Grundlagen der Handlungstheorien bei Alfred Schütz und bei Max Weber


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

21 Seiten, Note: 1.7


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

1. Grundlagen der Handlungstheorie bei Max Weber
1.1. Verhalten, Handeln, soziales Handeln, soziale Beziehung, legitime Ordnung
1.2. Die vier Idealtypen von Handeln
1.3. Erläuterung der vier reinen Typen des Handelns anhand eines Beispiels

2. Grundlagen der Handlungstheorie bei Alfred Schütz
2.1. Handeln vs. Handlung
2.1.1. Handlung als Prozeß
2.1.2. Handlung als abgeschlossenes Ereignis
2.2. Um-zu-Motiv des Handelns
2.3. Weil-Motiv der Handlung
2.4. Um-zu-Motiv und Weil-Motiv anhand eines Beispiels

3. Grenzfälle, Mischformen und methodische Schwierigkeit der Nachweisbarkeit
3.1. Mischformen der vier Idealtypen
3.2. Problematik der Unterscheidung und Grenzfälle
3.3. Schwierigkeiten der methodischen Nachweisbarkeit

4. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Diese Hausarbeit befaßt sich mit den Grundlagen der Handlungstheorie von Alfred Schütz und Max Weber. Weber gilt als Begründer der verstehenden Soziologie und liefert durch den 1. Paragraphen seiner Grundbegriffe die Grundlage der verstehenden Soziologie. Schütz gilt als Begründer dessen, was wir heute als phänomenologische Soziologie[1] bezeichnen. Schütz hat eine umfassende Beschreibung von sozialen Handlungsmustern, Strukturen und Typisierungen vorgelegt, wie sie sich in der Alltagswelt vollziehen bzw. wie sie das Leben in der Alltagswelt regeln. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Grundlagen der Handlungstheorie beider Theoretiker, die Grenzfälle, die Mischformen der vier Handlungs­typen von Weber und der methodischen Schwierigkeit der Nachweisbarkeit der Handlungsbegriffe, die anhand von einigen Alltagsbeispielen erläutert und erklärt werden sollen.

1. Grundlagen der Handlungstheorie bei Max Weber

Weber stellt der Soziologie die Aufgabe, das sinnhaft an einem Anderen orientierte soziale Handeln der Einzelnen zu verstehen und dadurch zu erklären. Ausgehend von dem Grundbegriff des „sozialen Handelns“ definiert Weber alle größeren Zusammenhänge. So begreift Weber alle sozialen Handlungen einzelner, die sich als „soziale Beziehungen“ manifestieren. In seinem Hauptwerk „Wirtschaft und Gesellschaft“ definiert er Soziologie als: „Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seine Wirkungen ursächlich erklären will. „Handeln“ soll dabei ein menschliches Ver­halten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ (vgl. Weber 1972: 1).

Mit „Deuten und Verstehen“ meint er, was bedeutet es, wenn jemand auf eine bestimmte Art und Weise handelt und mit „Erklären“ meint er, warum handelt jemand in dieser bestimmten Art und Weise. Die Gesellschaft erschließt sich durch das Verstehen der Handlungsmuster der Individuen und besteht aus individuellen Handlungen, denen jeweils ein subjektiv gemeinter Sinn zugrunde liegt. Jedes Handeln kann auf die individuelle Ursache zurückverfolgt werden und mit dieser Kenntnis sinnhaft interpretiert und verstanden werden. Handlungen sind nicht durch die Interaktion geprägt, sondern durch das individuelle Handlungsmotiv. Soziales Handeln zu verstehen und kausal zu erklären setzt Max Weber seiner Soziologie zum Ziel. Mit den nachstehenden Begriffen soziales Handeln, soziale Beziehung und legitime Ordnung sollen zum einen die Handlungstheorie und zum anderen die drei wesentlichen Kategorien der allgemeinen Soziologie Max Webers dargestellt werden. Die Handlungstheorie gründet Max Weber auf den Sinnbegriff, indem er mit diesem Verhalten und Handeln unterscheidet. Mit dem Begriff des sozialen Handelns bestimmt Weber den Objektbereich seiner Soziologie, auf dem er alle weiteren Kategorien aufbaut.

1.1. Verhalten, Handeln, soziales Handeln und soziale Beziehung, legitime Ordnung

Verhalten definiert Weber als Tun (Reflex oder Reaktion), Unterlassen oder Dulden, mit dem kein subjektiv gemeinter Sinn seitens des Handelnden verbunden ist. Alle Reaktionen auf äußere Reize, die dem Handelnden selbst als Motive seines Verhaltens nicht kausal zurechenbar sind, fasst er unter den Begriff „Verhalten“. Ein schlichtes Verhalten nach Weber wäre, wenn eine Person seine Füße beim Gehen bewegt und die Person diesen Bewegungen keine weitere Bedeutung zumisst.

Wird mit diesem Tun ein subjektiv gemeinter Sinn verbunden, dann spricht Weber von Handeln. Handeln wäre dann, wenn eine Person mit dem Rad bergauf fährt und merkt, dass ihm seine Füße weh tun, worauf er dann beschließt eine Pause einzulegen. Dies kann als Handeln gesehen werden, da die Person den Schmerzen in seinen Füßen eine Bedeutung zumisst und sie eine Wirkung entfalten (eine Pause machen).

