Das Konzept der feministischen Seelsorge von Riedel-Pfäfflin und Strecker. Anliegen, Chancen und Grenzen des Entwurfs


Hausarbeit, 2014

14 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Feministische Seelsorge
2.1 Überblick
2.2 Anliegen
2.3 Chancen
2.4 Grenzen

3. Zusammenfassung

4. Literaturverzeichnis
4.1 Primärliteratur
4.2 Sekundärliteratur

1. Einleitung

In dieser Proseminararbeit werde ich mich mit der Konzeption feministischer Seelsorge auseinandersetzen, die Ursula Riedel-Pfäfflin und Julia Strecker in „Flügel trotz allem“1 darlegen. Zunächst werde ich den Seelsorgeentwurf in einem Überblick vorstellen, um dann auf die Anliegen, Chancen und Grenzen dieser Seelsorgekonzeption einzugehen. In den letztgenannten zwei Kapiteln werden unter anderem Ansprüche anderer Autoren mit dem Entwurf von Riedel-Pfäfflin/Strecker verglichen.

Die Autorinnen legen den Fokus hauptsächlich auf pastoralpsychologische Gesichtspunkte der feministischen Seelsorge2, weshalb sich die Aussagen dieser Proseminararbeit ebenso größtenteils auf diesen Aspekt beziehen.

2. Feministische Seelsorge

2.1 Überblick

Im Folgenden werde ich den Entwurf feministischer Seelsorge von RiedelPfäfflin/Strecker darlegen, der über theologische und poimenische Gesichtspunkte hinaus geht.

Den Autorinnen ist die Interdisziplinarität feministischer Wissenschaft wichtig, sodass sie „neben den psychologischen auch die theologischen, soziologischen, politischen, ethischen und spirituellen Aspekte der Seelsorge im Blick“3 haben. Aus den ethischen, soziologischen sowie politischen Aspekten ergibt sich ein weniger individualistisch angelegtes Verständnis von Seelsorge, wie es sich auch im Prinzip der systemischen Beratung findet, bei dem Probleme nicht intrapersonal als Defizit des Einzelnen gesehen werden, sondern diese im größeren Zusammenhang des Systems, d.h. interpersonal, verstanden werden.4 System meint hierbei die Beziehungen, in denen das Individuum steht. Das kann die Kernfamilie sein, aber auch größere Systeme wie die erweiterte Familie oder gesellschaftliche Zusammenhänge können in Betracht gezogen werden. Somit werden die Zusammenhänge und Beziehungen, in denen die ratsuchende Person steht,- ebenso wie in der feministischen Praxis- für wichtig erachtet.5

Die Wahrnehmung von Individuen als Teil verschiedener Systeme führt dazu, dass feministische Seelsorgebegegnungen sich als „politische Akte“6 verstehen müssen. Durch ein Wirken auf die Veränderung des Individuums verändert sich auch das System, in dem sich das Individuum befindet. So ist in feministischer Seelsorge eine gesellschaftliche Verantwortung verankert, die bestrebt ist über die Lösung der Problematiken von Einzelpersonen hinaus die größeren Zusammenhänge zu sehen, in denen diese Probleme entstanden sind. Es handelt sich also um ein politisch-gesellschaftliches Konzept von Seelsorge.7

Wenn man Individuen als stets in Beziehungen stehend erkennt, ergibt sich daraus die Wichtigkeit von Interaktion und Kommunikation, die sowohl als machtvoll als auch veränderbar anerkannt wird. Dies ist für die Seelsorge insofern von Bedeutung, als dass hier Impulse zur Veränderung gesetzt werden können.

Nicht nur im Zusammenhang der Veränderung von Kommunikation und Interaktion ist die Ressourcenorientierung von fundamentaler Bedeutung für die feministische Seelsorge bei Riedel-Pfäfflin/ Strecker. Es geht darum, die Klient*innen nicht vorrangig als defizitär zu betrachten, sondern gemeinsam die verborgenen Potentiale und Ressourcen zu entdecken. Vorausgesetzt ist hierbei die Grundannahme, dass diese Potentiale jedem Menschen innewohnen. Den Vorteil dieser Orientierung benennt Riedel-Pfäfflin wie folgt:„Wenn wir unseren Blick weniger auf das Fehlende, sondern stärker auf das Mögliche, auf die Potentiale richten, werden wir mehr gewünschte Kraft mobilisieren.“8 Weiter führt sie aus, dass dies dem im Feminismus verankerten Prinzip des Empowerment entspreche.9 Empowerment bedeutet Ermächtigung oder Bemächtigung. Bei diesem Konzept geht es nicht um Herrschaft sondern um Bemächtigung zum Handeln und Gestalten bspw. des eigenen Lebens oder einer anderen Art des gesellschaftlichen Zusammenlebens.10

