Freundschaften im Jugendalter. Definition und Bedeutung von Jugendfreundschaften


Bachelorarbeit, 2014

75 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Pressemitteilung

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmungen
2.1 Definition von Freundschaft
2.2 Definition Jugendalter

3. Freundschaft
3.1 Historische Entwicklung der Freundschaft
3.2 Bedeutung und Funktion von Freundschaft allgemein und im Jugendalter

4. Das Jugendalter

5. Freundschaften im Jugendalter
5.1 Positive und negative Aspekte in Freundschaften im Jugendalter
5.2 Geschlechtsunterschiede in Freundschaften im Jugendalter
5.3 Beste Freundschaften im Jugendalter
5.4 Freundschaften im Jugendalter online
5.5 Inter- und intraethnische Freundschaften im Jugendalter

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

Pressemitteilung

Wer kennt das nicht? Jugendliche, die ihre Zeit am liebsten nur noch mit ihren Freunden verbringen würden; sei es, um um die Häuser zu ziehen, sich lautstark über die neuesten Gerüchte zu unterhalten und miteinander zu streiten oder zu lachen. Aber aus welchem Grund sind Freunde für Jugendliche so wichtig? Eins steht fest: Freundschaften übernehmen viele wichtige Funktionen für die Heranwachsenden. Sie lernen, miteinander zu kooperieren, sich gegenseitig zu helfen oder gemeinsame Ressourcen miteinander zu teilen (Hartup, 1992). Für Mädchen gilt, dass sie ihre Zeit am liebsten mit ihrer besten Freundin in einer Zweierbeziehung verbringen und diese Zeit, ganz dem Klischee nach, in erster Linie mit Gesprächen ausfüllen. Jungen scheinen etwas mehr auf sich aufmerksam machen zu wollen, denn sie ziehen es vor, innerhalb von größeren Gruppen Zeit mit ihren Freunden zu verbringen. So viel gequatscht wie bei den Mädchen wird jedoch nicht: aktiv sein ist hier die Devise (Kolip, 1994). Unterschiede machen die Jugendlichen, wenn es um ihre besten Freunde geht. Diese sind von sehr hoher Bedeutung. Sie werden im Verlauf des Jugendalters, vor allem für Mädchen, zu den wichtigsten Vertrauenspersonen (Blyth & Foster-Clark, 1987). Jugendfreundschaften beschränken sich auch nicht nur auf den gleichethnischen Freund aus derselben Schulklasse, mit welchem auf dem Schulhof gespielt wird. Hier muss hinsichtlich der sich immer mehr zu einer Multikulti gesellschaft verändernden Bevölkerung differenziert werden (Reinders et al., 2006).

Diese vorab beschriebenen Bereiche haben sich in den letzten Jahrzehnten mal mehr und mal weniger verändert. Eine einschneidende und bemerkenswerte Veränderung gab es jedoch zu verzeichnen: die rasante Verbreitung und Nutzung des Internets inklusive neuer Kommunikationstechnologien. Dieses neuzeitliche Phänomen hat mittlerweile erheblichen Einfluss auf die Freundschaften der Jugendlichen; eine exakte Trennung der Online- und Offlinewelt ist kaum mehr möglich (Valkenburg & Peter, 2007).

Selbstverständlich gibt es dennoch nach wie vor Streitigkeiten unter Freunden – trotz aller technologischen Fortschritte. Wird jedoch der momentane Forschungsstand betrachtet, so lässt sich eindeutig festhalten, dass positive Eigenschaften in Jugendfreundschaften bei Weitem überwiegen. Auf den Punkt gebracht: sie kann – manchmal ein Leben lang – durch eine emotional erfüllte Zeit begleiten.

1. Einleitung

In der Psychologie ist in den letzten Jahren ein verstärktes Interesse am Thema Freundschaftsbeziehungen zu verzeichnen gewesen (vgl. Heidbrink, 2007). Es wurde sowohl vom Markt der populären Ratgeber als auch von Magazinen oder Wochenzeitungen entdeckt. Es wird konstant die These vertreten, dass in der heutigen komplexen und flexiblen Gesellschaft des neuen Jahrhunderts die Freundschaft die moderne und angemessene Form der persönlichen Beziehung ist (vgl. Rexroth & Schmidt, 2007). Dabei stellt sich natürlich die Frage, was genau unter Freundschaft zu verstehen ist. Historisch betrachtet hat der Begriff viele Wandlungen durchlebt. In unserem heutigen Alltagsverständnis scheint jedem Menschen die Antwort auf diese Frage einleuchtend zu sein, da es ein umgangssprachlicher und sehr gebräuchlicher Begriff ist. Beispiele für Freundschaften wären z. B.: Bei Männern der Kumpel, mit dem am Abend ein Bier getrunken und Billard gespielt wird oder bei Frauen die Freundin, mit der in der Stadt shoppen gegangen und geredet wird. Auch wenn sich dies nach eindeutigen Klischees anhört, so wird sich im Weiteren zeigen, dass dies im Geschlechtervergleich – und unter Jugendlichen – die Verhaltensweisen sind, die Frauen und Männer bzw. Mädchen und Jungen im Normalfall im Umgang mit ihren Freunden voneinander unterscheidet.

Die Definition der wissenschaftlichen Kategorie Freundschaft ist deutlich schwieriger einzuordnen. Hier mangelt es bis heute an einer von allen Fachbereichen gleichermaßen akzeptierten Definition. Übereinstimmend kann berichtet werden, dass Freundschaft eine persönliche und informelle Beziehung sozialer Art ist, die auf Gegenseitigkeit beruht und für jeden einen individuell unterschiedlichen Wert besitzt (vgl. Auhagen, 1991). Weitere Definitionsversuche werden im Kapitel 2.1 vorgestellt.

Die Betrachtung der Freundschaften im Jugendalter ist ein eigenständiger Bereich, da sich Jugendliche in einer sehr speziellen Phase der menschlichen Entwicklung befinden. Die Heranwachsenden haben eine große Vielzahl von verschiedenen Entwicklungsaufgaben zu bewältigen (vgl. Havighurst, 1976), welche sich vor allem auf die Entwicklung einer eigenen (Geschlechts-)Identität und die Reifung hin zu einem vollwertigen erwachsenen Mitglied der Gesellschaft fokussieren. Das Jugendalter kann somit allgemein als die Phase zwischen Kindheit und Erwachsenwerden betrachtet werden. Der Beginn ist mit dem Eintreten der Pubertät allgemein akzeptiert. Dieser kann jedoch individuell sehr unterschiedlich sein und setzt bei Mädchen im Durchschnitt zwei Jahre früher ein als bei Jungen (vgl. Tanner, 1971; Schurian, 1989).

Das Ende des Jugendalters ist etwas weniger klar zu erfassen. Es kann durch das Erreichen eines bestimmten Alters festgelegt werden, welches im Bereich von etwa 20 Jahren eingeordnet werden kann (vgl. Rossmann, 2012). Soziologisch gesehen ist der Eintritt ins Erwachsenenalter jedoch erst dann erreicht, wenn eine gewisse finanzielle und emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und anderen Erwachsenen erfolgt ist. Dies kann in der heutigen Zeit für viele Jugendliche somit bedeuten, dass sich das Jugendalter dementsprechend verlängert.

Freundschaften unter Jugendlichen sind von hoher Wichtigkeit für die Heranwachsenden. Einleitend werden die Studien betrachtet, die die Vorteile von Freundschaften im Jugendalter, aber auch die Nachteile einer freundschaftslosen Jugend herausgearbeitet haben. Einen hohen Stellenwert hat dabei die beste Freundin oder der beste Freund. Dies ist die Person, der sich während des Jugendalters am meisten anvertraut wird. Dabei unterscheiden sich – wie bereits oben angemerkt – Mädchen und ihre Freundinnen sowie Jungen und ihre Freunde voneinander. Zwar gibt es auch gegengeschlechtliche Freundschaften, aber sie finden sich in der Regel eher seltener; gleichgeschlechtliche Freundschaften dominieren.

