21 Jahre Demokratie. Der Soziale Wandel Südafrikas

Wieviel Apartheid steckt noch in der Regenbogennation? Der Soziale Wandel Südafrikas seit Beendigung der Rassentrennung


Bachelor Thesis, 2016

73 Pages, Grade: 2,2


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Methodik und Stand der Forschung
1.3 Aufbau der Arbeit

2. Geschichtlicher Hintergrund
2.1 Von der Kolonialisierung 1652 bis zum Beginn der Apartheid 1948
2.2 Die Apartheid
2.3 Der Übergang von der Apartheid zur Demokratie

3. Die Regenbogennation: Chancengleichheit oder soziale Ungerechtigkeit?
3.1 A Theory of Justice nach John Rawls
3.2 Gleiche Bildung für alle? Das Bildungssystem im neuen Südafrika
3.2.1 Schularten im Demokratischen Südafrika
3.2.2. Gute Bildung nur für Weiße? Chancengleichheit an Südafrikas Schulen
3.2.3 Integration und Rassismus an gemischtrassigen Schulen
3.3 Die Situation des Arbeitsmarktes im neuen Südafrika
3.3.1 Affirmative Action
3.3.2 Black Economic Empowerment (BEE)
3.3.3 Broad-Based Black Economic Empowerment
3.3.4 Die Auswirkungen des Broad-Based Black Economic Empowerment auf den Südafrikanischen Arbeitsmarkt
3.4 Die heutige Wohnraumverteilung in Südafrika
3.4.1. Der Alltag in den Townships
3.4.2 Low Cost Houses - Townships im Wandel
3.4.3 Die Landreform

4. Eine neue Form der Apartheid: Fremdenfeindlichkeit in Südafrika

5. Die Bedeutung für die Soziale Arbeit
5.1 Social Justice und Diversity Training
5.2 Vorschläge für präventive Soziale Arbeit im Kontext der Fremdenfeindlichkeit

6. Fazit

7. Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In Südafrika leben rund 53 Millionen Einwohner auf einer Fläche von ungefähr 1,2 Millionen Quadratkilometern (Auswärtiges Amt 2015, o. S.). Südafrika liegt an der Südspitze Afrikas und grenzt im Norden an Namibia und Botswana, im Nordosten an Simbabwe, Mosambik und Swasiland. Das besondere an Südafrika ist, dass es von zwei Ozeanen umgeben ist. Dem Atlantischen Ozean und dem Indischen.

Die Gesamtbevölkerung Südafrikas ist sehr multikulturell. 80,3 % der Gesamtbevölkerung sind Schwarze und gehören u. a. dem Stamm der Zulu, Xhosa oder Tshwana an. 8,4% sind weiße Südafrikaner und stammen entweder von den Nachfahren der niederländischen oder englischen Kolonialisten ab. 8,7 % machen die Farbigen, die sogenannten Coloureds, auch Mischlinge genannt, aus. 2,6% der Gesamtbevölkerung sind Asiaten, hauptsächlich Inder (Statistics South Africa 2014, S. 3). Letztere wurden zu Kolonialzeiten von den Engländern nach Südafrika, genauer gesagt in die Hafenstadt Durban gebracht, um dort auf den Zuckerrohrplantagen zu arbeiten (Fisch 1990, S. 282).

Die Multikulturalität Südafrikas zeigt sich auch in der Vielzahl der Landessprachen. Elf sind es an der Zahl: Afrikaans, Englisch, Xhosa, Zulu, Tswana, Tsonga, Swasi, Sotho, Ndebele, Pedi, Venda (Auswärtiges Amt 2015, o. S.)

Südafrika ist in 9 Provinzen unterteilt. Legislative und Exekutive sind in Südafrika örtlich getrennt. Der Präsident, gleichbedeutend mit dem Regierungssitz befindet sich in der Hauptstadt Pretoria. Das Parlament hingegen befindet sich in Kapstadt (Pabst 2008, S. 10) Seit 1961, dem Austritt aus dem Commonwealth, kann sich Südafrika Republik nennen (Marx 2014, S. 362). Wahlen finden alle 5 Jahre statt. Der Staatspräsident wird von der Nationalversammlung gewählt. Seit 2009 ist dies Jacob Zuma. 1997 trat die neue Verfassung des demokratischen Südafrikas in Kraft. Dort sind u.a. die Grundrechte und das Mehrparteiensystem verankert (Borowski/Abend/Schliewitz 2015, S. 96). Die einflussreichste Partei des Landes ist seit den ersten freien Wahlen 1994 der African National Congress (ANC). Unter der Führung Nelson Mandelas befreite der ANC Südafrika von der weißen Vorherrschaft und steht seitdem unangefochten an der Spitze. Die Democratic Allianz (DA) und die Economic Freedom Fighter (EFF) sind die zweite bzw. dritte politische Kraft im Land (Dickow 2013, o. S.). Von 1948 bis 1994 herrschte das System der Apartheid (Unterdrückung) in Südafrika. Die verschiedenen Rassen wurden gezwungen in unterschiedlichen Gegenden zu leben und hatten aufgrund verschiedener Gesetze kaum Rechte.

Aus Gründen der Vereinfachung wird in dieser Bachelorarbeit auf die weibliche Form verzichtet. Soweit im Folgenden Berufs- Gruppen- und / oder Personenbezeichnungen Verwendung finden, so ist auch stets die jeweils weibliche Form gemeint.

1.1 Problemstellung

“Never, never and never again shall it be that this beautiful land will again experience the oppression of one by another and suffer the indignity of being the skunk of the world. Let freedom reign. The sun shall never set on so glorious a human achievement! God bless Africa!” Nelson Mandela Amtsantrittsrede 1994, zitiert aus:( Mandela 1997, S. 830; Hervorhebung durch F. P.)

