Planen und Bauen in Grossbritannien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

56 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Berufsbild des Architekten
2.1 Architekten in England – Berufssituation
2.2 Ausbildung zum Architekten – Ausbildungswege, Ausbildungsdauer, Abschlüsse, Prüfungen
2.2.1 Ausbildungsstätten
2.2.2 Ausbildungswege und Ausbildungsdauer
2.2.3 Studiensituation
2.2.4 Arbeits- und Leistungsumfang

3 Zulassungsvoraussetzungen
3.1 Zulassungsbehörden – Zulassungsvoraussetzungen, Beiträge und Gebühren, Aufgaben und Leistungen der Zulassungsbehörde
3.2 Berufsverbände – Zulassungsvoraussetzungen, Beiträge und Gebühren, Aufgaben und Leistungen der Berufsverbände
3.2.1 Zulassungsvoraussetzungen
3.2.2 Beiträge und Gebühren
3.2.3 Aufgaben und Leistungen

4 Baugenehmigung
4.1 Genehmigungsverfahren – Baugenehmigungspflicht, Bauantrag
4.1.1 Rechtliche Grundlagen
4.1.2 Das planungsrechtliche Genehmigungsverfahren
4.1.2.1 Genehmigungspflicht
4.1.2.2 Bauantrag
4.1.2.3 Rechtsmittel und Rechtsbeistand
4.1.3 Die bautechnische Genehmigung
4.1.3.1 Genehmigungspflicht
4.1.3.2 Bauantrag
4.2 Genehmigungsbeteiligte –Ämter und Behörden, Planer und Fachplaner
4.2.1 Die planungsrechtliche Genehmigung
4.2.1.1 Planaufstellende Ämter und Behörden
4.2.1.2 Das Plansystem der Bauleitplanung
4.2.2 Die bautechnische Genehmigung
4.2.2.1 Beteiligte Ämter und Behörden

5 Planungsbeteiligte
5.1 Planungsbeteiligte und ihre Aufgaben
5.2 Beziehung zwischen den Planungsbeteiligten
5.3 Beziehung zwischen Auftraggeber und Architekt – Akquisition, Architektenvertrag, Haftung, Versicherungen, Urheberrecht, Honorare und Honorarordnungen
5.3.1 Akquisition, Wettbewerb unter Architekten
5.3.2 Architektenvertrag
5.3.3 Haftung, Versicherungen
5.3.4 Urheberrecht
5.3.5 Honorare und Honorarordnung

6 Baubeteiligte
6.1 Bedeutung des britische Zivilrecht (common law) für den Bauvertrag
6.1.1 Das Common Law
6.1.2 Auswirkung des Common Law auf Bauverträge
6.2 Baubeteiligte und ihre Beziehung zueinander
6.3 Beziehung zwischen Auftraggeber und Bauunternehmer des Bauvertrages
6.3.1 Allgemein
6.3.2 Vergabe
6.3.3 Vergütung
6.4 Haftung, Gewährleistung und Verjährung
6.4.1 Allgemein
6.4.2 Haftung, Verjährung und Gewährleistung nach JCT
6.4.3 Haftung, Verjährung und Gewährleistung nach ICE

7 Anhang
7.1 Literatur- und Quellenverzeichnis
7.2 Verzeichnis der Kontaktadressen

1 Einleitung

Die Situation auf dem britischen Markt unterscheidet sich von der deutschen zunächst essentiell durch eine weitaus liberalere Wettbewerbsstruktur, die in den Planungsprozessen zu stärkerer Aufgabenverteilung und in den letzten Jahren zu einer generellen Verschlechterung der beruflichen Situation von Architekten, nicht zuletzt durch die Entstehung neuer Berufsgruppen, geführt hat, worauf explizit unter Punkt 1.8 eingegangen wird. Auch in der Bauüberwachung werden zunehmend öffentliche Kontrollaufgaben an private Marktteilnehmer vergeben.