Im Weiteren werden aktuelle technologische Entwicklungen wie die flächendeckende Verbreitung des Internets und deren Einflussnahme auf Jugendfreundschaften betrachtet. Teile der Freundschaften haben sich in die Welt des Internets und der Online-Kommunikation verlagert. Jugendliche haben heute bereits sehr früh Zugriff auf Netzwerke und können über größere Distanzen kommunizieren (vgl. Heidbrink et al., 2009). Dies ist, unter einem gewissen Grad von Kontrolle, positiv zu werten und fördert oftmals die kommunikative Entwicklung der Heranwachsenden.

Ein abschließender Blick wird auf einen weiteren wichtigen Aspekt in der sich heute verändernden Gesellschaft geworfen: der Vergleich von intra- und interkulturellen Jugendfreundschaften. Die vorliegenden Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass, wenn genug Ressourcen zur Generierung von Freunden vorhanden sind, diese eher mit demselben kulturellen Hintergrund gewählt werden als solche mit einem unterschiedlichen Hintergrund. Letztere werden vor allem dann gewählt, wenn Jugendliche eine Distanzierung zu den eigenen Eltern inklusive deren Wertvorstellungen herzustellen versuchen (vgl. Reinders et al., 2006). Qualitative Unterschiede zwischen den verschiedenen beschriebenen Freundschaften waren jedoch im Großen und Ganzen nicht auszumachen.

2. Begriffsbestimmungen

2.1 Definition von Freundschaft

Eine allgemeingültige Definition für den Begriff der Freundschaft ist nicht vorhanden. Ob Art, Intensität, multi- oder uniplexe Beziehung, Qualität, formelle oder informelle soziale Beziehung, der Begriff wird innerhalb der Literatur sehr differenziert ausgelegt (vgl. Ramachers, 1996, S. 12). Laut Auhagen (1991, S. 13) tritt die erste Schwierigkeit bereits ein, wenn es um die Wahl einer Definitions strategie geht. Zu welchem Zeitpunkt eine zwischenmenschliche Beziehung als Freundschaft bewertet werden kann, hängt somit von mehreren Kriterien ab. Doch auch hier ist es schwierig, welche Werte als gültig gelten können, um eine Freundschaft klar festlegen zu können. Dementsprechend ist eine Vielzahl an verschiedenen Freundschaftsdefinitionen aus verschiedenen Feldern zu finden, was vor allem auch an der Komplexität des Begriffes liegt (vgl. Heß, 2008, S. 9). Auhagen (1993, S. 13) bezweifelt sogar, ob eine Definition der Freundschaft überhaupt sinnvoll sei, da es im Grunde zu wenige inhaltliche Vorgaben an die Freunde[1] gäbe. Neben den umgangssprachlichen Definitionen sind vor allem soziologische, psychologische und philosophische vorzufinden.

Bierhoff und Herners Begriffswörterbuch der Sozialpsychologie (2002) bezeichnet Freundschaft als „eine soziale Beziehung, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet ist: eine informelle Zweierbeziehung auf persönlicher Ebene, die durch Freiwilligkeit, Gegenseitigkeit und das Überwiegen positiver Emotionen gekennzeichnet ist“ (S. 79). Auch in der Soziologie wird die Freundschaft ähnlich definiert. Nach Hillmanns Wörterbuch der Soziologie (2007) ist Freundschaft definiert als eine „anspruchsvolle Beziehung […] die – ohne spezifische Rollen-Verpflichtung – freiwillig und auf längere, nicht fixierte Dauer eingegangen wird. […] Die Freundschaft erfüllt […] eine gesellschaftsstabilisierende und die beteiligten Personen vor psychischen Konflikten und Belastungen bewahrende Funktion“ (S. 247f). Hierbei wird vor allem ein wichtiges und immer wiederkehrendes Charakteristikum von Freundschaft ersichtlich. Im Vergleich zu einem Verwandtschaftsverhältnis ist Freundschaft eine Beziehung, die auf freiwilliger Basis beruht und nach eigenem persönlichen Interesse aufrechterhalten oder gekündigt werden kann. Passend dazu ist die Definition von Nötzoldt-Linden (1994), welche Freundschaft als „eine auf freiwilliger Gegenseitigkeit basierende Beziehung […] in einer Zeitspanne“ (S. 29) ansieht. Auhagen (1991) betont den dyadischen Charakter sowie die Gegenseitigkeit, indem sie Freundschaft als „eine dyadische, persönliche und informelle Sozialbeziehung […] die Existenz der Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit. […] Freundschaft besitzt für jeden der Freundinnen/Freunde einen Wert, welcher unterschiedlich starkes Gewicht haben und aus verschiedenen inhaltlichen Elementen zusammengesetzt sein kann“ (S. 17) beschreibt. Für Argyle und Henderson (1986, S. 80f) ist Freundschaft ohne offiziellen Beginn (wie z. B. in der Ehe die Heirat) und auch ohne Abhängigkeit von bestimmten Rollen, wie dies z. B. zwischen Verwandten der Fall ist. Es geht ihnen vor allem darum, dass sich Menschen mögen und gerne gemeinsam etwas unternehmen. Auch sie betonen die Freiwilligkeit und zusätzlich das Fehlen von klar umrissenen Regeln. Etwas allgemeiner gehalten ist die Definition von Hays. Für ihn ist Freundschaft ein flexibler, dynamischer und multidimensionaler Prozess, dessen Struktur und Funktionen je nach beteiligten Individuen, dem Umfeld und dem Entwicklungsstand der Freundschaft variieren (vgl. Hays, 1988, S. 391). Für Bell (1981, S. 10) ist sie freiwillig und persönlich, die Entwicklung hängt von privaten Aushandlungen ab und ist nicht durch kulturelle Normen beeinflusst. Zudem betont er die Gleichheit als wichtigen Aspekt einer Freundschaft. Laut Schmidt (2009, S. 239) ist Freundschaft – aus der Philosophie nach Aristoteles – jede freie, d. h. von der Familie oder Machtverhältnissen unabhängige, beruhende Verbundenheit zwischen Menschen. Es wird weiter unterschieden zwischen der „Freundschaft um des eigenen Nutzens willen, um willen der Annehmlichkeit und einer Freundschaft, in der der andere wegen seiner Vortrefflichkeit geschätzt wird“.

Weitere Definitionen sind natürlich vorhanden, aber diese sind in den meisten Fällen den hier bereits aufgeführten inhaltlich recht ähnlich. Einige Definitionen legen ihr Augenmerk auf Faktoren, welche wiederum in anderen anders gewichtet werden oder sogar außen vor bleiben. Trotz dieser Unterschiede sind sich die Autoren im Kern darüber einig, dass Freundschaft eine persönliche Beziehung ist, die auf Gegenseitigkeit und Freiwilligkeit beruht und für eine unbestimmte Dauer eingegangen wird. Sie ist somit nicht an bestimmte Rollenerwartungen gebunden und unterliegt keinen Regeln oder Gesetzen (vgl. Heß, 2008, S. 12). Für den Punkt Freundschaft als Dyade – auf diese Zusammensetzung von Freundschaft wird auch oftmals hingewiesen – muss im Sinne dieser Arbeit darauf hingewiesen werden, dass die oben beschriebenen Definitionen für das Erwachsenenalter gelten. Die für das Jugendalter auch relevanten Gleichaltrigengruppen (sogenannte Peergroups), in welche die Freundschaften oftmals eingebettet sind, werden somit scheinbar nicht einbezogen. Auhagen (1991, S. 18) weist jedoch darauf hin, dass auch bei Erwachsenen Freundes gruppen existieren und die kleinste zwischenmenschliche Untereinheit in diesen Gruppen die Dyade darstellt. Somit schlussfolgert sie, dass obige Definitionen auch innerhalb von Gruppen gelten können und somit die Freundschaftsbeziehungen in den Gleichaltrigengruppen des Jugendalters mit einbezogen werden können. Darüber hinaus zeigt sich im weiteren Verlauf, dass, wie in jeder anderen Lebensphase auch, im Jugendalter dyadische Freundschaftsbeziehungen existieren. Abschließend kann als Freundschaftsdefinition festgehalten werden, dass laut Heß (2008) Freundschaft „eine persönliche, informelle Sozialbeziehung ist, die auf Gegenseitigkeit beruht und einen individuell unterschiedlichen Wert besitzt“ (S. 12).

