Sekundärmärkte für Digitale Musik: Anforderungen an eine Infrastruktur auf Basis von Digital Rights Management


Diplomarbeit, 2004

92 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1. Problemstellung & Zielsetzung
1.2. Gang der Untersuchung

2 Definitorische und ökonomische Einordnung von Musik als digitales Gut
2.1. Begriffliche Abgrenzung und elementare Eigenschaften digitaler Güter
2.2. Ökonomische Eigenschaften digitaler Güter
2.3. Einordnung des Gutes Musik in die Klassifikation digitaler Güter

3 Das deutsche Urheberrecht
3.1. Die historische Legitimation des deutschen Urheberrechts
3.2. Das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft
3.2.1. Die EU Richtlinie 2001/29/EG
3.2.2. Die Novellierung des deutschen Urheberrechts
3.3. Der Erschöpfungsgrundsatz im deutschen Urheberrecht

4 Sekundärmärkte für digitale Gebrauchsgüter
4.1. Definition Sekundärmarkt
4.2. Sekundärmärkte tangibler Gebrauchsgüter
4.2.1. Gütertypologien und Motivationsgründe
4.2.2. Markttypologien
4.3. Sekundärmärkte intangibler Anlagegüter
4.3.1. Gütertypologien und Motivationsgründe
4.3.2. Die Börse als zentraler Sekundärmarkt
4.4. Sekundärmärkte intangibler Gebrauchsgüter in Form digitaler Musik

5 Digital Rights Management
5.1. Definitorische Grundlagen und das 3-Beine Modell
5.2. Technische Bestandteile eines DRM Systems
5.2.1. Referenzarchitektur eines DRM Systems
5.2.2. Sicherheitsstrukturen in einem DRM System
5.2.2.1. Zugangs- und Nutzungskontrolle
5.2.2.2. Metadaten
5.2.2.3. Authentizität und Integrität
5.2.2.4. Trusted Computing
5.2.3. Kritische Würdigung
5.3. Rechtlicher Schutz in einem DRM System
5.3.1. Schutz der DRM Entwickler und Urheber
5.3.1.1. Schutz durch Nutzungsverträge
5.3.1.2. Schutz durch Technologie-Lizenzverträge
5.3.1.3. Schutz durch Urheberrecht
5.3.2. Schutz der Nutzer
5.3.2.1. Schutz der Privatsphäre
5.3.2.2. Schutz der Privatkopie
5.3.3. Kritische Würdigung
5.4. DRM Geschäftsmodelle im Musikbereich nach Protektionsgrad
5.4.1. Restriktives DRM am Beispiel von Musicload
5.4.2. Lockeres DRM am Beispiel von iTunes

6 DRM gestützte Sekundärmarktmodelle für digitale Musik
6.1. Zentralistisches Sekundärmarktmodell
6.1.1. Aufbau
6.1.2. Transaktionsprozesse und Informationsfluss
6.1.3. Sicherheitsstrukturen
6.1.4. Integrationsmöglichkeiten in bestehende DRM Modelle
6.2. Verteiltes Sekundärmarktmodell
6.2.1. Aufbau
6.2.2. Transaktionsprozesse und Informationsfluss
6.2.3. Sicherheitsstrukturen
6.2.4. Integrationsmöglichkeiten in bestehende DRM Modelle

7 Zusammenfassung und Ausblick

Verzeichnis des Anhangs

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zentralistisches Sekundärmarktmodell

Abbildung 2: Verteiltes Sekundärmarktmodell

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1. Problemstellung & Zielsetzung

Weltweit steht die Musikindustrie heute vor der vielleicht größten Herausforderung seit ihrem Bestehen. Die seit Ende der 90er Jahre aufstrebende Popularität des Internets und der darin operierenden Dateitauschbörsen wie Napster oder Kazaa bedrohen die traditio­nellen Vertriebskanäle der Musikbranche durch den millionenfachen Tausch illegaler Musikkopien. Der Internationale Verband der Phonographischen Industrie schätzte für 2001, dass 99% aller im Internet verfügbaren Musikstücke raubkopiert wurden.[1] Während Anfang 2003 13% aller europäischen Internetnutzer ihren Zugang dazu nutzten illegal Musik herunterzuladen, so waren dies im vergleichbaren Zeitraum in den USA bereits 29% aller erwachsenen Internetnutzer.[2]

