Geographische Konsumforschung. Strukturwandel im Naturkosteinzelhandel

Eine empirische Analyse alltäglicher Einkaufspraktiken in Bonner Bioläden


Bachelorarbeit, 2016

97 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Forschungsstand und Theorie
2.1 Geographische Konsumforschung
2.1.1 Faktoren von Konsumentenentscheidungen
2.1.2 Konsum als Alltagspraxis
2.2 Theorie der Praktiken
2.2.1 Theorie der Praktiken im Hinblick auf geographische Konsumforschung
2.2.2 Theorie der Praktiken und Methodik

3 Der Naturkosteinzelhandel
3.1 Begriffsabgrenzung
3.2 Bedeutung des Naturkosteinzelhandels für den Gesamtumsatz an Biolebensmitteln
3.3 Entwicklung des Naturkosteinzelhandels von 2003-2013
3.4 Vergleich zum Strukturwandel im klassischen Lebensmitteleinzelhandel

4 Methodische Vorgehensweise
4.1 Durchführung und Auswertung der quantitativen Methoden
4.2 Durchführung und Auswertung der qualitativen Methoden
4.3 Diskussion der Methodik

5 Forschungsergebnisse
5.1 Darstellung der Bioläden in Bonn
5.2 Charakterisierung der Befragten
5.3 Ergebnisanalyse
5.3.1 Alltägliche Einkaufspraktiken - verschiedene Faktoren
5.3.2 Sortiment als Faktor von Konsumentenentscheidungen
5.3.3 Service und Atmosphäre als Faktoren von Konsumentenentscheidungen
5.3.4 Preise und spezielle Angebote als Faktoren von Konsumentenentscheidungen
5.3.5 Zwischenfazit: Konsumentenentscheidung im Kontext alltäglicher Routinen ..
5.4 Relevanz des Geschäftsmodells aus Kundensicht

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Internetquellen

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anteil der Einkaufsstätten am Gesamtumsatz ausgewählter Öko- Lebensmittel in 2009 (in %)

Abbildung 2: Prozentuale Verteilung des Grads der Filialisierung 2003 bis 2013

Abbildung 3: Fragebogen

Abbildung 4: Leitfaden Interviews

Abbildung 5: Karte der Bonner Bioläden

Abbildung 6: Bonner Bioläden mit Eröffnungsjahr und Verkaufsfläche

Abbildung 7: Ergebnisse Frage 3: Wie oft kaufen Sie in diesem Bioladen ungefähr ein? .

1 Einleitung

„Der fast aussichtslose Kampf gegen die Bioketten. Ketten wie Alnatura, denn’s oder basic rollen den Bioladen-Markt rücksichtslos auf. Viele kleine Anbieter schließen deshalb ihre Geschäfte. Doch einige Öko-Pioniere wehren sich erfolgreich.“ - so titelt GRASSMANN in Die Welt am 18.02.2015. Der Artikel beschäftigt sich mit dem Strukturwandel im Naturkosteinzelhandel und beschreibt das Beispiel der Konkurrenzsituation in Bonn-Beuel, wo sich seit einigen Jahren zwei Biosupermärkte, ein inhabergeführtes Geschäft namens Momo und eine Alnatura-Filiale, in nur wenigen hundert Metern Entfernung gegeneinander zu behaupten versuchen. Doch die Aktualität des Themas zeigt sich auch im übrigen Bonner Stadtgebiet - ähnlich wie in fast allen deutschen Großstädten. Im Bonner Zentrum eröffneten in den letzten neun Jahren drei weitere Filialen von deutschlandweiten Biosupermarktketten und prägen so den Bonner Naturkosteinzelhandel entscheidend. Dieser Strukturwandel des Einzelhandels in der Biobranche kann wie folgt beschrieben werden: die kleinen inhabergeführten Bioläden, die es teilweise seit den 1970er Jahren gibt, werden durch Biosupermärkte mit größeren Verkaufsflächen abgelöst. Gleichzeitig findet eine zunehmende Filialisierung besonders in den letzten zehn Jahren statt. Dieser anhaltende Prozess stellt den Ausgangspunkt der Überlegungen dieser Arbeit dar.

Der Fokus lag hierbei allerdings nicht auf dem Konkurrenzkampf aus Sicht der Ladeninhaber, sondern sollte von der Konsumentenseite her betrachtet werden. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob es für Biokunden bei der Wahl der Einkaufsstätte eine Rolle spielt, ob sie in einem inhabergeführten Geschäft einkaufen oder in der Filiale einer Kette. Dieser Frage lag die Vermutung zu Grunde, dass Biokunden einer Gruppe angehören, der es wichtig ist, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen.

Da zu diesem Thema in der bisherigen Forschung, sowohl in der Geographie als auch in anderen Fachbereichen, noch keine Analysen vorliegen, war es Ziel dieser Forschung durch eine quantitative Befragung mit Hilfe eines Fragebogens sowie durch die Analyse von zwei qualitativen Interviews mit Bonner Biokunden, herauszufinden welche Faktoren für alltägliche Einkaufsentscheidungen von besonderer Bedeutung sind. Um die Antworten der Konsumenten besser einordnen zu können, wurde eine Erhebung und Kartierung aller Bioläden in Bonn durchgeführt. Dabei wurden die Geschäfte jeweils der Kategorie „inhabergeführt“ oder „Filiale einer deutschlandweiten Kette“ zugeordnet.

Die Relevanz des Themas für die Humangeographie, die sich mit dem „Raum-Machen“ der Gesellschaft befasst (GEBHARDT & REUBER 2011: 644), wird dann deutlich, wenn man die Raumwirksamkeit von Einkaufsentscheidungen betrachtet. Diese sollen hier aus 3 Perspektive der Konsumgeographie betrachtet werden, die als Teilbereich der Geographie in Deutschland erst in den letzten Jahren zunehmende Beachtung fand. Es besteht ein starker Zusammenhang zwischen Raum und Konsum, denn was und wo die Menschen konsumieren hat einen bedeutenden Einfluss auf die lokale Ökonomie. Die gebotenen Konsummöglichkeiten beeinflussen allerdings wiederum das individuelle Verhalten. Man könnte also sagen, dass die geographische Konsumforschung einerseits betrachtet, wie sich der Raum auf die Gesellschaft und ihr Handeln auswirkt und andererseits untersucht, wie sich dieses Handeln im Raum ausdrückt und diesen somit formt und verändert (PÜTZ & SCHRÖDER 2011: 988 ff.).