2.2 Definition Jugendalter

Die verschiedenen Versuche, die Jugend zu definieren, haben vielfach dazu geführt, eine klare Abgrenzung gegenüber der Kindheit als auch dem Erwachsenenalter vornehmen zu wollen (vgl. Mitterauer, 1986, S. 44). Es ist jedoch sehr schwierig, eine allgemein akzeptierbare Definition für das Jugendalter auszuarbeiten (vgl. Olbrich, 1984, S. 3; Uhlendorff et al., 2009, S. 513). Für diese Lebensphase gibt es – ebenfalls wie bei der Freundschaft – mehrere Versuche, sie möglichst genau zu umreißen. Es scheint obligatorisch zu sein, das Jugendalter, entsprechend des Wortsinnes, auch in einen Altersbereich einzuteilen. Nach dem durchschnittlichen Alltagsverständnis wird die Jugend – verstanden als Sozialgruppe – vor allem durch ihr Alter bestimmt (vgl. Münchmeier, 2003, S. 13). Es liegt zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter. Nur welches Alter ist jetzt genau damit gemeint? Wann endet die Kindheit? Wann beginnt das Erwachsenenalter? Nach Hurrelmann (1993, S. 253) wird dies Phase oftmals mit dem Lebensabschnitt zwischen 10 und 20 Jahren gleichgesetzt, teilweise sogar bis zum 25. Lebensjahr. Auch Hofer und Pikowsky (2002, S. 241) sprechen von ca. zehn Jahren, die die Lebensphase Jugend heutzutage andauert. Auch für Stone und Church (1978, S. 213) haben sich die Grenzen zwischen dem Jugend- und Erwachsenenalter immer mehr verwischt.

Nach §7 Absatz (1) des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2013) ist ein

„1. Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist […],
2. Jugendlicher, wer 14 aber noch nicht 18 Jahre alt ist,
3. junger Volljähriger, wer 18 aber noch nicht 27 Jahre alt ist,
4. junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist“ (S. 80).

Solche klaren Abgrenzungen sind für die Handhabbarkeit von Gesetzestexten erforderlich. Fällt der Blick zusätzlich noch auf die rechtswissenschaftliche Trennung am Beispiel des Jugendgerichtsgesetzes, dann gilt als Jugendlicher, wer zwischen 14 und 18 Jahren ist und als Heranwachsender, wer zwischen 18 und 21 Jahren ist. Bei Überschreitung der Grenze des 21. Lebensjahres fallen Personen gemeinhin in die abschließende Kategorie der Erwachsenen (vgl. Lukaszewski & Schweer, 2003, S. 29).

Jedoch sagen diese rechtlichen Unterteilungen nichts über die qualitativen Besonderheiten der einzelnen Altersabschnitte aus. Göppel (2005, S. 4) prangert an, dass auch in entwicklungspsychologischen Lehrbüchern und in der soziologischen Jugendforschung pragmatische begriffliche Festlegungen der Zielgruppe Jugend nicht vorhanden sind. Laut Grob und Jaschinski (2003, S. 35 ff) wird der Beginn des Jugendalters allgemein verstanden mit dem Einsetzen der Pubertät (vgl. auch Maier, 1998, S. 61; Caflisch, 2008, S. 24), wobei auch hier wieder große Unterschiede zwischen den verschiedenen Kindern bzw. Jugendlichen existieren: Bei manchen setzt die Pubertät bereits mit zehn Jahren ein, bei anderen deutlich später. Das, was man aber als gesichert ansehen kann, da es schon vermutlich seit Jahrtausenden besteht, ist, dass Mädchen im Durchschnitt zwei Jahre früher in die Pubertät eintreten als Jungen (vgl. Tanner, 1971, S. 35). Diesen Entwicklungsvorsprung von zwei Jahren berichtet auch Schurian (1989, S. 64). Durchschnittlich gesehen siedelt Tanner (1971, S. 35) die Pubertät im Zeitraum von zwölf bis sechzehn Jahren an. Er berichtet, dass im Vergleich zu den 1930er Jahren, als Mädchen im Schnitt mit ca. fünfzehn Jahren ihre erste Monatsblutung bekamen, sich dies um 1970 bis vor den dreizehnten Geburtstag verringert hat. Für Bühler (1967, S. 12) war die Pubertät der Abschnitt, in welcher der Mensch geschlechtsreif wird. Dieser war abgeschlossen, „sobald der Geschlechtsapparat gebrauchsfertig ist, was einen Zustand des Erwachsenseins markiert“. Laut Stack Sullivan (1980, S. 56f) kennzeichnet die Verlagerung des Interesses von einem Menschen des gleichen Geschlechts auf einen Menschen des anderen Geschlechts den Anfang der Adoleszenz. Wann die Pubertät genau einsetzt, ist einerseits von individuellen, andererseits von sozialen Faktoren abhängig, wobei die individuellen Unterschiede zwischen den Mädchen wiederum größer sind als bei Jungen. Eine feste Altersangabe lässt sich für den Eintritt in die Pubertät nicht machen (vgl. Haarbusch & Jochens, 1985, S. 154).

Außerdem gibt es verschiedene Ansätze für die Unterteilung des Jugendalters. Remplein (1963, S. 28) sah es als einen Oberbegriff des kompletten zweiten Lebensjahrzehnts an. Dieses wurde weiter unterteilt in die Unterphasen Vorpubertät (12-14 Jahre), Pubertät (14-16 Jahre), Jugendkrise (16-17 Jahre) und Adoleszenz (17-21 Jahre). Kasten (1999, S. 14f) wiederum unterteilt in Vorpubertät (12-14 Jahre), Pubertät (14-16 Jahre), frühe Adoleszenz (16-17 Jahre), mittlere Adoleszenz (17-19 Jahre) und späte Adoleszenz (19-21 Jahre). Nach Steinberg (1985, S. 6f) unterteilen Sozialwissenschaftler, welche sich mit dem Jugendalter beschäftigen, dieses in die frühe Adoleszenz (11-14 Jahre), die mittlere Adoleszenz (15-18 Jahre) und die späte Adoleszenz (18-21 Jahre). Werden die Shell Jugendstudien mit in die Betrachtung einbezogen, so geben diese einen guten Überblick darüber, wie sich über die Jahre hinweg der Begriff Jugend/Jugendalter vom Verständnis her gewandelt hat. Die erste Shell Jugendstudie von 1953 hatte den Titel Jugend zwischen 15 und 24. Mittlerweile, in den neueren Versionen, werden bereits 12-jährige mit einbezogen, z. B. in der 16. Studie Jugend 2010.[2] Die Jugendstudie von Zinnecker et al. (2002) null zoff & voll busy – die erste Jugendgeneration des neuen Jahrtausends geht noch einen Schritt weiter, indem Befragungen bei 10-18-Jährigen durchgeführt wurden.

Wie an den beschriebenen Definitionen aufgezeigt wurde, ist die Lebensphase Jugend schwierig einzugrenzen. Der Beginn lässt sich zwar noch weitestgehend abstecken mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife, jedoch ist laut Hurrelmann (1994, S. 18) ein Endpunkt so sehr von kulturellen Gegebenheiten abhängig, dass eine generelle Festlegung des Alters, wann das Jugendalter abgeschlossen ist, nicht viel Sinn mache. Bereits Rosenmayr (1969, S. 68) stellt sich die Frage, ob für die Festlegung einer Alterskategorie, z. B. das Jugendalter, die Wahl demografischer Jahrgänge überhaupt angemessen ist. Laut Lukaszewski und Schweer (2003, S. 29) ist es in dieser Phase besonders wichtig, die körperliche Entwicklung, die kognitive Leistungsfähigkeit und die soziale Entwicklung mit zu berücksichtigen.

Auch wenn diese Standpunkte jeweils schlüssig sind, so ist doch im Sinne einer Definition ein ungefährer Endpunkt des Jugendalters für den weiteren Verlauf dieser Arbeit anzusetzen. Das Wort teenager beschreibt „das Alter von 13 bis 19, dieses abgelöst aus den englischen Zahlnamen auf – teen ´zehn´ (e. thirteennineteen)“ (Kluge & Seebold, 2002, S. 819). Außerdem ist bereits anhand des Titels von Baacke (1979) zu erkennen, um welche Altersgruppe es sich ungefähr handeln muss: Sein Buch trägt den Titel „ Die 13-18jährigen“.