In Reaktion auf diese alarmierenden Kennzahlen verfolgt die Musikbranche eine vielseitige Gegenstrategie, die zum einen darauf beruht, durch Verwarnungen und Schadensersatzklagen gegen Tauschbörsenbenutzer vorzugehen, die illegal Musik über das Internet verbreiten.[3] Zum anderen wird versucht, durch Kopierschutzverfahren das Einlesen von Musik CDs in Computersysteme zu unterbinden und diese Schutzmaßnahmen durch die Unterstützung eines restriktiveren Urheberrechts gesetzlich zu legitimieren und vor Umgehung zu schützen.[4] Als zukunftsträchtigste Strategie allerdings beurteilen Marktforschungsinstitute die zunehmende Erschließung digitaler Vertriebswege durch die Musikindustrie.[5] Hierbei soll die Schaffung legaler Alternativen zum illegalen Musikdownload in Kombination mit der bereits angesprochenen Androhung juristischer Schritte vormals illegale Tauschbörsennutzer zu legalen Kunden machen.[6] Die technische Basis für den Musikerwerb über legale Musikplattformen wie iTunes oder Napster 2.0 bilden so genannte Digital Rights Management Systeme (DRM). Diese sollen in erster Linie verhindern, dass in digitaler Form erworbene Musikstücke dupliziert und weiterverbreitet werden können. Darüber hinaus regulieren sie die Nutzungsrechte des Käufers einer geschützten Musikdatei, indem nur gewisse Nutzungsarten erlaubt bzw. in ihrer Inanspruchnahme quantitativ oder temporär eingeschränkt werden.[7]

Die ersten im Jahr 2002 gestarteten Musikdownloaddienste wie MusicNet oder Pressplay standen hierbei in der Kritik, da sie dem Käufer nur wenige Nutzungsrechte an den erworbenen Titeln einräumten und so keine Kundenakzeptanz fanden.[8] Erst die im April 2003 gestartete Musikplattform iTunes macht mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten und fast 1,5 Millionen verkauften Musiktiteln pro Woche deutlich, dass ein nutzerfreundliches Rechtemanagement einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Marktakzeptanz eines Downloaddienstes bildet.[9] Dies schließt idealerweise auch die Möglichkeit der Weiterveräußerung eines erworbenen Musikstücks mit ein.

Während die Option erworbene Musikstücke auf CD zu brennen oder auf mobile Abspielgerät zu übertragen bereits heute in den DRM Systemen von iTunes und anderen Plattformen realisiert ist, stellt der besagte Weiterverkauf ein bisher unüberwindbares Problem dar. Im Gegensatz zur Veräußerung einer CD, bei der das Gut Musik an einen physischen Träger gebunden ist und damit die Weiterveräußerung vereinfacht, stellt die digitale Kopie eines Musikstückes ein immaterielles Gut dar, das auch durch seine Reproduzierbarkeit und seinen öffentlichen Charakter einen Weiterverkauf im klassischen Sinn unmöglich macht.[10] Eine Problematik, die mit steigenden Onlineverkäufen und den damit verbundenen Wiederverkaufswünschen der Nutzer in den nächsten Jahren an Signifikanz noch deutlich zunehmen wird. Erst der Einsatz eines DRM Systems, das eine solche Transaktion überwacht und koordiniert, vermag dieses Problem zu lösen und unter Beachtung des Urheberrechts dem Nutzer die gleichen Freiheiten im Wieder­verkauf einzuräumen wie er sie von klassischen Tonträgern her gewohnt ist.[11]

Vor dem Hintergrund der dargestellten Problematik erörtert die vorliegende Arbeit die Eigenschaften eines Sekundärmarktes für digitale Gebrauchsgüter und entwickelt auf Basis der an einen solchen Markt gestellten Anforderungen zwei DRM gestützte Sekundärmarktmodelle, die die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine Weiterveräußerung digitaler Musikstücke schaffen. Ziel dieser Modelle ist es, durch eine umfassende Evaluation möglicher Komponenten eines DRM Systems eine Infrastruktur zu entwickeln, die sowohl die Interessen der Nutzer als auch die der Anbieter und Urheber gleichermaßen berücksichtigt.

1.2. Gang der Untersuchung

Um das Ziel der Entwicklung einer Infrastruktur für Sekundärmärkte auf Basis von Digital Rights Management zu erreichen, müssen zunächst umfassende theoretische Grundlagen gelegt werden.