Im generellen Geschäftsverkehr liegen durch das sich vom deutschen unterscheidende britische Vertragsrecht beachtliche Unterschiede vor, die in den Punkten 1.6 und 1.7 zusätzlich beleuchtet werden. Von Bedeutung sind hier auch unterschiedliche Gesetzgebungen in Schottland. An den Anfang haben wir die berufliche Situation der Architekten und planenden Ingenieure in Großbritannien gestellt, um auf dieser Grundlage die Besonderheiten im britischen Bildungssystem zu erläutern.

Insgesamt sind sowohl der Aufgabenbereich als auch die hierarchische Stellung des Architekten im Planungsprozeß in Großbritannien wesentlich unschärfer gefaßt als in Deutschland.

Aktuelle Entwicklungen auf dem deutschen Architekturmarkt wie beispielsweise die zunehmende Hinzuziehung von Beratern zum Planungsprozeß zeigen in die Richtung einer Entwicklung wie in Großbritannien. Schon von daher erscheint eine Auseinandersetzung mit der dortigen Situation für deutsche Architekten und Bauherren interessant. Veränderungen werden sich durch die künftige Gleichschaltung der europäischen Märkte zwangsläufig auch für Deutschland ergeben. Die Analyse von positiven wie negativen Auswirkungen einer völligen Freigabe des Marktes für Architektenleistungen am Beispiel Englands, des Preiswettbewerbes im Planungssektor, und ein Vergleich mit dem in Deutschland geltenden System des Leistungswettbewerbes für öffentliche Planungsaufträge können den deutschen Marktteilnehmern eine Vorbereitung auf zukünftige Entwicklungen ermöglichen und zeigen zum anderen die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der europäischen Gesetzgebung auf - deutsche Architekten und Planer müssen sich an diesem Prozeß beteiligen, um nicht von ihm überrollt zu werden. Das Bewußtsein für die anstehenden Veränderungen und die dafür notwendige Lobbyarbeit scheint im Moment nicht sehr stark ausgeprägt zu sein – schon ein einfacher Vergleich mit europäischen Nachbarn führt deutlich vor Augen, daß in Puncto Arbeitsgrundlagen viel Neues auf die EU-Architekten zukommen wird.

2 Berufsbild des Architekten

2.1 Architekten in England – Berufssituation

Die Situation von Architekten in Großbritannien zeichnet sich durch eine fortwährende Verschlechterung ihrer beruflichen Lage aus. Die 31.000 in Großbritannien registrierten Architekten (Institut für Freie Berufe 1993, S. 292) sehen sich nicht nur einem ruinösen Preiswettbewerb ausgesetzt – in Ermangelung einer verbindlichen Honorarordnung – sondern auch Konkurrenzberufen, die mehr und mehr Architektentätigkeiten an sich ziehen. Herkömmliche Tätigkeiten von Architekten werden zunehmend von Baugutachtern (Building Surveyors) und Projektmanagern übernommen, so daß der Arbeits- und Leistungsumfang der Architekten weiter abnimmt. Der harte (Preis-) Wettbewerb unter den britischen Architekten wird auch durch die vergleichsweise geringe Architektendichte von 543 Architekten pro einer Million Einwohnern kaum gemindert[1]. Dabei ist zu beachten, daß die Zuständigkeit der Architekten in Großbritannien insbesondere während der Bauausführung relativ gering ist (Institut für Freie Berufe 1993, S. 294). Die Berufssituation wird neben der fehlenden Honorarordnung und zunehmender Konkurrenz durch andere Berufe auch dadurch erschwert, daß es keinen gesetzlichen Schutz der Berufsausübung gibt (Deutsches Architektenblatt 1995, S. 531) – siehe Abschnitt 3. Hingegen besteht ein Schutz der Berufsbezeichnung, d. h. des Titels, durch die Architect's Registration Acts (1931 – 69).

Charakteristisch für die Berufssituation von Architekten ist weiterhin, daß Großbritannien im Gegensatz zu Deutschland keine eindeutige Abgrenzung der freiberuflichen zur gewerblichen Berufsausübung kennt. Besitzen Architekten in Großbritannien ein eigenes Büro, haben sie nicht den Status eines Freiberufler, sondern nur den eines Selbständigen. Der Anteil der Selbständigen unter den englischen Architekten liegt derzeit aber lediglich bei 26% (Institut für Freie Berufe 1993, S. 291). Zum Vergleich: In Deutschland sind 53% der Architekten selbständig. Bemerkenswert ist im übrigen, daß zwar 30% der Studienanfänger Frauen sind, jedoch nur 9% der registrierten Architekten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die schlechte Berufssituation läßt sich durch einige weitere Zahlen belegen:

- In England führen ca. 31.000 Personen den Titel „Architekt“, nur 17.000 von ihnen sind noch berufstätig.
- Von den berufstätigen Architekten sind in kleineren Büros ein Drittel unterbeschäftigt, unter Frauen sogar die Hälfte.
- Die Angestelltengehälter sind 1993 um 2% gesunken.
- Die Einkünfte der Büroinhaber sanken im selben Zeitraum um 15%.

2.2 Ausbildung zum Architekten – Ausbildungswege, Ausbildungsdauer, Abschlüsse, Prüfungen

2.2.1 Ausbildungsstätten

Die Ausbildung zum Architekten ist in Großbritannien an polytechnischen Schulen, Universitäten oder Colleges möglich. Ein Diploma in Architecture verleihen die polytechnischen Schulen von

- Central London, North London, North East London, South Bank, Thames
- Birmingham, Brighton, Huddersfield, Kinston, Leeds, Leicester, Liverpool
- Manchester, Oxford, Plymouth und Portsmouth und die Universitäten von
- London, Cambridge, Sheffield, Heriot-Watt (Edinburgh), Edinburgh, Belfast, Aberdeen und Glasgow; oder die Colleges
- Canterbury College of Art, Humberside College of Higher Education, Robert Gordon's Institute of Technology und Glasgow School of Art Weiterhin läßt sich der Abschluß eines Degrees in architecture erlangen an den Universitäten von
- Bath, Liverpool, Manchester, Newcastle, Nottingham, Wales, Dundee, Strathclyde und Glasgow.

Eine Liste der zugehörigen Kontaktadressen findet sich im Anhang (siehe 2.2).

2.2.2 Ausbildungswege und Ausbildungsdauer

Die Ausbildung zum Architekten ist in Großbritannien stark von der RIBA (Royal Institute of British Architects), der berufsständischen Organisation der Architekten, und dem ARB (Architects Registration Board) beeinflußt. So empfiehlt die RIBA Mindest­voraus­setzun­gen und Mindeststandards für ein Architekturstudium, u. a. auch eine Leitlinie für minimale Zugangsvoraussetzungen (entry requirements) zu einem Architekturstudium. Für England, Wales und Nordirland empfiehlt das RIBA das General Certificate of Education und das General Certificate of Secondary Education, für Schottland das Scottish Certificate of Education, und bei Abschlüssen in Übersee das University of Cambridge Overseas School and Higher School Certificate. Die Ausbildungsstätten sind bei der Auswahl der Studenten jedoch frei.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Überblick: Die Architekturausbildung in Großbritannien

Die Ausbildung zum Architekten erfordert in Großbritannien ein Studium mit einer Mindestdauer von fünf Jahren an einem College, einer polytechnischen Schule oder einer Universität. Das Studium wird durch ein einjähriges Praktikum und ein weiteres berufspraktisches Jahr ergänzt, das nach dreijähriger Studiendauer bzw. nach Ende des Studiums abzuleisten ist. Die Architekturausbildung dauert damit in Großbritannien mindestens sieben Jahre. Laut dem RIBA liegt die tatsächliche Ausbildungsdauer jedoch bei acht bis neun Jahren – wobei die Abbruchquote inklusive Studiengangwechsel bei 60% liegt. Das Studium ist zweigeteilt; der erste Abschnitt kann bei Vollzeitausbildung nach drei oder bei Teilzeitausbildung nach vier Jahren mit dem First Degree in Architecture-Diploma abgeschlossen werden. Darauf folgt ein einjähriges Praktikum. Der Nachweis über dem First Degree vergleichbare Fähigkeiten kann durch die intremediate examination der Architectural Association oder das erste Examen des RIBA erfolgen; diese Prüfungen besitzen jeweils den Status eines First Degree in Architecture Diploma (Institut für Freie Berufe 1993, S. 303).

An das Praxisjahr schließt sich der zweite Studienabschnitt mit einer Dauer von zwei Jahren an; er wird mit dem Diploma in Architecture (zweiten Examen) abgeschlossen. Entsprechende Fähigkeiten können auch durch Ablegen der Abschlußprüfungen der Architectural Association, der Architekturprüfung (examination in architecture) des Royal College of Art oder der Prüfung "Abschnitt II" des Royal Institute of British Architects (RIBA) nachgewiesen werden (Institut für Freie Berufe 1993, S. 303).

Wird die Eintragung als Architekt angestrebt, kann nach einem weiteren Jahr Praxis das von dem RIBA gestellte professional exam geleistet und Eintragung beim ARB als Architekt beantragt werden. Abschlußprüfungen (final examination) werden auch von der Architectural Association angeboten. Mit dem Abschluß einer Architekturausbildung eröffnet sich die Möglichkeit, dem RIBA als Vollmitglied beizutreten. In diesem Fall ist das Mitglied zu weiteren Weiterbildungsmaßnahmen verpflichtet (siehe 1.4).

Sollte man als deutscher Architekturstudent einen Auslandsstudium in Großbritannien anstreben, müssen (wenn das professional exam angestrebt wird) bei einem oder mehreren Auslandssemestern zwölf Monate Praxiserfahrung in Großbritannien und Qualifikationen nachgewiesen werden, die dem intremediate exam bzw. dem First Degree in Architecture entsprechen.

2.2.3 Studiensituation

Die Studiensituation in Großbritannien läßt sich durch einige vom RIBA veröffentlichte Angaben weiter präzisieren:

- Die Anzahl der Studenten in den ersten (bis zum intremediate exam) und zweiten (bis zum first degree) Ausbildungsschritten liegt bei ca. 10.000.
- Ungefähr 2.300 Studenten treten jährlich eine Architekturausbildung an.
- Jährlich bestehen ca. 700 Studenten das Abschlußexamen und besitzen damit die Voraussetzung, sich als Architekt registrieren zu lassen.
- 34% der Studienanfänger im ersten Ausbildungsabschnitt, 27% der Anfänger im zweiten Ausbildungsabschnitt und durchschnittlich 30% der Architekturstudenten sind weiblich.
- Im Durchschnitt kommen sieben Bewerbungen auf einen vergebenen Studienplatz
- Die Durchfallrate liegt bei den drei Prüfungen bei 15 – 50%

2.2.4 Arbeits- und Leistungsumfang

Infolge des verstärkten Preiswettbewerbes und vermehrter Konkurrenz durch andere Planungsbeteiligte haben sich in den letzten Jahren die Aufgabenfelder der Architekten in Großbritannien stark verändert und in vielen Fällen reduziert. Zudem gehört es zu der Besonderheit des britischen Pla­nungsrechts, daß Bauanträge von jedermann ohne Beteiligung eines Architekten eingereicht werden können. Die Beauftragung eines Architekten für ein Bauvorhaben ist somit nicht zwingend erforderlich. Insbesondere bei schlüsselfertigem Bauen (turn key projects) kommt es vor, daß ein Generalübernehmer sämtliche Leistungen anbietet und Architekten völlig außen vor bleiben. Dies erfolgt auf der Grundlage von Managementverträgen, die sich in Großbritannien zunehmender Beliebtheit erfreuen (siehe 1.7.2) Dies schließt zumeist die Bauleitung durch einen Projektmanager ein, so daß hier – insbesondere bei Großprojekten – die Bauleitung und das Projektmanagement von Konkurrenzberufen übernommen wird.

Die Planungstiefe und das Aufgabenfeld von Architekten umfaßt prinzipiell Vorplanung, Entwurfsplanung, Ausführungsplanung und Bauüberwachung; dabei wird während der Bauausführung die Bauüberwachung häufig an andere Consultants vergeben. In der Praxis erstellen Architekten daher in der Regel Entwürfe, während die Ausführung und Kontrolle der Bauarbeiten von den Bauunternehmen geleistet wird (Institut für Freie Berufe 1993, S. 295). Insgesamt wird der Durcharbeitungsgrad der HOAI in Großbritannien nicht erreicht (AHO 1996, S. 50).

Als weitere Aufgaben nennt das RIBA u. a.:

- Bedarfsanalyse
- Beratung von Kunden
- Vertragsberatung (Bauherrenberatung)
- Erarbeitung von Nutzungskonzepten
- Kostenberechnung
- zum Teil Wartung (i. S. von Facility Management) oder Bauleitung Es benennt zudem angesichts der desolaten Berufssituation weitere mögliche Spezialisierungsgebiete für Architekten, z. B.:
- als Berater und Gestalter im Bereich des Denkmalschutzes
- als Berater von Nachbarschaften und Nachbarschaftsvereinigungen (community groups). Dies betrifft insbesondere die Konsultation von Local Authorities, um die Berücksichtigung von Nachbarschaftsanliegen sicherzustellen, und die Koordination von Nachbarschaftsbelangen bei Planungen. Die Beratungstätigkeit betrifft hier den Angaben des RIBA zufolge auch die Beratung hinsichtlich Bauvorschriften (Building Regulations) wie Brandschutz etc.
- im Bereich des Projektmanagements

3 Zulassungsvoraussetzungen

3.1 Zulassungsbehörden – Zulassungsvoraussetzungen, Beiträge und Gebühren, Aufgaben und Leistungen der Zulassungsbehörde

Die Tätigkeit eines Architekten unterliegt keiner Zulassung und keinen Ausbildungsvoraussetzungen; sie kann von jedermann wahrgenommen werden, wie auch prinzipiell jeder bauvorlageberechtigt ist. Eine Zulassungsbehörde im eigentlichen Sinne existiert daher nicht.

Will man sich jedoch in Großbritannien mit der Bezeichnung "Architekt" niederlassen, ist die Mitgliedschaft in der englischen Architektenkammer ARCUK (The Architects Registration Council of the United Kingdom) vorgeschrieben. Voraussetzung dazu sind zwei Jahre Berufserfahrung und ein abgeschlossenes Architekturstudium inklusive einem Praktikum während des Studiums und eines nach Ausbildungsabschluß (Deutsches Architekten Blatt 1995, S. 531).

Die Anerkennung von Studienabschlüssen anderer EU-Staaten dürfte nach der EU-Architektenrichtlinie (85/384/EWG) relativ unproblematisch sein, da laut Richtlinie alle Diplome, die an spezifizierten Hochschulen eines EU-Mitgliedstaates erworben wurden, innerhalb der EU Gültigkeit besitzen[2]. Niederlassungsrechtlich sind also prinzipiell alle EU-Bürger gleichgestellt. Dabei ist jedoch zu beachten, daß ein Diploma in Architecture (oder ein gleichgestellter Studienabschluß) noch keine Berufsausübung in Großbritannien ermöglicht, da dazu ein zusätzliches Praktikum und die f inal examination vorgeschrieben sind. Unseren Informationen zufolge muß daher auch ein in anderen EU-Staaten tätiger Architekt seine Qualifikation durch Abschluß der final examination nachweisen, wenn er in Großbritannien den Titel "Architekt" führen möchte.