Dieser Arbeit liegt die Theorie der Praktiken zu Grunde. Diese beschäftigt sich mit alltäglichen Handlungsabläufen, die sowohl auf nicht-reflektierten Mustern beruhen können, als auch geplante Verhaltensformen beinhalten. Dabei sind sowohl diskursive als auch nicht diskursive Handlungen gemeint. Praktiken werden alltäglich, indem sie in Form von Routinen immer wieder auftreten. Den Alltag können wir also als das beschreiben, was für ein Individuum zu einem wiederkehrenden Ablauf aus verschiedenen Praktiken zusammengesetzt wird. Dabei spielen spezifische Zeiten und Orte eine Rolle (EVERTS 2008: 16 f.). Bei der Analyse der Ergebnisse wurde deutlich, dass die Einkaufsentscheidungen der Befragten sehr stark in den jeweiligen Alltag eingebunden sind. Der Kontext, in dem der Einkauf stattfindet, spielt eine sehr wichtige Rolle. Liegt das Geschäft in der Nähe der Wohnung oder des Arbeitsplatzes, oder kann der Einkauf mit anderen Erledigungen verbunden werden, so ist dies häufig der entscheidende Faktor bei der Wahl des Bioladens. Auch Faktoren wie Preis- und Qualitätsunterschiede sind zwar von Bedeutung, werden allerdings teilweise von den Konsumenten nur im Hintergrund betrachtet. Einen großen Einfluss auf die Einkaufsituation hat dagegen auch das soziale Umfeld, wie zum Beispiel die Familie, die mit versorgt werden muss. Neben der Einbindung in den Alltag, spielt außerdem auch das Sortiment und die Atmosphäre im Geschäft eine bedeutende Rolle für die Wahl der Einkaufsstätte. Ob diese inhabergeführt oder die Filiale einer Kette ist, war nur für einen kleineren Anteil der Befragten von Bedeutung. Allerdings wurde nicht selten die Atmosphäre mit diesem Faktor in Verbindung gebracht. So wurde eine authentische und persönliche Stimmung in inhabergeführten Geschäften mehrfach als entscheidender Punkt bei der Wahl der Einkaufsstätte genannt.

Das nun folgende Kapitel beschäftigt sich zunächst kurz mit der geographischen Konsumforschung und geht dann auf verschiedene Forschungsarbeiten zum Thema alltägliche Einkaufspraktiken ein. Daraufhin folgt eine Betrachtung der Theorie der Praktiken. Das anschließende Kapitel gibt einen Überblick über den Strukturwandel im Naturkosteinzelhandel mit einem Fokus auf die letzten zehn Jahre und einem Vergleich zum Strukturwandel im klassischen Lebensmitteleinzelhandel. Kapitel 4 beschreibt und diskutiert die verwendeten Methoden. In Kapitel 5 werden schließlich die Ergebnisse der Forschung dargestellt und unter anderem im Hinblick auf alltägliche Einkaufspraktiken analysiert. Die wichtigsten Erkenntnisse werden im Fazit noch einmal zusammengefasst.

2 Forschungsstand und Theorie

Der Begriff Konsum kann in vielerlei Hinsicht unterschiedlich verstanden werden. Sowohl die einfache Handlung des Kaufs oder des Verzehrs eines Produkts kann gemeint sein, aber auch die technische Versorgung selbst sowie die Befriedigung der Bedürfnisse werden als Konsum bezeichnet. Betrachtet man den Begriff aus ökonomischer Perspektive, so könnte man ihn mit makroökonomischer Nachfrage gleichsetzen (ERMANN 2006: 201). Konsum kann als Produktion von Verschmutzung und Müll in der Wegwerf-Gesellschaft gesehen werden, aber auch als Produktion der eigenen Identität und Reproduktion der Existenz (GOODMAN et al. 2010: 25). Aufgrund dieser vielseitigen Bedeutungen des Begriffs, gibt es sehr unterschiedliche Arbeiten und Forschungsschwerpunkte in der geographischen Konsumforschung.

Da sich diese Arbeit vor allem mit der Konsumentenseite innerhalb des Naturkosteinzelhandels beschäftigt, sollen im Folgenden die wichtigsten Aspekte der geographischen Konsumforschung dargestellt werden. Außerdem wird dargelegt welche Arbeiten es bereits zu Einkaufspraktiken gab. In einem weiteren Schritt wird die Theorie der Praktiken kurz zusammengefasst. Kapitel 3 geht dann schließlich auch auf einige Untersuchungen ein, die es bisher zum Naturkosteinzelhandel gab. Es ist allerdings anzumerken, dass es bisher keine Analysen gab, die sich mit dem Thema Konsumentenentscheidung hinsichtlich der Wahl des Geschäfts beschäftigten. Biokonsum wurde bisher eher in Bezug auf moralischen und politischen Konsum untersucht, hierbei ging es dann um Motive für den Biokonsum (z.B. ERMANN 2006, SEYFANG 2006, MAYE et al. 2007,). Diese werden in dieser Arbeit allerdings nur am Rande betrachtet, da Konsumentenentscheidungen und -praktiken im Vordergrund stehen sollen.

2.1 Geographische Konsumforschung

In der deutschsprachigen Geographie wurde der Konsument lange nur in der Einzelhandelsgeographie, die einen wirtschaftlichen Hintergrund hat, betrachtet. Einen sozialwissenschaftlichen Ansatz bietet die geographische Konsumforschung, die im deutschsprachigen Raum erst seit Kurzem als eigenständiges Forschungsfeld betrachtet werden kann und sich stark auf britische und amerikanische Arbeiten stützt. Hier fand die Konsumforschung schon in den 1980er Jahren größere Beachtung, was vor allem mit dem steigenden Interesse an Einkaufszentren, Themenparks und anderen Konsumlandschaften in den USA zusammenhing. Dabei wurde der demonstrative Konsum, als Form selbstbestimmten Handelns im Gegensatz zum manipulierten Konsum, also der Verführung zum ungehemmten Konsum durch die Erbauer von Malls betrachtet (EVERTS 2008: 25 f.).

Die britische Konsumforschung dagegen betrachtet Kaufentscheidungen als routinierte Praktiken, die sich durch Haushaltsbedürfnisse und den gebotenen Möglichkeitenraum aus Geschäften und Produkten, entwickeln. Der Konsument wird hier nicht als durch den Markt manipuliert verstanden, sondern als aktiv handelnder Mensch. Einkaufen wird dabei als erlernte Fähigkeit betrachtet. Die britische Konsumforschung untersucht daher den alltäglichen Konsum (EVERTS 2008: 26). Aufgrund dessen bietet sie für diese Arbeit einige Anknüpfungspunkte.

GOODMAN et al. (2010) beschreiben den wechselseitigen Bezug zwischen Konsum und Raum. Während der Raum Einfluss auf den Konsumenten hat, denn „we are where we consume“ (GOODMAN et al. 2010: 3), machen und reproduzieren Waren durch ihre Produktions- und Konsumwege den Raum und räumliche Beziehungen zur gleichen Zeit. Der Konsument verändert diese durch seine bewussten und unbewussten Entscheidungen. Währenddessen ist der Raum grundlegend für alltägliche Konsumpraktiken. Wie bereits erwähnt, kann das Design eines Konsumorts, das Konsumentenverhalten absichtlich sowie unabsichtlich verändern (GOODMAN et al. 2010: 7ff.). Die räumlichen Auswirkungen von Konsumentenentscheidungen verdeutlichen die Relevanz des Themas für die Geographie. Denn Konsumentscheidungen bieten auch Möglichkeiten des politischen und moralischen Handelns (GOODMAN et al. 2010: 28 ff.). Im Folgenden soll auf Faktoren der Konsumentenentscheidung sowie auf Konsum als Alltagspraxis eingegangen werden.

2.1.1 Faktoren von Konsumentenentscheidungen

HEINRITZ et al. (2003) vertreten eine wirtschaftsgeographische Sicht bei ihrer Analyse des Konsumentenverhaltens. Sie stellen historische Ansätze für die Analyse von Entscheidungen bei der Wahl von Einkaufsstätten vor. (In ihrer Ausarbeitung geht es um den Einzelhandel allgemein und nicht speziell um den Lebensmitteleinzelhandel.) Zunächst wird der Zentralörtliche und Interaktionsansatz genannt. Es handelt sich dabei um einen angebotsorientierten Ansatz, bei dem die räumliche Versorgungssituation als entscheidender Faktor für die Wahl der Einkaufsstätte zu nennen ist. Beim Aktionsräumlichen Ansatz hingegen wird die Nachfrage in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Dies geschieht indem individuelle Lebenssituationen inklusive sozio- demographischer Faktoren und ökonomischer Voraussetzungen mit einbezogen werden. Der Handlungsspielraum des Einzelnen wird also betrachtet. Als dritter Ansatz ist der Sozial-psychologische zu nennen: Das Individuum steht mit subjektiven Bewertungskriterien im Vordergrund. Es findet eine Abwägung der verschiedenen Faktoren (wie zum Beispiel Zufahrts- und Parkmöglichkeiten, Preisniveau, Auswahl, Qualität oder Atmosphäre) je nach Präferenz des Individuums statt. Der Entscheidungsprozess ist in allen drei Ansätzen stark vom Informationsangebot und der Mental Map des Konsumenten abhängig. Abschließend wird jedoch festgestellt, dass es keinen allumfassenden Ansatz zum Erklärung von Konsumentscheidungen gibt (HEINRITZ et al. 2003: S. 135 ff.). Die Autoren gehen im Folgenden auf die Relevanz der gesellschaftlichen Entwicklung im Hinblick auf Einkaufsentscheidungen ein. Unter diesen Entwicklungen sind der Wandel der Arbeitswelt, sowie ein Einkommensanstieg und ein Wertewandel sowie Lebensstilwandel in der Gesellschaft zu verstehen. Damit einher geht der Übergang vom Massenkonsum (quantitativer Konsum) hin zu Konsum als Erlebnis und als Auslebung des Lebensstils (qualitativer Konsum). An dieser Stelle soll auch auf den Kundentyp „smart shopper“ hingewiesen werden, der sich in den 1990er Jahren entwickelte. Dieser bezieht in seine Kaufentscheidung vor allem Preis und Qualität mit ein, er versucht also einen Kompromiss zwischen einem günstigen Angebot und der für ihn akzeptablen Qualität zu finden. Häufig wird dies vom Konsumenten dann als gutes Preis- Leistungsverhältnis betitelt. „Raumwirksam ist das Einkaufsverhalten der smart shopper durch die Stärkung von Discountern und Fachmärkten, also von tendenziell kostenminimierenden, verkehrsorientierten Randstandorten.“ (HEINRITZ et al. 2003: 158) Dies liegt vor allem daran, dass Güter des Grundnutzens überwiegend in Discountern gekauft werden, Güter des Zusatznutzens dagegen vorwiegend in Fachmärkten oder auch im Internet besorgt werden (HEINRITZ et al. 2003: 155 ff.).

Als Fazit schließen HEINRITZ et al. (2003) jedoch: „Vielmehr legen die Konsumenten je nach Einkaufszusammenhang verschiedene Verhaltensweisen an den Tag“. Diese alltäglichen Zusammenhänge werden in den praktikorientierten Ansätzen von CLARKE et al. (2006), JACKSON et al. (2006), HALKIER et al. (2011) oder MEAH et al. (2011) dargestellt und sollen in den folgenden Kapiteln der wirtschaftsgeographischen Perspektive entgegengestellt werden.

2.1.2 Konsum als Alltagspraxis

CLARKE et al. (2006) untersuchen in einer Studie am Beispiel von Portsmouth, ob sich Konsumentenentscheidungen im Verlauf des Wandels des Einzelhandels veränderten. Dabei bringen sie soziale sowie räumliche Aspekte des Wettbewerbs im Einzelhandel zusammen und analysieren diese über einen Zeitabschnitt von ca. 20 Jahren. Sie stellen fest, dass es bei Konsumentenentscheidungen häufig weniger um rein ökonomische Entscheidungen geht, sondern viel mehr um alltägliche Erfahrungen der Konsumenten (CLARKE et al. 2006: 29). Der Lebensmitteleinkauf wird als routinierte Praktik beschrieben, die in sozialen Praktiken, Infrastrukturen und sozio-technischen Systemen verankert ist: „the vast majority of food consumption ‚choices‘ are indeed routinised and habitual practices, deeply embedded within the rhythms of family life and sometimes highly constrained“ (CLARKE et al. 2006: 29). Hinter Entscheidungen, die im Hinblick auf den Konsumort getroffen werden, steht also viel mehr als nur eine Abwägung zwischen günstigen Preisen, Qualität, Bequemlichkeit und Preis-Leistungsverhältnis: Der Kontext und die Situation, in der eine Entscheidung getroffen und eingekauft wird, spielen eine wichtigere Rolle. Als besonders wichtig wird dabei die Nähe des Geschäfts zum Wohn- bzw. Arbeitsort empfunden. Die Autoren stellen außerdem fest, dass sich hinsichtlich der Entscheidungen in den letzten 20 Jahren nur wenig geändert hat (CLARKE et al. 2006: 43 f.).

Die Arbeit von JACKSON et al. (2006) bezieht sich auf die oben vorgestellte Studie von CLARKE et al. und analysiert die Ergebnisse mit einer anderen Schwerpunktsetzung. Der Fokus liegt hierbei auf der Untersuchung der Entscheidungsfällung hinsichtlich verschiedener Geschäfte und der verschiedenen Produkte innerhalb eines Geschäfts. Für die Wahl zwischen den Geschäften spielen die folgenden Faktoren eine Rolle: Qualität, Service, Preis, Entfernung und Produktauswahl. Die Relevanz der Faktoren unterscheidet sich je nach Untersuchungsort. Während den Menschen in ärmeren Gegenden Entfernung und Zugang (z.B. Parkmöglichkeiten) zum Geschäft wichtig sind, entscheiden Personen aus wohlhabenderen Gegenden eher nach Qualität und Service. Zusammengefasst werden Bequemlichkeit und Zugang jedoch als besonders wichtig bezeichnet (JACKSON et al. 2006: 52 ff.). Für die Entscheidung zwischen bestimmten Produkten innerhalb eines Geschäfts sind Wert, Preis und Qualität ausschlaggebend. Jedoch fallen die Konsumentenentscheidungen verschieden aus, wenn man beispielsweise nach Geschlecht unterscheidet (JACKSON et al. 2006: 54 ff.). Betrachtet man die beiden Entscheidungen gemeinsam (welches Geschäft und welches Produkt) so wird deutlich, dass Einkaufspraktiken in die komplexen Routinen eines Haushalts eingebettet sind. Sie können dabei auch auf sich verändernde Haushaltsstrukturen reagieren (z.B. bei neuer familiärer Situation). Routinen können also gebrochen werden, da Konsumenten als kompetente, wissende und soziale Akteure gesehen werden müssen (JACKSON et al. 2006: 58 ff.). Die Autoren fassen zusammen, dass die Dimensionen von Konsumentenentscheidungen nicht nur auf klassenbasierte Unterschiede zurückgeführt werden können. Es sind stattdessen wichtige Faktoren wie Bequemlichkeit und der Wert eines Produktes jeweils aus Sicht des individuellen Konsumenten zu betrachten. Eine einheitliche Definition ist hier schwierig. Häufig sind die subjektiven Bewertungen und sozial konstruierten Entscheidungen, neben den objektiven Faktoren wie Preis und Entfernung von hoher Bedeutung. Außerdem ist zu sagen, dass Konsumenten häufig ein Hauptgeschäft und ein bestimmtes Repertoire an anderen Geschäften haben. Die Einkaufspraktiken basieren aber stark auf den lokalen Gegebenheiten und den persönlichen Umständen der Haushalte (JACKSON et al. 2006: S. 63 ff.).

Eine weitere wichtige Forschungsarbeit, die an dieser Stelle erwähnt werden soll ist die von MEAH & WATSON (2013). Sie schreiben über die Rolle der Herkunft von Essen bei dessen Bereitstellung innerhalb des Haushalts. Die Frage ob ethisch vertretbare Produkte gekauft und konsumiert werden unterliegt einem alltäglichen Aushandlungsprozess. Verschiede Faktoren und Diskurse des Alltags werden mit in die Entscheidung einbezogen. Wie JACKSON et al. (2006), beschreiben auch diese Wissenschaftler die Relevanz von Routinen. Sie heben dabei vor allem die Fürsorge für andere Familienmitglieder hervor: „shopping [...] is an enactment of love and care, compatible with feeling of obligation and responsibility” (nach MILLER in MEAH & WATSON 2013: 498). Beim ethischen Einkaufen gibt es dabei eine scheinbare Hierarchie in der Fürsorge: Im Vordergrund der Entscheidung stehen die Bedürfnisse des Haushalts, darauf folgt die lokale Umgebung (z.B. durch Konsum regionaler Produkte), dann folgt das eigene Land und daraufhin globale Zusammenhänge. Das bedeutet, dass ethische Werte dem Bedürfnis ausreichend zu essen und die Familienmitglieder mit Essen zu versorgen untergeordnet sind (MEAH & WATSON 2013: 508). Es werden zwei allgemeine Hindernisse aufgeführt, die dafür verantwortlich sind, dass kein ethischer Konsum stattfindet. Dies sind zunächst ökonomische Gründe, das heißt moralischer Konsum wird mit teureren Produkten verbunden. Des Weiteren sind dies Gründe der Bequemlichkeit. Denn die Bereitstellung von Essen muss in die täglichen Routinen, Verpflichtungen und Praktiken eingegliedert werden. Bequemlichkeit kann dabei auf verschiedene Art und Weise definiert werden, Beispiele sind: alles kann an einem Ort gekauft werden, es gibt gute Parkmöglichkeiten oder das Geschäft liegt in der wohnortnahen Umgebung. Auch die Kombination mit anderen alltäglichen Erledigungen spielt eine Rolle (MEAH &WATSON 2013: 501). Bei der Entscheidung ob moralisch oder ethisch konsumiert wird, was ebenfalls die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Geschäft bedeutet, überwiegen Faktoren wie Gewohnheit, Geschmack oder die Einbettung in Alltagspraktiken gengenüber dem Wissen über gute oder schlechte Produkte. Hierbei ist es allerdings zu beachten, dass Entscheidungen hinsichtlich ethischen Konsums je nach Produkt unterschiedlich getroffen werden, beispielsweise sind Gemüse und Fleisch eher Waren, bei denen die Herkunft für viele Personen eine Rolle spielt (MEAH & WATSON 2013: 499 ff.)

Auch EVERTS & JACKSON (2009) beschreiben den Einfluss sozialer Kontexte beim Einkaufen: „Shopping as a social practice is thus to be understood as a socially conveyed, learned, and habitualised activity which consists of a variety of single, highly routinised, actions. Shopping is better described as a social accomplishment rather than as the exercise of sovereign choices made by isolated individuals“ (EVERTS & JACKSON 2009: 922). Die Autoren untersuchen unter Einbeziehung der Modernisierungstheorie nach GIDDENS, welche Rolle Vertrauen in Supermärkten und kleinen Geschäften spielt. Während in kleinen Geschäften eher Vertrauen in den Ladenbesitzer und seine Kompetenz besteht, wird dieses in Supermärkten durch Vertrauen in gewisse Marken ersetzt. Hier wird die Entscheidung hinsichtlich eines Produkts eigenständig gefällt, die Kommunikation findet dabei über Text statt (zum Beispiel Artikelbeschilderung oder Werbung), in kleinen Geschäften wird dagegen eher der Verkäufer oder Besitzer als Beratung hinzugezogen (EVERTS & JACKSON 2009: 925 ff.). Von den Konsumenten werden Supermärkte als moderner Ort des Einzelhandels gesehen, in dem anonym und günstig eingekauft werden kann. Währenddessen verbindet man mit kleinen Geschäften häufiger die Vergangenheit, traditionelle Werte und einen Ort, an dem es noch möglich ist Vertrauensbeziehungen zu erfahren (EVERTS & JACKSON 2009: 925 ff.; EVERTS 2013: 166). Insgesamt kommen alle hier vorgestellten Arbeiten zu ähnlichen Ergebnissen. Die Entscheidungen hinsichtlich eines bestimmten Geschäfts oder eines bestimmten Produkts werden häufig nicht reflektiert durch die Abwägung verschiedener Faktoren getroffen. Vielmehr spielen die Einbettung in die Routinen des Alltags und emotionale Faktoren wie Vertrauen eine entscheidende Rolle. Die Erforschung alltäglicher Konsumpraktiken bietet also die Möglichkeit „die enge Verzahnung diskursiver und praktischer Routinen aufzuzeigen“ (EVERTS 2013: 166). Im Forschungsteil werden die Ergebnisse, daher besonders im Hinblick auf Konsum als Alltagspraktik diskutiert. Der nun folgende Teil der Arbeit setzt sich auf theoretischer Ebene mit sozialen Praktiken auseinander.

2.2 Theorie der Praktiken

Theoretische Ansätze zu sozialen Praktiken finden sich schon bei verschiedenen Autoren des 20. Jahrhunderts (z.B. Bourdieu, Giddens, Foucault, Butler). Anfang der 2000er entwickelte RECKWITZ (2002) die Theorie der Praktiken auf Grundlage früherer Autoren (sowie auch auf Grundlage Schatzkis, der sich besonders Ende der 90er mit der Thematik auseinandersetzte) weiter. Die Theorie wird neben der Geographie auch in verschiedenen anderen Wissenschaftsbereichen angewendet, wie zum Beispiel in der Anthropologie, den Umweltwissenschaften, in Geschichte, Medien, Politik oder Marketing. JACKSON et al. (2006: 48) definieren die Praktik nach Bourdieu als eine konkrete menschliche Handlung. Dabei können routinierte oder intentionale Handlungen gemeint sein. Praktiken können aber auch gleichzeitig auf Routinen beruhen und geplant sein: Kochen wäre ein Beispiel für eine routinierten Handlung, die mit einem bestimmten Ziel stattfindet und daher auch als reflektiert bezeichnet werden kann (EVERTS et al. 2011: 325).

HALKIER et al. (2011: 3) bezeichnen die Theorie der Praktiken als eine Sammlung philosophischer und kulturtheoretischer Ansätze, die sich mit der praktischen Umsetzung des sozialen Lebens beschäftigen. Eine detaillierte Betrachtung bietet EVERTS (2008: 17), der Praktiken wie folgt charakterisiert (nach RECKWITZ 2002):

- „routinierte Verhaltensformen, die aus mehreren Elementen bestehen
- ein „Block“, dessen Existenz von dem Vorhandensein und den spezifischen Verbindungsformen dieser Elemente abhängt
- ein Muster, welches durch eine Vielzahl an einzelnen und oft einzigartigen Handlungen entsteht, die eine Praktik reproduzieren
- Muster körperlicher Bewegungsabläufe
- konventionalisierte geistige Aktivitäten des Verstehens, des Know-hows und des Wünschens; Verbindungen von „Tun“ und „Sagen“
- verstehbar für den Handelnden und für potentielle Betrachter“

Die Praktik wird vom Handelnden sowohl geistig als auch körperlich ausgeführt. Sie wird dadurch alltäglich, dass sie „aus der routinierten Art und Weise, in der Körper bewegt, Objekte gehandhabt, Subjekte behandelt, Dinge beschrieben werden und die Welt verstanden wird“ besteht (EVERTS 2008: 17).