Abschließend soll die Umschreibung der Phase des Jugendalters auf die Zeit vom beginnenden 11. bis zum Ende des 21. Lebensjahres eingegrenzt werden, da auch vermehrt neuere Studien des 21. Jahrhunderts die oftmals schon früher einsetzende Pubertät für einen Teil der Heranwachsenden belegen (vgl. Mensah et al., 2013; Walvoord, 2010; Kaplowitz et al., 2001; Mul et al., 2001). Weiterhin werden in vielen Studien zur frühen Adoleszenz Teilnehmer mit einem Durchschnittsalter zwischen zehn und zwölf Jahren untersucht.

Rossmann (2012, S. 141) sieht den Anfang des Jugendalters als biologisch relativ gut festzulegenden Zeitpunkt an, nämlich der Beginn der geschlechtlichen Reifungsprozesse (erste Menarche bei den Mädchen – erste Ejakulation bei den Jungen). Auch Lohaus und Vierhaus (2013, S. 262) benennen das erste Auftreten dieser körperlichen Reaktionen als den Eintritt in die Geschlechtsreife. Jedoch ist das laut Flammer und Alsaker (2002, S. 21) bezüglich der Jungen eher schwieriger einzuschätzen, da die erste Ejakulation aufgrund der damit verbundenen Schamgefühle schwierig zu erfragen ist, und, als weitere Möglichkeit der Festlegung, der Stimmbruch nicht genügend abrupt einsetzt, um einen bestimmten Zeitpunkt festzulegen. Deshalb werden in der psychologischen Forschung auch oftmals die Kriterien der sekundären Geschlechtsmerkale, wie Körperformen oder Schamhaarentwicklung, herangezogen. Auch der Abschluss ist schwieriger zu bestimmen (vgl. Thalmann-Hereth, 2001, S. 87). Ein biologisches Kriterium scheint es nicht zu geben. Entscheidender scheinen eher Kriterien wie Abschluss der Ausbildung oder die soziale und materielle Abhängigkeit von den Eltern zu sein (vgl. Flammer & Alsaker, 2002, S. 21). Laut Rossmann (2012, S. 141) wird es ähnlich beschrieben. Er schlägt den Eintritt ins Berufsleben bzw. die finanzielle Unabhängigkeit von den Eltern vor. Olk (1993, S. 183) hebt die westlichen Industrienationen explizit hervor, welchen er unterstellt, dass als zentrale Statusübergänge vom Jugend- ins Erwachsenenalter der Abschluss der beruflichen Ausbildung mit weiterem Eintritt in die Erwerbstätigkeit sowie die Gründung einer eigenen Familie (Heirat und Kinder) gelten können. Oerter und Dreher (2008, S. 271) schreiben dem Jugendalter die Attribute „nicht mehr Kind“ und „noch nicht Erwachsener“ zu.

Somit kann das Jugendalter als die Zeit betrachtet werden, in dem ein Mensch seinen Kindesstatus bereits verloren hat, den Status des Erwachsenen jedoch noch nicht erlangt hat (vgl. Rossmann, 2012, S. 141). Auch Ewert (1983, S. 12) führt an, dass Pädagogen, Jugendsoziologen und Entwicklungspsychologen sich darüber einig sind, dass das Jugendalter als jener Abschnitt bezeichnet werden kann, der zwischen dem Erreichen der biologischen Reife und der vollwertigen Mitgliedschaft in der Erwachsenengesellschaft liegt.

Abschließend kann gesagt werden, dass das Jugendalter als eine Übergangsphase von der Kindheit zum Erwachsenenalter nicht erst in der Gegenwart als solche erkannt wurde, sondern dass schon die alten römischen, griechischen und ägyptischen Kulturen entsprechende Unterscheidungen vornahmen (vgl. Steinhausen, 1990, S. 9).

3. Freundschaft

3.1 Historische Entwicklung der Freundschaft

Schon von den frühen Philosophen an bis hin zu den heutigen Entwicklungspsychologen bestand und besteht weiterhin ein spezielles Interesse an Freundschaftsbeziehungen (vgl. Newcomb & Bagwell, 1995, S. 335). Freundschaft scheint es grundsätzlich schon seit der Zeit zu geben, seit der es zwischenmenschliche Beziehungen gibt. Frühe Aufzeichnungen, wie beispielsweise aus der Antike, zeigen, dass sie auch damals schon eine bedeutende Rolle einnahm. Zu den damaligen Zeiten hatte die Freundschaft jedoch auch teilweise eine andere Bedeutung als die, welche heutzutage mit der Freundschaft assoziiert wird. Führende Philosophen dieser Zeit, wie Homer oder Aristoteles, haben sich bereits mit ihr beschäftigt. Im alten Griechenland ging es oftmals um das Geben und Nehmen in Freundschaften im Sinne einer gut funktionierenden Zweckgemeinschaft. Sie wurde als ein Streben nach guter und gerechter Gemeinschaft verstanden (vgl. Schinkel, 2003, S. 172).

Bei Homer kann der Ursprung der antiken Freundschaft mittels drei Begriffen aufgezeigt werden: philos, hetairos und xeinos. In Homers Epen überwiegt für den Begriff philos die Bedeutung Angehöriger. Hetairos bezeichnet eine freiwillig eingegangene Beziehung und xeinos ist der Begriff für Gastfreundschaft (vgl. a. a. O., S. 160 ff). Dies lässt in erster Linie auf gut funktionierende Zweckgemeinschaften schließen. In seinen Epen sind die Worte Freund und lieb somit meist mit den Begriffen Verwandtschaft, Kampfgenossenschaft und institutioneller Gastfreundschaft gleichgesetzt worden (vgl. a. a. O., S. 203f). Aristoteles definiert Freundschaft, indem er beschreibt, dass Freunde einander wohlwollen und Gutes wünschen, ohne dass es ihnen verborgen bleibt, und zwar wegen eines der Genannten. Freundschaft besteht für Aristoteles somit dann, wenn zwei oder mehr Personen gegenseitig einen Affekt der Liebe ausgelöst haben und darauf bezugnehmend eine wohlwollende Haltung einnehmen (vgl. Siemens, 2007, S. 39). Freundschaft ist für ihn „fürs Leben das Notwendigste. Ohne Freundschaft möchte niemand leben, hätte er auch alle anderen Güter“ (vgl. Aristoteles, 1995, S. 183). Nach Montaigne (2000, S. 66) ist die Freundschaft für Aristoteles die Krönung der Gesellschaft. Alle anderen Beziehungen werden dieser nicht gerecht, da andere Gründe und Zwecke hier noch an Wichtigkeit besitzen. Laut Schinkel (2003, S. 196f) ist auch die römische Freundschaftsauffassung im 2. Jahrhundert vor Christus der des Aristoteles ähnlich. Marcus Tullius Cicero sieht „die Tugendfreundschaft als das Wesen der Freundschaft“. Ebenso gehört für ihn die Freundschaft nicht in den Bereich des Ökonomischen, sondern in den Ordnungsbereich der Liebe. Cicero betont, dass ein Freund aufgrund seiner selbst willen geliebt werden sollte und nicht aufgrund von Vorteilen, die durch den Freund erlangt werden könnten. In der christlich-mittelalterlichen Auffassung wird die Freundschaft in gleicher Weise wie in der Antike auf ein Wesen hin verstanden, jedoch ist hierbei die Ausrichtung hin zu Gott vordergründig. Hier wird also die Freundschaftsauffassung der Antike ‚Freundschaft um der Tugend willen’ abgelöst von der ‚Freundschaft um Gottes willen’ (vgl. a. a. O., S. 207). Auch für Augustinus ist eine echte Freundschaft nur möglich über den Weg zu Gott: „So hast Du nicht nur seiner Dich erbarmt, auch unser; denn an die ungewöhnliche Güte unseres Freundes zurückzudenken, wäre uns ein unerträglicher Schmerz gewesen, hätten wir ihn nicht zu Deiner Herde zählen dürfen“ (vgl. Augustinus, 2007, S. 190).