Mit diesen Sätzen beendete Nelson Mandela seine Antrittsrede zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas. Es grenzt an ein Wunder was damals am 10.05.1994 vor dem Union Building in Pretoria passierte. Jener Mensch der sein Leben dem Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit verschrieben hatte und sich von Anfang an gegen das Menschenverachtende System der Apartheid1 zur Wehr setzte, war nun Präsident Südafrikas. Alles was Rang und Namen hatte war in die Südafrikanische Hauptstadt gekommen um den Startschuss für ein neues Südafrika hautnah miterleben zu können. Es schien als richteten sich die Augen der ganzen Welt an jenem Tag auf die große Bühne, welche vor dem Präsidentenpalast aufgebaut wurde und auf der Nelson Mandela mit stolzer und nachdrücklicher Stimme den Beginn der Regenbogennation ausrief. Eine Nation, in der alle Südafrikaner ganz gleich welche Hautfarbe sie auch haben mögen, in Frieden und Einigkeit miteinander leben. Nach Jahrzehnten der gezielten Trennung und Unterdrückung der verschiedenen Ethnien Südafrikas durch eine weiße Minderheit sollte nun aus dem Kap der Stürme, wie es Bartholomeus Diaz einst nannte, ein Land der Hoffnung und Versöhnung werden. Eine Nation in der sich Menschen aller Hautfarben gegenseitig die Hände reichen.

Das dies nicht von heute auf Morgen passieren würde bemerkte der südafrikanische Dichter Breyten Breytenbach, als er das Land am Kap als vergiftetes Paradies bezeichnete, welches aufgrund der Unterdrückung und der Entziehung von Bildung durch mindestens 2 Generationen Ewigkeiten brauchen würde, um die tiefen Gräben zu schließen (Von Lucius 2009, S. 9). Es gab in den ersten Jahren allerdings durchaus Fortschritte zu vermelden. In der ersten Regierungszeit von 1994 bis 1999 wurden immer mehr Apartheidgesetze widerrufen sowie 750.000 neue Häuser für Menschen gebaut, welche zu Apartheidzeiten in provisorisch zusammen gebauten Unterkünften hausen mussten. 1996 führte die Regierung unter Nelson Mandela die kostenfreie Gesundheitsfürsorge (Krankenversicherung) für alle Südafrikaner ein. Ungefähr 2 Millionen Haushalte wurden an das Stromnetz angeschlossen und rund 3 Millionen wurden mit fließendem Wasser versorgt (Oberleitner 2014, S. 179). Diese enormen Erfolge, welche in so kurzer Zeit errungen wurden, werden allerdings nur von denjenigen wahrgenommen, die auch davon betroffen sind. Natürlich war es nicht möglich während der ersten Amtsphase der Regierung alle Missstände und Ungleichheiten, die in den letzten 50 Jahren geschaffen wurden, in nur 5 Jahren auszugleichen.

Dennoch war es Südafrika von Anfang an zuzutrauen dies in der Zukunft zu schaffen. Denn das Land an der Südspitze Afrikas nimmt im Gegensatz zu anderen afrikanischen Staaten eine Vorreiterrolle auf dem Kontinent ein. So verfügt Südafrika über eine funktionierende Wirtschaft, sowie über eine erstaunliche Infrastruktur und eine ertragreiche Landwirtschaft. Längst haben sich große Unternehmen u.a. Automobilbauer eine Produktion in Südafrika aufgebaut. Südafrika gehört außerdem zu den bedeutendsten Bergbaunationen weltweit. Dort liegen die größten Gold und Platinvorkommen des gesamten Erdballs. Auch Diamanten und Kohle sind in beträchtlicher Menge vorhanden. Ungefähr 75 Milliarden Euro an Bodenschätzen fördert Südafrika jährlich zutage. Die am schnellsten wachsende Branche des Landes ist allerdings die des Tourismus. Im Durchschnitt beträgt der Anteil des Tourismussektors am Bruttoinlandsprodukt rund 8%. 2010, zur Fußball Weltmeisterschaft, waren es sogar 10% (Schäfer 2016, o. S.).

Trotz der wirtschaftlichen Vorreiterrolle auf dem afrikanischen Kontinent sah sich Südafrika von Beginn an mit extremen sozialen Problemen konfrontiert. Eine hohe Kriminalitätsrate, eine immer weiter ansteigende Zahl von Menschen, die sich mit dem HIV Virus infizierten, Bildungsdefizite sowie Korruption und die tiefen Gräben, welche Südafrika nach Beendigung der Apartheid durchzogen, waren von Anfang an die Hauptprobleme, welche es zu lösen galt (Dickow 2013, o. S.).

21 Jahre sind seit der Antrittsrede Mandelas vergangen. 4 Präsidenten haben seitdem versucht die Schatten der Apartheid zu besiegen und den Traum einer Regenbogennation, wie sie Mandela einst ausgerufen hatte, wahr zu machen, und ein Südafrika zu schaffen, indem alle Menschen, ganz egal welcher Hautfarbe oder Abstammung sie auch sein mögen, die gleichen Rechte und Möglichkeiten besitzen.

Die nachfolgende Arbeit mit dem Titel: „21 Jahre Demokratie. Wieviel Apartheid steckt noch in der Regenbogennation? Der soziale Wandel Südafrikas seit Beendigung der Rassentrennung“ beschäftigt sich mit der momentanen Situation Südafrikas und versucht herauszufinden, ob mittlerweile von einer sozialen Gerechtigkeit gesprochen werden kann und inwieweit die Gräben zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den letzten 21 Jahren geschlossen werden konnten. Ganz besonders soll die heutige Situation der ehemals Unterdrückten im Vordergrund stehen und deren Zugang zu Bildung, sowie ihre Chancen auf dem heutigen Arbeitsmarkt und die Situation im Wohnsektor beleuchtet werden. Die sozialen Veränderungen Südafrikas in den letzten zwei Jahrzehnten können Aufschluss darüber geben, inwieweit die Bevölkerung von der Abschaffung der Apartheid profitieren konnte und sind deshalb von Bedeutung für die Wissenschaft.