3.2 Berufsverbände – Zulassungsvoraussetzungen, Beiträge und Gebühren, Aufgaben und Leistungen der Berufsverbände

Prinzipiell sind in Großbritannien alle Berufssparten durch sich selbstverwaltende Verbände mit freiwilliger Mitgliedschaft organisiert. Historisch wurden diese Verbände nicht durch das Parlament gegründet, sondern mittels königliche Erlasse, die eine Etablierung und Aufrechterhaltung von gewissen Standards zum Ziel hatten (AHO 1996, S. 32).

Da die Berufsausübung eines Architekten in Großbritannien nicht geschützt ist, gibt es keinen Berufsverband mit Pflichtmitgliedschaft (Institut für Freie Berufe 1993, S. 297). Es gibt jedoch mehrere berufsständische Organisationen mit freiwilliger Mitgliedschaft, von denen das RIBA (Royal Institute of British Architects) die bedeutendste ist. Neben dem RIBA zählen zu den Berufsverbänden für Architekten The Royal Incorporation of Architects in Schottland und The Royal Society of Ulster Architects in Nordirland (Institut für Freie Berufe 1993, S. 311). Auch die Registrierungsbehörde für Architekten in Großbritannien (ARCUK) ist eine unabhängige Vereinigung von verschiedenen Berufsverbänden mit 31.200 Architekten als Mitglieder. Weitere wichtige Verbände für das Bauwesen sind z. B. das ARB (Architects Registration Board), das JCT (Joint Contracts Tribunal Ldt.), das Royal Institution of Chartered Surveyors und die NBS (National Building Specification Services).

Das RIBA zählt insgesamt mehr als 28.000 Mitglieder, darunter über 5000 ausländische und 3.500 studentische Mitglieder. Die britischen Mitglieder repräsentieren etwa 75-80% aller in Großbritannien registrierten Architekten (Duffy 1995, S. 620). Verdeutlicht man sich, daß bereits ca. 35% aller eingeschriebenen Architekturstudenten Mitglied des RIBA sind (vgl. die Zahlen zur Ausbildung in 1.2.2), wird die besondere Bedeutung und Stellung dieses Berufsverbandes deutlich.

Das RIBA ist eine sich selbst verwaltende Körperschaft, die durch das sogenannte Council geführt wird. Es besteht aus 62 gewählten Personen, von denen 18 landesweit und 36 regional gewählt werden. Das Council ist unabhängig und wählt den Vorsitzenden des RIBA auf zwei Jahre. Vom Council werden verschiedene Aufgaben an Komitees delegiert, darunter das Koordinierungskomitee, das die verschiedenen Tätigkeiten koordiniert und an das Council weiterleitet. Weitere Komitees sind die Komitees für Finanzen, Erziehung und Weiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit, Mitgliederbetreuung, Praxisfragen, Internationale Angelegenheiten und Bibliotheksverwaltung. Das Council und die Komitees werden bei ihrer Arbeit von mehr als einhundert hauptberuflichen Vertretern unterstützt (Duffy 1995, S. 620).

Obwohl eine Mitgliedschaft im RIBA oder in den anderen Berufsverbänden für Architekten nicht vorgeschrieben ist, sehen die meisten der berufstätigen Architekten darin eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Berufsleben, was zum einen mit dem Renommee des RIBA, zum anderen auch mit der Unterstützung zusammenhängt, die von ihm angeboten wird. Die Gründungsstatuten des RIBA gehen auf eine Royal Charter aus dem Jahr 1837 zurück, die drei Jahre nach Gründung des RIBA im Jahre 1834 veröffentlicht wurde. Darin definiert sich das RIBA als Interessenvertretung des Berufsstandes der Civil Architects und sieht seine Aufgabe in der Verbesserung des Könnens und der Standards der britischen Architektur, aber auch in der Vergrößerung des Ansehens ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit[3] (Duffy 1995, S. 619). Die Vorteile der Existenz des RIBA werden heute vor allem in Zusammenhang mit dem mangelnden Berufsschutz und der fehlenden Honorarordnung gebracht, deren Fehlen durch die Tätigkeit des RIBA als Interessenvertretung zumindest abgemildert wird.

3.2.1 Zulassungsvoraussetzungen

Da das RIBA nach seinem Gründungsstatut international ausgerichtet sein soll, ist auch deutschen Architekten und Architekturabsolventen ein Beitritt zum RIBA möglich. Dabei ist zu beachten, daß das RIBA nur Abschlüsse bestimmter Universitäten anerkennt. Innerhalb Großbritanniens ist für eine Mitgliedschaft kein abgeschlossenes Architekturstudium notwendig; die Möglichkeit, dem RIBA beizutreten, besteht bereits für Architekturstudenten. Die Mitgliedschaft verleiht jedem berufserfahrenem, als Architekt registriertem Mitglied das Recht, die Nachsilbe RIBA im Titel zu führen. Mit der Zulassung ist jedes Mitglied verpflichtet, an Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Diese staatlich vorgeschriebene Weiterbildung – von der auch andere Baubeteiligte betroffen sind – ist als Punktesystem organisiert. Jedes Mitglied muß demnach mindestens 35 Stunden Weiterbildung (Continuing Professional Development – CPD) nachweisen und dabei 100 Punkte sammeln. Themen sind dabei z. B. technische Entwicklungen, Rechtsfragen, Sprachkurse oder Finanzplanung.

3.2.2 Beiträge und Gebühren

Die Mitgliedschaftsgebühren des RIBA betragen derzeit zwischen £ 87 /Jahr für einen Architekturabsolventen bis hin zu £ 231 /Jahr für einen Architekten mit einer Berufserfahrung von über 18 Jahren; eine Studentenmitgliedschaft beträgt £ 12 im Jahr. Die Gebühren sind somit nach dem Grad der Berufserfahrung gestaffelt.

3.2.3 Aufgaben und Leistungen

Da es in Großbritannien weder einen gesetzlichen Schutz der Berufsausübung des Architekten noch einen Anspruch auf festgesetzte Honorare gibt, versteht das RIBA seine Aufgabe im wesentlichen darin, den Berufsstand des Architekten zu schützen und seine Interessen zu vertreten. Eine weitere Aufgabe des RIBA ist, die Anliegen der Architektur und der britischen Architekten gegenüber der Regierung, den Berufskollegen innerhalb und außerhalb der Bauindustrie, der Presse und auch der interessierten Öffentlichkeit überzeugend zu vermitteln und zugänglich zu machen.

Diese Form von Interessenvertretung betrifft jedoch nicht nur Öffentlichkeitsarbeit, sondern die Beteiligung an zentralen juristischen, finanziellen und ausbildungsbezogenen Entscheidungen im Bereich des Bauwesens, dazu zählt

- Die Einflußnahme des RIBA auf die Ausgestaltung von Bauverträgen durch das Joint Contracts Tribunal (JCT-Verträge, siehe 1.7.4.2)
- Empfehlungen von Mindeststandards und Zulassungsvoraussetzungen für die Architekturausbildung
- Das langjährige Eintreten für eine verbindliche Honorarordnung (bislang erfolglos) Insbesondere im Bereich der Ausbildung ist der Einfluß des RIBA bemerkenswert; sie legt weitgehend die Inhalte und das Wesen der Architekturausbildung fest, überprüft die Lehrtätigkeit durch visiting boards und Ratings der Hochschulen und wird umgekehrt von den Universitäten aufgefordert, die Einhaltung von Standards zu bestätigen (Duffy 1995, S. 619). Neben der Interessenvertretung bietet das RIBA direkte Unterstützung seiner Mitglieder, z. B. durch
- eine umfangreiche architekturbezogene Bibliothek und Informationssammlung, inklusive einer Sammlung von Manuskripten, Photographien und Zeichnungen
- Fortbildungsseminare und Veranstaltungen wie Ausstellungen und wöchentliche Vorlesungsreihen, die nicht nur den Mitgliedern, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich sind
- Eine eigene Versicherungsagentur für Architekten
- Eine Stellenbörse (recruitment service) und eine Online-Vermittlung von Architekten für interessierte Bauherren
- Kontakte zum Informationsaustausch und zur Beratung von Architekten

4 Baugenehmigung

4.1 Genehmigungsverfahren – Baugenehmigungspflicht, Bauantrag

4.1.1 Rechtliche Grundlagen

Ein wesentlicher Unterschied zwischen britischem und deutschen Bau- und Planungsrecht ergibt sich durch die Konzentrationswirkung der Baugenehmigung. Während in Deutschland die Baugenehmigung die städtebauliche Einordnung des Vorhabens und die bautechnische Sicherheitsprüfung, wie z. B. Standfestigkeit, Feuerschutz etc., umfaßt, müssen in Großbritannien für genehmigungspflichtige

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bauten sowohl eine (städtebauliche) Plan-Genehmigung als auch eine (konstruktionsbezogene) Baugenehmigung eingeholt werden, nämlich sowohl eine "Entwicklungsgenehmigung" (Planning Permission), die den Standort als Bauland freigibt, als auch eine Baugenehmigung (Building Permission / Building Permit / Approval under the Building Regulations), mit der die konkrete bauliche Konstruktion genehmigt wird (Schmidt-Eichstädt 1995, S. 10).

Wie auch in Deutschland, werden als Maßstab der Genehmigung eine Vielzahl von Vorschriften herangezogen. Die nationale Gesetzgebung zur städtebaulichen Planung und Baugenehmigung ist in Großbritannien in den Town and Country Planning Acts (1947 – 1993), dem Building Act und den Building Regulations zu finden. Im einzelnen werden dabei folgende planungsrechtliche Sachverhalte geregelt:

[...]


[1] Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Architektendichte (Stand: 1989) 984 Architekten pro einer Million Einwohner (Institut für Freie Berufe 1993, S. 293).

[2] Eine Gleichbehandlung der Staatsangehörigen der anderen EU-Mitgliedstaaten mit den Inländern sowie die freie Ausübung des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs stehen hier im Mittelpunkt; allerdings geht die Richtlinie auch qualitativ auf die zur Erlangung des Diploms notwendigen Kenntnisse ein, beeinflußt also direkt die Ausbildung an den Universitäten.

[3] Wörtlich heißt es dazu im Gründungsstatut (Duffy 1995, S. 619): "[the purpose of the RIBA is] the general advancement of Civil Architecture and for promoting and facilitating the acquirement of the knowledge of the various Arts and Sciences connected therewith, it being an art esteemed and encouraged in all enlightened nations, as tending greatly to promote the domestic convenience of citizens, and the public improvement and embellishment of towns and cities".

Ende der Leseprobe aus 56 Seiten

Details

Titel
Planen und Bauen in Grossbritannien
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Öffentliches und Privates Baurecht)
Veranstaltung
Europaweit II - Planen und Bauen in Europa
Note
1,3
Autor
Jahr
2000
Seiten
56
Katalognummer
V33042
ISBN (eBook)
9783638336178
Dateigröße
887 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit stellt Baugenehmigung (Verfahren, rechtliche Bedingungen), das zugrundeliegende Rechtssystem, das private Bauvertragsrecht (Beteiligte, Vertragsarten) und die sonst. Baubeteiligten in Großbritannien dar
Schlagworte
Planen, Bauen, Grossbritannien, Europaweit, Planen, Bauen, Europa
Arbeit zitieren
Jochen Müller (Autor:in), 2000, Planen und Bauen in Grossbritannien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33042

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