnt Freese sich in seinem Denken über das Philosophieren mit Kindern ganz offensichtlich an diesen an. Beiden geht es weniger um die Vermittlung von Denkfähigkeiten, sondern vielmehr um das Schaffen einer Umgebung für Kinder, in der sie kreativ sein und ihr Denken entfalten können. Als kindgemäße Entfaltung hält Freese eine Einübung in das mythische Denken für sinnvoll[2], auf welches ich im weiteren Verlauf meiner Ausarbeitung noch einmal näher eingehen werde.

2.1 Das Kind

Sofern Kinder nicht bereits durch die Schule geschädigt sind, so lässt sich feststellen, dass sie gegenüber Neuem stets aufgeschlossen, vorurteilsfrei und phantasievoll sind. Sie lieben den Witz, das Paradoxon, das Überraschende und das Vieldeutige. Außerdem lassen sie sich gerne zu eigenen Überlegungen anregen, sie haben Spaß am Streitgespräch und sie lassen sich leicht begeistern, nachdenklich oder betroffen stimmen. Erwachsene sollten die Kinder dabei stets ernst nehmen, ihnen zuhören und ihnen gegenüber nicht lehrhaft auftreten.[3]

Auch die Fähigkeiten zu Staunen und der Besitz eines unermüdlichen Frageeifers, welche Freese für die beiden wichtigsten Voraussetzungen eines Philosophen hält, spricht er Kindern zu. Seiner Meinung nach lassen sich in naiven Kinderfragen Probleme finden, die durchaus als philosophische Fragestellungen betrachtet werden können. Kinder haben teilweise sogar überraschende philosophische Einsichten, in denen sich die Gedanken großer Philosophen wiederfinden lassen. Freese spricht Kindern bereits in jungem Alter hohe kognitive Kompetenzen zu, womit er sich gegen die Stufentheorie Piagets stellt, die das logische Denken bei Kindern erst in der formal operativen Phase einordnet. Mit dem Infragestellen der Stufentheorie und der Aussage, dass Kinder früher als Piaget es annimmt, schlussfolgernd und selbstreflexiv denken können, möchte Freese mehr Platz für das Philosophische Denken von Kindern schaffen.[4]

2.2 Philosophieverständnis

Freese unterscheidet 3 Grundhaltungen zum Philosophieren mit Kindern[5]:

1. Philosophie als Quelle der Belehrung und Anleitung zum rechten Leben sowie als geistiges Training (Kant,Lipman).
2. Die Philosophie verdankt sich selbst metaphysischen Erlebnissen in der Kindheit und in kindlichen Fragen und soll Antwort auf diese geben (Jaspers, Matthews).
3. Kinder sollten von Philosophie ferngehalten werden, da sie die hierfür benötigten Fähigkeiten nicht besitzen (Aristoteles, Schopenhauer).

Betrachtet man diese 3 Grundhaltungen zum Philosophieren mit Kindern, so lässt sich Freese am ehesten der 2. Grundhaltung zuordnen. Entscheidend ist bei ihm die Abgrenzung vom Stufenmodell Piagets und die Ablehnung eines Philosophieverständnisses, das die naturwissenschaftliche Vernunft absolut setzt. Bezüglich seiner „Kritik der wissenschaftlichen Vernunft“ stützt er sich auf das gleichnamige Buch Hübners aus dem Jahr 1978[6]. Freese spricht in diesem Zusammenhang vom Mythos bzw. vom mythischen Denken, das dem kindlichen Denken am nächsten stehe und bei dem es sich seiner Meinung nach zwar um eine vom wissenschaftlichen unterschiedene Denkform handelt, die aber durchaus als gleichwertig betrachtet werden kann.[7] Mit dieser These sollen die entwicklungspsychologischen Annahmen und Zwänge in den Hintergrund rücken, damit das kindliche Denken anerkannt und gefördert werden kann: „Mit der Rehabilitation des mythischen Denkens ist der Weg gebahnt für das Verständnis und die Anerkennung anderer Denkformen als der wissenschaftlichen und somit auch der Eigenart des kindlichen Denkens.“[8]

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Freese das rein rationale Wissenschaftsverständnis ablehnt und stattdessen das mythische Denken in den Vordergrund rückt, welches dem kindlichen Denken seiner Meinung nach näher steht, wobei er beide Denkformen als logisch und gleichwertig auffasst. Mit der Einsicht, dass das Denken eines Kindes nicht naiv ist, sondern dass es sich dabei um ein mythisches Denken handelt, sei auch gewährleistet, dass Kinder mit ihren Fragen und Einsichten erst genommen werden.[9]

2.3 Methoden

Als zentrale Methoden für das Philosophieren mit Kindern schlägt Freese den sokratischen Dialog und das Gedankenexperiment vor, auf die ich in diesem Kapitel nun näher eingehen möchte.

