Ein Vergleich der patriotischen Bewegungen chinesischer und polnischer Bauern. Analyse der Heldenfiguren im Werk „Wesele“ von Wyspiański

Kontrastive Studien zu Nationalismus und Patriotismus


Seminararbeit, 2016

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wieso denken die Polen an chinesische Völker?- Eine nähere Betrachtung und ein transliterarischer Vergleich

3 Kontrastive Analysen zu polnischen Heldenfiguren im Drama
3.1 Chochoł- widersprüchliche Bewertungen von Kritikern
3.2 Stańczyk - Auftritt wieder als satirische Figur
3.3 Wernyhora - ein revolutionärer Antreiber zum Aufstand
3.4 Der Schwarze Ritter - Widerspiegelung des Zeitgeists

4 Die Bestimmtheit des Scheiterns des Aufstands und die Rolle der Intellektuellen - Interpretationen zu Einzelheiten des Dramas

5 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Ende des 20. Jahrhunderts bedeutet für Polen und China besondere Qualen.1 Es scheint so, dass es zwischen Polen und China keinen spezifischen geschichtlichen Zusammenhang gibt. Aber in Wyspiańskis Drama „Wesele“, genau in der ersten Szene, wurde zweimal die „China- Frage“ während des Gesprächs zwischen Bauern und dem Journalisten erwähnt.2 In der chinesischen Historiographie dauert der Boxeraufstand fast zwei Jahre lang.3 Parallel fand in Polen die seit 1897 von Roman Dmowski geführte Nationaldemokratie statt. Diese Bewegung vertrat das Konzept eines integralen polnischen Nationalismus4, während diese von den chinesischen Bauern unter dem Slogan „Unterstützte Qing-China und vernichtete die Ausländer“ bekämpft wurde ( 扶 清 灭 洋 )“.5 Ein wichtiges Thema in der heutigen Boxerforschung ist die Beziehung zwischen dem Nationalismus und dem Boxeraufstand. Darüber hinaus lautet die Hauptfrage dieser Seminararbeit: „Wie lauten die Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten zwischen der polnischen und der chinesischen bäuerlichen patriotischen Bewegungen? Weshalb bleibt der starke Mobilisierungstrieb der polnischen Bauern in „Wesele“ ohne Folge und scheitert schließlich?“

Die vorliegende Seminararbeit konzentriert sich auf das Werk und gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil wird auf den bereits erwähnten Zusammenhang der Ähnlichkeit und Verschiedenheit zwischen Polen und China eingegangen, sowie dem ähnlichen, politischen Status und die unterschätzte soziale Schicht der jeweiligen Bauern. Es wird versucht zu erläutern, woher die seelische Unbeugsamkeit beim polnischen Volk im Vergleich zum chinesischen Volk kommt. Im zweiten Teil werden die Einzelheiten des Dramas dargestellt, um den starken Mobilisierungstrieb der polnischen Bauern dadurch aufzuzeigen, sodass man leichter die Hauptfrage beantworten kann und eine Bewertung über das Scheitern der polnischen Bauern durchführen kann. Intellektuellen werden durch die Diskussion über Nationalismus und Patriotismus nachgewiesen. Im dritten Teil werden einige visionäre Heldenfiguren wie z.B. Stańczyk und Chochoł sowie das polnische Heldentum analysiert. Hierbei sind Haltungen von verschiedenen sozialen Schichten ebenso wichtig. Vor allem die patriotischen Meinungen sowie Aussagen von Bauern sind sehr aufschlussreich. Die Figuren stehen vor dem Aufstand konträr zueinander. Zum einen als nationale Helden und anderen als

„Verführer zum Aufstand“.6 Versucht man nun die Szenen im Drama über das Nationalheldentum zu analysieren, stellt sich die Frage, ob die historischen Helden eine wichtige Rolle für die Ermutigung des Volkes darstellen und ihnen Kraft geben. Im Fazit werden alle genannten Fragen in Zusammenhang gesetzt und ein Vergleich der Heldenfiguren im Drama mit den zeitgenössischen, chinesischen, historischen Figuren und Entwicklungsspuren gezogen.