Hierzu wird in Kapitel 2 zunächst die Begrifflichkeit eines vollständig digitalen Gutes definiert und dieses in seinen grundlegenden Eigenschaften beschrieben. Zusammen mit den ökonomischen Aspekten, die digitalen Gütern zu Grunde liegen, soll so die ursächliche Bedeutung dieser Parameter für den urheberrechtlichen Schutz und die notwendige Kontrolle digitaler Güter durch DRM Systeme unterstrichen werden. Musik in digitaler Form ist hierauf besonders angewiesen, was zusätzlich durch die ihre Einordnung in das Rahmenwerk digitaler Güter nach Luxem verdeutlicht werden soll.

Im folgenden Kapitel 3 wird dann die gesetzliche Seite dieses Schutzes in Form des deutschen Urheberrechts erörtert. Ausgehend von dessen grundlegender historischer Legitimation, liegt hier der Schwerpunkt auf den Bemühungen des Gesetzgebers, die Anforderungen eines digitalen Urheberrechts in die bestehende Gesetzeslage mit einzubinden. Die Gesetzesnovelle des Korb 1 bildet hier die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein wirkungsvolles digitales Rechtemanagement unter DRM Systemen, wie es dieser Arbeit zu Grunde liegt. Darüber hinaus wird der Erschöpfungsgrundsatz als Weiterveräußerungsrecht der Kopie eines urheberrechtlich geschützten Werkes dargestellt und seine Übertragbarkeit auf den Onlinebereich diskutiert. Die Existenz eines solchen Weiterveräußerungsrechts bildet die Voraussetzung für die Entstehung eines Sekundärmarktes, wie ihn das darauf folgende vierte Kapitel im ökonomischen Sinn beschreibt.

Hierzu definiert Kapitel 4 zunächst den Begriff des Sekundärmarktes allgemein und entwickelt im Anschluss das Modell eines Sekundärmarktes für intangible Gebrauchsgüter, das die ökonomische Basis dieser Arbeit bildet. Um zu diesem Modell zu gelangen, werden zwei klassische Arten von Sekundärmärkten auf ihre Eigenschaften hin untersucht. Dies ist zum einen der Markt für tangible Gebrauchsgüter und zum anderen der Markt für intangible Anlagegüter. Aus einer Kombination der Eigenschaften formt dann Kapitel 4.4 ein ökonomisches Anforderungsmodell für die Ausgestaltung eines Sekundärmarktes für das intangible Gebrauchsgut digitale Musik.

Nachdem Kapitel 4 die ökonomischen Grundlagen gelegt hat, diskutiert Kapitel 5 umfassend die technischen, rechtlichen und geschäftlichen Aspekte eines DRM Systems, das die funktionale Basis für die Infrastruktur eines Sekundärmarktes für digitale Musik bildet. Während der technische Schwerpunkt auf dem Aufbau eines DRM Systems, dessen Absicherung und dem Informationsfluss in ihm liegt, gilt es in der rechtlichen Sphäre den Rechtsschutz der DRM Betreiber, sowie der Urheber und Nutzer der angebotenen Inhalte zu gewährleisten und diese kritisch gegeneinander abzuwägen. Die Evaluation exemplarischer Geschäftsmodelle anhand des Protektionsgrades ihrer Musikinhalte zeigt die Konzeption unterschiedlicher DRM basierter Geschäftsstrategien in der Praxis auf und zieht daraus Schlüsse für die Legitimität der vorliegenden Arbeit.

Das zentrale Kapitel 6 kombiniert schließlich das ökonomische Sekundärmarktmodell aus Kapitel 4 mit den Elementen eines DRM Systems aus Kapitel 5 und entwickelt zwei alternative, DRM gestützte Sekundärmarktmodelle. Neben dem strukturellen Aufbau, dem Informationsfluss sowie der nutzerseitig unterstützten Transaktionsprozesse wird hierbei auch auf Sicherheitsstrukturen eingegangen, die die rechtlichen Ansprüche der Urheber zum Schutz ihrer Inhalte gleichermaßen zufrieden stellen. Um eine möglichst nahtlose und kostengünstige Integration in die Geschäftsmodelle bestehender Anbieter zu erreichen, werden darüber hinaus zu jedem Modell Integrationsmöglichkeiten in existierende DRM Systeme aufgezeigt.

Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse und gibt einen Aus­blick auf den Einfluss zukünftiger DRM Entwicklungen auf die entworfenen Modelle.

