Übersicht Insolvenzgründe. Darstellung des Überschuldungsbegriffes einschließlich jüngster Entwicklungen


Seminararbeit, 2016

15 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Beantragung und Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
2.1 Der Insolvenzantrag, §§ 13 ff. InsO
2.2 Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, §§ 17 ff. InsO.
2.2.1 Zahlungsunfähigkeit,§17 InsO
2.2.2 Drohende Zahlungsunfähigkeit,§18 InsO
2.2.3 Überschuldung,§19 InsO

3 Änderungen des Überschuldungsbegriffs und der entsprechenden Rechtslage im Zeitverlauf
3.1 Rechtslage vor dem 18.10.2008 - Der alte Überschuldungsbegriff
3.2 Rechtslage seit dem 18.10.2008 - Der neue Überschuldungsbegriff

4 Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

Literaturverzeichnis

Appendix.

1 Einleitung

Von der Insolvenz eines Schuldners wird gesprochen, wenn dessen Vermögen nicht mehr aus- reicht, um seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber allen Gläubigern zu erfüllen. Zwar zielt das Insolvenzverfahren auf eine gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger des Schuldners ab (§ 1 S. 1 InsO), allerdings hängt die letztliche Höhe dieser quotalen Befriedigung häufig vom Verfahrensbeginn und damit von der Feststellung des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes ab. Zur Sicherung einer hohen Befriedigungsquote sollte das Insolvenzverfahren daher frühzei- tig beantragt und der entsprechende Eröffnungsgrund durch das Gericht festgestellt werden.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es daher, die drei Insolvenzgründe des deutschen Insol- venzrechts erläuternd vorzustellen, wobei der Begriff der Überschuldung als primärer Untersu- chungsgegenstand vertiefend behandelt werden soll. Nach einer ausführlichen Darstellung der Gesetzesnormen über die Gründe zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sowie deren Prü- fung ist es ein weiteres Ziel dieser Arbeit, die jüngste Entwicklung des Überschuldungsbegriffs und die Auswirkung auf die Überschuldungsprüfung vor besonderem Hintergrund der Einfüh- rung des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes zu thematisieren. Abschließend werden die we- sentlichen Erkenntnisse dieser wissenschaftlichen Untersuchung resümiert.

2 Beantragung und Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens

2.1 Der Insolvenzantrag,§§13 ff. InsO

Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahren gem. § 13 InsO schriftlich vom Schuldner oder den Gläubigern beantragt und sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrages1 gegeben, so wird dieser vom zuständigen Insolvenzgericht einer Begründetheitsprüfung unterzogen. In dieser wird geprüft, ob der Antrag begründet ist und ein Insolvenzverfahren eröffnet werden muss (§ 16 InsO). Ein Eröffnungsantrag gilt dabei gemäß §§ 16-19 InsO als begründet, wenn (mindestens) ein Eröffnungsgrund vorliegt und ein Insolvenzverfahren somit gerechtfertigt ist. Die Prüfung des Insolvenzgrundes als tatbestandliche Voraussetzung erfolgt dabei durch das Insolvenzgericht von Amts wegen, d.h. das Gericht ist nicht an vorgebrachte Beweismittel der Parteien gebunden, kann sich aber der Mitwirkungspflicht des Schuldners gemäß § 20 Abs. 1 InsO bedienen. Liegt ein Eröffnungsgrund gemäß §§ 16-19 InsO nicht vor, so würde der Antrag vom zuständigen Insolvenzgericht als unbegründet abgewiesen werden. Allerdings wird ein Insolvenzverfahren nicht nur dann nicht eröffnet, wenn die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen oder der Begründetheit des Antrages negativ ausfällt, sondern auch dann, wenn dessen Finanzierung ungesichert ist, also das Vermögen des Schuldners zur Deckung der Verfahrenskosten voraussichtlich nicht ausreicht (§ 26 Abs. 1 S. 1 InsO).2