In der Scholastik (ca. 800-1400 n. Chr.) ist nach Thomas von Aquin der Unterschied zu Augustinus, dass den Personen die gegenseitige Liebe bewusst ist und sie sie erwidern (vgl. Nötzold-Linden, 1994, S. 42). Im Renaissance Humanismus (1400-1600 n. Chr.) ist die stilisierte Standesfreundschaft typisch für diese Epoche. Es werden Momente der antiken, aber auch teilweise christlich-mittelalterliche Freundschaftsvorstellungen aufgenommen (vgl. a. a. O., S. 45). Es ist insgesamt eher ein funktionales Freundschaftsverständnis vorhanden, welches eine nutzenorientierte Freundschaft beschreibt. Montaigne erfasst jedoch auch hier schon die wahre Freundschaft (vgl. Schinkel, 2003, S. 278f). „Bei der Freundschaft hingegen umfaßt uns eine alles durchdringende, dabei gleichmäßige und wohlige Wärme, beständig und mild, ganz Innigkeit und stiller Glanz; nichts Beißendes ist in ihr, nichts, das uns verzehrte“ (vgl. Montaigne, 2000, S. 69).

In der europäischen Aufklärung (ab 1700 n. Chr.) wird das eher funktionale Verständnis von Freundschaft aus dem Renaissance Humanismus weiter fortgeführt; der Unterschied liegt jedoch darin, dass die durch die analytisch-systemische Vorgehensweise entwickelten Vorstellungen von Freundschaft hier schon auf moderne Modelle der Sozialwissenschaften verweisen (vgl. Schinkel, 2003, S. 343f). Die Funktionen der romantischen Freundschaft liegen nach Nötzold-Linden (1994) „in der gegenseitigen Ergänzung und Vervollkommnung der Person und im kollektiven Selbstgenuss“ (S. 54). Dies ändert sich am Übergang zum 20. Jahrhundert, wo Freundschaft eher in den Hintergrund rückt. Das scheint daran zu liegen, dass Menschen vermehrt in die Abhängigkeit von unpersönlichen Organisationsstrukturen geraten. „Das schwärmerische Denken über die Vorzüge dieser Beziehung nimmt zugunsten anderer Werte ab“ (vgl. ebd.). Die heutige Freundschaftsauffassung setzt sich laut Schinkel (2003, S. 414ff) aus einem Verschwinden der Sozialität, Flüchtigkeit, Nutzenorientierung, Management, individueller Willkür und Intimität zusammen, was insgesamt lediglich einen groben Überblick über die heutige Freundschaftsordnung sichtbar macht.

3.2 Bedeutung und Funktion von Freundschaft allgemein und im Jugendalter

Die Freundschaft wird oben zusammenfassend beschrieben als eine persönliche, informelle Sozialbeziehung, die auf Gegenseitigkeit beruht und einen individuell unterschiedlichen Wert besitzt. Im Alltag ist der Begriff Freundschaft allgegenwärtig und er hat viele Gesichter: Es gibt die intime Zweierbeziehung, den eher lockeren Freundeskreis, Frauen-, Männer- oder gemischtgeschlechtliche Freundschaften, Freundschaften im Alter oder eben auch die Freundschaften im Jugendalter (vgl. Schinkel, 2003, S. 15). In einer umgangssprachlichen Bestimmung der Freundschaft wird diese nach dem Grad ihrer Stärke abgestuft. Die schwächste Ausprägung wäre die Bekanntschaft und die stärkste der sogenannte ,Freund fürs Leben’ (vgl. Lainer, 2009, S. 5).

An dieser Stelle sei kurz darauf einzugehen, dass nach Hermand (2006, S. 5f) zwei unterschiedliche Trends in der Einschätzung von Freundschaft zu unterscheiden sind. Einmal wird sie unter sozialhistorischer Perspektive als ein weitgehend der Vergangenheit angehöriger Vorstellungskomplex hingestellt, dessen sozialethischer Impuls in unserer aktuellen marktwirtschaftlichen Konkurrenzgesellschaft, welche keine weiteren sozioökonomischen Möglichkeiten mehr bietet, seine Funktion verloren hat. Der zweite Trend besteht aus dem rein Privaten der Freundschaft, welche es im zwischenmenschlichen Bereich schon immer gegeben habe. Auf diese Art der Freundschaft wird im weiteren Verlauf der Arbeit eingegangen.

Jeder scheint diese Form der Freundschaft auch selbst zu kennen. Einen Freund oder mehrere Freunde hat fast jeder und die meisten scheinen wenige enge und mehrere eher weiter gefasste Freundschaften zu haben. Was ist allgemein und speziell für Jugendliche so bedeutungsvoll an der sozialen Beziehung Freundschaft? Freundschaften stellen eine spezifische Form der Beziehung unter Gleichaltrigen dar, da sie im Normalfall exklusiv und wechselseitig zwischen zwei Personen stattfindet. Die Freundschaftsentwicklung ist ein typisches Beispiel einer qualitativen Veränderung über die Zeit hinweg. Hierbei verändert und erweitert sich dann das Konzept der Freundschaft, also die Erwartungen daran, wie sich der Freund im Vergleich zu einem Bekannten zu verhalten oder nicht zu verhalten hat (vgl. Pinquart et al., 2011, S. 216f). Nach dem Stufenmodell der Freundschaftsbeziehungen von Selman (1984) durchlaufen Menschen zunächst die Stufen 0 (Momentane physische Interaktion: frühe Kindheit), 1 (Einseitige Hilfestellung: mittlere Kindheit) und 2 (Schönwetterkooperation: mittlere Kindheit), bevor sie im Jugendalter die Stufen 3 (Intimer Austausch) und 4 (Autonomie und Interdependenz) erreichen. Vor allem der intime gegenseitige Austausch wird zum zentralen Kriterium für Jugendliche (vgl. Seiffge-Krenke, 2009, S. 125).

Wie die Stufe 0 aus Selmans Modell zeigt, werden Freundschaften bereits ab der frühen Kindheit geschlossen. Laut Wagner (1994, S. 14) ist dies eng verbunden mit dem Erlernen sozialer Kompetenzen, welche in der Beziehung zu den Eltern in dieser Weise nur schwierig zu erreichen sind. Dies wird nur im Umgang mit Freunden und Gleichaltrigen, den sogenannten Peers, erreicht: Hier lernen die Jugendlichen Kooperation oder Wettstreit, moralisches Urteilen und Handeln, Vertrauen oder Sensibilität. Dies liegt vor allem daran, dass Kinder untereinander in einem symmetrischen Verhältnis zueinander stehen, d. h. sie begegnen sich auf einer gleichberechtigten Stufe. Diese daraus resultierende Sozialkompetenz scheint für den weiteren Verlauf der Entwicklung eine wichtige Rolle zu spielen, denn die Verhaltensweisen, die die Kinder in diesen Zweier- oder auch Gruppenbeziehungen erlernen, sind die Regeln, die notwendig sind, um sich in unserer Gesellschaft einzufinden und normal leben zu können. Die Kinder lernen somit im Zusammenspiel mit ihren Freunden schon sehr früh, Grenzen zu erkennen, sich einzuordnen und anzupassen. Fend (1998, S. 223) beschreibt, dass schon in der mittleren Kindheit Kontakte zu Gleichaltrigen entwicklungsfördernd sein können. Nach den Theorien von Piaget, Mead und Sullivan wird schon in diesem Alter die Bedeutung von Gleichaltrigen und Freunden hervorgehoben bezüglich der Fähigkeit, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und Regeln gerecht aushandeln zu können, der Entwicklung des moralischen Urteilens und der kognitiven Strukturen sowie der Kompetenz zur Koordination von Handlungen.

Somit sind die Grundlagen schon sehr früh gelegt, um auch im Jugendalter mit seinen Freunden ein soziales Miteinander zu erschaffen, mit ihnen aushandeln zu können, Streitigkeiten zu lösen und allgemein miteinander auszukommen. Weitere Funktionen der Freundschaft für Jugendliche sind die Entwicklung von Empathiefähigkeit, emotionaler Zugänglichkeit, sozialer Zuverlässigkeit und der Aufbau sozialer Beziehungskompetenzen für spätere Bindungen (vgl. Preuss-Lausitz, 1999, S. 164).

