Legitimation in der Demokratietheorie von Jürgen Habermas


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Das Grundgerüst der Habermaschen Demokratietheorie
2.1 Das Modell der Gesellschaft
2.2 Das Prinzip der deliberativen Politik
2.3 Kommunikative und administrative Macht

3. Legitimation von politischen Entscheidungen in der deliberativen Demokratie
3.1 Bedingungen für das Entstehen von demokratischen Entscheidungen
3.2 Das Zusammenwirken von System und Lebenswelt

4. Die Zivilgesellschaft und ihr gesellschaftliches Umfeld
4.1 Politische Öffentlichkeit
4.2 Die Rolle der Zivilgesellschaft

5. Fazit

6. Literaturliste

1. Einleitung

Jeder theoretische Ansatz, der sich mit der Organisation von Gemeinwesen beschäftigt, muss der Frage nach der Art der Legitimation der politischen Entscheidungen eine besondere Bedeutung beimessen. Jürgen Habermas konkretisierte seine Vorstellung vom Ideal einer funktionierenden Demokratie in dem 1992 erschienenen Band „Faktizität und Geltung“ und versuchte, mit der Theorie der Demokratie durch Deliberation die Beschlüsse des politischen Systems wieder stärker an die Betroffenen zurück zu binden. Dadurch solle der, seiner Ansicht nach beobachtbaren, systemischen Verselbstständigung entgegengewirkt, die Herrschaft des Volkes hervorgehoben und damit betont werden.

Im Mittelpunkt seiner Konzeption steht der Versuch, die von ihm entwickelten Prinzipien der Diskursethik auf das Modell deliberativer Politik zu übertragen, um sie für den politischen Bereich real nutzbar zu machen. Grundlegend sind die dabei formulierten Anforderungen und Voraussetzungen an ergebnisorientierte und damit sinnvolle Formen der Kommunikation, da für Habermas der Ablauf der Verständigung den Gerechtigkeitsanspruch der politischen Entscheidung bestimmt. Im Vordergrund steht die Überlegung, welche Prozeduren bestehen müssen, damit Beschlüsse des politischen Systems als demokratisch betrachtet werden können.[1]

Entstanden sind diese Ansätze aus der empirischen Untersuchung der Verfassungswirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland und der daraus resultierenden Feststellung, dass eine Diskrepanz zwischen Verfassungsideal und -realität besteht. Die von Habermas in normativer Absicht formulierte Demokratievorstellung soll nun der Überwindung dieses Missverhältnisses dienen.[2] Dabei geht es ihm um die prinzipielle Verknüpfung von Theorie und Praxis durch die von ihm vorgelegten Ideen.

Offensichtlich handelt es sich also um eine Kritik an den bestehenden Verhältnissen und dabei im Besonderen an dem Zustandekommen von politischen Entscheidungen. Diese seien nach Habermas Meinung zu sehr vom eigentlichen Träger der Demokratie – dem Volk - abgekoppelt und bedürfen einer stärkeren Legitimation. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Rechtmäßigkeit in Habermas Demokratiemodell und analysiert die Voraussetzungen, die er an die Öffentlichkeit und damit den Ausgangspunkt der legitimierenden – der kommunikativen – Macht stellt. Im Fokus steht dabei die Frage, ob die Konzeption der Rolle der Zivilgesellschaft als wichtigstes Verbindungsglied in der Legitimationskette zwischen Volk und politischem System zu normativ gedacht ist. Dabei wird darauf eingegangen, ob die von Habermas formulierten Diskursanforderungen innerhalb der Zivilgesellschaft zu verwirklichen sind, oder ob sie lediglich in modellierter Weise in der Realität wahrgenommen werden können.

Bestätigt sich die Vermutung einer utopischen Vorstellung der Zivilgesellschaft und ihrer Wirkung im politischen Prozess, so muss davon ausgegangen werden, dass Habermas Überlegung einer verbesserten Implementierung von Rechtmäßigkeit über die stärkere Einbindung der Öffentlichkeit in der Realität nur scheitern kann. Damit könnte Habermas eigener Anspruch, eine in die Praxis umsetzbare Theorie entwickelt zu haben, als fehlgeschlagen betrachtet werden.