2 Definitorische und ökonomische Einordnung von Musik als
digitales Gut

2.1. Begriffliche Abgrenzung und elementare Eigenschaften digitaler Güter

Bezüglich der Abgrenzung vollständig digitaler Güter gegenüber klassischen physischen Gütern besteht in der Literatur überwiegend Übereinstimmung. Gemäß Luxem versteht man unter vollständig digitalen Produkten „[…] Informationen im weiteren Sinn, die in vollständig digitaler Repräsentation gespeichert vorliegen und ohne Bindung an ein physisches Trägermedium über Kommunikationsnetze vertrieben werden können.“[12] Diese Definition steht in engem Zusammenhang mit denen von Shapiro, Varian, Zerdick und Choi et al., die den Begriff Informationsprodukte als Synonym für digitale Güter verwenden und darunter alle Güter verstehen, die digitalisiert und in digitaler Form über das Internet distribuiert werden können.[13] Sie ist allerdings insofern stringenter, als dass digitale Güter, die einen Dienstleistungsanteil aufweisen bzw. auf einem physischen Trägermedium gespeichert sind, nicht mehr als vollständig digitales, sondern nur noch als semi-digitales Gut bezeichnet werden können.[14] Während also eine Musik CD nur als semi-digitales Gut eingestuft wird, ist die digitale Repräsentanz der gespeicherten Musik, die in Form einer elektronischen Datei über das Internet angeboten werden kann, ein vollständig digitales Gut. Betrachtungsobjekt dieser Arbeit sind gemäß obiger Definition ausschließlich vollständig digitale Güter.

Als grundlegende Eigenschaften dieser Güterkategorie lassen sich drei fundamentale Faktoren herausstellen:

Unzerstörbarkeit/Nicht-Abnutzbarkeit: Digitale Güter sind dauerhafte Güter, die während des Zeitraums Ihrer Gebrauchs keinerlei Abnutzung unterliegen und damit die klassische Differenzierung zwischen Gebrauchs- und Verbrauchsgütern überflüssig machen. Für Konsumenten genügt es demnach, das Produkt höchstens einmal innerhalb seines Lebenszyklus zu erwerben. Die Produzenten digitaler Güter entgegnen diesem Problem durch verkürzte Lebenszyklen in Form stetiger Weiterentwicklungen und Neuerscheinungen. Denn obwohl die Nutzung des Informationsproduktes nicht mit einem direkten Wertverlust verbunden ist, so ist sein Nutzen dennoch stark zeitabhängig.[15] Ein niedrigeres Preisniveau auf Gebrauchtgütermärkten für digitale Güter kann sich demnach nur auf Basis des individuellen Zeitraums der Nutzenstiftung entwickeln und nicht aus dem klassischen Werteverzehr durch Gebrauch.[16]

Veränderbarkeit: Digitale Güter sind im Gegensatz zu physischen Gütern leicht veränderbar und können inhaltlich durch Editierung sowie formal durch Umwandlung in andere digitale Formate erkennbar oder nicht erkennbar modifiziert werden. Produzenten digitaler Güter verlieren also zu einem gewissen Grad die Kontrolle über die Integrität ihrer Produkte. Um diese weiter zu gewährleisten, schützen viele ihre Produkte durch vertragliche Klauseln und technische Schutzmaßnahmen vor unerlaubter Manipulation durch Dritte.[17]

Reproduzierbarkeit: Von digitalen Gütern lassen sich zu verschwindend geringen Kosten perfekte Kopien erzeugen, die vollständig dem Original entsprechen. Diese einfache Duplizierbarkeit digitaler Güter birgt für ihren Produzenten gleichzeitig zentrale Vor- und Nachteile. Im positiven Sinne fallen im Vergleich zu den hohen fixen Entwicklungskosten des digitalen Gutes für ihn in der Regel nur marginale variable Produktionskosten an. Gleichzeitig muss der Hersteller aber damit rechnen, dass seine Produkte durch die Nutzer ebenfalls zu marginalen Kosten illegal dupliziert werden.[18]

2.2. Ökonomische Eigenschaften digitaler Güter

In teilweise engem Zusammenhang mit den elementaren Eigenschaften digitaler Güter stehen deren grundlegende ökonomische Charakteristika:

Die Immaterialität digitaler Güter schließt analog zu ihrer beschriebenen Nicht-Abnutzbarkeit den Konsum materieller Substanz aus. Vielmehr besteht der Konsum aus der Aufnahme des Inhaltes oder des Sinnes der gespeicherten Information.[19]