In der heutigen Zeit wird von Jugendlichen schon recht früh gefordert, ihren eigenen Lebensstil als auch ihr eigenes Lebenskonzept zu entwickeln (vgl. Hurrelmann et al., 2006, S. 35). Für diese Aufgaben bieten Freunde eine sehr gute Hilfestellung, da sie durch gemeinsame Wertvorstellungen und Ausdrucksmöglichkeiten die zur Entwicklung notwendigen Identifikationsmöglichkeiten und Orientierungen bieten. Vor allem intime Freundschaften spielen eine sehr gewichtige Rolle für die Identitätsbildung im Jugendalter. Auch sind Freundschaften während der Adoleszenz hinsichtlich des Erwachsenenalters insofern von Bedeutung, dass sie ein ausgeprägteres Selbstwertgefühl in späteren Lebensabschnitten ermöglichen. Erwachsene, die im Jugendalter Freunde hatten, sehen sich als kompetenter im moralischen Verhalten und innerhalb sozialer Beziehungen an als Erwachsene, die als Jugendliche keine Freunde hatten (vgl. Bagwell et al., 1998, S. 148). Eine spezielle Funktion haben enge oder intime dyadische Freundschaften für die Heranwachsenden. Nach Fend (1998, S. 353) schützen sie Jugendliche vor sozialen Einsamkeitsgefühlen. Sie helfen aber auch schwierige und konfliktbehaftete Beziehungen zu den Eltern zu kompensieren (vgl. Fend, 2005, S. 327).

Nach Preuss-Lausitz (1999, S. 163) kann abschließend die Freundschaftsfunktion darunter subsumiert werden, dass sie im modernen Jugendalter neben der wichtigen Voraussetzung für die kognitive und emotionale Entwicklung auch die Entfaltung von Empathie- und Sozialfähigkeit ermöglicht sowie den Jugendlichen ein Gefühl von ,Glück’ bietet.

4. Das Jugendalter

Für die oben in Kapitel 2.2 genannte Alterspanne von 10 bis 20 Jahren gibt es einige Begriffe, die diese Lebensphase umschreiben. Der Begriff Jugendalter, laut Duden (2011, S. 946) die Altersstufe zwischen Kindheit und Erwachsensein, ist hierfür einer der meistgenutzten Begriffe. Der Begriff der Adoleszenz wird auch häufig in diesem Zusammenhang genannt, wobei laut Duden-Definition diese die Endphase des Jugendalters beschreibt (vgl. a. a. O., S. 112). Umgangssprachlich ist auch der Begriff Pubertät gebräuchlich, wobei diese sich ausschließlich auf die Entwicklungsphase der geschlechtlichen Reifung bezieht (vgl. a. a. O., S. 1388f). Da diese Phase jedoch in die Phase der Jugend fällt, ist der umgangssprachliche Gebrauch nicht verwunderlich. Da sich in vielen Arbeiten die Adoleszenzphasen über den gesamten Bereich des Jugendalters erstrecken, werden im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit die Begriffe Jugendalter und Adoleszenz im Sinne der in Kapitel 2.2 aufgeführten Definition synonym verwendet.

Die Jugendforschung wurde unter anthropologischen, somatischen, entwicklungspsychologischen, pädagogischen und soziologischen Fragestellungen als Übergangsphase vom Kind zum Erwachsenen betrachtet. Was die Jugend genau ist, kann hinsichtlich der heutigen Jugend – und wie bereits oben schon angedeutet – nicht mehr so leicht beantwortet werden. Was den Beginn der Jugend aus historischer Sicht betrifft, so hat sich die neuere Jugendforschung weitgehend auf die letzten 250 Jahre beschränkt. Auf die Zeiten vor dem 18. Jahrhundert wird kaum eingegangen (vgl. Horn, 1998, S. 1). Für Dudek (1993, S. 307) haben neuere Forschungen zur Geschichte der Jugend sogar erst in den 1950er und 1960er Jahren eingesetzt. In einem modernen Verständnis nahm die Jugend mit der Aufklärung ihren Anfang. Hier wurden den Lebensphasen Kindheit und Jugend zum ersten Mal eigenständige Plätze zugestanden (vgl. Horn, 1998, S. 3). Der moderne, neuzeitliche Jugendbegriff wurde jedoch erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts konstruiert, obwohl Jugend auch schon vorher existierte (vgl. a. a. O., S. 15). Diese Konstruktion hat sich in den letzten einhundert Jahren nochmals verändert (vgl. Ferchhoff, 2007, S. 86) und ist im heutigen Sinne unter der in Kapitel 2.2 beschriebenen Definition zu verstehen. Seit ca. 1950 hat sich die Lebensphase der Jugend von einer durchschnittlich fünf Jahre dauernden Zeitspanne hin zu einem längeren Stadium entwickelt. In den aktuellen Zeiten des 21. Jahrhunderts sind daraus oftmals zehn, bei vielen jungen Menschen aber sogar 15 oder bis zu 20 Jahre geworden (vgl. Hurrelmann et al., 2006, S. 33). Die Zeit, die zwischen dem frühen Schulleben und der finalen Zulassung des Jugendlichen in die spezialisierte Arbeit liegt, hat sich durch den technologischen Fortschritt noch weiter verlängert (vgl. Erikson, 1974, S. 131). Auch Lewis-Day (1987, S. 347) merkt an, dass sich – vor allem in den modernen urbanen Industriegesellschaften – die Jugendzeit aufgrund sich verändernder soziostruktureller Faktoren wie längere Schulbildung und Ausbildung, mehr Freizeit und erhöhter Wohlstand weiter verlängert hat

Unter dem in der heutigen Jugendforschung dominierenden Transitionsansatz wird das Jugendalter als Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenalter betrachtet sowie auch die Einstellungen und Verhaltensweisen der Jugendlichen unter dem zu betrachtenden Aspekt ihrer (Dys-)Funktionalität für die Präparation und spätere Übernahme von Erwachsenenrollen (vgl. Reinders & Wild, 2003, S. 15).

Ganz allgemein bezeichnet das Jugendalter also die Phase der Entwicklung, die zwi­schen der Kindheit und dem Erwachsenenalter einzuordnen ist und mit dem Einsetzen der Geschlechtsreife eingeleitet wird. Mit dem Beginn der Pubertät und damit des Jugendalters kommt bei vielen Jugendlichen der gesamte Organismus aufgrund der stattfindenden hormonellen Veränderungen, die die Entwicklung der Geschlechtsreife vorantreiben, ins Wanken. Diese neu aufkommenden Gefühle setzen bei den meisten Jugendlichen enorme Energien, aber auch enorme Ängste frei (vgl. Schröder & Leonhardt, 1998, S. 31). Vor allem die Energien können teilweise überschwänglich sein. Dies kann sich z. B. in starker Neugier, einzigartig besetztem Narzissmus oder gefühlter Omnipotenz manifestieren (vgl. Schröder, 1991, S. 53ff). Wobei ältere Jugendliche (16-19 Jahre) dazu tendieren, allgemein ein etwas stärkeres Selbstvertrauen zu haben als die Jüngeren (13-15 Jahre). Sie sind auch offener für die Gefühle und Meinungen anderer (vgl. Steinhausen, 1990, S. 50). Für die Jugendlichen geht es um eine aktive Gestaltung des Lebensalltags, in welche persönliche Maßstäbe und individuelle Bewertungen der Lebenswelt mit eingeschlossen sind. Die Eltern spielen in diesem Prozess zwar nach wie vor eine wichtige Rolle, aber dadurch, dass die Jugendphase auch immer früher einsetzt, haben vor allem die Gleichaltrigen sehr an Bedeutung gewonnen (vgl. Hurrelmann et al., 2006, S. 36).