Um dies zu analysieren wird zu Beginn der Arbeit das deliberative Konzept von Demokratie beleuchtet und anhand der von Habermas entwickelten Vorstellung über die Strukturierung des Gesellschaft erklärt, inwieweit Prinzipien der Beratschlagung dazu führen, dass sich die einzelnen entfremdeten Gesellschaftsteile wieder miteinander verknüpfen. Damit der Ablauf dieser auf Kommunikation basierenden Verbindung verdeutlicht wird, fügt sich ein Abschnitt über die verschiedenen Formen der Macht in der deliberativen Demokratie an. Es soll dann im Weiteren aufgezeigt werden, welche Verfahren angewandt werden müssen, damit das Zusammenspiel der verschiedenen Mächte der Gesellschaftsteile zu legitimen Entscheidungen führt. Schließlich soll untersucht werden, wie eine Gesellschaft beschaffen sein muss, um Legitimation durch Kommunikation zu ermöglichen, und welchen speziellen Beitrag die Zivilgesellschaft in diesem Prozess wahrnimmt.

Die Basis der Hausarbeit bilden die beiden angegebenen Bände von Jürgen Habermas, und ergänzend wirkt eine Sekundärliteraturanalyse.

2. Das Grundgerüst der Habermaschen Demokratietheorie

Habermas Konzept gründet auf der Überlegung, dass moderne Gesellschaften sich nicht mehr auf einen verbindenden Hintergrundkonsens berufen können und deshalb die aufkommenden Konflikte über das Medium der Kommunikation bewältigt werden müssen. Die Verfolgung von kollektiven Zielen ohne Gewaltanwendung sucht nach einer Verständigungsart mit Verfahren, denen alle Beteiligten zustimmen, und Voraussetzungen, die von jedem Betroffenen erfüllt werden können.[3] Raum für diese Anforderungen bietet laut Habermas die Diskurstheorie, welche die notwendigen Kommunikationsformen der Meinungs- und Willensbildung einer komplexen Demokratie institutionalisiert.[4] Dabei handelt es sich um einen zweistufigen Prozess, bei dem politische Entscheidungen in einer Demokratie immer auf öffentlichen Meinungen basieren, aber ihre Gültigkeit erst durch staatliche Institutionen erhalten.[5] Gleichzeitig erlaubt die Kopplung von informeller Beratung und formeller Beschlussfassung sowie der daraus resultierende Zusammenhang zwischen Selbstverständigungsprozessen, Verhandlungen und Verfahren der Gerechtigkeit die Vermutung, dass die gefundenen Ergebnisse auf Vernunftbasis entstanden sind und deshalb auch als fair gelten können.[6] Der Ablauf einer solchen Meinungs- und Willensbildung ist nur nachvollziehbar bei Kenntnis der Habermaschen Vorstellung von Gesellschaft.

2.1 Das Modell der Gesellschaft

Innerhalb einer Gesellschaft herrscht die Notwendigkeit von Arbeitsteilung. Deshalb bestehen auch verschiedene Handlungssysteme nebeneinander. Das politische System stellt dabei nur eines von insgesamt drei tragenden Teilsystemen der Gesellschaft dar. Habermas unterscheidet weiterhin in das System der Ökonomie und in die Lebenswelt, wobei jedem einzelnen Element jeweils eine für die Reproduktion der Gesellschaft wichtige Ressource zugesprochen wird. Beim politischen System handelt es sich dabei um die administrative Macht, wohingegen der Ökonomie das Geld zugewiesen wird, und die Lebenswelt sich über die Ressource Solidarität auszeichnet. Der gesamte Integrations- und Steuerungsbedarf einer Gesellschaft wird aus diesen Ressourcen gezogen.[7]

Demokratisierung im Sinne von Habermas kann man nun als eine Art Neugewichtung zwischen den Ressourcen und den mit ihnen verbundenen Teilsystemen verstehen. Die in der Lebenswelt kommunikativ erzeugte Solidarität soll gegenüber den Ressourcen Geld und administrativer Macht an Bedeutung gewinnen, ohne dass die Ausdifferenzierung der Gesellschaft dadurch riskiert wird. Allerdings ist das zentrale Ziel die stärkere Anbindung der systemischen Abläufe an die Kommunikation der Lebenswelt, um das Schließen von Legitimationslücken zu ermöglichen.[8]

Im Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung stellt der Bereich der Lebenswelt den Raum für die Entdeckung und Identifizierung von gesellschaftlichen Problemen dar. In ihr findet demnach der informelle Teil der Entscheidungsfindung statt. Die Meinungsbildung in der allgemeinen politischen Öffentlichkeit ist dabei befreit von der Aufgabe der Beschlussfassung. Diese ist der parlamentarischen Öffentlichkeit innerhalb des politischen Systems und dessen rechtstaatlich verfassten, demokratischen Verfahren vorenthalten. Hier werden die in der Lebenswelt aufgegriffenen Probleme bearbeitet sowie die verschiedenen Lösungsvorschläge abgewogen, um schließlich eine politisch wirksame Entscheidung zu treffen.[9] Wichtig ist hierbei, dass die formelle Ebene unbedingt auf den Input der informellen Ebene angewiesen ist.