1.2 Methodik und Stand der Forschung

Im Hinblick auf diese Arbeit wurde sich viel mit dem Thema Südafrika beschäftigt. Aktuelle Literatur sowie Bücher aus vergangenen Jahren wurden mit Freude gelesen und anschließend ebenso kritisch hinterfragt. Auch wurden unzählige Zeitungsartikel durchforstet, um so immer auf dem aktuellen Stand zu sein. Es war interessant zu sehen, dass Südafrika immer noch eine besondere Beachtung in der deutschen und europäischen Medienlandschaft zukommt. Kaum eine Woche vergeht ohne einen neuen Zeitungsbericht, welcher über aktuelle Geschehnisse aus Pretoria, Johannesburg oder Kapstadt berichtet. Die allgemeine Aussage der gelesenen primären und sekundären Literatur erweckt den Anschein, dass die Entwicklung Südafrikas seit Ende der Apartheid zum Stillstand gekommen ist, und sich in manchen Bereichen sogar zurück entwickelte.

In dieser Arbeit soll genau dies untersucht werden. Die Veränderungen der Sozialen Strukturen in den letzten 21 Jahren innerhalb der Gesellschaft und der verschiedenen Kulturen Südafrikas sollen unter die Lupe genommen werden und teilweise mit jenen verglichen werden, welche zu Apartheidzeiten vorhanden waren. Um herauszufinden inwieweit sich soziale Strukturen verändert haben werden als Vergleichskriterien der Zugang zu Bildung und dem Arbeitsmarkt, sowie die aktuelle Wohnsituation herangezogen. Diese Bereiche wurden gewählt, da sich die Unterdrückung dort am meisten bemerkbar machte und die aktuelle Situation dort als Gradmesser für Soziale Gerechtigkeit, sowie eine Antwort auf die im vorigen Kapitel erwähnte Frage geben kann, nämlich wieviel Apartheid noch übrig ist im neuen Südafrika. Auf den ersten Blick war die Apartheid nirgends so deutlich zu erkennen, wie bei der Aufteilung der Wohngegenden. Menschen durften nur mit Menschen der gleichen Hautfarbe und Kultur in einer Siedlung wohnen. Die verschiedenen Wohnsiedlungen lagen teilweise mehrere Kilometer entfernt, was kulturübergreifende Kontakte kaum möglich machte und zu tiefen Gräben führte.

Dieser Bereich kann ganz besonders Aufschluss darüber geben inwiefern sich Südafrika zu einer Regenbogennation entwickelt hat, und ob die Risse innerhalb der Gesellschaft überwunden werden konnten.

1.3 Aufbau der Arbeit

Um die Arbeit insgesamt verständlich zu gestalten wird zunächst mit einem geschichtlichen Hintergrund begonnen. Es soll der Weg von der Ankunft der ersten Europäer am Kap der guten Hoffnung 1652 bis zum Beginn der Apartheid 1948 beschrieben werden. Anschließend wird die Zeit der Apartheid genauer betrachtet. Besonders die Rassenideologie des Apartheidstaates sowie alle relevanten Ereignisse bis zu Beendigung der Rassentrennung 1994 werden im Fokus stehen. Im dritten Kapitel wird zunächst die ÄTheory of Justice“, also eine Theorie der Gerechtigkeit, nach John Rawls erklärt. Ziel ist es, herauszufinden was Soziale Gerechtigkeit bedeutet. Nach Klärung dieser Fragestellung wird eben beschriebene Theorie auf Südafrika angewendet und es wird versucht herauszufinden inwieweit Soziale Gerechtigkeit dort vorhanden ist. Als Gradmesser dienen hier der Arbeitsmarkt, der Zugang zu Bildung, sowie die Wohnsituation.

Im Vierten Kapitel wird eine neue Form der Apartheid beschrieben, welche sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte etabliert haben. Hier wird ganz besonders auf die zunehmende Fremdenfeindlichkeit im Land eingegangen. Abschließend wird im fünften Kapitel die Bedeutung der Arbeit für die Soziale Arbeit erläutert bevor im sechsten Kapitel ein abschließendes Fazit gezogen werden wird. Am Ende der Arbeit wird der Autor noch einen kleinen Ausblick geben.

2. Geschichtlicher Hintergrund

Kaum ein anderes Land ist so durch seine Geschichte geprägt wie Südafrika. Und kaum ein anderes Land hat eine Geschichte, die sich soweit zurückverfolgen lässt. In den Höhlen des Transvaalgebirges im Nordosten des Landes wurden menschliche Überreste gefunden, die dem Australopithecus africanus zugeordnet wurden. Er wird den Homiden zugeordnet, der auch die Gattung Homo und die des modernen Menschen mit einschließt. Gefunden wurde er vor ungefähr ein bis drei Millionen Jahren. Aufgrund der Funde wird Südafrika auch als die Wiege der Menschheit bezeichnet (Iwanovski 2011, S. 98). Allerdings ist seit der Zeit als der Australopithecus africanus auf dem Gebiet des heutigen Südafrika lebte viel passiert. Die Geschichte Südafrikas von der Kolonialisierung bis hin zu einem demokratischen Südafrika ist gezeichnet durch Kriege um das Land.