Jugendliche haben zahlreiche verschiedene Entwicklungsaufgaben zu bewältigen (vgl. Kolip, 1993, S. 74). Die zentrale Idee des Konzepts nach Havighurst beruht darauf, dass Entwicklungsaufgaben eine Art Lernaufgaben darstellen und die Entwicklung somit als Lernprozess aufgefasst wird, welcher sich über die komplette Lebensspanne erstreckt. Dieser Lernprozess führt in einem Kontext real existierender Anforderungen zum Erwerb von Kompetenzen und Fertigkeiten, die zu einer konstruktiven und für die Person zufriedenstellenden Bewältigung ihres Lebens innerhalb der Gesellschaft notwendig sind (vgl. Oerter & Dreher, 2002, S. 268). Die Jugendlichen „müssen 1. lernen, ihren eigenen Körper zu akzeptieren und mit ihm fertig zu werden. 2. eine angemessene Geschlechterrolle lernen. 3. sich von der Beherrschung von Erwachsenen (besonders durch die Eltern) unabhängig zu machen. 4. den wirtschaftlichen Status Erwachsener zu erreichen. 5. ein Wertesystem entwickeln.“ (Corey, 1946; zitiert nach Ausubel, 1974, S. 64). Hurrelmann (1994, S. 33f) fasst die verschiedenen Entwicklungsaufgaben der Jugendlichen unter insgesamt vier Punkte zusammen. Erstens muss eine intellektuelle und soziale Kompetenz erworben werden, um eigenverantwortlich den schulischen und später beruflichen Anforderungen zu entsprechen. Das langfristige Ziel ist es hierbei, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen und in der Folge ökonomisch und materiell selbstständig zu sein. Zweitens muss eine eigene Geschlechterrolle sowie ein soziales Bindungsverhalten zu Gleichaltrigen sowohl des eigenen als auch anderen Geschlechts entwickelt werden. Daraus soll dann der Aufbau von heterosexuellen Partnerbeziehungen mit dem langfristigen Ziel der Familiengründung entstehen. Drittens müssen eigene Handlungsmuster für den Gebrauch des Konsum- und Freizeitmarktes entwickelt werden. Das Ziel hierbei ist, einen eigenen Lebensstil herauszuarbeiten, um einen entsprechend sicheren Umgang auf diesen Märkten zu bekommen. Viertens ist ein Normen- und Wertesystem – inklusive eines ethischen und politischen Bewusstseins – zu entwickeln, welches mit dem eigenen Verhalten und den eigenen Handlungen übereinstimmt. Dadurch soll eine verantwortliche Übernahme von bestimmten gesellschaftlich teilhabenden Rollen im kulturellen als auch politischen Raum möglich werden. Eine ähnliche Einteilung ist auch bei Hendry et al. (1994, S. 66) zu finden.

Als charakteristisch für das Jugendalter kann nach Seiffge-Krenke und Seiffge (2005, S. 269) die dritte Stufe (intimate sharing) aus Selmans Stufenmodell angesehen werden. Diese schließt einen intimen reziproken Austausch zwischen den Freunden ein. Von dieser Altersstufe an wird in den Freundschaftsbeziehungen der Jugendlichen Intimität – was zusätzlich gegenseitiges Vertrauen, Loyalität, Exklusivität und den gegenseitigen Austausch von persönlichen, wichtigen Informationen mit einschließt – bestimmend. Bei Erikson (1999, S. 255) ist die Adoleszenz durch die fünfte Stufe (Identität vs. Identitätsdiffusion) seines Achtstufenmodells gekennzeichnet. Zentral ist hiernach, dass die Jugendlichen einem Zwang unterliegen, alles bisher Gewesene zu hinterfragen und in ihr neu entstehendes Selbst zu integrieren. Das schließt sie auch selbst mit ein, indem sie sich selbst hinterfragen und im Weiteren eine eigene neue Identität suchen (vgl. Flammer, 2009, S. 100).

Barthelmes (2001, S. 87) unterteilt in folgende verschiedenen Altersabschnitte und die dazugehörigen Entwicklungsaufgaben: Im Alter ab 13 Jahren liegt der Schwerpunkt auf der Veränderung und Vertiefung der Beziehung zu den eigenen Eltern. Zusätzlich ist neben den Freundschaftsbeziehungen in den Gleichaltrigengruppen, zu der besten Freundin oder dem besten Freund, die Arbeit am Selbstbild des eigenen Geschlechts von hoher Bedeutung. Im Alter ab 15 Jahren rückt die nach der Schule anstehende Berufsausbildung vermehrt in den Fokus. Die Beziehung zu den Eltern wird schwieriger, eine starke Abgrenzung von diesen findet statt. Freundschaftsbeziehungen werden durch die ersten erotisch-sexuellen Erfahrungen ergänzt. Zum Abschluss der Adoleszenz, im Alter ab 19 Jahren, wird das Selbst als erwachsen wahrgenommen. Durchsetzungsfähigkeit ist hierbei eine wichtige Komponente, um auf dem weiteren Lebensweg bestehen zu können. Dies hängt auch unmittelbar mit dem Schulabschluss und einem Beruf zusammen. Sexuelle Beziehungen werden zu festen und längerfristigen Partnerbeziehungen.

Dreher und Dreher (1985; ausführlich bei Havighurst, 1976, S. 43ff) geben – unter der Perspektive des Übergangs zwischen Kindheit und frühem Erwachsenenalter nach Havighurst – folgende Entwicklungsaufgaben für die Adoleszenz (hier 12-18 Jahre) an: „1. Neue und reifere Beziehungen zu Altersgenossen beiderlei Geschlechts aufbauen 2. Übernahme der männlichen oder weiblichen Geschlechtsrolle 3. Akzeptieren der eigenen körperlichen Erscheinung und effektive Nutzung des Körpers 4. Emotionale Unabhängigkeit von den Eltern und von anderen Erwachsenen 5. Vorbereitung auf Ehe und Familienleben 6. Vorbereitung auf eine berufliche Karriere 7. Werte und ein ethisches System erlangen, das als Leitfaden für das Verhalten dient – Entwicklung einer Ideologie 8. Sozial verantwortliches Verhalten erstreben und erreichen“ (S. 59). Havighurst und Tida (1967, S. 81) weisen darauf hin, dass die Gesellschaft von den heranwachsenden Mädchen und Jungen erwartet, dass sie nach einem mit dem Alter zunehmend immer bewusster werdenden rationalen Verhaltenskodex leben. Fend (2000, S. 211) nennt als einfachste Klassifikation für die Einteilung der Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz drei Bereiche. Der erste Bereich ist intrapersonaler Art, welcher sich aus den vor allem biologischen und psychischen Veränderungen ergibt. Der zweite Bereich ist interpersonaler Art. Dies gilt unter der Berücksichtigung, das gesamte soziale Beziehungsgefüge einer Person darunter zu subsumieren. Der dritte und letzte Bereich ist kulturell-sachlicher Art. Dieser wird repräsentiert durch die Gesamtheit aller kulturellen Vorgaben, Ansprüche und Entwicklungsmöglichkeiten (vgl. auch Fuhrer, 2005, S. 85).

Die Loslösung vom Elternhaus nimmt eine zentrale Rolle in diesen Aufgaben ein. In der Adoleszenz findet eine entwicklungsbedingte Abrückung von der Kernfamilie statt (vgl. Maccoby, 1995, S. 353). Hiermit wird die Unabhängigkeit, Selbstständigkeit, Separation und Autonomie von der Familie und die Identitätsgewinnung im Jugendalter verstanden (vgl. Schurian, 1989, S. 116). Dieser Ablösungsprozess ist eng verbunden mit verstärkter Außenorientierung, vermehrten Aktivitäten und Mitgliedschaften in anderen sozialen Gruppen außerhalb der Familie und der Verselbstständigung der Jugendlichen, welche oftmals zu Konflikten mit den Eltern führen können (vgl. Holler & Hurrelmann, 1990, S. 62f). Ab dem Zeitpunkt, wenn Kinder in die Pubertät kommen, verbringen sie immer weniger Zeit in gemeinsamen Aktivitäten mit ihren Eltern. Sie verbringen mehr Zeit mit Gleichaltrigen oder auch, vor allem Jungen, alleine (vgl. Larson & Richards, 1991, S. 288). Eine der Ursachen hängt damit zusammen, dass die Familie, in die ein Mensch hineingeboren wird, nicht von diesem selbst ausgesucht wird. Familien haben einen relativ festgeschriebenen Status (vgl. Rohlfs, 2010, S. 64). Es gibt hierbei keine Alternativen; die Familie als Gruppe kann – zumindest als Kind oder nichtvolljähriger Jugendlicher – nicht verlassen werden, falls es zu Konflikten und Streitigkeiten kommt. Somit sind Familien für Jugendliche auch eine Art ,Zwangsgruppe’, gegen welche sich aufgelehnt und von welcher sich auch immer mehr abgelöst wird. Somit kann das dissonante Gefühl, sich nicht von der Familie trennen zu können, selbst wenn es als ein temporäres emotionales Bedürfnis auftreten sollte, ausgeglichen werden durch die Zuwendung hin zu einer anderen Gruppe, die den Anforderungen der eigenen Werte und Vorstellungen besser entspricht (vgl. Schwonke, 1980, 47ff). Jugendliche verspüren den Wunsch, von ihren Eltern nicht dabei eingeschränkt zu werden, wenn sie sich selbst als Individuen neu erfinden. Sie nehmen subjektiv wahr, dass ihre Eltern sie nun in die Freiheit entlassen und nicht mehr wie Kinder behandeln (vgl. Youniss & Smollar, 1985, S. 140). Mit diesem Problem haben Jugendliche, vor allem in der frühen Adoleszenz, zu kämpfen, da sie von der Gesellschaft zwar nicht mehr als Kinder, aber auch bei weitem noch nicht als Erwachsene behandelt werden (vgl. Berndt, 1982, S. 1447).