2 Wieso denken die Polen an chinesische Völker?- Eine nähere Betrachtung und ein transliterarischer Vergleich.

Wieso denken die Polen an chinesische Völker? Laut des Wyspiańskis Dramas „Wesele“ stellt diese eine neue Ansicht zum Fernosten dar. Das ist eigentlich eine widersprüchliche Frage. Als Erstes sollte man auf die zeitgenössische, chinesische Geschichte zurückblicken, welche zum polnischen Geschichtsablauf sehr ähnlich ist. Während den sogenannten „Perioden der ungleichen Verträge“ von 1842 bis 1901 wurde die Regierung des chinesischen Kaiserreichs unter dem Zwang durch Teilungsmächte „abgeschlossen“, weil sie Gebietsabtretungen beinhalteten und das Land zur Halbkolonie abgestuft wurde.7 8 Der von Czepiec erwähnte erste Sino-Japanisch Krieg im ersten Kapitel spielt auch eine wichtige Rolle im Laufe der chinesischen Geschichte. Resultat dieses Ereignisses war, dass die Selbststärkungsbewegung im chinesischen Kaiserreich völlig scheiterte. Auch in dem von Russland besetzten ehemaligen Polen erwuchs der Wunsch nach Reformen in der Mitte des 19. Jahrhunderts (nach dem Krimkrieg) im Land, auf die der neue Zar auf die Niederlage des Krimkriegs antworten wollte, betraf auch Kongresspolen. Kongresspolen setzte einige Selbststärkungsbewegungen in Gang.9 10 Es ist dabei hochinteressant, dass die beiderseitigen Selbstverstärkungsbewegungen fast parallel stattfanden.11 1900 lebten im Kaiserreich China ungefähr 0,4 Milliarden Menschen, 98% davon sind Bauern.12 Daher kann man hier von einer gewissen starken Rolle der Bauern in der chinesischen Gesellschaft sprechen, was nah am Kernthema des Dramas von Wyspiański liegt - die soziale Stellung und neue Einschätzung der Bauern. Im Wyspiańskis Drama versucht er aufzuzeigen, wie alle polnischen Bauern, die den europäischen „status quo“ bekämpften, Verbundenheit und Hoffnung durch den Sieg des chinesischen Volks erlangten.13 Das veraltete chinesische Kaiserreich würde wahrscheinlich mit einem „neuen Staatsbild“ nach der eigenen Selbstverstärkungsbewegung die neue Teilungsmacht Japan und andere europäische Länder bekämpfen.14 Der erste Sino-Japanische Krieg beweist das unabdingbare Scheitern des Krieges mit Ironie, denn mithilfe der chinesischen Bauern verlor das chinesische Kaiserreich nachträglich, wegen der ökonomischen und militärischen Rückständigkeit, gegen acht Teilungsmächte, d.h. während dieser Periode bezweifelten die chinesischen Eliten auch, worin die Zukunft des Landes lag.

Aufgrund der großen Frustration zum Kaiserreich erstarkten einige chinesische Philosophen und Denker, die versuchten, durch ihre neue „verwestlichen“ Gedanken, die chinesischen Völker aufzurütteln. Es wird den zivilistischen Nationalismus von dem berühmten chinesischen Denker Liang Qichao (1873-1929) diskutieren15, Liangs Hauptzweifel liegt darin, wie man das Qing-China von einem Kaiserreich zu einer Nation ändert? Er ist der Ansicht, dass die neuen westlichen Schulen, das neue Prüfungssystem, Eisenbahnen, Zeitungen, neue Institutionen eigentlich die wichtigsten Komponenten einer modernen Nation oder Staates sein sollten. Und die chinesischen Völker sollten zu „new citizens“ kultiviert werden. Außerdem betont er die zwei Aspekte für Freiheit („the right of self-determination“ und „national sovereignty).16 Das war eigentlich ein großer Fortschritt zu der Selbststärkungsbewegung in der Mitte des 19.Jahrhunderts. Darüber hinaus fasst Liang zusammen, dass die chinesischen Völker über mehr Mitspracherechte verfügen sollten und die Wichtigkeit von der Aufklärung der Völker betonen sollten.

