Worin unterscheidet sich das Bündnis für Arbeit von der Konzertierten Aktion?


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Die Anfänge
2.1 Die Konzertierte Aktion
2.2 Das Bündnis für Arbeit

3. Rahmenbedingungen
3.1 Wirtschaftliche Voraussetzungen
3.2 Demographische Voraussetzungen
3.3 Politische Voraussetzungen

4. Zusammensetzung und Ziele
4.1 Struktur, Teilnehmer und Ziele der Konzertierten Aktion
4.2 Struktur, Teilnehmer und Ziele des Bündnisses für Arbeit

5. Die Akteure
5.1 Interessen und Rolle der Arbeitgeberverbände
5.2 Interessen und Rolle der Gewerkschaften
5.3 Interessen und Rolle der Regierung

6. Ergebnisse
6.1 Ergebnisse und Ende der Konzertierten Aktion
6.2 Ergebnisse und Ende des Bündnisses für Arbeit

7. Gemeinsamkeiten

8. Fazit

1. Einleitung

Kooperative Bündnisse entstanden aus dem Bedürfnis heraus wirtschaftliche Schwierigkeiten zu lösen. In der Bundesrepublik Deutschland sollte besonders das Problem zu hoher Arbeitslosigkeit mit Hilfe kollektiver Arrangements gelöst werden. Die Bundesregierung ist durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz aus dem Jahr 1967 dazu verpflichtet politische Maßnahmen zu treffen, die das wirtschaftliche Gleichgewicht wieder herstellen und die Konjunktur fördern. Offizielle dreiseitige Konzertierungen sind bislang in Deutschland auf Bundesebene eine Rarität. Sie sind ausschließlich unter sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung entstanden. Dies gilt sowohl für die Konzertierte Aktion von 1967 bis 1977 als auch für das Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit ab 1998. Beide waren wirtschaftspolitische Instrumente, um die vorhandenen Funktionsdefizite auszuschalten. Mit der Integration von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und Regierung in ein tripartisches und neokorporatistisches Modell, sollten Problemlösungsstrategien entwickelt werden, um die dringendsten ökonomischen Mängel in der Bundesrepublik Deutschland zu erfassen und zu beseitigen.

Der Terminus Neokorporatismus meint die regelmäßige, verbindliche und instituionalisierte Beteiligung von Interessensverbänden am politischen Prozess in westlichen Demokratien. Der Begriff konzertierte Aktion bezeichnet die gemeinschaftliche Aktion verschiedener Interessensgruppen, die miteinander ein vereinbartes Ziel verfolgen.

Im Rahmen dieser Hausarbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die Konzertierte Aktion von 1967 bis 1977 von dem Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit von 1998 unterscheidet. Zusätzlich soll die Arbeit dem Leser einen Überblick über den Verlauf und die Hintergründe der beiden konzertierten Prozesse vermitteln. Die vorliegende Hausarbeit untersucht die Anfänge der beiden Bündnisse, die unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen und demographischen Rahmenbedingungen, zeigt die Differenzen bei den Zielen, den Teilnehmern, den Ergebnissen und in der Struktur auf und geht letztendlich auf das Ende der beiden Bündnisse ein. Ferner werden die Gemeinsamkeiten erläutert und über die verschiedenen Interessen und Rollen der Gewerkschaften, der Arbeitgeberverbände und der Bundesregierung diskutiert.

2. Die Anfänge

2.1 Die Konzertierte Aktion

Aufgrund der ersten wirtschaftlichen Krise der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik

Deutschland, die u. a. Ausdruck im Rücktritt der Regierung Ludwig Erhard (CDU) im Jahr 1966 fand[1], wurde 1967 das „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“[2] verabschiedet. Die ökonomisch kritische Situation äußerte sich 1967 dadurch, dass die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts erstmalig auf -0,3 Prozent absank und die Arbeitslosenquote ein Niveau von 2,1 Prozent erreichte. 1965 und 1966 lag die Arbeitslosenquote noch bei 0,7 Prozent (vgl. Scharpf 1987: 154). Auf Empfehlung des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der sich an ausländischen Vorbildern orientiert hatte, fand die Konzertierte Aktion, integriert im Paragraf 3 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, 1967 ihren Anfang. Sie diente als wirtschaftspolitisches Instrument und als kooperatives Modell zur konjunkturellen Steuerung und zur Bekämpfung der ansteigenden Arbeitslosenzahlen sowie der anschwellenden Inflation. Die Etablierung der Idee einer Konzertierten Aktion zur Lösung der damaligen ökonomischen Probleme lag aufgrund der deutschen Tradition einer stark verbändezentrierten Aushandlungspolitik sehr nahe (vgl. Schroeder 2003: 124). Auf Initiative des damaligen Wirtschaftsministers Karl Schiller (SPD) kamen Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik zu Gesprächen zusammen. Schiller griff die „Idee einer steuerungstheoretisch unterfütterten, kooperativen Zusammenarbeit von Regierung und großen Interessengruppen auf und setzte sie im Konzept der ‚Konzertierten Aktion’ um“ (Jansen/Jürgens 2003: 435).

