Traibach - Brauchtumsstudie über eine verschwundene Gesellschaft


Seminararbeit, 2003

31 Seiten, Note: 1


Leseprobe


1. Inhaltsverzeichnis

2. Einleitung

3. Traibach

4. Brauchtum
4.1 Geburt und Taufe
4.2 Schule
4.3 Hochzeit
4.4 Krankheit und Tod

5. Zusammenfassung

6. Quellenverzeichnis

7. Anhang

Fotos

Interview

2. Einleitung

Das Studium der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien ist modern geworden. Immer mehr Maturanten entscheiden sich dieses Fach zu inskripieren. Das Studium der Völkerkunde hat klar über jenes der Volkskunde gesiegt, in Popula­rität und Effizienz. Mit der zunehmenden Anzahl an Absolventen, und damit Ethnologen wurde das Forschungsgebiet (-feld) schon vor einiger Zeit gegenüber dem traditio­nellen weit ausgeweitet. Ethnologische Studien im Internet sind genauso anerkannt wie Feldforschung in Zaire. Die Ethnologie Europas wird als Teilgebiet mit der Ethno­logie Afrikas gleichgestellt, und doch gibt es noch ein eigenes, weniger populäres Studium der Volkskunde. Es hat den Anschein, als wären wir gerade im Prozess das letztere in das erstere einzugliedern, in diesem Prozess laufen wir allerdings Gefahr die unpopuläreren Themen (die im Moment zur Volkskunde zählen) zu ver­nachlässigen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine besondere Kompetenz ist in seinem eigenen Land ethnologisch zu forschen. Sei auch der Fremdblick in der For­schung durchaus nützlich, lässt es sich doch nicht verleugnen, dass wir als Österrei­cher, doch im allgemeinen am meisten über Österreichische Kultur wissen.

Genauso wie viele der Studenten am Institut für Kultur- und Sozialwissenschaften gilt mein vorwiegendes Interesse nicht den Kulturen Österreichs, doch mit dieser Arbeit will ich in diese Richtung gehen, und ein Thema aufgreifen, welches mir persönlich sehr nahe steht, da ich in diesem Gebiet aufgewachsen bin.

Traibach gibt es heute noch, vorwiegend bewaldet käme keiner der Erholungssuchenden auf die Idee dass hier früher Menschen ihr tägliches Leben bestreiten mussten, unter erschwerten Bedingungen der Abgeschiedenheit und der Armut. Ein einziger, der früher hier le­benden Bauern ist noch im selben Gebiet angesiedelt; die Familie verdient ihr Geld heute mit den Einkünften aus der Bewirtung von ruhesuchenden Almgästen, zusätz­lich zu den erwirtschafteten Landwirtschaftseinnahmen.

In den folgenden Seiten möchte ich die Zeit zurückdrehen, um Traibach nicht mehr nur als Erholungsmöglichkeit für Wiener-Wochendurlauber, Mountainbikestrecken oder Wanderwege zu sehen, sondern als eigene Gesellschaft, die es nicht schaffte zu überleben. Heute findet man noch einige Menschen, die Teil dieser Gesellschaft waren, doch in einigen Jahren wird wohl vergessen werden, welche Geschichten des täglichen Lebens der Traibach zu erzählen hat.

Mit dem Blick auf die Brauchtümer der Menschen werde ich versuchen ihren Lebens­gewohnheiten näher zu kommen und ihr tägliches Leben näher beschreiben zu kön­nen. Um mich noch näher hineinversetzen zu könne, habe ich ein Interview mit ei­nem ehemaligen Bewohner geführt und einige Fotos angefügt, die uns noch näher in diese verschwundene Gesellschaft hineinversetzen sollen.

Die folgenden Daten stammen größtenteils aus Erzählungen und Niederschriften, die in den umliegenden Gemeindeämtern Langenwang und Krieglach sowie dem Landes­archiv in Graz von Interessierten gefunden wurden.