2.2 Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens,§§17 ff. InsO

2.2.1 Zahlungsunfähigkeit,§17 InsO

Nach § 17 Abs. 1 InsO gilt die Zahlungsunfähigkeit als allgemeiner Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren. Zahlungsunfähig im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist, wer nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24.05.20053 liegt dieser Tatbestand vor, wenn der Schuldner über einen Zeitraum von drei Wochen mindestens zehn Prozent seiner fälligen Gesamtverbindlich- keiten nicht begleichen kann. Ist der Schuldner also in der Lage, zum geprüften Stichtag min- destens 90 Prozent seiner gesamten fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen, und ist nicht ab- sehbar, dass eine Liquiditätsunterdeckung innerhalb des dreiwöchigen Zeitraums nicht beseitigt werden kann, ist von einer Zahlungsfähigkeit auszugehen. Sofern jedoch entweder eine Liqui- ditätsunterdeckung des Schuldners von mehr als zehn Prozent vorliegt, die nicht innerhalb von drei Wochen beseitigt werden kann, oder aber eine geringere Liquiditätslücke vorliegt, bei wel- cher davon auszugehen ist, dass sie demnächst mehr als zehn Prozent erreichen wird, liegt Zah- lungsunfähigkeit und keine Zahlungsstockung vor. Im Ergebnis wurde also durch die Recht- sprechung des Bundesgerichtshofes der Begriff der Zahlungsunfähigkeit nicht nur höchstrich- terlich ausgelegt sondern auch von dem Begriff der Zahlungsstockung4 abgegrenzt.5

Entscheidend bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit ist also die reine Unfähigkeit und nicht die Unwilligkeit des Schuldners, fällige Zahlungspflichten zu erfüllen. Für eine diesbe- zügliche Prüfung sind dabei verfügbare Zahlungsmittel und fällige Zahlungspflichten in einem Finanzplan gegenüberzustellen, um den stichtagsbezogenen Liquiditätsstatus zu ermitteln und festzustellen, ob „dem Schuldner die nötigen Zahlungsmittel fehlen und er deshalb andauernd, nicht nur vorübergehend, außerstande ist, einen nicht nur unwesentlichen Teil seiner fälligen [...] Geldverbindlichkeiten noch zu berichtigen.“6 Bei der Ermittlung der verfügbaren Zah- lungsmittel sind auch abrufbare Kredite zu berücksichtigen; bei der Bank als ausreichend kre- ditwürdig eingestufte Schuldner sind also in der Regel nicht zahlungsunfähig. Andere Pflichten als reine fällige Zahlungspflichten (bspw. Übergabe- und Eigentumsverschaffungspflichten aus § 433 Abs. 1 BGB) bleiben bei der Erstellung des Finanzplans allerdings unberücksichtigt.7

Jedoch ist in der Regel Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 grundsätzlich auch dann anzunehmen, wenn die Zahlungen durch den Schuldner eingestellt wurden. Die Zahlungsein- stellung wird dabei als ein nach Außen hervorgetretenes und dem Schuldner zurechenbares Verhalten gesehen, aus dem geschlossen werden kann, dass er nicht in der Lage ist, fällige Zahlungspflichten zu erfüllen. Es ist dabei ausreichend, dass durch ein solches Verhalten (bspw. durch Bitte um Verlängerung des Zahlungsziels) auch nur einem Gläubiger bzw. Geschäfts- partner ein diesbezüglicher Eindruck des Unvermögens zur Begleichung von Geldschulden und damit Zahlungsunfähigkeit vermittelt wird; dies würde bereits zu einen Gläubigerantrag gemäß § 13f. InsO berechtigen, da eine einmal erkennbare Zahlungseinstellung fortwirkt, bis die Zah- lung wiederaufgenommen wird.8

Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit ist nicht maßgeblich, dass diese im Zeitpunkt der Antragstellung vorlag. Vielmehr muss dem Insolvenzgericht für die Entscheidung über den Eröffnungsantrag der überzeugende Nachweis über Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Zu dieser Voraussetzung äußerte sich auch der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 27.06.20069.

2.2.2 Drohende Zahlungsunfähigkeit,§18 InsO

Im Gegensatz zur Zahlungsunfähigkeit als allgemeiner Grund zur Eröffnung des Insolvenzver- fahrens genügt es für Insolvenzanträge des Schuldners, wenn Zahlungsunfähigkeit lediglich droht und noch nicht mit einer stichtagsbezogenen Ermittlung des Liquiditätsstatus’ festgestellt wurde (§ 18 Abs. 1 InsO). Die in § 17 Abs. 2 InsO festgelegten und unter Abschnitt 2.2.1 beschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen für die Zahlungsunfähigkeit müssen also voraus- sichtlich eintreten; dem Schuldner droht die Zahlungsunfähigkeit, „wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen“ (§ 18 Abs. 2 InsO).