An den ersten Spitzengesprächen nahmen über 30 Personen aus neun Organisationen teil (vgl. Weßels 2000). Die Konzertierte Aktion bot den Teilnehmer ein Forum, um einen Meinungsaustausch zu tätigen und einen konsensorientierten Prozess in Gang zu setzen. Man wollte nicht nur die gesamtwirtschaftliche Entwicklung begutachten, sondern auch den zentralen Zielen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gerecht werden. In den Folgejahren war die Idee kooperativer Krisenbewältigung bis zum Bündnis für Arbeit nicht weiter auf bundesstaatlicher Ebene angesiedelt, sondern eher auf der regionalen und betrieblichen Ebene.

2.2 Das Bündnis für Arbeit

Im Gegensatz zur Konzertierten Aktion, die aufgrund staatlicher Initiative zustande gekommen war, entwickelte sich die Idee zu einem Bündnis für Arbeit auf Seiten der Gewerkschaften. Mit konkreten Forderungen des IG-Metall Vorsitzenden Klaus Zwickel im November 1995 wurde das Bündnis für Arbeit erstmals ins Gespräch gebracht. Jedoch brauchte das neue korporatistische Modell zwei Versuche, um verwirklicht zu werden.

Zwickel beabsichtigte zunächst nicht nur die Belebung des Arbeitsmarktes, sondern auch, die Gewerkschaften durch eine politische Offensive wieder ins Gespräch zu bringen. Den Arbeitgebern unterbreitete Klaus Zwickel das Angebot, sich für das Jahr 1997 mit Lohnforderungen in Höhe der Inflationsrate zufrieden zu geben. Außerdem bat er um „die Akzeptanz befristeter Einarbeitungsabschläge bei Einstellung von Langzeitarbeitslosen“ (Heinze 2002: 85). Als Gegenleistung verlangte Zwickel von der Wirtschaft den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen in den Jahren 1996 bis 1998, die Schaffung von 5 Prozent mehr Ausbildungsplätzen, die Einstellung von 30.000 Langzeitarbeitslosen und die Schaffung 300.000 neuer Arbeitsplätze. Durch Verzicht auf eine Kürzung von Arbeitslosengeld und –hilfe sowie durch die Einführung einer Ausbildungsumlage sollte die liberal-konservative Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl das Bündnis unterstützen. Anfang 1996 verabredeten Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und die Regierung ein „Bündnis für Arbeit und Standortsicherung“. Die drei Parteien wollten durch Steuersenkungen sowie gewerkschaftliche Lohnzurückhaltung die Arbeitslosenzahlen bis zum Jahr 2000 halbieren. Trotz der anfänglichen Begeisterung auf Seiten der Bundesregierung, Unternehmerverbänden und Gewerkschaften und einiger Treffen misslang der erste Versuch eines Bündnisses für Arbeit. Ausschlaggebend für diese gescheiterte Entwicklung waren die gegensätzlichen Vorstellungen der drei Interessensgruppen, die fehlende Einigung auf eine gemeinsame Vorgehensweise und die politischen Kräfteverhältnisse.[3]

Durch die Wahl der neuen Bundesregierung im September 1998, die ein neues Bündnis für Arbeit zu einem ihrer Wahlkampfthemen gemacht hatte, kam es im Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen zur folgender Aussage: „Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird die neue Bundesregierung alle gesellschaftlichen Kräfte mobilisieren. Wir wollen ein Bündnis für Arbeit und Ausbildung … Zu diesem Bündnis für Arbeit haben alle Beteiligten in fairem Geben und Nehmen ihren Beitrag zu leisten.“ Für die neue Regierung bot sich durch das Bündnis ebenfalls die Chance, sich vom politischen Stil der vorherigen schwarz-gelben Koalition zu distanzieren. Die Bundesregierung wollte ferner an die Erfolgsmeldungen aus dem europäischen Ausland mit dreiseitigen Bündnissen anknüpfen (vgl. Schroeder 2003: 126). Im Dezember 1998 kam es dann auf Einladung des neuen Bundeskanzlers Gerhard Schröder im Bonner Kanzleramt zu einem ersten Spitzengespräch zwischen den Tarifparteien und der Bundesregierung. Das Bündnis wurde um zwei Punkte ergänzt und hieß nun „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“. Mit dieser Erweiterung sollte auf eine Verbesserung der Ausbildungssituation bei Jugendlichen hingearbeitet werden und der Erhalt der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gewährleistet werden.