Freunde im Jugendalter sind sich oft ähnlich und am meisten in der frühen Adoleszenz. Berndt (1982, S. 1454) berichtet, dass Jugendliche oftmals eine ähnliche Einstellung zur Schule haben. Wären diese Ähnlichkeiten nicht gegeben, würden vermehrt Streitigkeiten auftreten, z. B. aufgrund verschiedener Auffassungen über die Freizeitgestaltung. Dazu sind die Einstellungen ihrer eigenen Kultur gegenüber recht ähnlich. Dies äußert sich z. B. im gleichen Musikgeschmack (vgl. auch Selfhout et al., 2009, S. 104) oder in einem identischen Kleidungsstil. Mesch und Talmud (2007, S. 458) berichten, dass sich Jugendliche oftmals auch in demografischen Variablen ähneln. In ihrer Studie lebten 90.4 Prozent in derselben Nachbarschaft, hatten 83.7 Prozent dasselbe Geschlecht und waren 83.2 Prozent im selben Alter.

Insgesamt betrachtet ist das Jugendalter eine Phase, in der die Protagonisten viel zu meistern haben. Alltäglich ist jeder Jugendliche mit einer großen Vielzahl von unterschiedlichen situativen Gegebenheiten konfrontiert, in denen er durch Hilfe seiner erworbenen Kompetenzen handlungsfähig sein muss. Wie gut jede Handlung gelingt, hängt von einer mehr oder weniger guten Strukturierung der Handlungskompetenzen ab, welche als eine Art Steuerinstanz für das jeweilige Verhalten und Handeln in den unterschiedlichen Situationen wirkt. Jeder Jugendliche steht fortwährend erneut vor der Aufgabe, adäquate Beziehungen einerseits zur dinglichen, andererseits vor allem aber zur sozialen Welt herzustellen und seine Kompetenzen immer wieder auf die sich verändernden Situationen einzustellen (vgl. Heitmeyer & Hurrelmann, 1993, S. 118).

5. Freundschaften im Jugendalter

Es ist bekannt, dass außerhalb der Familie liegende positive Beziehungen zu Gleichaltrigen während des Jugendalters immer mehr an Bedeutung gewinnen und von hoher Wichtigkeit sind (vgl. Giordano, 2003, S. 257; vgl. auch Kracke, 1993, S. 23). Freunde zu haben und diese Beziehungen weiter aufrechtzuerhalten, gehört somit zu den wichtigsten Zielen im Jugendalter. Jugendliche verbringen sehr viel Zeit mit ihren Freunden und diese wechselseitigen Beziehungen sind aus verschiedenen Gründen von großer Bedeutung für die Protagonisten. Freundschaft fördert Erfahrungen im Konfliktmanagement genauso wie zu kooperieren oder mit anderen zu teilen (vgl. Hartup, 1992, S. 186). Durchschnittlich gaben über 90 Prozent der 15- bis 17-Jährigen in der 13. Shell Jugendstudie an, dass sie eine beste Freundin oder einen besten Freund haben, was die enorme Bedeutung von Freunden unterstreicht (vgl. Fritzsche, 2000, S. 209). Entwicklungspsychologische Theorien und Studien unterstreichen immer wieder die Wichtigkeit von Freunden und speziell besten Freundinnen und Freunden für das positive soziale und emotionale Wohlbefinden und für die Anpassung an die Gesellschaft (vgl. Hodges et al., 1999, S. 99; vgl. auch Parker & Asher, 1993, S. 620).

Die Forschungsergebnisse zum Thema Freundschaft stimmen darin überein, dass intime Freundschaften das erste Mal im frühen Jugendalter aufkommen. Verglichen mit den jüngeren Kindern machen sich Jugendliche der frühen Adoleszenz mehr Sorgen über intime Selbstenthüllungen (die Preisgabe von persönlichen oder intimen Details aus dem eigenen Privatleben) und sie besitzen mehr intime Informationen über ihre eigenen Freunde (vgl. Berndt, 1982, S. 1449). Freunde sehen sich in der späteren Kindheit und in der Adoleszenz als loyal, vertrauenswürdig und gegenseitig vertraut an (vgl. Bukowski et al., 1996, S. 1). Sobald Individuen in die Adoleszenz kommen, gehören auch Freundschaften mit Personen anderen Alters zur Norm (vgl. Rubin & Fredstrom, 2008, S. 1089). Jedoch ist eine generelle Tendenz der Jugendlichen insofern zu erkennen, dass sie ihre Freunde meist aus Gruppen gleichaltriger Personen wählen (vgl. Billy & Udry, 1985, S. 25). Die Mehrzahl der Jugendlichen hat mindestens einen wechselseitigen Freund und viele sind zusätzlich in eine Gruppe oder ein Netzwerk von engen Freunden integriert (vgl. Rubin & Fredstrom, 2008, S. 1088). Wird die reine Anzahl von Freunden betrachtet, so berichten Lenhart et al. (2005, S. 12) für 12- bis 14-jährige Jugendliche, dass sie durchschnittlich 17 Freunde haben; bei den 15- bis 17-jährigen sind es 22. Die durchschnittliche Freundeszahl über alle Altersklassen hinweg lag bei 20 Freunden, wobei Mädchen im Mittel 17 und Jungen 22 Freunde hatten. Freundesgruppen innerhalb des Jugendalters sind nach der Jacobs Studie (2014, S. 31), einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage im deutschen Raum, eher homogener als in anderen Altersbereichen. Es finden sich hier weniger oft Personen anderen Alters, mit anderem beruflichen oder schulischen Hintergrund, anderem Partnerschaftsstatus, anderen angestrebten Schulabschlüssen oder anderer regionaler Herkunft. Hinsichtlich der Bedeutung der Freunde wird weiter berichtet, dass es für 86 Prozent der 14- bis 17-jährigen Jugendlichen wichtig ist, dass sie sich auf ihre Freunde verlassen können. Vor allem aber stach heraus, dass für diese Altersgruppe die gemeinsam verbrachte Zeit hohe Bedeutung hatte. Hier konnte gezeigt werden, dass für jedes Item des Faktors „Kontakt und gemeinsame Zeit“ überdurchschnittlich höhere Werte im Jugendalter erzielt wurden als in der Gesamtstichprobe (vgl. a. a. O., S. 22), was auch faktisch belegt werden konnte. Regelmäßige Treffen gehörten zu den auffälligsten Merkmalen der Jugendfreundschaften. Ca. drei Viertel der befragten Jugendlichen sahen ihren besten Freund oder ihre beste Freundin häufig oder unternahmen oft etwas miteinander (vgl. a. a. O., S. 43).

[...]


[1] [1] In der vorliegenden Arbeit wird aufgrund der besseren Lesbarkeit oftmals alleinig der Begriff „Freund“ verwendet. Ist keine spezifische Geschlechtszuteilung erkennbar, so ist damit in jedem einzelnen Fall sowohl „Freundin“ als auch „Freund“ gemeint.

[2] Vgl. http://www.shell.de/aboutshell/our-commitment/shell-youth-study.html. Zugriff am: 05.01.2014.

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Freundschaften im Jugendalter. Definition und Bedeutung von Jugendfreundschaften
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
75
Katalognummer
V336351
ISBN (eBook)
9783668259751
ISBN (Buch)
9783668259768
Dateigröße
1212 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jugendalter, Freundschaft, Teenager, Pubertät, Adoleszenz
Arbeit zitieren
Arian Daschty (Autor:in), 2014, Freundschaften im Jugendalter. Definition und Bedeutung von Jugendfreundschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336351

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