Aus der dargestellten Reproduzierbarkeit ergibt sich die besondere Kostenstruktur eines digitalen Gutes. Während die Erstellung der ersten Kopie eines digitalen Gutes („First-Copy-Costs“) hohe Fixkosten in Form von versunkenen Entwicklungskosten verursacht, betragen die Grenzkosten für jede weitere Kopie, die vom Original erstellt wird, im vollständig digitalen Vertrieb nahezu Null. Die daraus resultierende starke Fixkostendegression („Economies of Scale“) führt dazu, dass Anbieter mit einem besonders hohen Marktanteil und starken Umsatzzahlen eine wesentlich stärkere Stückkostendegression aufweisen, um so letztlich höhere Gewinne bzw. ein stärkeres Marktwachstum gegenüber dem Wettbewerb zu erzielen. Sollten die Absatzzahlen nun durch Piraterie so geschwächt werden, dass es dem Hersteller nicht gelingt, die versunkenen Entwicklungskosten zu decken bzw. keine Gewinne zu realisieren, so wird er keine Investitionen in die Neuentwicklung digitaler Güter tätigen können und aus dem Markt ausscheiden. Hierin liegt das Kernproblem der Software- und Musikindustrie begründet. Durch die urheberrechtliche Verfolgung der Täter sowie den Einsatz technischer Schutzmaßnahmen versuchen die betroffenen Industrien der unerlaubten Vervielfältigung ihrer Güter Einhalt zu gebieten.[20]

Digitale Güter sind darüber hinaus Erfahrungsgüter. Dem Nutzer eines solchen Gutes ist es dadurch erst nach dem Konsum möglich, seine qualitativen Eigenschaften zu bewerten. Dieses fundamentale Paradoxon der Information hat zur Folge, dass die Preisbereitschaft der Konsumenten gering ist, da sie den Wert des Gutes nicht ex-ante einschätzen können. Zur besseren Wertevaluation müsste das Gut also zum Konsum freigegeben werden. Ist dies allerdings erfolgt, so besteht seitens des Konsumenten keine Zahlungsbereitschaft mehr. Produzenten digitaler Güter wie Musik gehen daher dazu über dem Käufer elektronische Kostproben in Form kurzer Anspielclips zur Verfügung zu stellen, um eine bessere Wertbestimmung des digitalen Gutes zu ermöglichen.[21]

Besagte Wertbestimmung kann dann jedoch auch stark variieren, da jedes Gut vor dem Hintergrund spezifischer Kundenpräferenzen einen stark individuellen Nutzen aufweist. Wie bereits im Rahmen der Nicht-Abnutzbarkeit diskutiert, schwankt dieser individuelle Nutzen zudem zeitlich mit der Nutzungsdauer und kann so zu sehr heterogenen und komplexen Nutzenstrukturen des gleichen Gutes bei verschiedenen Kunden führen.[22]

Darüber hinaus hängt vielfach die Nutzenstiftung eines digitalen Gutes von positiven Netzwerkeffekten ab. Je mehr Nutzer ein Gut einsetzen, umso höher ist dessen Wertschätzung für jeden Einzelnen. Metcalfes Gesetz spricht hier sogar von einer exponentiellen Nutzensteigerung mit jedem zusätzlichen Teilnehmer. Ein Beispiel hierfür sind Internet-Tauschbörsen, deren Nutzen mit jedem weiteren Teilnehmer, der seine gespeicherten Musikdateien online zur Verfügung stellt, steigt.[23]

Gelingt es einem Produzenten sein digitales Gut als Branchenstandard zu etablieren und sind seitens der Konsumenten die Investitionen in eine Infrastruktur aus digitalen Gütern getätigt, treten Lock-In-Effekte zu Tage, die dadurch entstehen, dass die Wechselkosten zu einem anderen System den potenziellen Nutzengewinn übersteigen.[24] So erlauben Betreiber vieler Musikplattformen im Internet den Konsum der erworbenen Musikdateien ausschließlich mit ihrer proprietären Abspiellösung. Ein vollständiger Plattformwechsel würde für den Nutzer somit den Verlust aller Abspielrechte bedeuten.[25]