Als Merkmal, mit dem Verhalten und Handeln unterschieden werden, fungiert der gemeinte Sinn, den ein Handelnder mit seinem Tun verbindet. Unter der Äußerung, dass ein Handelnder mit seinem Handeln einen gemeinten Sinn verbindet, versteht Weber allerdings mehr, als im täglichen Sprachgebrauch ausgedrückt wird, wenn von Meinen die Rede ist. Meinen wird in der Regel verwendet, um auszudrücken, dass jemand mit seinem Tun bewusst einen Plan verfolgt, d. h. dass er die Intention hat, etwas bestimmtes zu tun oder etwas mitzuteilen. Weber fasst den Begriff des gemeinten Sinnes weiter, indem er ihn nicht an die Bedingung der Bewusstheit einer Absicht oder eines Zieles bindet (ebd. S. 4). Der Begriff des subjektiv gemeinten Sinns erstreckt sich bei Weber vielmehr auf mögliche Zwecke, Gefühle, Werte, die der jeweilige Akteur mit seinem Handeln bewusst / unbewusst verbindet, d. h. dass das Handeln immer dann vorliegt, wenn die Motive und Zwecke dem Handelnden selbst zurechenbar sind.

Ist nun dieses Handeln in seinem Sinn bezogen auf andere Menschen, spricht Weber von sozialem Handeln, welches er wie folgt definiert: ,,`Soziales` Handeln (...) soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten a n d e r e r bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist." (vgl. Weber 1972 [1921], S.1; Hervorhebung durch Weber). Hier bedarf es nur eines Handelnden, der in Bezug auf Andere handelt, damit soziales Handeln stattfindet. Es ist somit nicht notwendig, dass die Anderen, an denen das jeweilige Handeln orientiert ist, auch handeln. Es genügt, wenn sie sich in irgendeiner Form verhalten und dieses Verhalten orientierend für das soziale Handeln des Einzelnen ist. Soziales Handeln ist somit ein von einem Einzelnen ausgehendes Handeln, das auf einen oder mehrere Andere sinnhaft bezogen und in seinem Ablauf orientiert ist. Soziales Handeln nach Weber wäre, wenn ein Radfahrer den Versuch unternimmt, dem anderen Radfahrer auszuweichen, damit sie nicht zusammenstoßen.

Der Begriff des sozialen Handelns bildet den konstitutiven Grundbegriff der Soziologie Webers, indem dieser als das 'genuin Soziale' den Objektbereich der Soziologie markiert und somit alles 'Nicht-Soziale' (im Sinne von Verhalten, Handeln, psychischen Prozessen, Naturgegebenheiten) aus diesem ausgrenzt. Soziales Handeln ist dabei die kleinste Einheit sozialer Prozesse bzw. deren Letztelement. Für Weber lassen sich alle sozialen Prozesse und Gebilde, wie z. B. Vereine oder Staaten, letztlich auf die spezifischen sozialen Handlungen Einzelner zurückführen. Weber formuliert dies wie folgt: „Für die verstehende Deutung des Handelns durch die Soziologie sind dagegen diese Gebilde lediglich Abläufe und Zusammenhänge spezifischen Handelns einzelner Menschen, da diese allein für uns verständliche Träger von sinnhaft orientiertem Handeln sind.“ (vgl. Weber 1972, S. 6). Ausgehend von diesem Letztelement des Sozialen gewinnt Weber die weiteren Kategorien seiner Soziologie, indem er aufbauend auf dem Allgemeinbegriff des sozialen Handelns als weitere zentrale Kategorien die soziale Beziehung und die legitime Ordnung bestimmt.

,,Soziale Beziehung soll ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig e i n g e s t e l l t e s und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer heißen." (vgl. Weber 1972 [1921], S. 13, Hervorhebung durch Weber). Mit dieser Definition bestimmt Max Weber die soziale Beziehung dadurch, dass eine Chance, eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass das soziale Handeln von mindestens zwei Handelnden gemäß eines angebbaren Sinngehalts aufeinander bezogen ist. Im Unterschied zum sozialen Handeln, besteht die soziale Beziehung in der wechselseitigen sinnhaften Bezogenheit von mindestens zwei sozialen Handlungen aufeinander. Diese Definition der sozialen Beziehung ist rein formal, in dem Sinn, dass sie den Inhalt der jeweiligen Beziehung unbestimmt lässt. So kann eine soziale Beziehung ihrem Sinn nach in einer Freundschaft oder Feindschaft, in Kampf oder Liebe bestehen, wobei die Wahrscheinlichkeit eines diesen Sinngehalten entsprechenden aufeinander bezogenen Handelns über das Bestehen oder Nicht-Bestehen einer sozialen Beziehung entscheidet. Dass die aufeinander eingestellten Handelnden in jedem Einzelfall subjektiv den gleichen Sinn mit der jeweiligen sozialen Beziehung verbinden, ist somit keine notwendige Bedingung für ihr Bestehen. Zwei Handlungen können sinnhaft aufeinander bezogen sein, ohne dass die Beteiligten mit ihnen subjektiv den gleichen Sinn verbinden. Beispielsweise kann ich mit meinem Tun Liebe verbinden und der Andere lediglich Freundschaft, oder ich kann freundschaftlich dem Anderen gegenüber eingestellt sein, während der Andere eine Abneigung mir gegenüber empfindet.

