"Nachdenken über Christa T." von Christa Wolf. Die strukturellen und sprachlichen Qualitäten des Romans


Trabajo Escrito, 2015

18 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhalt

1 Einleitung

2 Entstehung und Thematik des Romans
2.1 Entstehung des Romans
2.2 Eine kurze Einführung in die Thematik

3 Strukturelle und sprachliche Besonderheiten
3.1 Das Verhältnis von Realität und Fiktion
3.2 Subjektive Authentizität
3.3 Erzähl- und Zeitstruktur
3.4 Epische Prosa
3.5 Sprache
3.6 Die Rolle des Lesers

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„ Das Bedürfnis, auf eine neue Art zu schreiben, folgt, wenn auch mit Abstand, einer neuen Art, in der Welt zu sein. “ 1 Christa Wolf

Christa Wolfs Weltruhm wurde mit ihrem Roman Nachdenkenüber Christa T., erschienen 1968, begründet. Kaum ein Buch wurde derart umfangreich und zugleich kontrovers diskutiert. Marcel Reich-Ranicki beispielsweise, einer der einflussreichsten deutschen Literaturkritiker, beschreibt das Buch in einem seiner Artikel in der Zeit, als „[...] durchaus eigenwillig und modern zugleich.“2 Des Weiteren formuliert er: „Es ist ein leicht angreifbares und schwer greifbares Stück Literatur, ein Roman, der Interpretationen geradezu herausfordert und der sich schließlich, nicht ohne Grazie und Koketterie, jeglicher Interpretation entziehen möchte. Kurz: ein höchst erfreulicher Fall.“3

Zu Beginn beschäftigt sich die vorliegende Arbeit komprimiert mit der Entstehung und Thematik des Romans. Um die ästhetischen Qualitäten des Werkes näher beleuchten zu können, wird eine knappe Darstellung gegeben. Aufgrund des begrenzten Umfangs der vorliegenden Hausarbeit wird darauf verzichtet, literaturhistorische und geschichtliche Hintergründe näher zu erläutern.

Hauptsächlich setzt sich die Arbeit intensiv mit den strukturellen sowie sprachlichen Besonderheiten auseinander und belegt mit Hilfe einiger Textstellen, welche makellosen stilistischen Mittel Christa Wolf in ihrem Roman eingearbeitet hat. Das anspruchsvolle Meisterwerk Nachdenkenüber Christa T. bietet äußerst viel Material zur Analyse und Interpretation. Das besondere Verhältnis von Realität und Fiktion, die subjektive Authentizität, die epische Prosa als auch die auffallende Rolle des Lesers rücken hier in den Mittelpunkt und sind in Christa Wolfs Roman ebenso kennzeichnend wie die Sprache, Erzähl- und Zeitstruktur. Mit dem Vermerk, dass auch hier eine Ausdehnung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, musste hier an einigen Stellen der Blick auf das Wesentliche beschränkt werden.

Das abschließende Kapitel fasst die Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitte zusammen und betont noch einmal, wie viel Sinn und Gehalt in Nachdenkenüber Christa T. steckt.

2 Entstehung und Thematik des Romans

2.1 Entstehung des Romans

Motiviert durch den Todesfall einer ihr nahestehenden Person, begann die Autorin an ihrem neuen Roman Nachdenkenüber Christa T. zu schreiben, das vielleicht gelungenste Prosawerk Christa Wolfs. Das Manuskript war 1965 weitgehend fertig und lag 1967 abgeschlossen vor.4 Doch das Buch debütierte erst 1968 im Mitteldeutschen Verlag Halle - ein Jahr musste die Autorin auf die Veröffentlichung ihres Werkes warten. Christa Wolf ist mit ihrem Roman an die Grenzen dessen gegangen, was von den damaligen Kulturfunktionären zu verkraften war. Die Autorin widersetzte sich mit ihrem Werk den damals vorherrschenden Richtlinien des sozialistischen Realismus’. Kein einziger Grundsatz der damals geltenden Literaturtheorie lässt sich auf Nachdenkenüber Christa T. anwenden. Ganz im Gegenteil. Vielmehr war die „[...] Nichtanwendbarkeit oder das Nicht-zu-Erkennen der erwünschten Kriterien, wie z.B. Vorbildlichkeit, positiver Held, Volkstümlichkeit, Verständlichkeit oder Parteilichkeit zu konstatieren.“5