Der letzte wesentliche Charakter digitaler Güter ist deren Öffentlichkeit. Es besteht keine Rivalität im Konsum, da immer nur eine Kopie des Gutes weitergegeben wird (vgl. Reproduzierbarkeit). Die Folge sind Trittbrettfahrereffekte nicht zahlungsbereiter Konsumenten, die das Gut illegal duplizieren und damit seinen Urheber schädigen. Auch hier wird versucht, die per se abstinente Ausschließbarkeit des Konsums durch technische (Kopierschutz, DRM) oder juristische Mittel (Urheberschutz) wiederherzustellen.[26]

Über diese allgemeinen Eigenschaften digitaler Güter hinaus ergeben sich für das Gut Musik als zentrales Erkenntnisobjekt dieser Arbeit weitere Kriterien, die im Folgenden durch die Einordnung in die Klassifikation digitaler Produkte nach Luxem erörtert werden sollen.

2.3. Einordnung des Gutes Musik in die Klassifikation digitaler Güter

Das in Abbildung A.1 dargestellte Rahmenwerk nach Luxem bildet ein effektives Instrument, um die unterschiedlichen Merkmale spezifischer digitaler Güter zu erfassen. Auch Musik als digitales Gut lässt sich hierein mit ihren spezifischen Merkmalsausprägungen einordnen. Im Folgenden sollen hierbei nur die wesentlichen Merkmale besprochen werden. Eine vollständige Einordnung lässt sich gemäß der grau eingefärbten Felder aus Abbildung A.1 entnehmen.[27]

Eine digitale Musikdatei stellt in der Regel ein statisches, geliefertes Produkt dar, das in seiner Wertbeständigkeit nutzerspezifisch zeitabhängig ist. Ob ein Musiktitel noch als aktuell und damit höherwertig eingestuft wird, liegt am individuellen Geschmack des Konsumenten.[28] Im Rahmen der Nutzungsform digitaler Musik stellen nahezu alle über Tauschbörsen getauschte Musikdateien heute fixierte Dokumente dar, die durch offene, ungeschützte Formate eine freie Nutzungsentfaltung des Konsumenten erlauben. Im Sinne eines verbesserten urheberrechtlichen Schutzes und einer kontrollierten Nutzungsentfaltung sind hingegen alle über kommerzielle Musikplattformen wie iTunes vertriebenen Musikdateien unter die Kategorie ausführbares Programm einzuordnen. Hier bestimmt der Urheber durch technische Maßnahmen, in welcher Form die Daten genutzt werden dürfen. Damit können auch breit gefächerte physische Nutzungsmöglichkeiten wie die Speicherung auf CD oder die Übertragung auf ein portables Gerät, die im Rahmen ungeschützter Formate noch frei möglich waren, limitiert werden. Gleichermaßen wird die hohe Customizierbarkeit digitaler Musik eingeschränkt. Wo ungeschützte Musikdateien noch frei zu individuellen Spiellisten zusammengestellt und genutzt werden konnten, beschränken kommerzielle Plattformen heute vielfach diese Freiheit und schaffen so eine geringere Customizierbarkeit zu Gunsten einer verbesserten urheberrechtlichen Kontrolle der Inhalte.[29] Digitale Musik gehört, wie bereits beschrieben,[30] zur Kategorie der Erfahrungsprodukte und kann durch ein an den physischen Träger CD gebundenes Gut substituiert werden. Dieses ist zwar in seiner Funktion ähnlich, erlaubt aber nicht die Freiheiten in Zusammenstellung, Umwandlung und Transfer, wie sie ungeschützte digitale Musikdateien bieten. Es sind aber gerade diese Freiheiten, die das Urheberrecht und die technischen Schutzmaßnahmen im Bereich digitaler Güter heute vor große Herausforderungen stellen.

Das folgende Kapitel erörtert nun die urheberrechtliche Seite dieser Problematik und beschreibt die Bemühungen des deutschen Gesetzgebers die urheberrechtlichen Anforderungen digitaler Güter in die bestehende Gesetzeslage mit einzubinden.

3 Das deutsche Urheberrecht

3.1. Die historische Legitimation des deutschen Urheberrechts

Aus historischer Sicht ist der Begriff des Urheberrechts ein eher junges Konzept. Erst seit dem 16. und 17. Jahrhundert werden in Deutschland dem Autor die geistigen Rechte an dem von ihm geschaffenen Werk zugesprochen. Daraus abgeleitet ergibt sich für den Herausgeber das Recht gegen von ihm nicht autorisierte Kopien vorzugehen. Hierbei besteht allerdings im deutschen Urheberrecht ein fundamentaler Unterschied zur anglo-amerikanischen Konzeption des Copyrights. Während letztere eher einer utilitaristischen Tradition folgt, so steht die Person des Autors und die Wahrung dessen Rechte im Mittelpunkt des deutschen Urheberrechts. Durch das exklusive Weiterverbreitungsrecht und den damit verbundenen Gewinnen, soll dort für den Autor ein Anreiz geschaffen werden, neues geistiges Eigentum zu schaffen. Gleichzeitig gilt es aber dieses Exklusivrecht gegen die Teilung und damit Verbreitung von Wissen abzuwägen, die die zentralen Grundlagen für eine gesellschaftliche Weiterentwicklung bilden. Ein modernes Urheberrecht hat also nicht nur die Aufgabe den Handel mit geistigem Eigentum zu regulieren, sondern auch gegenläufige private und gesellschaftliche Interessen abzuwägen. Ein Charakter, der sich im deutschen Urheberrecht deutlich widerspiegelt.[31]

In seiner ersten Fassung aus dem Jahr 1965 stellte das deutsche Urheberrecht einen Meilenstein in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Es fasste nicht nur die bis dahin dominierende Fallrechtsprechung in einem Gesetz zusammen, sondern behandelte auch die damals erstmalig auftretende Problematik der massenhaften Aufnahme- und Kopiermöglichkeiten, die sich durch neue technologische Entwicklungen ergaben. So fürchtete bereits damals die Musikindustrie einen massiven Einbruch ihrer Absatzzahlen durch die private Duplikation urheberrechtlich geschützter Tonträger und die private Radioaufnahme. Die sich daraus ergebende Abrechnungsproblematik urheberrechtlicher Abgaben veranlasste den Gesetzgeber zur Einführung urheberrechtlicher Pauschalabgaben, die von den Geräteherstellern erhoben und an den Kunden weitergegeben wurden. Im Gegenzug wurde dem Kunden das Recht zugestanden, private Kopien ohne Zustimmung der Urheberrechtsinhaber zu erstellen. Eine Balance zwischen privatem und gesellschaftlichem Interesse war gefunden. Um diese zu wahren, sah man sich jedoch mit der zunehmenden Verbreitung technischer Kopiermöglichkeiten gezwungen, in der Gesetzesnovelle von 1985 die Anzahl der gestatteten Privatkopien zu begrenzen und die pauschale Abgabenhöhe anzuheben. Mit dem Aufkommen digitaler Kopiermöglichkeiten und dem Internet im Laufe der 90er Jahre drohte diese Balance jedoch anhaltend aus dem Gleichgewicht zu kommen. Wo vormals Privatkopien im engen persönlichen Kreis verblieben, kann heute im theoretischen Fall eine einzige im Internet getauschte Kopie einer Musikdatei die weltweite Nachfrage nach diesem Titel zusammenbrechen lassen.[32]

Es galt also das Urheberrecht den Ansprüchen der Informationsgesellschaft anzupassen.

3.2. Das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft

3.2.1. Die EU Richtlinie 2001/29/EG

Bereits im Jahr 1995 befasste sich die Europäische Union (EU) im Rahmen eines Diskussionspapiers mit den Herausforderungen für das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft. Auf Basis der darauf folgenden Konsultationen und den 1996 verabschiedeten „Internet Treaties“ der World Intellectual Property Organisation (WIPO), die die internationale Anwendung des Urheberrechts im digitalen Zeitalter regeln sollen, entstand im Juni 2001 die Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (2001/29/EG).[33]

In ihrem Grundsatz weitet die Richtlinie das ausschließliche Recht der Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung durch den Hersteller bzw. Urheber in Artikel 2 und 3 explizit auf elektronische Medien aus. Ausnahmen davon können gemäß Artikel 5 im Wesentlichen nur gelten, wenn Kopien für den privaten Gebrauch erstellt werden und die Urheber durch Pauschalabgaben einen angemessenen Ausgleich erhalten oder eine Vervielfältigung im Rahmen wissenschaftlicher Forschung zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke erfolgt. Den Mitgliedsstaaten ist freigestellt, diese Ausnahmeregelungen in nationales Recht umzusetzen. Im Bezug auf Privatkopien weist allerdings Artikel 6 die einzelnen Staaten darauf hin, dass technische Schutzmaßnahmen, die seitens des Urhebers die Nutzungsrechte der Rechtenehmer einschränken sollen, rechtlichen Schutz genießen müssen. Auch jegliches in Verkehr bringen von Programmen, die der Umgehung solcher Schutzmaßnahmen dienen, soll von nationaler Gesetzgebung her verboten werden.[34]