Bei der drohenden Zahlungseröffnung als Eröffnungsgrund handelt es sich also um eine Prog- noseentscheidung, welche dann positiv ausfällt, wenn unter Berücksichtigung aller bestehenden Verbindlichkeiten, die aber erst zukünftig fällig werden, aller noch nicht begründeten Verbind- lichkeiten, welche voraussehbar entstehen werden (bspw. Löhne und Gehälter), sowie aller in dem Prognosezeitraum zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel mit überwiegender Wahr- scheinlichkeit eine Liquiditätsunterdeckung des Schuldners von mehr als 10% eintritt. Dabei ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dann anzunehmen, „wenn der Eintritt der Zahlungs- unfähigkeit mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50% gegeben ist.“10 Die für den Zeitraum prognostizierte Liquiditätsunterdeckung des Schuldners muss auf der Grundlage eines Finanz- planes ermittelt, nachvollziehbar festgestellt und dem Gericht entsprechend der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht des Schuldners im Eröffnungsverfahren nach § 20 Abs. 1 InsO vorgelegt werden. Der Prognosezeitraum ist allerdings nicht gesetzlich festgelegt und kann daher ledig- lich einige Monate, jedoch auch einen längeren Zeitraum, umfassen. Grundsätzlich sollte dieser jedoch vor dem Hintergrund gewählt werden, dass der Finanzplan als betriebswirtschaftliches Instrument sein Ziel, anzuzeigen, ob das Unternehmen zukünftig seinen Zahlungspflichten nachkommen kann, erfüllen kann; die Voraussagen werden umso ungenauer, je länger hierbei der Prognosezeitraum ist, wodurch der Nachweis der drohenden Zahlungsunfähigkeit als Er- öffnungsgrund schwieriger nachzuweisen ist.11

[...]


1 Ist im Zeitraum der Prüfung eine der Voraussetzungen nicht gegeben, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Zu den einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen vertiefend Bork, § 9 Rn. 82; Foerste, § 10 Rn. 92.

2 Vgl. Bork, § 9 Rn. 80ff., § 10 Rn. 83; Foerste, § 10 Rn. 88ff., § 12 Rn. 108, § 12 Rn. 120.

3 BGH, Urteil vom 24.05.2005, Az.: IX ZR 123/04, NJW-RR 2005, S. 1426, S. 1426ff.

4 Eine Zahlungsstockung läge dann vor, wenn eine eingetretene Zahlungseinstellung aufgrund eines vorübergehenden Mangels an liquiden Mitteln wieder aufgehoben wird durch einen (erwarteten) Mittelzufluss innerhalb eines Zeitraums, den eine kreditwürdige Person zur erforderlichen Mittelbeschaffung benötigt. Zur Zahlungsstockung vertiefend Bork, § 10 Rn. 84f.

5 Vgl. Keller, ZJS 1/2010, S. 40, S. 42.

6 Bork, § 10 Rn. 84.

7 Vgl. BGH, Urteil vom 24.05.2005, Az.: IX ZR 123/04, BGHZ 163, S. 134, S. 147f.; BGHZ 163, S. 134, S. 147f.; Bork, § 10 Rn. 84ff.; Foerste, § 12 Rn. 109.

8 Vgl. BGH, Urteil vom 13.08.2009, Az.: IX ZR 159/06, NZI 2009, S. 768, S. 769.; Foerste, § 12 Rn. 110; Greil/Herden, ZJS 6/2010, S. 690, S. 690.

9 BGH, Beschluss vom 27.06.2006, Az.: IX ZB 204/04, NJW 2006, S. 3553, S. 3553ff.

Seite 3 von 10

10 Greil/Herden, ZJS 6/2010, S. 690, S. 691.

11 Vgl. BGH, Urteil vom 13.08.2009, Az.: IX ZR 159/06, NZI 2009, S. 768, S. 769.; Bork, § 10 Rn. 89; Foerste, § 12 Rn. 112; Greil/Herden, ZJS 6/2010, S. 690, S. 691; Haarmeyer/Frind, S. 28f. Rn. 66.

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Details

Titel
Übersicht Insolvenzgründe. Darstellung des Überschuldungsbegriffes einschließlich jüngster Entwicklungen
Hochschule
Frankfurt School of Finance & Management
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V335241
ISBN (eBook)
9783668253001
ISBN (Buch)
9783668253018
Dateigröße
733 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Insolvenzrecht, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit, Drohende Zahlungsunfähigkeit, Insolvenzgründe, Finanzmarktstabilisierungsgesetz, Überschuldungsbegriff
Arbeit zitieren
Leif Braack (Autor:in), 2016, Übersicht Insolvenzgründe. Darstellung des Überschuldungsbegriffes einschließlich jüngster Entwicklungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335241

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