Insgesamt ist es für die Autorinnen von Bedeutung den Frauen, die ihre Unterstützung suchen, das wiederzugeben, was sie „Autorinnenschaft über das eigene Leben“11 nennen. Damit ist gemeint, dass die Klientinnen befähigt werden sollen, ihr Leben frei und selbstbestimmt zu führen. Um dies, gerade bei Traumatisierten, zu realisieren, sei es notwendig keine Entscheidung über den Kopf der Betroffenen hinweg zu treffen. Dazu ist es nötig, transparent zu arbeiten, sich aber dennoch stark solidarisch mit Klientinnen zu zeigen, denen Unrecht widerfahren ist. Diese Art von Parteilichkeit hält Riedel-Pfäfflin „nicht nur für unumgänglich, sondern auch für notwendig, solange asymetrische(sic!) Machtverhältnisse das Leben jeder Frau und jedes Mannes prägen.“12 Im vorliegenden Konzept der feministischen Seelsorge ist außerdem die Ganzheitlichkeit der seelsorgerlichen Begegnung wichtig. Gemeint ist damit, dass sich nicht nur auf das Gespräch beschränkt wird, sondern der gesamte Mensch einbezogen wird, nicht nur die kognitive und verbale Ebene. Dem zugrunde liegt die Beobachtung der Autorinnen, dass es Konflikte gibt, die sich zwar in der Körpersprache oder körperlichen Symptomen ausdrücken, nicht aber im verbalen Umgang. Um an die zunächst nicht verbalisierbaren Emotionen zu gelangen, nutzen sie non-verbale Methoden wie Gegenstandsarbeit, Rollenspiele oder Körperarbeit13. Aus der Andersartigkeit der Rolle als christliche Seelsorger*innen im Vergleich zu anderen Beratungsstellen ergibt sich Spiritualität als eine weitere Ebene der Ganzheitlichkeit. Der Spiritualität kann, sofern gewünscht, ein Raum in seelsorgerlicher Beratung gegeben werden. Dies kann in der Auseinandersetzung mit religiösen Fragen, im gemeinsamen Gebet oder der Durchführung von Ritualen geschehen.14

Gerade Ritualen kommt nach Strecker große Bedeutung zu.15 Ihr ist dabei neben den etablierten Ritualen die Schaffung neuer Rituale, die die Erfahrungen von Frauen und Mädchen ernst nehmen, wichtig. Hier werden unter anderem Übergangsrituale zur ersten Menstruation, dem Auszug von den Eltern oder bei Trennungen vorgeschlagen.16

Im Zusammenhang mit der Spiritualität ist auch die Frage nach dem Gottesbild zu stellen. Dies ist überwiegend männlich geprägt. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind sprachlich allesamt männlich. Vater und Sohn sind klar männlich definiert. „Der HERR ist mein Hirte“17 ist ein häufig verwendetes, ebenfalls männliches Bild.

Hierzu meint Riedel-Pfäfflin: „Indem vorwiegend die männlichen Gottesbilder […] betont wurden, kamen die vielen Geschichten der biblischen Tradition, in denen Gott im Handeln einer Frau beschrieben wird,18 nicht ins Bewußtsein der Gläubigen.“19 Daraus folgte laut Riedel-Pfäfflin die heimliche Gleichung: „wenn der Mensch als Gottes Geschöpf männlich ist, dann ist der Mann gottgleich und die Norm für unser Wissen“20. Dies festige die untergeordnete Stellung der Frau, auch oder gerade in der Kirche. In der Entwicklung eines weiblichen Gottesbildes können Frauen „positive Bejahung der weiblichen Macht, […] des Frauenkörpers und der gesamten Leiblichkeit, […] des weiblichen Willens, […] der Verbundenheit unter Frauen […] [und] des weiblichen Erbes“21 finden, so Strecker nach Carol Christ22. Nicht privilegiertes Wissen zuzulassen beschränkt sich für den Seelsorgeentwurf von Riedel-Pfäfflin/Strecker nicht nur auf das Gottesbild. Insgesamt ist ihnen wichtig, einen Raum zu eröffnen, in denen Geschichten gehört werden, die noch nie erzählt wurden und die eventuell nicht zum dominanten Wissen passen.

[...]


1 Riedel-Pfäfflin, Ursula/Strecker, Julia: Flügel trotz allem. Feministische Seelsorge und Beratung, Gütersloh 1999.

2 Vgl.: a.a.O., 27.

3 Ebd.

4 Vgl.: Klessmann, Michael: Seelsorge. Ein Lehrbuch, Neukirchen-Vluyn 2012, 99.

5 Vgl.: Riedel-Pfäfflin/Strecker: Flügel trotz allem, 39.

6 A.a.O., 55.

7 Vgl.: Klessmann: Seelsorge, 104f..

8 Riedel-Pfäfflin/Strecker: Flügel trotz allem, 35f..

9 Vgl.: a.a.O, 36.

10 Vgl.: Maaßen, Monika: Macht/Bemächtigung, in: Gössmann, Elisabeth u. A. (Hg.), Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh 1991, 262-265. 11 A.a.O,, 47.

12 A.a.O.,46.

13 Vgl.: a.a.O, 162-167.

14 Vgl.: a.a.O., 45f. und 264f..

15 Vgl.: Strecker, Julia: Rituale in systemischer Therapie und Seelsorge unter besonderer Berücksichtigung der Geschlechterdifferenz, Paderborn 2011.

16 Vgl.: Riedel-Pfäfflin/Strecker: Flügel trotz allem, 117f..

17 Psalm 23, 1, Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers, 1985 Stuttgart.

18 Vgl.: bspw.: Lk 15,8-10.

19 Riedel-Pfäfflin/Strecker: Flügel trotz allem, 31.

20 Ebd.

21 A.a.O. 100f..

22 Vgl.: Christ, Carol: Warum Frauen die Göttin brauchen, in: Schlangenbrut Heft 8, 1985, 6- 19.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Das Konzept der feministischen Seelsorge von Riedel-Pfäfflin und Strecker. Anliegen, Chancen und Grenzen des Entwurfs
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Proseminar "Bildung und Seelsorge"
Note
1,3
Jahr
2014
Seiten
14
Katalognummer
V335903
ISBN (eBook)
9783668256378
ISBN (Buch)
9783668256385
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Seelsorge, Poimenik, Feminismus, feministische Seelsorge, Riedel-Pfäfflin, Strecker, Praktische Theologie, Theologie
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Das Konzept der feministischen Seelsorge von Riedel-Pfäfflin und Strecker. Anliegen, Chancen und Grenzen des Entwurfs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335903

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