Im Vergleich zu Wyspiańskis Forscherin, Łempicka, versteht diese das Drama „Wesele“ als „Chwila Osobliwa“. Sie stellt die Frage, ob die polnischen Intellektuellen im Drama nur stellvertretend zu den herrschenden Klassen oder stellvertretend zu den sozialen Gruppen zählen, die Intellektuellen solidarischen Rezeptionen „Land und Volk (naród i lud)“ ausdrücken sollen. Die Autorin meint, dass „Wesele“ eigentlich ein Drama ist, welches auf ideologischen Konflikten basiert.17 Darüber hinaus kann man deuten, dass Wyspiański eigentlich die Ansicht vertritt, dass die polnischen Intellektuellen mehr Pflichten zur Bekämpfung für polnische Völker tragen sollten. Dieses Gedankengut ist deutlich verschieden in Hinblick zu Liang, da Wyspiański mehr Hoffnungen auf die sozialen Intellektuellen legt.

Noch ein weiterer, wichtiger Aspekt soll nicht vergessen werden: Die Zensur spielt in beiden Gesellschaften eine wichtige Rolle. Während der Epoche des jungen Polen stellt die Zensur eine große Belastung für polnische Schriftsteller, die in allen drei Teilungsgebieten, wenn auch nicht mit gleicher Stärke, in Kraft war, dar. Vor allem sind die Werke in unter Russland besetzten Gebieten am empfindlichsten.18 19 Um die konfuzianischen Normen in Qing-China zu schützen und gleichzeitig die wegen literarischen Werken hervorgebrachte Gefährdung der Moral und öffentlichen Ordnung zu vermeiden, wurden alle literarischen Werke, Theateraufführungen, die das Volk zur Rebellion verführen, verboten.20 Daher sind die neuen Gedanken von Liang wie z.B. „Definition der Freiheit“ oder Umstrukturierung der politischen Ordnung streng verboten.21

3 Kontrastive Analysen zu polnischen Heldenfiguren im Drama

Die Erinnerung an das polnische Heldentum erscheint zunächst ab der 24. Szene im ersten Akt des Dramas, durch das Gespräch zwischen dem Hausherrn und dem Poet. Der Poet fängt das Thema an und ruft eine Resonanz des Hausherrn hervor. Dieser stimmt der Meinung über die historischen Helden zu. Er antwortet dazu: „Es ruft Geister in jedem von uns eine Geschichte, sehr heiter und dadurch so unsäglich traurig.“22 Die Traurigkeit stammt bestimmt aus der Helligkeit der geschichtlichen Vergangenheit im Vergleich zu der heutigen zusammenhanglosen politischen und nationalen Situation. Um die Teilungsmächte mittelbar zu kritisieren, verfasst der Autor die Aussage vom Poet implizit: „Unstet spukt der Geist in jedem, dass es uns dem Atem raubt.“23

Da Wyspiański das Drama wegen der strengen Zensur sehr implizit verfasst hat, werden viele kritische Auseinandersetzungen zu einigen Kernheldfiguren aufkommen. In diesem Kapitel wird darüber ein Vergleich gezogen und diskutiert.

[...]


1 Es ist uns bekannt, dass Polen seit der dreimaligen Teilung unter Teilungsmächten regiert wurde. Auch im Fernosten. China erlebte den ersten Opiumkrieg (1840), zweiten Opiumkrieg (1860) und den ersten Sino-japanischen Krieg sowie den Boxenaufstand und hinterherkommenden Krieg gegen Vereinigte acht Staaten (1900), zur Folge hat das chinesische Kaiserreich Souveränität völlig verloren und daher führt zu ausländischer Massenbewegung.