Praktiken werden durch die Erforschung des Alltags fassbar. Den Alltag bezeichnen wir als das, was für handelnde Individuen zu wiederkehrenden Tagesabläufen geworden ist, bestehend aus wiederkehrenden Handlungsmustern. Praktiken bilden also die Routinen, die uns als alltäglich erscheinen. Man kann sagen, Alltag wird erzeugt, indem spezifische Praktiken zu spezifischen Zeiten an spezifischen Orten zu wiederkehrenden Ereignissen werden (EVERTS 2008: 16 f.). Dabei sind sowohl diskursive als auch nicht-diskursive Elemente des Handelns gemeint (EVERTS & JACKSON 2009: 921).

Der soziale Kontext in dem eine Praktik ausgeübt wird ist Teil des Raums (nach SCHATZKI in EVERTS et al. 2011: 326), wodurch sich der geographische Bezug ergibt: Praktiken konstruieren Orte und sind im Gegenzug von Natur aus räumlich (EVERTS et al. 2001: 332). Die Praktikentheorie bietet nun die Möglichkeit zu verstehen, wie das Leben verschiedener Personen durch Praktiken verbunden ist. Durch gemeinsame Praktiken können Gruppen von Personen ausgemacht werden, allerdings kann eine Person auch Teil mehrerer Gruppen sein. Die Analyse von Praktiken ermöglicht es soziale Differenzen zu erklären, da durch Verständnisprobleme bestimmte Personen von einer Praktik ausgeschlossen werden können. Aus humangeographischer Sicht sind soziale Beziehungen innerhalb des Raums ein Schlüsselelement, weshalb die Praktikentheorie eine zentrale Rolle einnimmt (EVERTS et al. 2011: 331).

2.2.1 Theorie der Praktiken im Hinblick auf geographische Konsumforschung

Betrachten wir die Theorie der Praktiken im Hinblick auf die Konsumforschung, so kann man sagen, dass durch sie die soziologische Betrachtung des Konsums möglich wurde. Während in den 1990er Jahren in der Konsumforschung vor allem die Bedeutung von Konsum für Identitätsbildung sowie die ökonomische Bedeutung im Vordergrund aller Untersuchungen stand, bietet die Theorie der Praktiken eine facettenreichere Betrachtung. Sie wird daher heute häufig Untersuchungen hinsichtlich des Konsums zu Grunde gelegt (HALKIER et al. 2011: 4).

Nach EVERTS et al. (2011: 326) sind Praktiken durch vier Aspekte organisiert: „practical understandings“, „rules“, „teleoaffective structures“, „general understandings“. Beziehen wir diese auf die Situation des Nahrungsmitteleinkaufs, so kann man sagen, dass practical understandings beispielsweise das Wissen darüber ist, wie ein Essen zubereitet wird, wie man Preise berechnet oder wie viel Essen benötigt wird, um die Familie zu versorgen. Unter „rules“ verstehen wir in diesem Zusammenhang Rezepte oder vorgeschriebene Parkplätze. Der Wunsch ein schmackhaftes Gericht für sich selbst oder die Familie zuzubereiten oder auch der Spaß am Einkaufen oder Kochen werden als „teleoaffective structures“ bezeichnet. Unter „general understandings“ versteht man zum Beispiel das Wissen über gutes Essen im ethischen oder ernährungsbedingten Sinn.

Auch wenn jede Praktik als einzigartige Situation verstanden werden muss, können daraus generalisierte Schlüsse über den sozialen Zusammenhang des Handelnden geschlossen werden. So muss auch Einkaufen immer im sozialen Zusammenhang der Praktik verstanden werden, als eine gelernte, sozial übertragene und konstruierte Handlung, die sich aus routinierten Elementen zusammensetzt. Diese stehen in Abhängigkeit von Zeit, Raum und anderen verfügbaren Ressourcen (EVERTS & JACKSON 2009: 922). Ändert sich eine Praktik, so hat dies Einfluss auf viele verschiedene Bereiche und auch andere alltägliche Routinen werden angepasst. Die Theorie der Praktiken bietet einerseits die Möglichkeit über die Zeit stabile Praktiken zu analysieren, ist jedoch gleichzeitig dazu in der Lage soziale Veränderungen aufzugreifen (HALKIER et al. 2011: 9).

2.2.2 Theorie der Praktiken und Methodik

Laut HALKIER et al. (2011: 5, 8) besteht in der Literatur noch keine Einigkeit über die methodologischen Konsequenzen einer praxistheoretischen Betrachtung von Konsumentenentscheidungen. Es wird von Operationalisierungsschwierigkeiten gesprochen, die eine bessere Übersetzung der theoretischen Konzepte auf methodische Vorgehensweisen verlangen. Allerdings erwähnen sie auch die vielfältigen qualitativen methodischen Vorgehensweisen, die bisher bei der Umsetzung praktikentheoretischer Untersuchungen in der Konsumforschung angewandt wurden. Beispielhaft sind hier teilnehmende Beobachtung, tiefgründige Einzel-, Gruppen-, und Familieninterviews, Beobachtung durch Filmmaterial oder historische Betrachtungen zu nennen. Diese Vielfalt vergrößere auch die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse.

Die Autoren sind weiterhin der Meinung, dass es nötig sei analytische Generalisierungsmöglichkeiten zu finden, die nicht auf methodologischem Individualismus beruhen. Eine Möglichkeit dies zu operationalisieren, bot der für diese Studie verwendete Fragebogen, der neben den quantitativ auszuwertenden geschlossenen Fragen auch eine Reihe offener Fragen beinhaltet, die - gemeinsam mit den geführten Interviews - eine Analyse auf Basis der Theorie der Praktiken möglich machen (siehe Kapitel 4).

3 Der Naturkosteinzelhandel

Dieser Teil der Arbeit setzt sich mit der strukturellen Entwicklung des Naturkosteinzelhandels auseinander. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es nur wenige Arbeiten, die sich mit der Analyse der Biobranche beschäftigen. WEIß beschrieb 2004 in ihrem Aufsatz „Ökoshopping: Räumliche Nachfragemuster, Motivation und Barrieren beim Kauf von Bioprodukten.“ die Entwicklung des Biomarkts wie folgt: „In der Biobranche vollzieht sich derzeit allerdings ein Strukturwandel. Während viele kleinere Bioläden stagnierende oder rückläufige Umsätze haben und es zu Ladenschließungen kommt, bezeichnen die Biosupermärkte, die seit Beginn der 1990er Jahre eröffnen, große Umsatzzuwächse“ (WEIß 2004: 65 f). In Biosupermärkten spielt laut LEUSCHNER 2010 die Selbstbedienung eine wichtigere Rolle, als in herkömmlichen Fachmärkten. Außerdem setzen diese auf eine offensivere Preispolitik und sind um durchschnittlich fünf Prozent günstiger (LEUSCHNER 2010: 25). Der starke Anstieg der Anzahl an Biosupermärkten sei seit 2008 unterbrochen, dies liege an einem steigenden Wettbewerbsdruck und einer Marktsättigung in den Großstädten (LEUSCHNER 2010: 26).