Ein Lektor des Mitteldeutschen Verlags lehnte das Buch vorerst ab. Christa Wolf stieß ebenfalls bei der Zensurbehörde auf Ablehnung, woraufhin sie dem Manuskript das 19. Kapitel hinzufügte. Dieses blieb frei von Zugeständnissen und bot dem verantwortlichen Amtsleiter nun zumindest die formale Handhabe, den >überarbeiteten< Roman zum Druck frei zu geben.

Mit dem Wissen, dass ihr neuer Roman in öffentlicher Kritik stehen würde, verfasst Christa Wolf die zwei relevanten Essays Selbstinterview und Lesen und Schreiben. Mit Hilfe dieser Texte versucht sie eine Vorwegnahme sowie Entkräftung der Kritik, weshalb sie sich intensiv mit der zu erwartenden Kritik und den Erwartungen an ihr Buch auseinandersetzt. Gleichzeitig versucht sie, die Intention ihres Romans zu beschreiben.6

In ihren Texten betont sie besonders die Notwendigkeit einer neuen Prosa, die in der Lage ist, den „[...] Leser zu ergreifen und durch die Lektüre [...] zu ‚verändern’ [...]“7 (vgl. Kapitel 3.4). Dieses Ziel könne jedoch nicht erreicht werden, wenn sich der Prosaschreiber an vorgegebene Themenkreise (wie sie zum Beispiel in den Bitterfelder Konferenzen verkündet worden waren) gebunden fühle. Ihren Roman möchte die Autorin als ein Experiment gewertet wissen. Nachdenkenüber Christa T. sieht sie als Versuch, einer zukunftsweisenden, dialektischen Prosa und keinesfalls als einen Rückzug in die Innerlichkeit oder eine Flucht ins Privatleben. Christa Wolf betont, dass Themenkreise, die bisher als Tabu galten, angesprochen werden müssen, wenn Prosa weiterhin von echter Bedeutung sein soll.8

2.2 Eine kurze Einführung in die Thematik

Eine junge Frau ist gestorben, knapp 35 Jahre alt. Die Todesursache: Leukämie. Das Leben der Frau, Christa T., wird in dem Roman erzählt. Erzählt von wem? Neben der Romanfigur Christa T. gibt es noch eine wichtige Hauptfigur: die Ich-Erzählerin. Trauernd über den Tod ihrer Freundin, versucht sie diese als Person sichtbar zu machen. Aus diesem Grund handelt es sich bei Nachdenkenüber Christa T., trotz einiger biografischer Eckdaten (Schulzeit, Flüchtling, Studienzeit, Lehrerin, Heirat, Kinder, Krankheit ...), nicht um eine simple Erzählung ihres Lebenslaufes. „Die Biografie liefert nur Material zur Vergegenwärtigung einer Gestalt, die mit ihren ‚Aussichten’ und ‚geheimen Möglichkeiten’ mehr ist als das, was Christa T. wirklich und nachweislich gewesen sein mag.“9

Schauplatz des Geschehens ist die DDR. Die Ich-Erzählerin informiert uns über ihre Person nur sehr dürftig. Sie ist mit Christa T. nicht identisch, doch das, was wir über sie wissen, ähnelt auffallend der Biografie der Erzählerin (dieselbe Schule, gemeinsames Germanistikstudium, Lehrerin, Ehefrau und Mutter).