2.1 Von der Kolonialisierung 1652 bis zum Beginn der Apartheid 1948

Wenn über die Geschichte Südafrikas berichtet wird, fangen die Erzähler fälschlicherweise meistens im Jahre 1652 an, als Jan van Ribbeck im Auftrag der Niederländische Ostindien- Kompanie am Kap der guten Hoffnung ankam, mit dem Ziel dort eine Versorgungsstation für Schiffe, welche auf dem Weg von Europa nach Indien, waren, zu errichten. Allerdings gelang es bereits zwei Seefahrern knapp 200 Jahre davor, auf ihrer Suche nach einem Seeweg von Europa nach Indien ihre Spuren im Südlichen Afrika zu hinterlassen. Der erste war Bartolomeus Diaz. Er umrundete als erster Seefahrer überhaupt 1488 das sogenannte Kap der guten Hoffnung, den südwestlichsten Punkt Afrikas. Knapp 10 Jahre später tat es ihm ebenfalls ein Portugiese gleich. Sein Name war Vasco da Gama. (Fisch 1990, S. 53). Obwohl die Portugiesen bis 1515 an vielen strategisch wichtigen Punkten in Afrika Stützpunkte aufbauten ließen sie das Kap der guten Hoffnung aus. Lediglich zum Handel mit den damaligen Ureinwohnern Südafrikas, den Khoikoi, gingen sie vor Anker. Es war mehr ein Zufall, der zur Kolonialisierung Südafrikas führte. 1647/48 waren niederländische Seeleute aufgrund eines Schiffbruchs dazu gezwungen, mehr als ein Jahr dort zu verbringen wo das heutige Kapstadt liegt. In dieser Zeit bemerkten sie die Vorteile des Klimas. Als sie nach ihrer Rückkehr in Europa davon berichteten schickte die Niederländische Ostindien-Kompanie 1652 eine Delegation von 90 Menschen, darunter Familien, unter Leitung Jan van Ribbecks zum Kap, um dort dauerhaft eine Versorgungsstation für durchreisende Schiffe zu errichten (Fisch, 1990 S. 54). Die Niederländische Ostindien-Kompanie konnte zwar wie ein Staat operieren, hatte aber bei weitem nicht die Ziele, die andere Kolonialmächte vorgaben. So ging es den Spaniern beispielsweise um die totale Eroberung eines Landes bzw. Kontinents, sie beanspruchten alle von ihm entdeckten Gebiete für sich. Die Niederländer hatten dagegen, wie oben beschrieben, eher beschränkte Ziele. Auch unterschieden sie sich, zumindest anfangs, im Auftreten gegenüber der indigenen Bevölkerung von anderen Kolonialmächten. Der Kontakt mit Ureinwohnern sollte auf ein Minimum begrenzt bleiben (ebd. S. 55). Es kam am Anfang lediglich zum Viehhandel. Um andere Nahrungsmittel zu bekommen, wurden Felder angelegt. Das Problem war jedoch, dass in der Niederländischen Besatzung hauptsächlich Arbeiter waren, welche von Landwirtschaft nicht viel verstanden und außerdem beim Bau der Versorgungsstation benötigt wurden. Van Ribbeck versuchte deshalb in seiner Heimat Siedler anzuwerben, welche auf eigene Rechnung arbeiten könnten. Er bekam allerdings lediglich die Erlaubnis, ein paar seiner Arbeiter abzuziehen und ausschließlich als Siedler zu beschäftigen. Diese Leute wurden Freibürger genannt. (Beumker 2000, S. 5). Das Experiment gelang und die Produktion von Nahrungsmitteln nahm zu.

Ein Einwanderungsland war Südafrika allerdings nicht. Jegliche Versuche Menschen in der Heimat für ein Leben am Kap zu begeistern, um dort die Produktion sicherzustellen, schlugen fehl. Eine organisierte Einwanderung fand lediglich einmal im Jahre 1687/88 statt. Etwa 225 französische Hugenotten trafen in Kapstadt ein, da sie aufgrund ihrer Religion in der Heimat verfolgt wurden. Im Laufe der Zeit wurden noch ein paar Siedler in Europa angeworben. Da dies allerdings weiterhin wenig Erfolg brachte, wurde dies spätestens 1706 vollkommen eingestellt. Im Großen und Ganzen verlief die Vermehrung der Bevölkerung auf natürliche Art und Weise. Da von Anfang an nur Wenige den Weg nach Südafrika auf sich nahmen, blieb die Zahl der Gesamtbevölkerung vergleichsweise niedrig. 1794 betrug die Gesamtbevölkerung der Kapkolonie, wie sie mittlerweile genannt wurde, ungefähr 16000. Unter den 16000 waren auch durchaus eine Handvoll Deutsche zu finden, die dem Aufruf der Niederländische Ostindien-Kompanie gefolgt waren und sich eine neue Existenz am Kap aufbauen wollten. Da nach 1700 die meisten Weißen in der Kapkolonie geboren wurden, betrachteten sie diese auch als ihre Heimat. Die Verbindungen nach Europa wurden immer lockerer. Im Jahre 1706 machte das erste Mal die Bezeichnung Afrikaaner für die weiße Bevölkerung die Runde. Diese Bezeichnung sollte im späteren Verlauf Südafrikas noch eine wichtige Rolle spielen (Fisch 1990, S. 56f.). Im Laufe der Zeit entwickelten die Bewohner der Kapkolonie ihre eigene Sprache. Das ÄAfrikaans“ wie es genannt wurde, und auch heute noch genannt wird, entwickelte sich aus der niederländischen Muttersprache der Siedler (Nübling 2010, S. 269).

Durchaus erstaunlich war das Verhältnis von Sklaven zu Freien Bürgern. Die Sklaven, welche hauptsächlich von anderen Kolonien aus Ostindien oder Ostafrika zum Arbeiten ans Kap gebracht wurden, stellten immer eine kleine Mehrzahl an Leuten. So gab es in Kapstadt mehr gefangene als freie Leute (Fisch 1990, S. 70). Es entwickelte sich langsam die Überzeugung bei den Einwanderern, dass die schwarzen Bewohner Südafrikas ihnen in allen Bereichen unterlegen waren und zivilisiert werden mussten. Diese Einstellung sollte über Jahrhunderte anhalten und den Grundstein für das spätere System der Apartheid legen (Raabe 2001, S. 13f.).

Die Kapkolonie vergrößerte sich in den Folgejahren enorm, und drang immer weiter ins Innere des Landes vor. Grund hierfür war, dass immer mehr Freibürger sich ausschließlich auf die Viehzucht konzentrierten, da dies aufgrund der Nachfrage ertragreicher war. Diese Leute wurden Trekburen2 genannt. Sie ließen sich komplett außerhalb der Kolonie nieder und zogen umher, auf der Suche nach neuen Weideplätzen für ihr Vieh. Aufgrund der großen Fläche die sie beanspruchten kam es schon bald zu Konflikten mit verschiedenen Stämmen Südafrikas. Zunächst kam es zu Auseinandersetzungen mit den Khoikhoi, da diese realisierten, dass die Einwanderer immer mehr Land für sich beanspruchten und die Khoikhoi außerdem aufgrund des Viehhandels mit der Kapkolonie bald selbst über keine großen Herden mehr verfügten und sie so ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden. Um zu überleben stellten sich viele in den Dienst der Company oder schlossen sich dem Stamm der San an und wurden zu Jägern und Sammlern, welche ohne festen Wohnsitz, in meist kleinen Gruppen durch das Land zogen. Dieser neue Stamm wurde Khoisan genannt, da er sowohl aus Khoi als auch aus San bestand. Als im Jahre 1713 eine Pockenepidemie am Kap ausbrach, wurde beinahe die Hälfte aller Khoikhoi, die sich noch in der Nähe der Kapkolonie befanden, getötet. Auch die Bewohner der Kapkolonie hatten Verluste zu beklagen, jedoch waren diese weitaus geringer. Das Gebiet, in dem die Khoikhoi einst lebten war nach der Pockenepidemie menschenleer geworden (Raabe 2001, S. 14). Die Trekburen konnten sich somit noch weiter im Land ausbreiten.

Die Expansionen nahmen allerdings ein jähes Ende, als es 1778 zu Konflikten mit dem im Osten lebenden Stamm der Xhosa kam. Diese Auseinandersetzungen dauerten bald ein ganzes Jahrhundert bis 1878 an. Im Anschluss daran wurde das Land besetzt und der Kapkolonie angegliedert (Johann 2010, S. 44-46).

Als 1795 die Briten am Kap aufschlugen und die dortige Verwaltung übernahmen, kam es vermehrt zu Protesten unter den Buren. Als 1834 die Abschaffung der Sklaverei ausgerufen wurde, sahen sich viele Buren ihrer Existenz beraubt, sowie in ihrem Weltbild getäuscht. Zum Einen sahen sie es nicht ein, einem farbigen oder schwarzen Arbeiter auf einmal einen Lohn zahlen zu müssen, zum Anderen wollten sie auch nicht auf eine Stufe mit diesen ÄKaffern“ (wie sie abwertend genannt wurden) gestellt werden. Also sahen sie nur eine Möglichkeit: Sie mussten sich dem Britischen Machtbereich entziehen und im Landesinneren eine neue Heimat gründen. So zogen zwischen 1836 und 1845 rund 16000 Buren in ihren Planwagen Richtung Nordosten. Diese Bewegung wurde ÄThe Great Treck“, der große Treck genannt, und stellt bis heute einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte Südafrikas. Er verkörpert den Stolz und die Unabhängigkeit der Buren (Fisch 1990, S. 129f.)

Auf dem Weg nach Nordosten kam es zu kriegerischen Aufeinandertreffen mit den Zulu, welche jedoch in der Schlacht am Blutfluss am 16.12.1838 eine vernichtende Niederlage erlitten. Komplett besiegt wurden die Zulu jedoch erst 1897 von den Briten (ebd. S. 179). In der Folgezeit gründeten die Buren in den 1850er Jahren 2 eigenständige Burenrepubliken: den Oranje-Freistaat und die Südafrikanische Republik, oft auch Transvaal-Republik genannt (ebd. S. 143). Aufgrund der reichen Bodenschätze, die in den Gebieten der Burenrepubliken in der Erde lagerten, wuchs das Interesse der Briten an einer Annektierung des Oranje-Freistaates und der südafrikanischen Republik. Allerdings brauchte es hierfür 2 Kriege (1880/81 und 1899/1902) mit unzähligen Verlusten auf beiden Seiten. Das Ergebnis der Kriege war, dass zumindest vorerst, die Burenrepubliken in das Britische Empire eingegliedert wurden (Raabe 2001, 28f.). Da die Briten wussten, dass ein dauerhafter Frieden nur mit Hilfe einer Aussöhnung und einer Machtteilung mit den Buren erfolgen konnte, wurde 1910 die Südafrikanische Union gegründet, mit Englisch und Afrikaans als Hauptsprachen.

Große Verlierer waren die einheimischen Afrikaner. Seit Jan Van Ribbek 1652 am Kap der guten Hoffnung ankam wurden sie Stück für Stück ihrer Freiheit und Existenz beraubt. In der Südafrikanischen Union war ebenfalls kein Platz für sie vorgesehen. 1913 trat der “Natives Land Act“ in Kraft. Er teilte die Fläche Südafrikas in Gebiete für Weiße und Andersfarbige auf. Schwarze, Farbige und asiatisch abstammende Südafrikaner mussten sich in der Folge mit 7% der Gesamtfläche Südafrikas zufrieden geben (Fisch 1990, S. 238f.). Dies war der Vorläufer für die spätere Homeland-Politik.

In der Zeit bis 1948 wurden immer mehr Gesetze verabschiedet, welche das Leben der Ureinwohner immer weiter einschränkten Als bei den Wahlen 1948 die 1914 gegründete Nationale Partei, welche hauptsächlich aus burischen Nationalisten bestand, unter Führung von Daniel Francois Malan überraschend die Mehrheit erlangte, wurde das System der Apartheid offiziell eingeführt, und das Leben für schwarze Südafrikaner unerträglich.

Alles in allem war die Apartheid seit Beginn der Kolonialisierung vorprogrammiert. Von Anfang an verspürten die europäischen Einwanderer aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit das Verlangen, die Ureinwohner zu unterdrücken, um so ihre Herrschaft zu festigen.