In diesem Kapitel geht es nicht nur um die Größen- und Umsatzentwicklung im Naturkosteinzelhandel, sondern auch um die Entwicklung des Filialisierungsgrades in der Branche. Dafür beschäftigt sich diese Arbeit im Folgenden besonders mit den Daten der Kommunikationsberatung Klaus Braun. Dabei handelt es sich um eine Unternehmensberatung, die für ihr Umsatzbarometer, das unter anderem in der Fachzeitschrift BioHandel veröffentlich wird, Zahlen von über 300 Naturkostfachhändlern erhält (LÖSCH 2014). Außerdem werden die Ergebnisse des Berichts „Strukturdaten des Naturkostfachhandels: Erhebung des Status quo und Aufbau eines Instrumentariums zur kontinuierlichen Strukturbeschreibung des Bio-Marktsegmentes Naturkostfachhandel“, der im Jahr 2011 vom Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) Herstellung und Handel herausgegeben wurde, verwendet.

3.1 Begriffsabgrenzung

Zur Begriffsabgrenzung des sogenannten Naturkosteinzelhandels, soll eine Definition des BNN Einzelhandel (in: BNN HERSTELLUNG UND HANDEL 2011: 10) genutzt werden. Es handelt sich demnach um „Einzelhandelsbetriebe, deren Sortiment aus ökologisch sinnvollen Produkten besteht, die gewerbsmäßig in offenen Verkaufsstellen angeboten werden. Das Naturkost-Fachgeschäft führt entweder ein Lebensmittel-Vollsortiment oder ein schmales, tiefes Sortiment.“ Es gibt laut BNN HERSTELLUNG UND HANDEL (2011: 10 f.) verschiedene Einschätzungen darüber, ob beispielsweise Reformhäuser, Ökomärkte, Ökobäckereien und -metzgereien, Hofläden und Abokisten ebenfalls zum Naturkosteinzelhandel gezählt werden. In dieser Forschung wurden allerdings nur Naturkostläden (bis 200 m²), Naturkostfachgeschäfte (200 m² - 400 m²) und Biosupermärkte (über 400 m²) untersucht, die oben genannten Betriebsformen, wurden nicht untersucht.

3.2 Bedeutung des Naturkosteinzelhandels für den Gesamtumsatz an Biolebensmitteln

Um die Relevanz des Naturkosteinzelhandels im gesamten Vertrieb von Ökolebensmitteln zu verorten, soll an dieser Stelle deren Umsatz im Vergleich zu anderen Verkaufsstätten dargestellt werden. Es handelt sich bei diesen Daten um Hochrechnungen, da derzeit keine Vollerhebung des Umsatzes vorliegt (BNN HERSTELLUNG UND HANDEL 2011: 14).

Heute ist nicht mehr der traditionelle Bioladen der bedeutendste Vertriebsweg für Biolebensmittel, sondern der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Insgesamt hatte der Biomarkt 2011 schätzungsweise einen Umsatz von 5,9 Mrd. Während Reformhäuser und Direktvermarktung einen leichten Umsatzrückgang seit 2004 zu verzeichnen haben, konnten neben dem LEH auch Drogeriemärkte, Ökobäckereien und Ökometzgereien sowie Naturkostfachgeschäfte eine Umsatzsteigerung vermelden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anteil der Einkaufsstätten am Gesamtumsatz ausgewählter Öko-Lebensmittel in 2009 (in %). Quelle: BNN Herstellung und Handel 2011: 16

Eine besondere Bedeutung kommt hier auch den Discountern zu, die mittlerweile bei bestimmten Bioprodukten die Hälfte des Umsatzanteils ausmachen (vgl. Abbildung 1). Dies trifft zum Beispiel auf Eier (48 %), Milch (40 %) und Kartoffeln (58 %) zu. Der Naturkosteinzelhandel hat mit einem Anteil von 24 % eine besondere Bedeutung bei der Vermarktung von Käse. Bio Brot wird in 42 % der Fälle direkt bei einem Biobäcker gekauft. Auch beim Fleisch hat das Handwerk eine besondere Bedeutung: ein Drittel aller Fleisch- und Wurstwaren wird direkt beim Ökometzger gekauft (BNN HERSTELLUNG UND HANDEL 2011).

3.3 Entwicklung des Naturkosteinzelhandels von 2003-2013

Betrachtet man die Umsatzentwicklung des gesamten Naturkosteinzelhandels von 2003 bis 2013 so wird deutlich, dass es eine Verdopplung des Umsatzes von 1,25 Mrd. € im Jahr 2003 auf 2,4 Mrd. € im Jahr 2013 gab. Bis zum Jahr 2007 lag eine jährliche Umsatzsteigerung von bis zu 10 % vor, nach einem starken Rückgang des Wachstums während der Wirtschaftskrise, lag die Wachstumsrate 2013 wieder bei 5,8 %. Diese Zahlen sind dabei höher als das Wachstum des klassischen Lebensmitteleinzelhandels, hier lag die Steigerung in den letzten Jahren zwischen zwei und drei Prozent (LÖSCH 2014). Neben der Umsatzentwicklung, sind wie eingangs erwähnt im Naturkosteinzelhandel auch starke strukturelle Veränderungen erkennbar: während immer mehr großflächige Biosupermärkte eröffnet werden, schließen die kleineren Läden. Von den ca. 2500 Bioläden und Biosupermärkten in Deutschland, kann man 500 als Biosupermärkte bezeichnen. Hier kann man große Veränderungen in den letzten 10 Jahren feststellen: während 2003 noch die Naturkostläden (bis 200 m²) den größten Anteil an der Gesamtverkaufsfläche hatten, sind dies 2013 die Biosupermärkte. Dieser Trend wird sich nach einer Prognose der Unternehmensberatung fortsetzen, wodurch sich die Relevanz der Biosupermärkte weiter verstärkt (LÖSCH 2015).

Betrachtet man nun den Grad der Filialisierung, also den Anteil an Geschäften, die einer Kette angehören, so kann man sagen, dass auch deren Bedeutung vor allem in den letzten zehn Jahren stark zunahm. Biosupermärkte werden immer häufiger von regionalen oder

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Prozentuale Verteilung des Grads der Filialisierung 2003 bis 2018. Quelle: BRAUN 2014.

überregionalen Ketten betrieben. Hierbei haben also nicht nur die drei deutschlandweit tätigen Filialisten denn‘s, Alnatura und basic eine entscheidende Rolle, sondern auch regionale Filialisten. Dies wird in Abbildung 2 deutlich. 2003 waren lediglich drei Prozent aller Betriebe filialisiert. Heute handelt es sich bei jedem fünften Geschäft um die Filiale einer Kette. (BRAUN 2014). Wirft man einen Blick auf die Betriebszahlen der drei bundesweit vertretenen Filialisten wird der Trend deutlich. Dies soll beispielhaft an der Entwicklung von Alnatura gezeigt werden. Es handelt sich bei dem Betrieb mit 103 Filialen (2015) um den zweitgrößten deutschen Konzern (Größe wird hier an der Anzahl der Filialen gemessen). Im Jahr 2006 hatte das Unternehmen erst 27 Filialen. Betrachtet man die Internetseite des Unternehmens, so wird deutlich, dass sich der Trend fortsetzen soll, denn es wird aktive Expansionspolitik betrieben, indem um Vorschläge für neue Standorte gebeten wird. Hierfür werden Verkaufsflächen von 400 bis 800 m² gesucht (ALNATURA 2015). Ähnliche Zahlen finden sich auch für die beiden anderen deutschlandweit tätigen Betriebe. denn’s ist mit 185 Filialen die größte bundesweite Biosupermarktkette (DENN’S 2015), darauf folgt basic mit 32 Filialen (BASIC 2015). Außerdem sollte noch Bio Company betrachtet werden, der Konzern ist mit 45 Filialen noch größer als basic, allerdings befinden sich die Filialen fast ausschließlich im Raum Berlin/Brandenburg, teilweise auch in Hamburg bzw. Dresden, und können daher noch nicht als deutschlandweite Kette bezeichnet werden (BIO COMPANY 2015).