3. Traibach

Aufzeichnungen über das Gebiet des Traibach reichen bis 1344 zurück als es erst­malig als Drepbach, die deutsche Übersetzung des slawischen Svebenice ist der sich drehende Bach, genannt wird. Weiters ist uns aus den Gemeindeaufzeichnungen bekannt dass das Gebiet 1812 aus 922 Hektar, 29 Häusern, 127 Seelen, 50 Ochsen, 58 Kühen und 114 Schafen bestand. Für das Jahr 1837 wurden 23 Besitzer, 58 Häu­ser, 66 Wohnparteien und 158 Bewohner aufgelistet. Die Anzahl der Häuser hatte sich demnach in nur 25 Jahren genau verdoppelt. Die damaligen Bauern waren nicht alle Besitzer ihrer Häuser und Höfe. Es ist bekannt dass 11 Bauern im Jahr 1348 für ihre Weiderechte an den Grafen von Montfort auf der Hinterleitn und im Schachen­walt pro Bauernhof je einen Käse im Wert von vier Pfennig abgeben mussten. Das Vieh weidete auf Kühgraben auf häuslichen Hutweiden oder auf Hohenwanger Holzschlägen. Beim Troisbach im Kühgraben auf der Pretul und im Wassertal. Der sogenannte Gemeindewald war unter vier bäuerlichen Besitzern in der Weise verteilt, dass jeder vier bis fünf Joch zur Streugewinnung nutzen konnte.

In den Bauernwäldern wurden pro Jahr etwa 6000 Fass Holzkohle produziert, die fast ausschließlich an die Eisenwerke in der unmittelbaren Umgebung verkauft wurden. Der Traibach trieb in der Langenwanger Schwöbing eine Hausmühle, eine Säge, Leinölstampfe sowie später zwei Hammerwerke.

Laut einer Steuerliste aus dem Jahr 1880 gab es 18 Bauern, die Traibacher Schule sowie die Mühle die Abgaben leisten mussten. 7 dieser Bauern gehörten der Herrschaft Oberkapfenberg an, 2 Unterkapfenberg, 5 Bauern sowie die Schule der Herrschaft Hohenwang, 2 weitere je Kirchberg am Walde sowie Neuberg. Weiters sei zu bemerken, dass die Herrschaften ihre Liegenschaften Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts an Großgrundbesitzer verkauften.

4. Brauchtum

Im folgenden will ich über Brauchtum sprechen. Dafür muss natürlich erst definiert werden um was genau es in diesem Begriff geht. Spezialisten der Brauchtumsforschung sowie Menschen, die von Brauch betroffen sind, sind sich einig, dass es ein schwierig zu definierender Begriff ist. Schon im Wörterbuch der Völkerkunde steht für Sitte und Brauch geschrieben: „komplementär, z.T. auch synonym verwendete Begriffe für „gewohnheitsmässig geübte, sozial erwartete, mehr oder weniger stark sanktionierte Denk- und Verhaltensformen“ (Wörterbuch der Völkerkunde 1999:342). Hermann Kirchhoff sieht den Grund, dass es so schwierig zu definieren sei in seinem zutiefst Menschlichen (Kirchhoff 1995:14). Gleichzeitig meint er auch dass Brauch der Tradition verpflichtet ist; und auch Sitte wird erwähnt. Diese drei werden auch von anderen Autoren immer wieder erwähnt. Kirchhoff bringt dabei auch noch den Begriff Gemeinschaft ins Spiel. Der auslösende Moment dabei ist der konkrete Anlass, wie Geburt und Taufe, Hochzeit und Tod. Diese drei wichtigen Einschnitte im Leben sollen in dieser Arbeit auch die Basis bieten[1]. Ein ganz wichtiger Aspekt, wenn wir Brauchtum betrachten ist die Religion. Nur das Durchlesen der Beschreibungen der folgenden Übergangsriten wird uns, mit unserem stark geprägten wissenschaftlich, sekularen Verständnis sofort auffallen. „Alles Brauchtum hat letzten Endes religiöse Wurzeln“ (Kirchhoff 1995:16).