2.2 Die Apartheid

Der Machtwechsel Südafrikas von der United Party zur National Party kam im Mai 1948 überraschend. Die meisten Politiker von anderen Parteien erwarteten keine wesentlichen politischen Veränderungen, da die vorher regierende Partei immer noch 71 Sitze im Parlament hatte. Allerdings wurde der Machtwille der neuen Regierung unterschätzt. Diese hatte sich fest vorgenommen, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen voneinander zu trennen und Südafrika für die weiße Minderheit zu beanspruchen (Eberhardt 2007, S. 450). Dazu hatte sie 7 Kernpunkte herausgearbeitet, welche dieses Vorhaben unterstützen sollten:

1. Klare Definition der Rassen
2. Politische Teilhabe nur für Weiße und die totale Kontrolle über zentral politische Institutionen
3. Getrennte Einrichtungen und Gebiete für Schwarze
4. Räumliche Trennung von Schwarzen in der Stadt und auf dem Land
5. Kontrolle der Wanderarbeit in die Städte
6. Striktere Trennung im Arbeitsmarkt
7. Völlige Trennung voneinander im Alltag (ebd., S. 451)

Diese Kernpunkte wurden im Verlauf der ersten Apartheidsjahre durch verschiedene Gesetze realisiert. Im Hinblick auf den weiteren Verlauf dieser Arbeit werden in diesem Kapitel hauptsächlich die Auswirkungen der Apartheid auf das Bildungssystem, Arbeitswelt und Wohnraumverteilung erläutert.

1949 wurden Ehen von Weißen mit “Nicht-Weißen“ durch den “Prohibition of Mixed Marriages Act“ verboten. 1950 wurden durch den “Population Registration Act“ alle Südafrikaner in 4 Rassengruppen unterteilt. Diese waren:

- Europäer,
- Afrikaner,
- Coloureds (farbige)
- Inder und andere Asiaten.

Die Bedeutung von Coloureds, sowie die Entstehung einer Indischen Kultur in Südafrika wurden in der Einleitung bereits erläutert. Die niedrigste Stellung hatten die schwarzen Südafrikaner. Coloureds und Inder wurden bevorzugt behandelt, weiße Südafrikaner waren die herrschende Rasse. 1950 wurde dann der “Group Areas Act“ erlassen. Er baute auf den “Natives Land Act“ von 1913 auf und unterteilte die gesamte Südafrikanische Union in Gebiete für die 4 oben genannten Rassengruppen. Die Gebiete für die schwarze Bevölkerung wurden Homelands genannt und waren auf ländliche Gebiete, fernab der großen Städte verteilt. Die Homelands waren nach Stammeszugehörigkeit aufgeteilt. So hatte beispielsweiße der Stamm der Xhosa und der Zulu ein jeweils eigenes Gebiet für sich (Bernhard 2007, S. 451).

Für Leute, die in der Stadt Arbeit fanden, meist als Gärtner oder Putzkraft in den Häusern der Weißen, wurden Siedlungen am Stadtrand errichtet, sogenannte Townships. Um die Aufenthaltsgenehmigung für diese Gebiete zu bekommen, musste ein Arbeitsvertrag bei der jeweiligen Behörde vorgelegt werden. Das Gesetz, welches für schwarze Südafrikaner nur Randgebiete in den Städten vorsah, wurde bereits 1923 verabschiedet und 1952 noch einmal verschärft. Das Gesetz von 1923 sah vor, dass Grundbesitz der vor Erlass dieses Gesetzes erworben wurde behalten werden kann. Das neue Gesetz erlaubte Schwarzen dagegen keinen Grund und Immobilienbesitz mehr in Städten (Fisch 1990, S. 293).

1958 wurde dann die sogenannte Passpflicht für alle schwarzen Bürger in den Städten eingeführt. In dem Pass waren Arbeitsplatz, sowie Arbeitgeber und Stammeszugehörigkeit eingetragen. Wurde jemand ohne diesen Nachweis erwischt, bzw. konnte keinen vorweisen, da er keinen Arbeitsplatz besaß, wurde er zurück in das jeweilig zuständige Homeland geschickt (ebd., S. 315). Die Homelands wurden im Laufe der Jahre ausgegliedert und von Südafrika als unabhängige Staaten angesehen. Die Bewohner der Homelands wurden praktisch von der Regierung in ihrem Heimatland zu unerwünschten Personen erklärt und zu Fremden im eigenen Land (Fisch 1990, S. 314).

In der Arbeitswelt war eine strikte Trennung zwischen den verschiedenen Rassen kaum möglich. Hier wurde nicht das Ziel der physischen Trennung angestrebt, sondern das Unterordnungsprinzip maßgebend. Ein weißer Arbeiter konnte niemals einem schwarzen Arbeiter untergeordnet werden. Selbst wenn ein Weißer eine Tätigkeit ausführte, welche auch von einem Schwarzen, Coloured oder Inder ausgeführt werden konnte, so mussten diese getrennt voneinander beschäftigt werden (Fisch 1990 S. 294f.).

Eine typische Arbeit für einen Schwarzen Südafrikaner zu Apartheidzeiten waren Gärtner im Wohnraum der Weißen, oder Straßenarbeiter. Frauen wurden meist als Haushaltshilfe angestellt.

Im Bildungswesen bestand eine strikte Trennung der Rassen. Die 4 unterschiedlichen Rassen besuchten 4 unterschiedliche Schulen.

- Die Aufsicht über die Schule der Coloureds übernahm das “House of Represantive“, deshalb auch HoR-Schulen genannt.
- Indische Schulen standen unter Verwaltung des “House of Delegates“, kurz HoD- Schulen
- Die Schulen der Schwarzen standen unter Verwaltung des “Department of Education and Training“, DET-Schulen
- Die Schulen der weißen wurden Model-C Schulen genannt (Niedrig 2000, S. 365).