3.4 Vergleich zum Strukturwandel im klassischen Lebensmitteleinzelhandel

Betrachtet man das oben beschriebene Phänomen des Strukturwandels im Einzelhandel, so werden einige Parallelen zum Wandel des konventionellen LEH seit den 1950er Jahren deutlich. Denn auch hier ist eine Umstrukturierung auf mehreren Ebenen klar erkennbar: während es bis 2003 einerseits zu einer Verdopplung der durchschnittlichen Verkaufsfläche auf 400 m² innerhalb von 20 Jahren kam, sinkt gleichzeitig die Anzahl der Betriebe (WORTMANN 2003: 2). Man spricht hier von einem Konzentrationsprozess, der auch durch die Ausdehnung der Filialen nationaler oder internationaler Konzerne, die die kleineren inhabergeführten Geschäfte ablösen, begründet ist. Dies führte auch dazu, dass Anfang der 2000er in Deutschland rund 65 % des Umsatzes im LEH, von den fünf größten Unternehmen erwirtschaftet wurden, 97,6 % von gerade einmal 30 Einzelhandelsunternehmen. (HEINRITZ et al. 2003: 37 ff., WORTMANN 2003: 3).

Ein weiterer Teil des strukturellen Wandels ist der Übergang von Bedienungsläden mit Theke hin zu Selbstbedienungsläden (WORTMANN 2003: 2). Diese Veränderung wird 17 neben der Sortimentsvergrößerung und der Rationalisierung der Arbeitsabläufe als eine der Innovationen gesehen, die den Strukturwandel des Einzelhandels ermöglichten (HEINRITZ et al. 2003: 38).

Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ist die Entwicklung der Discounter, die sich seit den 1960er Jahren entwickeln, von besonderer Relevanz. Mit einer Kombination aus einem begrenztem Sortiment, einer einfachen Warenpräsentation, wenig Service sowie einer geringeren Verkaufsfläche, kann im Discounter zu besonders günstigen Preisen angeboten werden (WORTMANN 2003: S. 6 f.). Im Laufe der Zeit wurden die Sortimente der Discounter vertieft und verbreitert, so bekam der Discounter, wie im vorherigen Kapitel schon erwähnt, auch eine entscheidende Rolle beim Vertrieb von Ökoprodukten. Verantwortlich hierfür sind vor allem die niedrigen Preise zu denen die Bioprodukte angeboten werden können.

Ein weiterer Prozess, der an dieser Stelle angesprochen werden soll, ist die Internationalisierung des LEH. Diese fand in Deutschland ab Ende der 1990er Jahre statt, also deutlich später als die Internationalisierung der Produktion und die Internationalisierung des Einzelhandels anderer Bereiche, wie zum Beispiel der Bekleidungsindustrie. Im Lebensmittelkontext können hier vor allem Aldi und Lidl genannt werden, die 2003 41 % bzw. 30 % ihrer Umsätze im Ausland machten (WORTMANN 2003: S. 18). Eine Internationalisierung ist im Bereich des Naturkosteinzelhandels bisher nur im deutschsprachigen Raum (Österreich und Schweiz) aufgetreten. denn’s hat bisher 21 Filialen in Österreich, basic je eine Filiale in Salzburg und Wien. Auch Alnatura vertreibt seine Produkte über österreichische und schweizerische Einzelhandelsunternehmen, hat jedoch noch keine eigenen Filialen vor Ort. Von einer weiteren Ausweitung könnte man ausgehen, für eine endgültige Einschätzung bleibt jedoch abzuwarten, ob sich der Naturkosteinzelhandel auch in dieser Hinsicht parallel zu den Entwicklungen im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausbilden wird.

4 Methodische Vorgehensweise

Für die Untersuchung der Fragestellung, welche Faktoren bei der Wahl des Bioladens wichtig sind und welche Rolle die Größe und das Geschäftsmodell für die Konsumenten spielen, wurde eine Kombination von verschiedenen Methoden der empirischen Sozialforschung gewählt. Bisherige Analysen zur Thematik der Praktiken und in der Konsumgeographie allgemein fanden häufig auf Basis qualitativer Forschung zum Beispiel in Form von Interviews oder Beobachtungen statt (vgl. z.B. CLARKE et al. 2006, JACKSON et al. 2006, EVERTS & JACKSON 2009, MEAH & WATSON 2013). Um in diesem thematischen Zusammenhang zu erproben, ob auch eine andere methodische Herangehensweise sinnvolle Ergebnisse liefert, stand in dieser Forschung die quantitative Methode des Fragebogens mit einer Teilnehmerzahl von 146 Personen im Vordergrund. Diese Methode hat den Vorteil, dass eine breitere Erfassung mit einer größeren Anzahl an Probanden möglich ist.

Außerdem wurde anhand von persönlichem Vorwissen, unterstützt durch eine Internetrecherche, eine Vollerhebung aller Bioläden im Untersuchungsgebiet durchgeführt. Diese wurden anschließend kartiert und den Kategorien „Inhabergeführter Laden“ und „Filiale einer deutschlandweiten Biosupermarktkette“ zugeordnet (vgl.Abbildung 6). Außerdem wurde telefonisch in den jeweiligen Geschäften erfragt, seit wann es den Laden gibt und wie groß die Verkaufsfläche ist, um eine Einordnung in den Kontext des Strukturwandels zu ermöglichen.

Zusätzlich wurden zwei qualitative Interviews geführt, die weitere tiefer greifende Ergebnisse lieferten. Die qualitativen Interviews, die in der Sozialforschung besonders durch die neue Diversität der Lebensstile an Relevanz erlangten, ermöglichen es, die quantitativ ausgewerteten Daten auf interpretative Art und Weise zu stützen und dabei verschiedene Perspektiven unter dem Gesichtspunkt der Lebenssituation zu berücksichtigen (vgl. FLICK 2010: 22 ff). In den folgenden Kapiteln sollen sowohl Vorbereitung als auch Durchführung und Auswertung der verschiedenen Methoden näher erläutert werden. Anschließend wird die Methodik kritisch diskutiert.

4.1 Durchführung und Auswertung der quantitativen Methoden

Für die quantitative Analyse wurde ein Fragebogen mit teils offenen teils geschlossenen Fragen entwickelt (vgl. Abbildung 3). Nach einem Pretest mit sechs Teilnehmern im Bioladen Bergfeld’s Hofgarten, wurde der Fragebogen für eine Online Umfrage aufbereitet. Hierfür wurde die Internetseite www.umfrageonline.com genutzt. Während eines Zeitraums von zwei Wochen im Oktober 2015 konnte die Online Umfrage durchgeführt werden. Die Probanden wurden über verschiedene Bonner Facebook- Gruppen akquiriert. Diese Gruppen waren: „Bonner helfen Bonnern!!!“, „Bonn Vegan“, „Nett-Werk Bonn“, „Foodsharing Bonn“, „Veganer Stammtisch Bonn“, „Erstsemester WS 2012/13 Geographie Uni Bonn“, „Bonn, Germany“, „Uni Bonn“, „Agrarwissenschaften Uni Bonn WS 2012/13“ und „Wir sind Bönnsche Kinder“. Außerdem wurden weitere dreizehn Fragebögen am 31. Oktober vor den Bioläden Alnatura (Nähe Hbf) und Basic (Nähe Hbf) von Hand ausgefüllt. Diese wurden im Nachhinein in das Umfrageportal eingepflegt, um dort alle Ergebnisse zu sammeln.