„Sitte sind soziale Normen als überlieferte Ordnung während Brauch im Verständnis von täglichem Gebrauch und festlichen Bräuchen die Formung des sozialen Handelns bestimmt. Demzufolge regulieren Sitten das soziale Netz und deren Institutionen und Bräuche repräsentieren deren Darstellungsmöglichkeiten und Spielräume..“ (Bruckner, Wolfgang „Sitte und Brauch – Sozialwissenschaftliche Aspekte“ In: Staatslexikon, hrsg. v. der Görres Gesellschaft. Bd. 4 Freiburg, Basel, Wien 1988 Sp. 1179-1181, 1183. Zit. Nach Scharfe 1991:10). Mit dieser Definition finde ich ist auch noch einmal klar geworden, dass die Begriffe sich überschneiden. Hermann Strobach definiert Traditionen weiter wenn er sagt: „Traditionen sind zählebig, verschwinden nicht immer zugleich mit den Veränderungen oder der Überwindung jeder gesellschaftlichen Grundlage, aus denen sie hervorgingen..“ (Strobach, Hermann „Einige volkskundliche Probleme des historischen Erbes“ In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 29 (1981), S 611-617; S. 614. Zit. Nach Scharfe 1991:8). Mit dieser Definitin kommen wir dem Charakter des „traditionellen Brauchtums“ schon näher. Über „Brauchtum als Erfindung der Gesellschaft“ schreibt 1999 der Wiener Volkskunde-Ordinarius Konrad Köstlin: „Ganz allgemein versteht man unter einem Brauch ein Verhalten oder ein Verhaltensmuster, das von der Gruppe als richtig oder falsch angesehen wird, eine allen gemeinsame Regel, die von der Gruppe im Konsens getragen wird und die Konformität der Gruppe darstellt. Die soziale Konformität gründet sich in der Moderne immer deutlicher auf eine historisch genannte Tradiiton“ (zit. nach Wolf 2000:13). Heutzutage gibt es oft „von oben“ organisierte und „von unten“ getragene Bräuche. Viele neue Bräuche sind gern gesehen, da sie soziales Engagement in den Fordergrund rücken und durch folkloristische Elemente oder gesellige Aspekte, im Gegensatz zu den üblichen Spendeaktionen, auch den Gebenden Freude machen (vgl. Wolf 1992:292f).

Nach dem Schreiben der folgenden Seiten fiel mir eine Aussage besonders ins Auge, welche meiner Meinung auch auf den folgenden Text genau zutrifft: „Die Darstellungen von Sitte und Brauch im Volksleben rücken gewöhnlich ihren Gegenstand so ausschließlich in den Brennpunkt der Betrachtungen, dass der Eindruck entsteht, als habe das Volk von Jahresanfang bis Jahresende und von der Wiege bis zum Grabe nichts getan als Bräuche geübt..doch war es immer Arbeit, die ihre ganze Kraft in Anspruch nahm“ (Sieber, Friedrich „Aspekte der Brauchforschung“ In: Wissenschaftliche Annalen. Hrsg. v. der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 5 (1956). S. 497-503; S. 497. Zit. Nach Scharfe 1991:3). Wenn man das Leben dieser Bauern nicht von einer wissenschaftlichen Seite betrachtet, und noch dazu in dieser Kultur aufgewachsen ist, erscheint einem ein Brauch als normal und wird kaum hinterfragt. Noch dazu kommt der Glaube, der viele dieser Bräuche legitimiert, aber auch Bräuche, wo von keinem Anfang mehr gewusst wird, werden so hingenommen. Ein Grund dafür könnte sein, dass Bräuche oft aus einer Zeit zu stammen scheinen, in der die Welt noch in Ordnung war (Wolf:2000:13).

4.1 Geburt und Taufe

Schon einige Zeit vor ihrer Niederkunft, bemühte sich die künftige Mutter für ihr Kind eine Patin zu finden. Mit Vorliebe bittet man die Schwester des Kindsvaters oder der Kindsmutter (die VaterSchwester oder die MutterSchwester). Schon am Tag nach der Geburt ging die Patin mit der Hebamme zur Taufe. Hier ist die Verbundenheit mir der katholischen Religion zu sehen. Mechthild Wiswe schreibt, dass in Braunschweig die Taufe auf Ostern und Pfingsten beschränkt war, und die Taufe dadurch oft erst geraume Zeit nach der Geburt erfolgte (Wiswe 1982:5). Im Traibach war es unvorstellbar das Kind nicht so schnell wie möglich zu taufen, um es damit zu einem würdigen und vollwertigen Mitglied der Gesellschaft zu machen.

Zur Kirche hin trug die Hebamme das Kind[2], zurück jedoch die Patin. Auch Wiswe schreibt für ihre auf Deutschland gerichtete Analyse dass die Mutter bei der Taufe nicht teilnahm (Wiswe 1982:15). Meist wählte die Mutter den Namen des Kindes aus, nur ausnahmsweise überließ man es der Patin. Bei der Wahl des Namens achtete man streng darauf dem Kind einen Namen zu geben, dessen Namenstag vor dem Geburtstag des Kindes lag, das als „Zurücktaufen“ oder „Namen zurückschmeißen“war verpönt; man glaubte dass in diesem Fall auch das Kind körperlich und geistig zurückbliebe.