Staatliche Schulen durften nur von weißen Südafrikanern besucht werden. Die Schulen für Inder und Coloureds waren zumindest zum Teil verstaatlicht. Für Schwarze gab es dagegen keine staatlichen Schulen. Auch herrschte nur für weiße Südafrikaner eine allgemeine Schulpflicht. 1953 wurde die Bildung für Schwarze gesetzlich geregelt und nach den Prinzipien der Apartheid ausgerichtet (Fisch 1990, S. 298). Der damalige Bildungsminister Hendrik French Verwoerd äußerte sich zum damaligen Bildungssystem wie folgt:

What ist the use of subjecting a native child to a curriculum which in the first instance is traditionally european? What is the use of teaching the Bantu child mathematics when he cannot use it in practice? This is quite absurd. Education must train and teach people in accordance with their opportunities in life according to the sphere in which they life in. (zitiert aus Schweißfurt 2002, S. 42; Hervorhebung durch F. P.)

Nach Meinung des damaligen Bildungsministers war es sinnlos eine Ausbildung zu erhalten, welche eine Eingliederung in der Weißen Gesellschaft zur Folge hat, da er dort unter keinen Umständen aufgenommen werden kann. Deshalb sollte ihnen nur so viel beigebracht werden wie sie auch tatsächlich benötigten, um im Alltag der Apartheid zurecht zu kommen. Das Niveau in diesen Schulen war von Anfang an sehr niedrig. In schwarze Schulen wurde im Vergleich zu den Schulen der anderen Rassen kaum Geld investiert. Auch die Klassengrößen ließen kaum einen produktiven Unterricht zu. Auf einen Lehrer in einer Schule für Schwarze kamen 1985 ungefähr 41,2 Schüler. Ein Lehrer in einer Schule für Weiße hatte es im Durchschnitt lediglich mit 18,7 Schülern zu tun (Rehklau 2013, S. 307).

Der Unterricht in den sogenannten Townshipschulen der Schwarzen bestand lediglich aus einem kleinen Auszug der üblichen traditionellen Bildung. Es wird in Bezug auf diejenigen Südafrikaner welche das Bildungssystem der Apartheid durchlaufen haben von der sogenannten ÄLost Generation“, der verlorenen Generation, da Sie ohne die Möglichkeit auf einen Zugang zu umfassender Bildung für sich aufgewachsen sind (Schmidt 2013, S. 54). 1959 wurde schwarzen Südafrikanern der Zugang zu Universitäten, welche hauptsächlich den Weißen vorbehalten waren, verboten. Vor dem Erlass dieses Gesetzes waren zumindest die englischen Universitäten bereit, auch “nicht-weiße“ Südafrikaner aufzunehmen. Die Universitäten der Buren hatten dies nie getan. Es wurden später spezielle Universitäten für Schwarze errichtet (Fisch 1990, S. 300). Bis tief in die 1960er hinein gab es allerdings nur eine einzige höhere Bildungsanstalt für schwarze Südafrikaner: die Universität Fort Hare im Ostkap Südafrikas (Mandela 1997, S.65)

Der Widerstand gegen das Apartheidsregime wuchs im Laufe der Zeit immer mehr. Als die Regierung 1976 die Sprache Afrikaans in den Schulen der Schwarzen einführen wollte kam es zum Aufstand. Afrikaans war bei den meisten Schwarzen verhasst, da es die Muttersprache der weißen Unterdrücker war und nicht die ihrige. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass neben der Einführung des Afrikaans die gesamte Lebenssituation der schwarzen Südafrikaner zu dieser explosiven Stimmung führte. Am 16. Juni 1976 kam es im Township Soweto, nahe Johannesburg, zur Eskalation. Etwa 15000 Schüler und Studenten protestierten gegen Afrikaans als Unterrichtssprache. Als die Polizei auf die unbewaffneten Schüler schießt und dabei 2 von ihnen tötet, weitet sich der Protest auf das ganze Land aus. Er dauert bis ins Jahr 1977 hinein. Insgesamt wurden bei den Auseinandersetzungen zwischen Schülern und Polizei 575 junge Schüler und Studenten von der Südafrikanischen Polizei getötet (Fisch 1990, S. 337). Das Bild des sterbenden 16 jährigen Schülers Hector Pietersen wurde weltberühmt und zur Symbolfigur des Aufstandes gegen das Apartheidregime.

Nachdem die Weltöffentlichkeit Kenntnis vom brutalen Vorgehen der südafrikanischen Regierung bekam verhängten viele Staaten Sanktionen gegen Südafrika. 1977 wurde vom UN-Sicherheitsrat ein Waffenembargo gegen Südafrika ausgesprochen (Wenzel 2013, S. 12). Später folgten noch weitere Sanktionen und Boykotte von südafrikanischen Produkten. Große Bekanntheit erlangte damals die Aktion: ÄDon‘t buy fruits from South Africa“, welche von der Evangelischen Frauenbewegung ins Leben gerufen wurde (Bacia/Leidig 2008, S.53). Von der UN-Generalversammlung wurde die Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet (Hamm 2013, S. 21).

Trotz den unzähligen Protesten und Boykotts dauerte es noch viele weitere Jahre bis sich in Südafrika eine Demokratie entwickeln konnte.

2.3 Der Übergang von der Apartheid zur Demokratie

Das sich in einem Land wie Südafrika überhaupt eine Demokratie entwickeln konnte bedurfte es starker Führungspersönlichkeiten. Ohne politische Lichtgestalten wie den damaligen Präsidenten Frederik Willem de Klerk (Nationale Partei) und dem führenden Freiheitskämpfer des Afrikanischen National Kongress (ANC) Nelson Mandela wäre das Land sehr wahrscheinlich in einen Bürgerkrieg verfallen. Die außerordentliche Redegewandtheit und Strahlkraft Mandelas sowie die Offenheit de Klerks bezüglich eines neuen demokratischen Südafrikas brachten dem Land 1994 die ersten Demokratischen Wahlen. Was Jahre zuvor noch unvorstellbar war wurde Wirklichkeit. Allerdings gab es eine Menge Hürden zu meistern, bevor es soweit kommen konnte.