Nach Abschluss der Umfrage hatten 161 Personen teilgenommen. Da einige Fragebögen allerdings abgebrochen wurden oder Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Antworten bestanden, wurden diese Fälle aussortiert. Weitere vier Teilnehmer konnten nicht berücksichtigt werden, da als am häufigsten besuchter Bioladen, ein Geschäft angegeben wurde, das sich nicht im Untersuchungsgebiet befand. So kam es letztendlich zu einer Zahl von 146 gültigen Fragebögen. Für einige Fragestellungen wurden bei der statistischen Auswertung, die 11 Personen aussortiert, die angegeben hatten, dass sie nur einige Male im Jahr in einem Bioladen einkaufen, um die Aussagekraft zu stärken. Die Probanden wurden aus einer Grundgesamtheit gezogen, die wie folgt definiert werden kann: alle Personen, die regelmäßig, in einem Bioladen im Untersuchungsgebiet Bonn einkaufen. Entscheidungskriterium für die Auswahl der Personen war dabei weder Menge und Art der eingekauften Produkte, noch Zeitpunkt des Einkaufs oder sozial-demographische Faktoren der Personen.

Die Auswertung der Umfrageergebnisse wurde mit verschiedenen Methoden vorgenommen: Die Fragen 1, 3, 5, 7, 8, 10, 11, 12, 13 (vgl. Abbildung 3) wurden zunächst so aufbereitet, dass sie anschließend analytisch mit dem Statistik Programm IBM SPSS Statistics 22 ausgewertet werden konnten. Bei den angegebenen Fragen handelt es sich fast ausschließlich um geschlossene Fragen, das bedeutet Fragen, denen schon Antwortkategorien zugeordnet wurden, aus denen die Befragten auswählen konnten (ATTESLANDER & CROMM 2010: S. 146). Frage 1 (In welchem Bonner Bioladen kaufen Sie am häufigsten ein?) wurde zwar ohne Auswahlmöglichkeiten gestellt, konnte aber im Nachhinein kodiert werden, um so statistisch auswertbar zu sein. Es erfolgte vor allem eine deskriptive Analyse. Schließlich wurde mit Hilfe von Kreuztabellen („[T]abellarische Darstellung der gemeinsamen (bivariaten) Häufigkeitsverteilung zweier Merkmale.“ (MEIER KRUKER & RAUH 2005: 128)) und dem Zusammenhangsmaß Cramers V auf Korrelationen zwischen den verschiedenen Faktoren getestet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Fragebogen - Quelle: eigene Darstellung

4.2 Durchführung und Auswertung der qualitativen Methoden.

Bei den übrigen Fragen des Fragebogens (2, 4, 6, 9 und 14) handelt es sich um offen gestellte Fragen. Die Auswertung fand daher auf qualitative Art und Weise statt. Die Antworten der Probanden wurden daher, ähnlich wie die qualitativen Interviews kodiert (siehe unten). Währenddessen wurden Rechtschreib- und Grammatikfehler bereinigt. Zitate werden im Folgenden in korrigierter Form dargestellt.

Um die Aussagen, die aus den Ergebnissen des Fragebogens gewonnen werden können zu unterstützen, wurden zusätzlich zwei qualitative Interviews durchgeführt. Auswahlkriterien waren, dass die Probanden einen großen Teil ihrer Einkäufe im Bioladen erledigen, außerdem sollten sich die Befragten in ihrer derzeitigen Lebenssituation unterscheiden. So wurde das erste Interview am 28. Oktober mit einer 37-jährigen Frau durchgeführt. Sie wird hier Sandra genannt, ist verheiratet und wie ihr Mann in einem akademischen Beruf tätig. Die Familie lebt mit einem Kind in Bonn Beuel. Das Interview dauerte ca. 32 Minuten.

Das zweite Interview dauerte ebenfalls eine gute halbe Stunde und fand am 5. November mit einer Studentin (hier Lena genannt) statt, die in einer 4er WG in Bonn Endenich wohnt, 23 Jahre alt ist und ebenfalls einen Großteil ihrer Einkäufe in verschiedenen Bioläden tätigt. Der Vergleich der sehr verschiedenen Lebenssituationen, in denen sich die beiden Interviewpartner befinden, macht es möglich herauszuarbeiten, welchen Einfluss beispielsweise das soziale und familiäre Umfeld auf die alltäglichen Einkaufspraktiken der Probanden haben.

Bei den durchgeführten Interviews handelte es sich um leitfadengestützte Interviews, eine weitere Methode der empirischen Sozialforschung, die sich für eine kleinere Anzahl an Befragten eignet und in der Auswertung aufwändiger ist als die oben beschriebenen Fragebögen (REUBER & PFAFFENBACH 2005: 133). Dabei wurden offene Fragen gestellt, die die Befragten dazu anregen sollten von Einkaufssituationen in Bonner Bioläden zu erzählen (vgl. Abbildung 4).

Für die Auswertung der Interviews wurden diese zunächst transkribiert. Es wurde hierbei eine Transkription in normales Schriftdeutsch durchgeführt. Da in dem untersuchten Kontext die Sprachrichtigkeit keine Rolle spielt, konnte so die Lesbarkeit verbessert werden (REUBER & PFAFFENBACH 2005: 154, MEIER KRUKER & RAUH 2005: 75). Vor allem beim zweiten Interview wurden kleinere Passagen beim transkribieren ausgelassen, da sie für die thematische Auswertung und den Kontext irrelevant waren. Die Transkripte wurden im Nachhinein anonymisiert. Im Anschluss hieran wurden die Interviews kodiert.

Hierbei wird „der Interviewtext unter dem Blickwinkel der konkreten Fragestellung aufbereitet“ (REUBER & PFAFFENBACH 2005: 164). Eine Orientierung bot dabei die Struktur des Fragebogens und die Faktoren nach denen dort gefragt wurde. Für neue Aspekte, die im Fragebogen nicht relevant waren, wurden neue Codes vergeben. Man kann also sagen, dass eine Mischung aus offenem und thematischem, bzw. theoretischem Kodieren durchgeführt wurde (FLICK 2010: 386 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Leitfaden Interviews

4.3 Diskussion der Methodik

Bei der Wahl der Methoden lag der Fokus darauf die eher unübliche Methode der quantitativen Befragung in der geographischen Konsumforschung zu erproben. Dabei stellten sich bei der Auswertung der Ergebnisse einige kleinere Probleme heraus, die beim Pretest noch nicht aufgefallen waren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Geographische Konsumforschung. Strukturwandel im Naturkosteinzelhandel
Untertitel
Eine empirische Analyse alltäglicher Einkaufspraktiken in Bonner Bioläden
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Geographie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
97
Katalognummer
V336245
ISBN (eBook)
9783668260399
ISBN (Buch)
9783668260405
Dateigröße
2564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konsumgeographie, Biohandel, Naturkosteinzelhandel, Einzelhandelsgeographie, Strukturwandel im Einzelhandel, Konsumentenentscheidung
Arbeit zitieren
Ronja Volles (Autor:in), 2016, Geographische Konsumforschung. Strukturwandel im Naturkosteinzelhandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336245

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