Anderseits sollte man auch nicht allzu weit „Vortaufen“ oder den „Namen vorschmeißen“ d.h. einen Namenstag wählen, der noch lange ausstand. Verpönt war es auch den Namen eines verstorbenen Kindes der Familie zu wählen, weil dies dem Nachgeborenen Unglück bringen würde. Nach der Rückkehr von der Kirche betrat die Taufpatin das Geburtshaus oft mit den Worten: „An Heiden hob i furrtrogen, an Christen bring i da zrug“ (Einen Heiden trug ich fort, einen Christen bring ich zurück). Die Mutter begrüßte den Täufling mit seinem Namen. Während die Patin der Mutter den Verlauf der Taufe erzählte, wurde ein Eierschmarrn oder eine „Straube“ (Eierkuchen) gebacken und der Patin mit Kaffee und Jause dargeboten.

Noch vor der Jause wurde das Kind ausgewickelt und man fand unter dem Einschubdeckerl an der Brust des Kindes das Taufgeschenk, meist eine Silbermünze in einer schönen Schachtel. Das Taufgeschenk nannte man „Kresengeld“ (von Chrisma, ist geweihtes Öl). Nachdem man das Kind wieder eingewickelt hatte, gab man ihm zu essen und ließ es schlafen. Die Taufpatin besprch zum Abschied, in acht Tagen mit der „Gob“ (Gabe) zu kommen.

Am Tag der Taufe wurde dem Kind von der Hebamme das „Kresenbad“ bereitet. Dazu legte sie das „Kresengeld“ in das Bad, streute geweihtes Salz hinein un schüttete Weihwasser dazu. Das Kind wurde von Kopf bis zu den Füßen gewaschen, wobei die Hebamme Gebete sprach. Eines z.b. lautete:

„Jetzt wasch ich Dir Deine Augen,

damit Du Gott kannst schauen.

Jetzt wasch ich dir deine Ohren,

damit Du nur Gott kannst hören.

Ich wasch Deinen Mund,

der nur von Gott sprechen soll

und sonst nichts Schlechtes.

Da kommen deine Hände,

die sollen bitten um ein glückliches Ende.“

Acht Tage nach der Taufe und dann noch an ganz bestimmten Tagen besuchte die Patin ihren Täufling mit einem großen Korb. Darin befanden sich 100 doppeltgroße Semmeln, die sogenannten „Gob-Semmeln“. Eine weniger bemittelte Patin spendete 70 oder gar nur 50 solche Semmeln. Zur „Gob“ gehörten auch noch ein Packerl Kaffeezusatz, ein halbes Kilo Bohnenkaffee, ein Packerl Tee, ein Kilo Zucker, auch eine Flasche Wein und ein halbes Kilo Kalbfleisch.

Die Taufpatin erhielt die selbe Jause wie am Tag der Taufe. Mit den Semmeln beschenkte sie auch die Hebamme. Die nicht verbrauchten Semmeln wurden zu Bröseln verrieben.

Noch heute ist es vielfach üblich, dass Kinder bis zum Zeitpunkt ihrer Konfirmation von ihren Paten zu Weihnachten, zu Ostern und zum Geburtstag beschenkt werden (vgl. Wiswe 1982:18).

[...]


[1] Eingefügt sei noch der Lebensabschnitt Schule, da sich die Gesellschaft in Traibach noch heute stark durch sie definiert.

[2] Eine Neueinkleidung des Teuflings sollte das Taufgeschehen als Ablegen des alten Menschen und Anziehen des neuen Christen symbolisieren, schreibt Wiswe. Eine solche Tradition ist uns für Traibach nicht bekannt, zum einen, da die Bauern kaum das Geld hatten und zweitens aus dem Umstand, dass das Neugeborene schon am Tag nach der Geburt getauft wurde. In den Kirchen gab es allerdings weiße feierliche Deckchen, die den Täuflingen umgelegt wurden.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Traibach - Brauchtumsstudie über eine verschwundene Gesellschaft
Hochschule
Universität Wien
Veranstaltung
PS: Grundprobleme der ethnologischen Arbeitsweise
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
31
Katalognummer
V33514
ISBN (eBook)
9783638339643
Dateigröße
848 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
17 Seiten Hausarbeit plus Anhang
Schlagworte
Traibach, Brauchtumsstudie, Gesellschaft, Grundprobleme, Arbeitsweise
Arbeit zitieren
Sabine Putzgruber (Autor:in), 2003, Traibach - Brauchtumsstudie über eine verschwundene Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33514

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