2 Wyspiański (1977), S.8-9.

3 Bakk (2010), S.4.

4 Alexander (2003), S.252.

5 Bakk (2010), S.4.

6 Siehe Kapitel 4, das naive Verhalten zwischen Jasiek und anderen Bauern.

7 Unbekannter Autor (2007), S.216.

8 Nach dem ersten Sino-japanischen Krieg geriet China zusehends in die Abhängigkeit von Weltmarktmächten, diese wetteiferten um Pachtgebiete, Konzessionen für die Eisenbahnbauen und profitable Investitionsmöglichkeiten.

9 1857 entstand in Warschau eine chirurgisch-medizinische Akademie in Warschau, die als revolutionäre Anschauungen vertrat. 1858 wurde die Agrargesellschaft gegründet, durch die Gründung verstärkten die Bauern das Mitspracherecht im Ersatzparlament.

10 Alexander (2003), S.228-229.

11 Nach dem zweiten Opiumkrieg (1856-60) bekam das chinesische Kaiserreich Erholungsmöglichkeiten (bis 1895), weil das Kaiserreich einerseits die Taiping Rebellion schon überwand, andererseits verstand das Kaiserreich schon den Schmerz wegen der militärischen Rückständigkeit, daher baute das Kaiserreich sich für die spätere Selbststärkungsbewegung auf.

12 Terra (2008), S.78-81.

13 Wyspiański (1977), S.193, die Anmerkungen sowie Erläuterungen zu einigen Szenen im Drama- „Wacker baun sich die Chinesen.“

14 Es gibt bei der chinesischen Selbststärkungsbewegung ein Leitgedanken „Chinese learning should be followed as the essence; western learning as the practical application.“ d.h. den Feudalismus und die politische Ordnung wird im Kaiserreich nicht abschaffen und das Kaiserreich wird nur die westlichen Waffen ankaufen, voraussehbar wird diese Bewegung 100% scheitern, so beweist die Geschichte auch gut, das chinesische Kaiserreich verlor den Krieg gegen Japan.

15 Liang war der Verfechter der konstitutionellen Monarchie von der Reform 1898 in Qing-China, er war nicht zufrieden mit der Regierungsweise des chinesischen Kaiserreichs und wollte den damaligen Stand in China ändern, er war der Stand, dass China Selbststärkung brauche, und riefen zu vielen institutionellen Veränderungen auf. Aber der Kaiser Guangxu (1875-1908) war eine Marionette, zum Schluss dauerte die Reform lediglich 100 Tage und Liang wurde ins Exil nach Japan verbannt. Nachher konzentrierte er sich auf die neue Ideen und Gedanken und verfasste viele Artikel, um einen Weg für China zu finden.

16 Yang (2002), S.17-36.

17 Łempicka (1955), S.92.

18 Popiel (2011), S.181.

19 Die Schriftsteller nutzten auch jede Gelegenheit, um ihre Polentum zu demonstrieren, z.B. historische Jahrestage, das fünfhundertjährige Jubiläum des Sieges über den Deutschritterorden in der Schlacht bei Grunwald, Jubiläen und Begräbnisse.

20 Eberstein (2009), S.153-197.

21 Die Artikel von Liang und anderen neuen chinesischen Denkern wurden meistens in Japan oder USA zunächst veröffentlicht, nachher wurden geheim in Qing-China verbreitet.

22 Wyspiański (1977), S.37.

23 Ebd., S. 38.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Ein Vergleich der patriotischen Bewegungen chinesischer und polnischer Bauern. Analyse der Heldenfiguren im Werk „Wesele“ von Wyspiański
Untertitel
Kontrastive Studien zu Nationalismus und Patriotismus
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Slavistik)
Veranstaltung
Diskurs der Identität im polnischen Drama der Teilungszeit (Polonistik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
14
Katalognummer
V335263
ISBN (eBook)
9783668253452
ISBN (Buch)
9783668253469
Dateigröße
716 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Boxeraufstand, Patriotismus, China, Polen, Bauern, Wesele, Heldentum
Arbeit zitieren
Weicheng Yu (Autor:in), 2016, Ein Vergleich der patriotischen Bewegungen chinesischer und polnischer Bauern. Analyse der Heldenfiguren im Werk „Wesele“ von Wyspiański, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335263

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