Erythropoetin. Einsatzmöglichkeiten und Nachweisverfahren im Sportdoping


Bachelorarbeit, 2013

62 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Erythropoetin - Physiologische Grundlagen, Einsatzmöglichkeiten und Nachweisverfahren im Sportdoping
2.1 Physiologie des Blutes und ihre Konsequenzen für Doping
2.1.1 Erythrozyten und Blutdoping
2.1.2 Blutdoping - Funktionsweise, Nachweisbarkeit und Risiken
2.1.2.1 Autologes und homologes Blutdoping
2.1.2.2 Nachweisverfahren für autologes und homologes Blutdoping
2.1.2.3 Allgemeine Risiken beim Blutdoping
2.1.2.4 Spezifische Risiken bei Fremdblutdoping
2.2 Erythropoetin: Vorkommen und Wirkungsweise im menschlichen Körper
2.3 Medizinischer Hintergrund und Erythropoetin-Präparate
2.3.1 Einsatzmöglichkeiten
2.3.2 Unterschiedliche Epo-Präparate
2.4 Risiken und Nebenwirkungen von EPO-Doping
2.5 Nachweismethoden und Wege der Manipulation
2.5.1 Isoelektrische Fokussierung und immunologische Visualisierung
2.5.2 Das Problem unspezifischer Antikörper-Reaktionen mit Proteinen der Urinmatrix
2.5.3 Veränderung der Isoformenmuster - Abweichungen zwischen A- und B-Probe und deren Konsequenzen für die Dopinganalytik
2.5.4 Der Einsatz von Proteasen zur Verschleierung von Peptidhormonen
2.5.4.1 Grundlagen
2.5.4.2 Anwendung von Proteasen zur Verschleierung
2.5.4.3 Nachweisverfahren zur Ermittlung der verschleiernden Proteasen
2.5.5 Ein Beispiel: Detektion von Bacillolysin als Protease via SDS-PAGE mit LC-MS
2.5.6 Peginesatidenachweis im Blut anhand von ELISA, SDS-PAGE und Immuno-Blotting

3 Gendoping - Aktuelle Möglichkeiten, Risiken und Herausforderungen für die Dopinganalytik
3.1 Grundlagen: Stimulierung der EPO-Produktion durch Gentransfer
3.2 Substanzen zur Aktivierung des EPO-Gens
3.3 Gefahren genetischer Manipulation und mögliche gesundheitliche Folgen
3.4 Möglichkeiten und Grenzen der Nachweisbarkeit von Gendoping - Nachweisproblematik und Lösungsansätze für die Sportwelt

4 Fazit und Ausblick

5 Literaturverzeichnis

6 Abbildungsverzeichnis:

1 Einleitung

Das Thema Doping im Sport und insbesondere im Leistungssport ist im Grunde genommen so alt wie der Sport selber. Mit diesen eindringlichen Worten eröffnet der ehemalige Olympiaarzt und heutige Professor für Sportwissenschaften Dr. med. Dirk Clasing sein renommiertes Standardwerk über Doping und seine Wirkstoffe. Der Wahrheitsgehalt diese Aussage erweist sich als sehr hoch, bedenkt man, dass, vermutlicherweise bereits im antiken Griechenland Athleten versucht haben, durch Trinken von Rinderblut oder sogar Verzehr von Bullenhoden ihre Leistungsfähigkeit zu steigern

Wie aktuell und brisant die Thematik Doping im Leistungssport gerade in der heutigen Zeit ist, zeigen die zahlreichen Fälle der vergangenen Jahrzehnte sowie diejenigen aus jüngster Vergangenheit, bei denen Athleten des Dopings überführt werden konnten. Die illegale medikamentöse Manipulation der sportlichen Leistungsfähigkeit rückte spätestens durch die Olympischen Spiele 1988 in Seoul in den Fokus der Öffentlichkeit, als dem damaligen Leichtathleten Ben Johnson der missbräuchliche Einsatz von Stanozolol, einem anabolen Steroid, nachgewiesen werden konnte. Die nachträgliche Aberkennung seines Weltrekords und der Goldmedaille waren ein Skandal (Clasing, 2010). Seither macht die Welt des Leistungssports immer wieder durch Bekanntwerden neuer Dopingskandale auf sich aufmerksam, wobei sich insbesondere die Sparte der Ausdauersportarten kontinuierlich durch eine hohe Frequenz an Verstößen auszeichnet. Seit den Olympischen Spielen in Mexiko-City, die in einer Höhe von 2300 Metern stattfanden, rückte zudem der Faktor der Sauerstofftransportkapazität vermehrt in den Vordergrund (Raschka et al., 2011). Mit der Erkenntnis, dass sich die Erythrozytenzahl und dadurch auch die Hämoglobinswerte beim Training unter hypoxischen Bedingungen in mittleren Höhen zwischen 1800 und 2400 Metern erhöht und sich dies in einer signifikant gesteigerten Leistungsfähigkeit im Training unter normalen Sauerstoffbedingungen manifestiert, etablierte sich das sogenannte Höhentraining als vorbereitende Maßnahme auf sportliche Wettkämpfe (Raschka et al., 2011). Mit dem Wissen über die Rolle der einzelnen Blutparameter und über ihre

Auswirkungen, die sie auf die sportliche Leistungsfähigkeit eines Athleten haben, etablierte sich Ende der 1960er Jahr das sogenannte Blutdoping mit Fremd- sowie Eigenblut, was bis Ende der 1980er Jahre legal und dadurch das bevorzugte Mittel der Wahl zur Manipulation war (Raschka et al., 2011).

Die Ära des Blutdopings und auch des Höhentraining endete erst mit der Markteinführung der ersten Präparate des menschlichen Peptidhormons Erythropoetin, welches zwar ursprünglich zur Regulation der Erythropoese bei Anämiepatienten entwickelt wurde, das jedoch aufgrund seiner biologischen Eigenschaften auch schnell den Einzug in die Welt des Leistungssports vollzog (Raschka et al., 2011). Bis heute beschäftigt das Doping mit einer Vielzahl verfügbarer EPO-Präparate die Antidoping-Labore weltweit, weshalb sich auch diese Arbeit dem „Dopingklassiker“ EPO widmet. Ziel dieser Arbeit ist es, das Peptidhormon Erythropoetin und seinen Einsatz im Doping vorzustellen, moderne Nachweisstrategien zu erläutern und auch deren Grenzen aufzuzeigen. Dabei wird sich zeigen, dass die Nachweisbarkeit von EPO zwar bei konventionellem Einsatz zufriedenstellend gegeben ist, die klassische Doping-Analytik jedoch spätestens beim Einsatz gentherapeutischer Verwendungsansätze an ihre Grenzen stößt, sodass die Fairness im Sport kaum mehr gegeben ist. Das abschließende Fazit mit Ausblick soll Aspekte der heutigen Doping-Analytik in diesem Spannungsgefüge exponentiell wachsender Möglichkeiten der Manipulation zeigen und darstellen, wie neuerdings darauf reagiert wird, indem die Dopingkontrollen zu neuen Methoden greifen.

2 Erythropoetin - Physiologische Grundlagen, Einsatzmöglichkeiten und Nachweisverfahren im Sportdoping

2.1 Physiologie des Blutes und ihre Konsequenzen für Doping

2.1.1 Erythrozyten und Blutdoping

Für Athleten, die Höchstleistungen erbringen wollen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass ihre beanspruchte Muskulatur mit ausreichend Sauerstoff versorgt ist. Es gilt das Credo: Je mehr Sauerstoff der arbeitenden Muskulatur zur Verfügung steht, desto größer ist die körperliche bzw. sportliche Leistungsfähigkeit (Raschka et al., 2011). Ansatzpunkt diverser Dopingstrategien ist folglich die Erhöhung des Sauerstofftransports im Blut und dieser hängt grundsätzlich von verschiedenen Faktoren ab. Entscheidend ist auf der einen Seite die O2-Transportkapazität, die sich mit der Formel: Herzzeitvolumen (HZV [l/min]) x O2-Gehalt im Blut errechnen lässt. Das Herzzeitvolumen kann durch das Produkt aus Herzschlagvolumen (HSV [ml]) und Herzfrequenz (HF [min^-1]) errechnet werden. Weiterer wesentlicher Faktor ist der Sauerstoffgehalt [O2-Gehalt in Vol% oder ml] im Blut, der sich wie folgt bestimmen lässt: 1,34 x Hämoglobin (Hb [g] x Sauerstoffsättigung (SaO2)/100 + arterieller Sauerstoffdruck (PaO2) x 0,003 (Raschka et al., 2011). Zwei weitere wichtige Größen sind der Erythrozytengehalt und der Hämatokrit-Wert. Bei der Bestimmung des Hämatokrits setzt man das Volumen der festen zellulären Bestandteile des Bluts ins Verhältnis zum Blutplasma. Am Hämatokrit-Wert lässt sich also das Verhältnis von Blutzellen zum Blutplasma ablesen und menschliche Blutzellen setzten sich allgemein aus Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten zusammen. Die Leukozyten nun lassen sich dabei noch genauer in Lymphozyten, Granulozyten und Monozyten differenzieren. Den mit Abstand größten Anteil der Blutzellen machen jedoch die Erythrozyten mit circa 99% aus (Horn, 2009). Da Erythrozyten zu etwa 88% aus dem Polypeptid Hämoglobin bestehen, das wiederum in erster Linie für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich ist, liegt es nah, dass die Erythrozyten-Anzahl im Kontext des Doping eine wesentliche Größe darstellt. Die Erhöhung der Erythrozyten-Anzahl und die damit einhergehende künstliche Erhöhung des Sauerstofftransfers ist folglich der Grundgedanke sämtlicher Dopingstrategien sowie auch der des Blutdopings.

2.1.2 Blutdoping - Funktionsweise, Nachweisbarkeit und Risiken

2.1.2.1 Autologes und homologes Blutdoping

Beim Blutdoping unterscheidet man grundsätzlich zwei Vorgehensweisen. Das sogenannte Eigenblutdoping oder auch autologe Blutdoping und Fremdblutdoping, das auch als homologes Blutdoping bezeichnet wird. Bei Eigenblutdoping wird dem Athleten einige Wochen vor dem Wettkampf in etwa 0,5 bis ein Liter Blut abgenommen, stabilisiert und bis kurz vor die Re-Injektion kühl gelagert. In der Zwischenzeit geht der Athlet seiner Sportroutine nach und gleicht im Laufe weniger Wochen das Erythrozyten-Defizit aus. Kurz vor dem Wettkampf wird dem Athleten dann das zuvor entnommene Blut wieder zugeführt, was einen rapiden Anstieg der Erythrozytenanzahl und somit auch des Hämoglobins zur Folge hat. Der Athlet ist nun in der Lage, aufgrund der erhöhten Blutmenge unter Belastung mehr Sauerstoff pro Zeiteinheit zu transportieren und dadurch eine (künstlich) verbesserte Ausdauerleistung zu erbringen (Spitzer und Franke, 2010)

Fremdblutdoping unterscheidet sich von der Vorgehensweise nicht sonderlich vom Eigenblutdoping. Da es sich aber, wie aus dem Begriff ersichtlich, um körperfremdes Blut handelt, müssen zahlreiche potenziell gefährliche Aspekte wie beispielsweise die Übereinstimmung der Blutgruppen, berücksichtigt werden. Ein Vorteil des Fremdblutdopings ist hingegen, dass kein eigenes Blut entnommen werden muss und dass das Doping dadurch jederzeit möglich ist, wodurch der Athlet seiner sportlichen Routine lückenlos nachgehen kann. Beim autologem Blutdoping demgegenüber muss der Athlet aufgrund der entnommenen Eigenblutmenge gewisse Belastungspausen einhalten (Spitzer und Franke, 2010).

2.1.2.2 Nachweisverfahren für autologes und homologes Blutdoping

Der Nachweis von Fremd- und Eigenblutdoping ist bis heute nur bedingt möglich. Erst seit dem Jahr 2004 steht den Doping-Fahndern eine Verfahrensweise zur Verfügung, die einen direkten Nachweis über sogenannte Nebenblutgruppen liefern kann. Neben den herkömmlichen Blutgruppen (A, B, AB und 0) gibt es in etwa zehn Nebenblutgruppen, die in der Bevölkerung sehr heterogen verteilt sind. Diesen physiologischen Umstand macht sich die Dopinganalytik zu Nutzen, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass zwei Personen die gleiche Verteilung dieser zehn Nebengruppen aufweisen (Spitzer, Franke, 2010). Mit dieser Methode konnte beispielsweise den beiden prominenten Radsportprofis Taylor Hamilton (2004) und Alexander Winokurow (2007) das Fremdblutdoping nachgewiesen werden.

Ein direkter Nachweis von Eigenblutdoping ist hingegen bis heute noch nicht möglich, da es sich beim injizierten Blut um körpereigenes, also identisches Blut handelt. Aus diesem Grund strebt man seit Anfang 2009 mit Unterstützung der WADA (World Anti-Doping Agency) ein indirektes Nachweisverfahren an. Dieses Projekt läuft unter dem Namen „der biologische Blutpass“ und wird bis heute angewendet. Der analytische Ansatz dieses Projekts ist es, zunächst ein umfangreiches Blutbild zu erstellen. Dabei werden folgende Blutparameter erfasst: Hämatokrit (HKT), Hämoglobin (HGB), Erythrozyten (RBC), das mittlere korpuskuläre Volumen (MCV), die mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (MCHC), Leukozyten (WBC) und zuletzt die Thrombozyten (PLT). Um nun mögliche Dopingfälle klassifizieren zu können, werden abnormale Befunde mit einem statistischen Modell verglichen, welches individuelle Werte des Sportlers mit einbezieht. Es wird also quasi ein Blutpass angelegt, der die oben genannten Abbildung 1: Hämoglobin-Verläufe bei Blutdoping mit Eigenblut und Fremdblut (Seifried und Müller, 2008)

Blutparameter erfasst und vor allem auch individuelle Grenzwerte, wie sie zum Beispiel nach einem längeren Höhentraining auftreten können, impliziert (Spitzer, Franke, 2010). Treten also überraschend Abweichungen wie beispielsweise ein erhöhter Hämoglobin- oder Hämatokrit-Wert bei unangekündigten Doping- Kontrollen auf, kann man nun die anderen Blutparameter mit in die Rechnung einbeziehen, um feststellen zu können, ob es sich um ein und Höhentraining - die Blutkonstellation ist ja bekannt - oder eben um einen Doping-Verstoß mit Eigenblut handelt.

2.1.2.3 Allgemeine Risiken beim Blutdoping

Neben dem Risiko, dass ein Athlet des Dopings überführt wird und mit weitreichenden Konsequenzen und Sanktionen rechnen muss, birgt Blutdoping wie auch jede andere Form des Dopings gewisse gesundheitliche Risiken, denn allgemein gilt:,dass jede invasive Maßnahme, einen Eingriff in den Organismus darstellt und entsprechend gewisse Risiken mit sich bringt. Obwohl es sich bei Blutentnahmen um scheinbar simple Prozesse handelt, die in jeder Klinik zur Tagesordnung gehören, besteht immer ein gewisses Risiko, sich mit Krankheitserregern oder Viren zu infizieren. Selbst in Krankenhäusern und oder bei Blutspenden besteht ein gewisses Restrisiko, sich durch unprofessionelle Vorgehensweisen und Abläufe oder unqualifiziertes Personal zu infizieren, wie in der Literatur anschaulich beschrieben (Seifried und Müller, 2008). Da Doping bekanntlich illegal ist, liegt es auf der Hand, dass sich in diesem Kontext das Risiko, Opfer einer unsachgemäßen Transfusion, fehlerhafter Lagerung oder unqualifizierten Personals zu werden, immens erhöht. Insbesondere die inkorrekte Lagerung des Blutpräparats erhöht die Wahrscheinlichkeit einer bakteriellen Kontamination. Mit Bakterien kontaminiertes Blut kann bei Wiederzufuhr zu starker Sepsis führen, die für den Athleten lebensbedrohend sein kann. Bei unsachgemäßer Kühlung in einem für Blutprodukte ungeeigneten Kühlschranks kann es darüber hinaus zur sogenannten teilweisen Hämolyse der Präparate kommen, die bei Reinjektion zu massiven Schädigungen der Nieren, bis hin zu akutem Nierenversagen führen kann (Seifried und Müller, 2008.). Neben dem Risiko, dass Bestandteile des Bluts wie freies Hämoglobin, Leukozyten oder Zytokine zu anaphylaktischen Reaktionen führen können, ist auch die Gefahr für eine Thrombose oder Embolie der Gefäße erhöht. Die künstliche Erhöhung der Erythrozytenanzahl durch Reinjektion von Eigen- oder Fremdblut hat nämlich naturgemäß einen Anstieg des Hämoglobins und folglich auch des Hämatokrits zur Folge, wie man auf Abbildung 4 sieht. Hier steigt der Hämoglobinwert bei Reinjektion des Eigenbluts zunächst auf etwa 17g/dL und anschließend bei Verabreichung von zwei Fremdblutpräparaten auf circa 18g/dL. Ein solcher sprunghafter Anstieg der zellulären Bestandteile des Bluts führt konsequenterweise zur Erhöhung des Hämatokrits weit über die physiologischen Grenzen hinaus.

Bei dem Radsportprofi Marco Pantani, der 1998 die Tour-de-France gewann oder dem aus Dänemark stammenden Tour-de-France-Sieger von 1996 wurden Hämatokrit-Werte von über 60% festgestellt, jedoch toleriert. Bei so drastisch erhöhter Viskosität und der daraus resultierenden Verdickung des Bluts besteht zudem die Gefahr akuten Rechtsherzversagens sowie allgemein eine erhöhte Gefahr für Thromboembolien in wichtigen Gefäßen. Um die Viskosität des Bluts zu regulieren, werden die Athleten häufig dazu angehalten, entweder reichlich Flüssigkeit zu sich zu nehmen oder aber durch blutverdünnende Mittel wie Aspirin einer zu starken Verdickung des Bluts entgegenzuwirken (Raschka et al., 2011). Auch der Missbrauch des Glykosaminoglykans Heparin aufgrund seiner blutverdünnenden Eigenschaften wurde 2010 von Reichel et al. nachgewiesen (Reichel, 2011).

2.1.2.4 Spezifische Risiken bei Fremdblutdoping

Die oben genannten Risiken treffen sowohl auf Eigen- als auch auf Fremdbluttransfusionen zu. Homologe Bluttransfusionen bergen noch eine Vielzahl weiterer Risiken. Da die Blutspender im Bereich des Blutdopings in der Regel nicht sorgfältig ausgesucht, das heißt nicht sorgfältig befragt oder gar auf Infektionsmarker untersucht werden, erhöht sich das Infektionsrisiko des Empfängers bedeutend (Seifried und Müller, 2008). Dabei besteht nicht nur die Gefahr, dass sich Athleten mit Hepatitis oder dem HI-Virus infizieren können. Es gibt auch eine Vielzahl von Tests und Probereaktionen, die unter unprofessionellen Bedingungen nur unzureichend oder gar nicht durchgeführt werden. Beispielsweise kann eine unterlassene serologische Verträglichkeitsprobe (Kreuzprobe) dazu führen, dass das Spenderblut mit dem des Empfängers nicht kompatibel ist. Die Transfusion von inkompatiblem Blut kann dann beim Empfänger zu tödlichen Transfusionszwischenfällen beispielsweise durch Hämolyse führen. Ebenso gefährlich für den Blutempfänger und nicht weniger lebensbedrohlich kann die sogenannte Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) werden. Hierbei handelt es sich um ein Krankheitsbild, das aufkommen kann, wenn es sich beim Blutspender um ein Familienmitglied oder um enge Verwandtschaft handelt. Die GvHD-Krankheit entsteht, wenn durch eine Blutspende immunkompetente, vermehrungsfähige stammzellnahe Abwehrzellen des Spenders im Körper des Empfängers zunächst nicht als Fremdkörper wahrgenommen und folglich nicht abgewehrt werden. Dies kann bei blutsverwandten Spendern durchaus vorkommen. Problematisch wird es für den Organismus des Empfängers, wenn sich die erhaltenen Zellen vermehren, den eigenen Körper jedoch als „fremd“ wahrnehmen und ihn abwehren. Dieses ungünstige und zum Glück seltene Ereignis hat häufig eine tödlich endende Reaktion mit hohem Fieber, Knochenmarks-Depression, schweren Infekten und Organversagen zur Folge (Seifried und Müller, 2008).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl Eigen- als vor allem auch Fremdblutdoping ein hohes Risikopotential in sich birgt. Es kann sowohl zu gefährlichen Kreuzreaktionen zwischen dem eigenen und gespendetem Blut kommen, als auch zu Infektionen durch unzureichend erfüllte qualitätssichernde Maßnahmen. Die wachsende Einsicht in die Regulationsmechanismen der Sauerstoffversorgung und die Rolle, die Erythropoetin (EPO) dabei spielt, lenkte das Interesse zunehmend auf Dopingstrategien die auf diesem scheinbar risikoärmeren Stoff basieren.

2.2 Erythropoetin: Vorkommen und Wirkungsweise im menschlichen Körper

Erythropoetin (EPO) ist ein Glykoprotein, dessen Peptidgerüst aus 165 Aminosäuren besteht. Diese werden durch 4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Molekülstruktur von Erythropoetin. (Raschka et. al., 2010)

Kohlenhydratseitenketten, die man auch als N-Glykane bezeichnet, ergänzt. Drei N- Glykane liegen an Asn24, Asn 38 und Asn83 und ein O-Glykan an Ser126, wobei der gesamte Kohlenhydratanteil insgesamt 40% ausmacht und aus Galaktose, Mannose, Fruktose, N-Acetylglukosamin, N-Acetylgalaktosamin und N-Acetylneuraminsäure besteht (Schöffel et al., 2008). Die molekulare Masse eines Erythropoetin-Moleküls beträgt circa 30400 Dalton (Clasing, 2010). Bei erwachsenen Menschen wird EPO größtenteils in den Nieren und zu einem geringen Anteil in der Leber produziert. In den peritubulären Fibroblasten der Nieren hergestellt und über den sekretorischen Weg via Proteinbiosynthese synthetisiert, gelangt das wasserlösliche Peptidhormon schließlich in die Blutbahn (Horn, 2009). Dort fungiert es als wesentlicher Wachstumsfaktor der Erythropoese.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Funktionsweise der Aktivierung von STAT- Proteinen (Horn, 2009)

Diese beschreibt den Vorgang, wie sich aus Stammzellen über verschiedene Stadien hinweg Erythrozyten bilden. Die verschiedenen Vorläuferzellen der Erythrozyten unterscheiden sich in ihrem Aufbau und ihrer Funktion und besitzen eine unterschiedliche Anzahl an Erythropoetin-Rezeptoren. Da Erythropoetin phylogenetisch der Familie der Zytokine zuzuordnen ist, handelt sich bei den EPORezeptoren auch um typische Zytokinrezeptoren, die mit jeweils einer Janus-Kinase assoziiert sind (s. Abbildung 3) (Schöffel et al., 2008).

Aus diesem Grund erfolgt die Bindung von EPO an zwei Rezeptoren gleichzeitig, was zu deren Dimerisierung führt (Horn, 2009). Wenn EPO nun an seinen entsprechenden Rezeptor gebunden ist, kommt es zur Aktivierung verschiedenster Signaltransduktionswege sowie zur Phosphorylierung und Dimerisierung der STAT- Proteine. Das Akronym STAT steht für „Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription“. Diese speziellen Proteine können in den Zellkern wandern, um dort als Transkriptionsfaktoren fungieren und somit zur Aktivierung zahlreicher Gene führen, die für das Überleben der Erythrozytenvorläufer notwendig sind (Horn. 2009) und im Kontext von Gendoping eine Rollen spielen (vgl. Kap. 3.1). Zum Verständnis der verschiedenen hemmenden und steigernden Prozesse sowie Substanzen im Bereich der Bildung, Entwicklung oder Apoptose von Erythrozyten nun eine Beschreibung der wichtigsten Zusammenhänge.

Im Zuge der Bildung und Entwicklung von Erythrozyten verändern die Vorläuferzellen der Erythrozyten ihre Dichte an EPO-Rezeptoren stetig. Dabei fällt auf, dass die letzten Wachstumsstufen, die sogenannten CFU-E (Erythroid Colony Forming Unit) und auch die der Proerythroblasten die höchste Dichte an EPO- Rezeptoren aufweisen. Die Rolle des Erythropoetins scheint es nun zu sein, die Apoptose in diesen Zellen zu verhindern und ihre Weiterentwicklung zu Erythrozyten zu ermöglichen (Horn, 2009). Dies gelingt durch eine Erhöhung der Anzahl von antiapoptotisch wirksamen BCL-XL-Proteinen. Dieses spezifische Protein gehört zur Gruppe der BCL-2-Proteine und hemmt wie gesagt den programmierten Zelltod (Apoptose), weil es die Freisetzung des zelltötenden Cytochrom c ins Zytosol hindert. Dieses wird daran gehindert aus dem Mitochondrien ins Zytosol zu diffundieren und dort weitere apoptotische Prozesse einzuleiten. Somit wirken BCL-2-Proteine als Apoptosehemmer (Horn, 2009). Fehlt entsprechendes Erythropoetin in den Vorläuferzellen, wird dort sogenannte Caspase, ein zu den Proteasen zählendes Enzym, aktiviert, das wiederum durch die Zerstörung von BCL-XL letztendlich indirekt zur Apoptose der Zelle führt (Horn, 2009).

Eine wichtige Frage, die auch mit Blick auf die folgenden Kapitel eine große Rolle spielen wird, ist die Organisation der Steuerung und Sekretion von EPO. Sinkt der arterielle Sauerstoffpartialdruck in den Nieren unter einen gewissen Level, führt dies dazu, dass die Nieren vermehrt EPO ausschüttet. Eine erhöhte Erythropoetinkonzentration hat eine erhöhte Anzahl an Erythrozyten zur Folge, was den Sauerstoffgehalt positiv beeinflusst (Horn, 2009). Auf molekularer Ebene , geschieht das aufgrund einer Steigerung der Genexpression von EPO aufgrund sogenannter Hypoxie-induzierbarer Transkriptionsfaktoren oder kurz HIF-1 (Horn, 2009), welcher im Kontext von Gendoping eine entscheidende Rolle spielt (vlg. Kap. 3.1).

Bei Hypoxie können die zellulären Sauerstoffsensoren, die die endogene EPO- Produktion regulieren, nicht oxidieren und somit auch nicht abgebaut werden (Feiden und Blasius, 2008). Nachdem die Biosynthese des Erythropoetins abgeschlossen ist, gelangt dieses zunächst durch die peritubulären Kapillaren der Niere über verschiedene Zwischenstationen zur Vena cava und folglich zum Herzen. Von dort ausgehend gelangt es über das Blut in die Aorta und verteilt sich so im gesamten Körper (Horn 2009). Der Abbau von EPO erfolgt an den endständig gelegen Sialinsäuren der Zuckerreste (s. Abbildung 2). Diese werden nach einiger Zeit von der Endotheloberfläche der Blutgefäße entfernt. Die anschließende Aufnahme und Verdauung findet dann primär in der Leber, zum Teil jedoch auch über die Niere statt (Horn, 2009).

2.3 Medizinischer Hintergrund und Erythropoetin-Präparate

2.3.1 Einsatzmöglichkeiten

Wie bereits ausführlich im einleitenden Kapitel beschrieben, kommt dem Peptidhormon Erythropoetin eine zentrale Rolle bei der Bildung und Entwicklung von Erythrozyten zu. Dabei sind die Hauptwirkungen auf der einen Seite die Stimulation der Erythropoese im Knochenmark, andererseits die Hemmung des Erythrozytenabbaus. Beide Wirkungen haben somit zur Folge, dass die Anzahl an Erythrozyten steigt, was wiederum zu einem verbesserten Sauerstofftransport führt (Raschka et al., 2011). Kennt man diese Eigenschaften, ist es naheliegend, dass es für EPO verschiedene Anwendungsbereiche sowohl in der Forschung, als auch in der Wirtschaft gibt. Eine wichtige Rolle spielt Erythropoetin in der Medizin. Beispielsweise sind insbesondere Patienten mit Niereninsuffizienz oder renaler Anämie, bei denen die Bildung von endogenem EPO nur unzureichend oder gar nicht funktioniert, auf körperfremde oder künstlich hergestellte EPO-Präparate angewiesen. Hier bieten sich grundsätzlich zwei Ansatzpunkte zur Steigerung der Erythrozytenzahl an. Entweder man supplementiert künstlich hergestelltes EPO oder man stimuliert den eigenen Körper dahingehend, dass er mehr EPO produziert. Die EPO-Konzentration im Blut beträgt bei gesunden Menschen 10-25 mU/ml, was in etwa einer Masse von 100-250 pg/ml entspricht (Clasing, 2010). Nach einer Nephrektomie, die regelmäßig zur Entwicklung einer renalen Anämie führt, sinkt die Anzahl der Erythrozyten und die der Hämoglobinkonzentration so stark ab, dass der Hämatokrit-Wert auf 20-35% fallen kann, was einer Normabweichung von etwa 10% gleichkommt. Dieses Defizit kann durch subkutane Applikation von EPO vollständig korrigiert werden (Clasing, 2010). Für die Supplementierung von körperfremdem EPO stehen eine Vielzahl an Präparaten zur Verfügung, auf die im kommenden Kapitel genauer eingegangen wird. Um die Produktion von körpereigenem EPO anzuregen, besteht die Möglichkeit, die bereits erwähnten HIF-Komplexe zu stabilisieren, was konsequenterweise die Erythropoese entscheidend steigert. Die Stabilisierung der HIF-Komplexe gelingt durch eine simulierte Hypoxie und zwar mit Hilfe von niedermolekularen, also relativ leichten Verbindungen, wie zum Beispiel Oxalylglycin oder L-Mimosin, die die Fähigkeit besitzen, die Destabilisierung der Komplexe zu unterbinden (Feiden und Blasius, 2008). Wie die Stabilisierung der HIF-Komplexe im Detail verläuft, wird im Zuge der Arbeit noch genauer erläutert. Beide oben vorgestellten der Steigerung des Hämatokrits stellen für Patienten mit Anämie oder Niereninsuffizienz einen probaten Weg zur Linderung ihrer Symptome dar. Bedauerlicherweise kommt es aber auch gerade im Bereich der Ausdauersportarten häufig zum Missbrauch von EPO-Präparaten, Mimetika oder HIF-Stabilisatoren. Hier wird EPO nicht etwa zum Ausgleich einer Blutarmut oder Ähnlichem genutzt, sondern gezielt verabreicht, um eine zusätzliche Erhöhung der Erythrozytenzahl und dadurch eine erhöhte Sauerstofftransportkapazität zu erlangen, denn ein erhöhter Sauerstoffgehalt im Blut geht im Sport ja auch immer mit einer Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit einher (Feiden und Blasius, 2008).

2.3.2 Unterschiedliche Epo-Präparate

Da EPO als lebensrettendes Medikament nicht mehr aus dem medizinischen Alltag wegzudenken ist, verwundert es nicht, dass die Forschung rund um das so wichtige Glykoprotein in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht hat (Clasing, 2010). Bereits im Jahr 1989 gelang es dem amerikanischen Biotechnologie- Unternehmen Amgen das erste rekombinante EPO-Präparat auf den Markt zu bringen. Dem Unternehmen war es zuvor gelungen, das EPO-Gen zu isolieren und durch Klonierung und Expression in Säugerzellen mit Hilfe von biotechnologischen Herstellungsverfahren in für die Therapie notwendigen Mengen herzustellen. Für die Herstellung von rekombinantem EPO benutze und benutzt man noch heute Zellen aus den Ovarien des Chinesischen Hamsters. Durch eine nahezu identische Glykosylierung wie sie beim menschlichen Erythropoetin vorliegt, ist man in der Lage aus CHO-Zellen (Chinese Hamster Ovary) rekombinantes humanidentisches EPO herzustellen (Clasing, 2010).

Die rekombinanten humanidentischen EPO-Präparate (rHuEPO) der ersten Generation waren Epoetin-alpha und Epoetin-beta, die aufgrund eines Patentschutzes der Firma Amgen bis zum Jahr 2000 fast ausschließlich hergestellt werden durften (Spitzer und Franke 2010). Biochemisch betrachtet unterscheiden sich rekombinante humanidentische EPO-Präparate nicht maßgeblich von körpereigenem EPO. Eine Unterscheidung lässt sich häufig nur über die Anzahl an verknüpften Kohlenhydratketten und Sialinsäuren erkennen, da die Aminosäuresequenzen in der Regel identisch sind. Rekombinantes EPO verfügt über drei Kohlenhydratketten mit bis zu 14 Sialinsäureresten, während körpereigenes EPO in der Regel vier solcher Seitenketten mit insgesamt 11 Sialinsäureresten aufweist (s. Abbildung 2) (Clasing, 2010). Der offizielle Nachfolger von Epoetin-alpha und -beta ist Epoetin-delta. Anders als seine Vorgänger wird letzteres durch Genaktivierung aus humanen Zelllinien (HT-1080) gewonnen und unterscheidet sich in seiner Glykosylierung kaum von endogenem, körpereigenem EPO. Epoetin-delta besitzt im Gegensatz zu seinen Vorgängern keine N-Glykolylneuraminsäure, eine Klasse der Sialinsäuren, die menschliche Zellen aufgrund einer genetischen Mutation nicht synthetisieren können (Sauerstofferhöhung, Schriftreihe des Bundesinstituts für Sportwissenschaft, 2008, S. 56).

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Details

Titel
Erythropoetin. Einsatzmöglichkeiten und Nachweisverfahren im Sportdoping
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Verhaltensbiologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
62
Katalognummer
V334045
ISBN (eBook)
9783668237285
ISBN (Buch)
9783668237292
Dateigröße
1715 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erythropoetin, EPO, Doping, Präparate, Glyko-Hormon, Blutdoping, Sport, Gendoping, Dopinganalytik
Arbeit zitieren
Johannes Yazigi (Autor:in), 2013, Erythropoetin. Einsatzmöglichkeiten und Nachweisverfahren im Sportdoping, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/334045

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