Hinterlassen hat Christa T. ihren Mann Justus, ihre drei Kinder und mannigfaltige Aufzeichnungen wie Tagebücher, Briefe, Skizzen und weitere Schreibversuche. Die Ich- Erzählerin hat sich durch die Memoiren gearbeitet, um sich an sie zu erinnern, ihr >nachzudenken<, sie vor allem aber besser und umfassender zu verstehen. Die Erinnerung an ihre verstorbene Freundin beginnt zu verblassen. Das Schriftmaterial liefert einige zentrale Stellen des Buches, doch letztlich ist die Ich-Erzählerin auf ihre Intuition und Intelligenz sowie auf ihre Phantasie angewiesen.

3 Strukturelle und sprachliche Besonderheiten

In dem folgenden Kapitel werden die von Christa Wolf angewandten künstlerischen Gestaltungsmittel hauptsächlich separat, sich teilweise jedoch überschneidend, dargestellt. Mit Hilfe von weiteren literarischen und essayistischen Texten anderer Autoren, aber auch von Christa Wolf selbst, lassen sich schwer verständliche Inhalte des Romans nachvollziehen. Christa Wolf verfolgt in Nachdenkenüber Christa T. eine neue Schreibweise, in der neue thematische Inhalte unmittelbar formal umgesetzt werden. Mit dem Ziel, die strukturellen und sprachlichen Besonderheiten zu untersuchen, soll darüber hinaus zu einem besseren Verständnis des Prosawerks verholfen werden.

3.1 Das Verhältnis von Realität und Fiktion

Von der ersten Seite des Romans an ist das Verhältnis von Realität und Fiktion anspruchsvoll und fordernd. Die angewandte analytische Struktur des Rückblickens und Analysierens nutzt die Autorin bereits in ihrem vorangegangenen Roman Der geteilte Himmel. In Nachdenkenüber Christa T. wendet Christa Wolf dies in noch komplexerer Form und als Grundstruktur ihrer Erzählung an.10

Ausgangspunkt des Romans ist der Verlust einer Freundin der Ich-Erzählerin. Der Tod dieser Freundin fordert die Ich-Erzählerin dazu auf, über die Verstorbene nachzudenken. Christa Wolf erklärt in einer kurzen Vorbemerkung des Romans, Christa T. sei eine literarische Figur. Darauffolgend ergänzt sie, authentisch seien manche Zitate aus Tagebüchern, Skizzen und Briefen.11 Bereits nach diesen zwei Sätzen schafft es die Autorin, den Leser zum Nachdenken anzuregen. Um wessen Zitate handelt es sich, wenn Christa T. eine literarische Figur ist? Hat es Christa T. wirklich gegeben?

Christa Wolf hat ihrem Werk Nachdenkenüber Christa T. ein Essay vorausgeschickt. In Selbstinterview benennt sie ihre Beweggründe, die sie dazu veranlasst haben, den Roman zu schreiben. „Ein Mensch, der mir nahe war, starb zu früh. Ich wehre mich gegen diesen Tod. Ich suche nach einem Mittel, mich wirksam wehren zu können. Ich schreibe, suchend. Es ergibt sich, daß ich eben dieses Suchen festhalten muß, so ehrlich wie möglich.“12 Aufbauend auf dieser Aussage ist anzunehmen, dass es wahrhaftig eine reale Person gegeben hat, die der Autorin als Vorbild für ihren Roman diente. Unklar bleibt jedoch, ob Christa Wolf in dem Interview selbst spricht oder die Ich-Erzählerin des Romans, wie es einige Interpretationen vermuten.13

Das in dem Roman in Kursivschrift eingefügte dokumentarische Material aus Tagebüchern, Skizzen und Briefen verstärken die Annahme, dass es eine reale Person gegeben haben muss. Die hinzugefügten Hinterlassenschaften der Christa T. tragen zum Gefühl der Authentizität bei und lassen den Leser weiterhin im Unklaren darüber, ob die literarische Figur wirklich fiktiv ist. Mit der Frage nach der Existenz der Christa T. schafft es Christa Wolf einen Schwebezustand aufkommen zu lassen, „der so charakteristisch für ihr Buch ist und der seinen besonderen Reiz ausmacht - eben auch weil der Leser stets neu zum ‚Nachdenken’ über Christa T. angeregt wird.“14