Am 2. Februar 1990 gab Präsident de Klerk in seiner Rede im Parlament die Aufhebung der Verbote von “nicht-Weißen“ Parteien bekannt. Darunter auch die Partei Mandelas, der ANC. In der gleichen Rede gab er bekannt, dass es seine persönliche Entscheidung sei, Nelson Mandela nach 27 Jahren Haft in die Freiheit zu entlassen (Merkel 2013, S. 243). Für viele Südafrikaner war dies ein Hoffnungsschimmer. Ein Hoffnungsschimmer deshalb, weil ein Ende der Apartheid nun zum Greifen nahe schien. Tatsächlich wurden nach der Freilassung Mandelas immer mehr Apartheidgesetze aufgehoben. Darunter der “Population Registration Act“ von 1950, welcher alle Südafrikaner in 4 unterschiedliche Rassen aufteilte, und der “Group Areas Act“, welcher die verschiedenen Rassen zwang in für sie vorgesehenen Wohngebieten zu leben (Hagemann 2001, S. 102).

Allerdings war Südafrika zu jener Zeit Anfang der 1990er Jahre ein Pulverfass, welches jederzeit zu explodieren drohte. Der rechte Flügel der weißen Minderheit war entsetzt über die Freilassung Mandelas und die Abschaffung der Apartheidgesetze. Sie sahen ihren Traum von einem weißen Südafrika zerplatzen. Die Angst, dass es in naher Zukunft zu freien Wahlen kommen könnte, verleitete sie zu dem Plan, das Land in ein totales Chaos zu stürzen und damit unregierbar zu machen. 1993 stürmten Mitglieder der rechten Partei “Afrikaaner Weerstandsbeweging“ (Afrikaaner Widerstandsbewegung kurz: AWB) das Word Trade Center in Kempton Park Johannesburg, ohne jedoch etwas für ihre Zwecke erreichen zu können (Hagemann 2001, S. 106). Doch nicht nur die rechtsradikalen weißen Südafrikaner sondern auch Teile der schwarzen Bevölkerung machten nun Mobil. Ein alter Kampf zwischen Stammesmitgliedern der Xhosa, welche hauptsächlich dem ANC angehörten und den Zulus, welche zum Großteil ihrer Partei der Inkhata Freedom Party die Treue hielten, brach wieder aus. Grund hierfür war die Machtbesessenheit des Zulu Häuptlings Buthelezi. Genau wie der rechte Flügel der Weißen wollte er um jeden Preis freie Wahlen verhindern. Er forderte ein autonomes unabhängiges Gebiet für den Stamm der Zulu, außerhalb eines vereinten Südafrika, wie es zur Zeiten der Apartheid vorhanden war. Der ANC unter Führung Mandelas war allerdings auf ein vereintes Südafrika aus, indem auch die ehemals ausgegliederten Homelands u.a. das der Zulus wieder eingegliedert werden sollte. Es kam zu blutigen Schlachten in den Townships Südafrikas (ebd., S. 102).

Um diese Konflikte zu lösen wurde eine Zusammenkunft einberufen, in der alle Parteien vertreten waren. Aufgrund der verschiedenen Interessen der Parteien scheiterte diese Konferenz allerdings. Die Folge war ein weiterer blutiger Kampf in dem Township Boipatong nahe Johannesburg, bei dem 49 ANC Anhänger von der Mitgliedern der Inkhata Partei niedergemetzelt wurden. Als bei einem ähnlichen Vorfall in dem Township Bisho wieder 29 Menschen ihr Leben verloren wurde klar, dass etwas passieren musste (Hagemann 2001, S. 104).

Hinter verschlossenen Türen wurde zwischen den unterschiedlichen Parteien über die Inhalte eines neuen Südafrikas verhandelt. 1993 gelang dann der erste Erfolg, als über 20 Parteien eine Übergangsverfassung verabschiedeten. Lediglich der Zulu Buthelezi war an der Bildung der Verfassung nicht beteiligt, da er sein Ziel, welches ein autonomes Zulureich beinhaltete, als nicht erreichbar ansah. Die ersten freien Wahlen wurden auf den 27. April 1994 gelegt. Dieser Termin wurde einmal kurz in Frage gestellt, als ein Rechtsextremist den führenden schwarzen ANC Politiker Chris Hani vor seinem Haus erschoss (Hagemann 2001, S. 105). Ohne die Redegewandtheit und Geschicklichkeit, welche Mandela bei der Beerdigung seines Freundes Chris Hani an den Tag legte, wäre ein Bürgerkrieg wohl unvermeidbar gewesen. Es gelang Mandela seine aufgebrachte und nach Rache verlangende Gefolgschaft zu beruhigen, sodass die Wahlen am 27.04.1994 ohne weitere Unruhen durchgeführt werden konnten. Als die Wahlzettel bereits gedruckt waren meldete sich der Zulu Buthelezi zurück und wollte nun doch mit seiner Partei an den Wahlen teilnehmen, wenngleich er kaum eine Chance sah sich gegen die Partei Mandelas durchzusetzen.

[...]


1 Unter Apartheid wird in dieser Arbeit die Zeit zwischen 1948 und 1994 verstanden in welcher Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe gezielt benachteiligt wurden.

2 Bure=Afrikaans=Bauer

Excerpt out of 73 pages

Details

Title
21 Jahre Demokratie. Der Soziale Wandel Südafrikas
Subtitle
Wieviel Apartheid steckt noch in der Regenbogennation? Der Soziale Wandel Südafrikas seit Beendigung der Rassentrennung
College
Baden-Wuerttemberg Cooperative State University (DHBW)
Grade
2,2
Author
Year
2016
Pages
73
Catalog Number
V334248
ISBN (eBook)
9783668239548
ISBN (Book)
9783668239555
File size
1497 KB
Language
German
Keywords
Südafrika, Arbeitsmarkt, Gerechtigkeit, John Rawl, Soziale Gerechtigkeit, Apartheid
Quote paper
Florian Prauss (Author), 2016, 21 Jahre Demokratie. Der Soziale Wandel Südafrikas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334248

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