Damit die Inhalte des kommunikativen Handelns im Rahmen der Lebenswelt in rationales Handeln des politischen Systems übertragen werden können, wird das Recht gebraucht. Dieses stellt die Verbindung zwischen den einzelnen Teilsystemen dar, welche aufgrund ihrer Ausdifferenzierung die gegenseitigen Codierungen nicht mehr allein entschlüsseln können. Nur das Recht ist in der Lage, sowohl die Spezialcodes des Systems, als auch die Umgangssprache der Lebenswelt zu verstehen und kann deshalb als Vermittler fungieren.[10] Schließlich ermöglicht diese Übersetzungsleistung die Übergabe von Gesetzgebungskompetenzen vom Souverän auf politische Institutionen und garantiert dabei, dass die entstandenen Gesetze ihren Ursprung immer in der Meinungs- und Willensbildung des Volkes finden.[11]

Allerdings findet sich in diesen Formulierungen bereits ein von Habermas implementiertes demokratisches Ideal wieder, welches im Widerspruch steht zur vorgefundenen Verfassungsrealität, in der Politik immer häufiger zu reinem Verwaltungshandeln ohne Beteiligung der breiten Masse der Bevölkerung wird oder sich sogar ganz vom parlamentarischen Prozess abkoppelt[12]. Vielmehr reduziert sich der Einfluss der allgemeinen Öffentlichkeit auf die Teilnahme an Wahlakten. Daraus ergibt sich die Forderung nach einer Politisierung der Bürger, welche schließlich durch ihr neu entstandenes Engagement und ihre Aktivität eine emanzipierte Gesellschaft bilden sollen. Der Schlüssel zu einer solchen Wiederbelebung des politischen Bewusstseins liegt in der detaillierten Darlegung und Begründung jedweden politischen Handelns, und diese Form der Aufklärung ist am besten durch den öffentlichen Diskurs der Entscheidungsadressaten möglich.[13]

[...]


[1] Reese-Schäfer, Walter: Politische Theorie heute, Neuere Tendenzen und Entwicklungen, München 2000, S.11.

[2] Schüle, Christian: Die Parlamentarismuskritik bei Carl Schmitt und Jürgen Habermas, Grundlagen, Grundzüge und Strukturen, Neuried 1998, S.33.

[3] Habermas, Jürgen: Faktizität und Geltung, Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen

Rechtsstaats, 2. Aufl., Frankfurt am Main 1992, S.377.

[4] Scheyli, Martin: Politische Öffentlichkeit und deliberative Demokratie nach Habermas, Institutionelle

Gestaltung durch direktdemokratische Beteiligungsformen?, Baden-Baden 2000, S.43.

[5] Habermas, Jürgen: Faktizität und Geltung, S.373.

[6] Habermas, Jürgen: Die Einbeziehung des Anderen, Studien zur politischen Theorie, Frankfurt am Main 1999,

S.285.

[7] Reese-Schäfer, Walter: Politische Theorie heute, S.12.

[8] Palazzo, Guido: Die Mitte der Demokratie, Über die Theorie deliberativer Demokratie von Jürgen Habermas,

Baden-Baden 2002, S.42.

[9] Habermas, Jürgen: Faktizität und Geltung, S.373.

[10] Restorff, Matthias: Die politische Theorie von Jürgen Habermas, Marburg 1997, S.74.

[11] Ebd.: S.83.

[12] Habermas, Jürgen: Faktizität und Geltung, S.389.

[13] Schüle, Christian: a.a.O., S.37 und S.62.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Legitimation in der Demokratietheorie von Jürgen Habermas
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V32875
ISBN (eBook)
9783638334891
ISBN (Buch)
9783638948005
Dateigröße
474 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Legitimation in der Theorie von Habermas unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Zivilgesellschaft und untersucht daran die praktische Umsetzbarkeit des Konzeptes.
Schlagworte
Legitimation, Demokratietheorie, Jürgen, Habermas
Arbeit zitieren
Claudia Felber (Autor:in), 2004, Legitimation in der Demokratietheorie von Jürgen Habermas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32875

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