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Christa Wolf die einfache, konventionell-illusionistische Realitätsfunktion des Erzählers aufhebt und dadurch ein modernes aber auch kompliziertes und spannungsreiches Wechselspiel von anvisierter Wirklichkeit und eingestandener Erfindung erschaffen hat.15

Belegen lässt sich, dass es sich bei Nachdenkenüber Christa T. um ein fiktionales Werk handelt. Dies geht aus dem eben benannten Essay hervor, indem es heißt: „Das Material habe ich souverän behandelt. Die Erinnerungen habe ich durch Erfindungen ergänzt. Auf dokumentarische Treue habe ich keinen Wert gelegt.“16 In dem Romans selbst lässt sich ebenfalls belegen, dass es sich durchaus um erfundenes literarisches Material handelt.

[...]


1 Vgl. Firsching, Annette: Kontinuität und Wandel im Werk von Christa Wolf. Würzburg: Königshausen & Neumann (1996). S. 8.

2 Reich-Ranicki, Marcel: Christa Wolfs unruhige Elegie. In: Manfred Behn (Hrsg.): Wirkungsgeschichte von Christa Wolfs ‚ Nachdenkenüber Christa T. ’. Königstein: Athenäum (1978). S. 59-64, hier S. 59.

3 Ebd.

4 Vgl. Mauser, Wolfram und Helmut: Christa Wolf: Nachdenkenüber Christa T.. München: Wilhelm Fink (1987). S. 7.

5 Sevin, Dieter: Christa Wolf, Der geteilte Himmel, Nachdenkenüber Christa T.: Interpretation. München: Oldenbourg (1995). S. 59.

6 Vgl. ebd., S. 59 f.

7 Ebd., S. 60.

8 Vgl. ebd.

9 Reich-Ranicki, M.: Christa Wolfs unruhige Elegie. In: Manfred Behn (Hrsg.): Wirkungsgeschichte von Christa Wolfs ‚ Nachdenkenüber Christa T. ’. S. 59-64, hier S. 60.

10 Vgl. Sevin, D.: Christa Wolf, Der geteilte Himmel, Nachdenkenüber Christa T.: Interpretation. S. 61.

11 Vgl. Wolf, Christa: Nachdenkenüber Christa T.. München: Luchterhand (2002). S. 5.

12 Wolf, Christa: Nachdenken über Christa T.. In: Manfred Behn (Hrsg.): Wirkungsgeschichte von Christa Wolfs ‚ Nachdenkenüber Christa T. ’. Königstein: Athenäum (1978). S. 25-28, hier S. 25.

13 Vgl. Sevin, D.: Christa Wolf, Der geteilte Himmel, Nachdenkenüber Christa T.: Interpretation. S. 62.

14 Ebd.

15 Vgl. Fuhrmann, Helmut: Vorausgeworfene Schatten. Literatur in der DDR - DDR in der Literatur. Würzburg: Königshausen & Neumann (2003). S. 72.

16 Wolf, C.: Nachdenken über Christa T.. In: Manfred Behn (Hrsg.): Wirkungsgeschichte von Christa Wolfs ‚ Nachdenkenüber Christa T. ’. S. 25-28, hier S. 26.

Final del extracto de 18 páginas

Detalles

Título
"Nachdenken über Christa T." von Christa Wolf. Die strukturellen und sprachlichen Qualitäten des Romans
Calificación
1,0
Autor
Año
2015
Páginas
18
No. de catálogo
V335151
ISBN (Ebook)
9783668250727
ISBN (Libro)
9783668250734
Tamaño de fichero
527 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Christa Wolf, Christa T., Nachdenken über Christa T.
Citar trabajo
Derya Ficicioglu (Autor), 2015, "Nachdenken über Christa T." von Christa Wolf. Die strukturellen und sprachlichen Qualitäten des Romans, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/335151

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