3. Rahmenbedingungen

3.1 Wirtschaftliche Voraussetzungen

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Zeiten der Konzertierten Aktion und des Bündnisses für Arbeit weisen entscheidende Differenzen auf. In den sechziger Jahren befand sich die Bundesrepublik Deutschland in einer wesentlich besseren ökonomischen Situation als zu Anfang des Bündnisses für Arbeit Ende der neunziger Jahre und hatte desgleichen weniger wirtschaftspolitische Probleme zu lösen. Die vorherrschenden ökonomischen Aufgaben der sechziger und siebziger Jahre waren der Abbau der anwachsenden Arbeitslosigkeit und der aufkommende Inflationstendenzen. In dem Zeitraum zwischen der Konzertierten Aktion und dem Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit vollzog sich ein wirtschaftlicher Strukturwandel, der vielschichtigere ökonomische Anforderungen an die Bundesregierung mit sich brachte. Die Ausgangslage des Bündnisses für Arbeit war sowohl durch die sich ständig verschärfende Beschäftigungskrise und die dadurch resultierende verfestigte Massenarbeitslosigkeit als auch durch die Krise der Sozialversicherungen gekennzeichnet. Hinzu kamen weitere wirtschaftliche Schwierigkeiten, wie zum Beispiel die geringen öffentlichen Investitionen im Bereich der Technologie, die finanziellen Belastungen durch die Deutsche Einheit, die Mängel im Bildungswesen sowie die finanzielle staatliche Doppelbelastung von sinkenden Einnahmen und steigenden Ausgaben und die damit verbundenen Finanzierungsprobleme des sozialen Systems. Ferner haben sich durch die Tendenz zur Globalisierung und Europäisierung neue Bedingungen in Deutschland entwickelt. Die wirtschaftliche Verschlechterung in Deutschland lässt sich u. a. anhand der Arbeitslosenzahlen verdeutlichen. In den sechziger Jahren lag die Arbeitslosigkeit zwischen 0,7 Prozent 1965 und 2,1 Prozent 1967. Dagegen stieg die Arbeitslosenquote Anfang bis Ende der 90er Jahre von ca. 7 Prozent auf ca. 11 Prozent.

[...]


[1] Die Gründe für die Rezession von 1966/67 lassen sich sowohl mit der späten und schwachen Reaktion der Bundesbank auf den Wandel der konjunkturellen Lage als auch mit der fehlenden Koordinierung zwischen Geld- und Fiskalpolitik und den staatlichen und nichtstaatlichen Trägern der Wirtschaftspolitik erklären (vgl. Feldenkirchen 1998: 48).

[2] Der Staat ging mit dem Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) eine gesetzliche Bürgschaft ein, die ihn verpflichtet seine wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen auf die Erfordernisse der gesamtwirtschaftlichen Ziele auszurichten. In Paragraf 1 des Gesetzes heißt es: „Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zu Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.“ Ein angemessenes Wachstum ist erreicht, wenn ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts bei zwei bis drei Prozent vorliegt. Eine durchschnittliche Preissteigerung von zwei Prozent gilt heutzutage als angebracht. Die Zielvorgaben, dass bei zwei Prozent Arbeitslosigkeit Vollbeschäftigung vorliegt, hat sich seit den 80er Jahre sukzessiv verändert und weicht immer weiter nach oben ab. Ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn die Exporte wertmäßig den Importen entsprechen.

[3] Das gute Abschneiden der FDP bei den Landtagswahlen im Frühjahr 1996 wurde von der Regierung als Plebiszit gegen ein Bündnis für Arbeit interpretiert (vgl. Schroeder 2003: 126).

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Worin unterscheidet sich das Bündnis für Arbeit von der Konzertierten Aktion?
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V33415
ISBN (eBook)
9783638338998
ISBN (Buch)
9783638749046
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Worin, Bündnis, Arbeit, Konzertierten, Aktion
Arbeit zitieren
Carolin Müller-Schüll (Autor:in), 2004, Worin unterscheidet sich das Bündnis für Arbeit von der Konzertierten Aktion?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33415

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