Der sokratische Dialog:

Die gemeinsame Lösung eines philosophischen Problems und die spielerische Auffindung von Antworten lassen sich als sokratischen Dialog bezeichnen. Diese Methodik stammt vom Philosophen Sokrates ab und wurde von seinem Schüler Platon überliefert. Das sokratische Gespräch lässt sich im Allgemeinen in folgende drei Phasen unterteilen:

1. Vorbereitungsphase:

Hierbei wird die Frage geklärt, welches philosophische Problem gelöst werden soll. Des Weiteren werden Gesprächsregeln aufgestellt.

2. Philosophisches Gespräch:

Das philosophische Gespräch besteht sowohl aus gemeinsamen Diskussionen des philosophischen Problems als auch aus der Klärung von Begriffen und deren Argumentation. Dabei kann die Gesprächsleitung sowohl vom Lehrpersonal als auch von den Schülern übernommen werden. Als Ziel dieses Gespräches kann die Formulierung einer vorläufigen Antwort angesehen werden.

3. Metagespräch:

Das Metagespräch dient während des Gesprächs als Unterbrechung oder findet am Ende der Diskussion als eine Reflexion statt. Dabei werden Probleme und deren Ursachen, die während der Diskussion auftraten, thematisiert und zu lösen versucht (z.B. ob die vereinbarten Regeln eingehalten wurden und wie beim nächsten Gespräch eine Verbesserung erzielt werden könnte).[10]

Insgesamt sollte beim sokratischen Dialog darauf geachtet werden, dass Gedanken bzw. Fragen klar formuliert werden und dass es in keinem Fall zu einer Vorwegnahme „richtiger“ Antworten kommen sollte, um die Nachdenklichkeit der Kinder effektiv zu fördern.[11]

Das Gedankenexperiment:

Durch diese Methode ist es möglich, Experimente mit Gedanken und imaginären Möglichkeiten nachzuvollziehen, welche so in der Realität nicht anzutreffen sind. Durch die Übung der Einbildungskraft und des Verstandes soll die Freiheit des Denkens und die Veränderbarkeit der Realität erlebt werden.[12] Vor allem Kinder seien in der Lage, sich auf solche Gedankenexperimente einzulassen und aus ihnen zu lernen:

„[...] mühelos und spielerisch wechseln sie von einer Welt in die andere und erfahren, dass Factum und Fictum einander untrennbar durchdringen. Sie erschaffen aus Elementen der Erfahrung Phantasie- und Gedankenwelten, in denen sie auf Erkundungsreisen gehen, um daraus mit einem tieferen Verständnis der Wirklichkeit zurückzukehren.“[13]

[...]


[1] Martens, Ekkehard: Philosophieren mit Kindern. Eine Einführung in die Philosophie. Stuttgart 1999, S. 16.

[2] Engelhardt, Stephan: Modelle und Perspektiven der Kinderphilosophie. Heinsberg 1997, S. 122. Im Folgenden zitiert als: Engelhardt.

[3] Engelhardt. S. 123.

[4] Ebd., S. 124.

[5] Engelhardt, S. 124.

[6] Hübner, Kurt. Kritik der wissenschaftlichen Vernunft. Freiburg 1978.

[7] Engelhardt, S.125.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] Brünning, Barbara. Philosophieren in der Grundschule. Grundlagen, Methoden, Anregungen. Berlin 2001, S. 31. Im Folgenden zitiert als: Brünning.

[11] Freese, Hans-Ludwig. Phantasie und Reflexion, in: Martens, Ekkehard u. Schreier, Helmut (Hg.): Philosophieren mit Schulkindern. Heinsberg 1994. Im Folgenden zitiert als: Ekkehard.

[12] Ekkehard, S. 133.

[13] Ekkehard, S.131.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Können Kinder philosophieren? Hans Ludwig Freese und die Kinderphilosophie
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
14
Katalognummer
V336623
ISBN (eBook)
9783668263710
ISBN (Buch)
9783668263727
Dateigröße
776 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
können, kinder, hans, ludwig, freese, kinderphilosophie
Arbeit zitieren
Danielle Ackermann (Autor:in), 2011, Können Kinder philosophieren? Hans Ludwig Freese und die Kinderphilosophie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336623

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Können Kinder philosophieren? Hans Ludwig Freese und die Kinderphilosophie



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden