Peter Greenaway - Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber


Hausarbeit, 1998

14 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Musik im Film Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber
2.1. Memorial
2.2. Miserere
2.3. Book Depository

3. Zusammenfassung

4. Einführung in die Geschichte der Filmmusik

5. Literaturverzeichnis

Einleitung

Im Allgemeinen fallen Filmkritiken und Filmanalysen sehr umfangreich aus. Die Filmanalyse hat in den letzten Jahren einen festen Platz in der Literaturwissenschaft bekommen1. Deshalb ist es sinnvoll, diesen Kurs der vergleichenden Analyse zwischen filmischen und literarischen Texten durchzuführen. Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber ist keine Literaturverfilmung. Es lassen sich jedoch Symbole für die Literatur in diesem Film finden: zum Beispiel die Bücher des Liebhabers Michael. Während der Gruppenreferatsarbeit habe ich mein Thema gefunden. Dies war gezielt durch mein hohes Interesse an der Musik. Diese zugrunde gelegte Arbeit ist die Betrachtung, welche Bedeutung die Musik in dem Film Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber hat. Der Film wurde 1989 auf den Internationalen Filmfestspielen in Venedig uraufgeführt. Der Regisseur ist Peter Greenaway2 und die Musik wurde komponiert von Michael Nyman3, einem britischen Komponisten, der in der Zusammenarbeit mit Peter Greenaway bekannt wurde. Außerdem schrieb Michael Nyman die Musik zu Jane Campions Film The Piano. Die Michael Nyman Band besteht aus Klavier, Streichern: Violinen, Viola, Cello, Baß und Bläsern: Klarinette, Saxophon, Trompete. Peter Greenaway räumt meiner Thematik innerhalb des Films viel Raum ein, indem er sagt: „die Musik ist in meinen Filmen sehr wichtig“4.

2. Musik im Film Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber

Ich betrachte die drei musikalischen Themen: Memorial, Miserere und Book Depository. Diese drei Themen sind immer wieder während des Films zu hören. Wegen der Prägnanz der Musik untersuche ich ihre Bedeutung im Film Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber in dieser Seminararbeit. Es gibt unterschiedliche Wirkungsebenen von Filmmusik: die kognitive und die emotionale Ebene5. Filmmusik kann Bestandteil des optischen Geschehens sein oder Begleitung. Die Musik unterstreicht Zeit, Ort und Millieu der Handlung, markiert Übergänge, intensiviert Texte, vertieft emotionale Eindrücke und schafft Atmosphäre. Sie kann außerdem Gedankenverbindungen herstellen, die über das Optische hinausgehen. Die kognitive Ebene ist die Ebene der Erkenntnis. Sie wirkt als Lernzuwachs, Erwerb neuer Fakten und Vermittlung größerer Zusammenhänge. Die Musik hat hier die Form einer Requisite. Sie sollte der Zeit oder dem Milieu wirklich entsprechen6. Die emotionale Wirkungsebene schafft Sympathie oder Antipathie gegenüber den Darstellern. Das bedeutet, daß die Zuschauer die Gefühlsstimmungen des Films empfinden. Dazu dienen die Vorbildfunktion und die Bekanntheit der Darsteller. Die Musik soll an dieser Stelle Empfindungen hervorrufen und intensivieren. Wenn dem Hauptdarsteller die Tränen kommen, wird eine traurige, langsame Musik gespielt7. In dem Film Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber steht die Musik in Verbindung mit den Personen und den Farben der Räume. Der Koch ist die einzige neutrale Person. Seine Kleidung wechselt nicht die Farbe, wenn er den Raum wechselt. Durch den Küchenjungen, der das Miserere singt, gibt es dennoch eine Verbindung zu der Person des Kochs. Der Dieb und Restaurantbesitzer, Spica, wird von dem Memorial begleitet. Seine Frau und ihr Liebhaber, Giorgina und Michael, werden von dem Book Depository begleitet. Filmmusik ist eine funktionelle Musik. Als Leitmotiv verknüpft Filmmusik bestimmte Örtlichkeiten oder Personen miteinander. Eine weitere Technik des Einsatzes von Filmmusik ist die descriptive Technik. Hier ist die Musik leise unter Geräuschen und Dialogen zu hören. Stimmungen und Wirkungen werden durch die Musik verstärkt. Ihre Funktion ist illustrativ. Eine dritte Technik von Filmmusik ist die Mood-Technik. Hier geht es um Emotionalität und psychologische Stimulation. Die Musik ist zum Beispiel Ausdrucksmittel von Wahrnehmungen, Erinnerungen, Phantasievorstellungen und Gefühlen8. Ich betrachte die drei musikalischen Themen des Films Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber an kennzeichnenden Szenen.

2.1.Memorial

Das Stück Memorial dominiert im Film. Diese Musik ist nicht nur während des Films zu hören, sondern außerdem auch im Vorspann und im Abspann. Peter Greenaway bezeichnet das Memorial als feierlichen Trauermarsch9. Dieses Musikstück ist keine typische Trauermusik. Es ist marschmäßig durchrhythmisiert und wirkt eher düster, hektisch und aufgewühlt, als traurig. Neben dem Rhythmus spielen die Instrumente, die Disharmonien und die Intensität eine große Rolle für den Charakter dieser Musik. Das Memorial erinnert durch den Rhythmus und die Instrumentation stark an die Musik aus Peter Greenaways The draughtman’s contract10. In dem Film Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber ist das Memorial immer in den Räumen des Restaurants zu hören. Das Memorial ist Ausdruck für Spica. Er ist der Böse und Mächtige in diesem Film. Die grundlegende Atmosphäre dieser Musik wird bereits von den Streichern geschaffen. Sie ist unheimlich und ungemütlich. Durch die Bläser wird die Stimmung gesteigert. Sie wird intensiver und noch deutlicher. Gerade die Trompete verleiht dem Stück eine zwar majestätische, aber auch klagende Charakteristik. Die Musik des Memorial paßt zu der Atmosphäre des Restaurants, ein Ort ausgeführt durch die Farbe Rot. Die Ausstattung des Restaurants wirkt geradezu monströs. Es ist eine Atmosphäre der Bonvivants. Das Essen unterstreicht dies: tote Gänse und Truthähne mit Federkleid, gebratene Schweine mit Kopf liegen zur Dekoration zwischen Weintrauben und Gemüse. Es wirkt eher abstoßend, als appetitanregend. Dies bestätigt, daß ernste Musik des Barock, der Klassik und der Romantik oft mit Edlem verbunden wird. In diesem Fall untermalt die Musik das gehobene edle Restaurant mit einer feierlichen Atmosphäre. Aber es geht keineswegs feierlich in dem Restaurant zu: Spica mit seinem ständigen Gerede und den Demütigungen gegenüber seinen Gästen und seine Kumpanen, die mit den Händen „fressen“, zerstören jegliche Feierlichkeit. Spica schikaniert alle, die sich in seiner Nähe befinden. Die Zuschauer des Films leiden mit. Hier wirkt der starke Rhythmus, der die innere Unruhe des brutalen Spica nach außen trägt und Ausdruck für die Disharmonie des musikalischen Themas ist. Dissonanzen lassen beim Hörer ein Verlangen nach Auflösung aufkommen. Die musikalischen Disharmonien sorgen für Unruhe und Anspannung innerhalb des Films. Das Stück Memorial ist immer im Restaurant zu hören. Dennoch bin ich zu dem Eindruck gelangt, daß es das Thema des Spica ist. Er ist der Herrscher des Restaurants. Ohne ihn wäre das Restaurant nicht das, was es ist. Alles richtet sich nach ihm und unterliegt seiner Gewalt. Es gibt eine Übereinstimmung zwischen der Charakteristik des Memorial und dem Charakter Spicas. Die Kellner bewegen sich im Rhythmus der Musik. Sie gehen nicht durch den Raum, sie schreiten. Die ganze Szenerie ähnelt der eines Theaters. Das Memorial hat eine Leitmotivfunktion. Diese Musik ist immer zu Hören, wenn die Räume des Restaurants zu sehen sind. Spica ist der Besitzer des Restaurants und er ist dort der uneingeschränkte Herrscher. Deutlich wird die Leitmotivfunktion zu Beginn des Films. In dieser Szene wechseln die Küche und das Restaurant. In der Küche ist der Gesang des Küchenjungen zu hören. Auf diesen Gesang komme ich in Kapitel 2.2. zurück. Während ein Schwarzbild eingeblendet wird, das hier die Trennwand zwischen den Räumen symbolisiert, ist es still. Sobald die Räumlichkeiten des Restaurants zu sehen sind, setzt die Musik des Memorial ein. Hier ist das Memorial Leitmotiv für das Restaurant. Am Schluß des Films erreicht das Memorial seinen Höhepunkt. Die Musik untermalt die Szene, wo der Liebhaber (vom Koch zubereitet) dem Dieb von seiner Frau serviert wird. Alle Personen, die von Spica verletzt oder gedemütigt wurden, sind anwesend und es führt schließlich zu Spicas Tod. Hier ist das Memorial Leitmotiv für den Dieb. Durch den Einsatz aller Instrumente und einer stärkeren Dynamik wird die Musik ungeheuer intensiv. Sie wirkt klagend und disharmonisch. Der Tod Spicas, der optisch wahrgenommen wird, wirkt regelrecht befreiend durch die akustische Intensität und Auflösung der musikalischen Strukturen. Nun hat der Klang tatsächlich etwas Feierliches in sich. Es gibt weder im Film, noch in der Musik ein Happy End, aber der Zuschauer fühlt sich nach Spicas Tod um eine riesige Last erleichtert. Das Stück Memorial ist eindrucksvoll. Die Musik wird der Figur Spicas gerecht. Diese Musik überwiegt die anderen Musikstücke des Films. Das Memorial drückt Macht und Bosheit aus. Da das Memorial das Leitmotiv des Films ist, ist es auch während des Abspanns zu hören. Die Zuschauer bleiben dadurch gefesselt von der erlebten Brutalität. Die Stimmung, die im Film aufgebaut wurde herrscht weiter vor, die Zuschauer sind tief beeindruckt. Spica ist die Hauptperson des Films. Ihm gehört das Restaurant und er verkörpert das Böse. Daher ist es sinnig, sein Leitmotiv als Leitmotiv des Films zu verwenden. Die psychologische Wirkung des Memorial besteht darin, daß diese Musik einerseits den Charakter Spicas untermalt und andererseits durch den starken Rhythmus keine Ruhe und Entspannung aufkommen läßt. Solange das Memorial zu hören ist, sind die Zuschauer dieser Unruhe ausgesetzt.

[...]


1 Faulstich, Werner, „Einführung in die Filmanalyse“ in: Literaturwissenschaft im Grundstudium 1, Tübingen, 1994.

2 Labenski, Jürgen, „Greenaway“ in: Krusche, Dieter (Hg.), Reclams Filmführer, Ditzingen, 1996, S.744.

Greenaway, Peter, „Drehbuch“ Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber, Zürich, 1989.

3 Dahlhaus, Carl, Eggebrecht, Hans Heinrich, (Hg.), „Nyman, Michael“ in: Brockhaus Riemann Musiklexikon Ergänzungsband, Mainz, 1995, S.199.

4 Schoenemann, Cora N., „Der Tagesspiegel 26.5.1990“ in: Freunde der Deutschen Kinemathek (Hg.), Geschichte des Films in 365 Filmen ‘So viele Filme wie das Jahr hat.’ Nr. 337.

5 Vgl.: Bundeszentrale für politische Bildung ,(Hg.), Handbuch Medienarbeit, Opladen, 1991.

6 Beispiel: „Brautmarsch“ aus Wagners Oper Lohengrien als Musik zu einer Hochzeitsfeier.

7 Beispiel: Demme, Jonathan, Philadelphia, Musik von Bruce Springsteen,

Kieslowski, Krzyztof, Drei Farben Rot, Musik: Zbigniew Preisner

8 Vgl.:Faulstich, Werner, „Einführung in die Filmanalyse“ in Literaturwissenschaft im Grundstudium 1, Tübingen, 1994, S.149-153.

9 Schoenemann, Cora N., „Der Tagesspiegel“, siehe Fußnote Nr.4.

10 Es ist zum ersten Mal zu hören, wenn Mr. Neville sein fünftes Bild beginnt. Diese Musik wurde ebenfalls von Michael Nyman komponiert.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Peter Greenaway - Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Veranstaltung
Vergleichende Analyse filmischer und literarischer Texte
Note
1
Autor
Jahr
1998
Seiten
14
Katalognummer
V32802
ISBN (eBook)
9783638334266
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Peter, Greenaway, Koch, Dieb, Frau, Liebhaber, Vergleichende, Analyse, Texte
Arbeit zitieren
Yvonne Stingel (Autor:in), 1998, Peter Greenaway - Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32802

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