Eine soziale Beziehung besteht in solchen Fällen dennoch, solange die jeweiligen Handlungen der Beteiligten aufeinander bezogen sind. So können zwei Personen jeweils unterschiedliche subjektive Sinngehalte mit der Beziehung verbinden und trotzdem ein Gespräch (Sinngehalt der sozialen Beziehung) führen, das in der wechselseitigen Bezogenheit der einzelnen Mitteilungshandlungen aufeinander besteht und z. B. die Fußballergebnisse zum Thema haben. In diesem Sinne können soziale Beziehungen Weber zufolge objektiv einseitig sein. Objektiv beiderseitig ist eine soziale Beziehung dann, wenn die Beteiligten mit ihr jeweils subjektiv den gleichen Sinn verbinden und dieser somit den Erwartungen der jeweils Anderen entspricht. Wenn zwei Personen zum Beispiel eine Liebesbeziehung haben und sich dementsprechend verhalten (zusammen wohnen usw.) ist die soziale Beziehung objektiv beiderseitig, solange beide Partner dem Anderen in Liebe zugeneigt sind. Der Inhalt einer sozialen Beziehung kann wechseln beispielsweise, wenn eine Liebe sich wirklich in Hass umwandelt und das Handeln sich an diesem neuen Sinngehalt orientiert. Dass eine soziale Beziehung Bestand hat, heißt für Weber nur, „dass es wahrscheinlich ist, dass immer wieder in bestimmter Art und soziales Handeln und soziale Beziehung können nun in organisierten Formen auftreten, wenn die Handelnden ihr Tun an der Vorstellung des Bestehens einer legitimen Ordnung ausrichten“ (vgl. Weber 1972, S. 16f.).

Geltung erlangt eine solche Ordnung, wenn die Chance gegeben ist, dass die Individuen ihr Handeln tatsächlich an der als bestehend vorgestellten Ordnung orientieren und dieses seinem Sinngehalt nach somit regelmäßig feststellbar ist. Die legitime Ordnung selbst besteht in Normen, die für die Handelnden einen verbindlichen oder vorbildlichen Charakter haben. Erst wenn diese Bedingung erfüllt ist, also dass die Handelnden an die Vorbildlichkeit und Verbindlichkeit der Normen glauben und ihr Handeln somit wertrational mitbestimmt ist, spricht Weber von der Geltung einer legitimen Ordnung (ebd., S.16). Mit dieser Bestimmung unterscheidet Weber regelmäßig auftretendes Handeln auf Basis einer solchen Ordnung von Handlungsregel­mäßigkeiten, die aus anderen Motiven resultieren als der Vorstellung des Bestehens einer legitimen Ordnung. So kann ein soziales Handeln regelmäßig auftreten, weil es in einer bestimmten Kultur Sitte ist, sich in spezifischer Art und Weise zu verhalten, oder auch, weil die Handelnden sich rein zweckrational an eigenen Interessen orientieren. In beiden Fällen können sich die Handelnden an einer Ordnung orientieren, die jedoch nicht Legitimität beanspruchen kann, da nicht an ihre Vorbildlichkeit oder Verbindlichkeit geglaubt wird und somit die wertrationale Orientierung fehlt.

1.2. Die vier Idealtypen von Handeln

Im Hinblick darauf, dass ein Handeln durch den mit ihm verbundenen subjektiv gemeinten Sinn orientiert bzw. bestimmt wird, unterscheidet Weber grundlegend vier Idealtypen von Handeln und damit auch von sozialem Handeln je nach dem orientierenden Motiv. Handeln und soziales Handeln kann Weber zufolge zweckrational, wertrational, affektuell oder traditional orientiert sein.

[...]


[1] Sie geht davon aus, dass die soziale Wirklichkeit, der Gegenstandsbereich der Sozialwissenschaften, eine besondere Struktur besitzt. Diese Besonderheit sei darin zu sehen, dass die soziale Wirklichkeit aus einem besonderen Stoff, aus „subjektivem Sinn“ gesponnen ist, also einen „sinnhaften Aufbau“ besitzt. Die Aufgabe der Sozialwissenschaften sei es, diesen sinnhaften Aufbau zu rekonstruieren.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Grundlagen der Handlungstheorien bei Alfred Schütz und bei Max Weber
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Allgemeine Soziologie
Note
1.7
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V33443
ISBN (eBook)
9783638339193
Dateigröße
567 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundlagen, Handlungstheorien, Alfred, Schütz, Weber, Allgemeine, Soziologie
Arbeit zitieren
Nilgün Tsoulouchopoulos (Autor:in), 2003, Grundlagen der Handlungstheorien bei Alfred Schütz und bei Max Weber, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33443

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