Artikel 8 nimmt schließlich expliziten Bezug auf die Auskunftspflicht der Internetprovider, deren Nutzer gegen das Urheberrecht verstoßen. Hier muss gemäß des europäischen Parlaments auf nationaler Ebene sichergestellt sein, dass Rechteinhabern ein Auskunftsrecht über die individuellen Urheberrechtsverletzer eingeräumt wird, damit diese rechtlich belangt werden können.[35]

Obwohl die beschriebene Richtlinie bereits zum 22. Dezember 2002 in nationales Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden sollte, trat die deutsche Urheberrechtsnovelle (Korb 1) erst zum 13. September 2003 in Kraft.[36] Die konkrete Ausgestaltung der Richtlinie im deutschen Urheberrecht und ihre Auswirkungen auf die betroffenen Anspruchsgruppen werden im nun folgendem Kapitel diskutiert.

3.2.2. Die Novellierung des deutschen Urheberrechts

Das von Seiten der EU Richtlinie in Artikel 2 und 3 auf elektronische Vertriebskanäle ausgeweitete exklusive Verwertungsrecht des Urhebers findet sich in der vorgeschlagenen Form auch im novellierten deutschen Urheberrecht in den Paragraphen 15 Abs. 2 Satz 2 und 19a wieder.[37] Gleichzeitig wurden aber auch die von der EU vorgegebenen Beschränkungen dieses Exklusivrechts umgesetzt, sowie umfassende rechtliche Bestimmungen und Sanktionen für die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen in der neuen Gesetzesversion verankert. Die von Seiten der EU geforderte erweiterte Auskunftspflicht der Internet Provider gegenüber den Urhebern wurde jedoch auf die nächste Urheberrechtsreformstufe (Korb 2) verschoben.[38]

Im Folgenden sei nun die Umsetzung der neuen Elemente beschrieben, die das Urheberrecht an die Anforderungen der Informationsgesellschaft anpassen sollen:

Protektion technischer Schutzmaßnahmen

In Umsetzung von Artikel 6 der EU Richtlinie 2001/29/EG ist es im Rahmen des neuen deutschen Urheberrechtes gemäß §95a Abs. 1 gesetzeswidrig, wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines urheberrechtlich geschützten Werkes ohne Zustimmung des Rechteinhabers zu umgehen.[39] Hierbei handelt es sich konkret um simple Kopierschutzsysteme, wie sie auf vielen Audio CDs zu finden sind und um komplexere DRM Systeme, wie sie vor allem beim Onlinevertrieb urheberrechtlich geschützter Inhalte eingesetzt werden. Im Kontext letzterer Systeme wurde zudem explizit die Entfernung und Veränderung von Informationen zur Rechtewahrnehmung verboten (§95c Abs. 1 UrhG). Hierzu zählen nach §95c Abs. 2 elektronische Nutzungsrechte sowie Werks- oder Urheberinformationen der erworbenen Inhalte.[40] Sollten dennoch Sicherungsmaßnahmen umgangen werden, können seitens der Urheber gegen Privat- und Geschäftspersonen im Rahmen von §97 Abs. 1 umfassende zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden.[41] Im Falle von Geschäftspersonen kommen laut §108b hierzu noch strafrechtliche Konsequenzen in Form von Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren. Nur noch in nach §95b explizit geregelten Ausnahmefällen ist die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen ohne die Zustimmung des Urhebers legal.[42] Im Rahmen dieser umfassenden Umgehungsverbote hofft der Gesetzgeber zusätzliche Anreize für den Einsatz von DRM Technologien zu schaffen und durch ihre rechtliche Absicherung neue elektronische Vertriebsformen urheberrechtlich geschützter Werke zu fördern.[43]

Gleichzeitig wurden auch gemäß den Vorgaben der EU Richtlinie mit §95a Abs. 3 alle Produkte und Dienstleistungen verboten, die einer gesetzeswidrigen Umgehung technischer Schutzmaßnahmen dienen. Eine Maßnahme, die von den Urheberverbänden zwar begrüßt wurde, aber seitens der Hersteller der betroffenen Produkte großer Kritik ausgesetzt ist.[44]

Öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung

Mit der zunehmenden Verwendung von elektronischen Informationen und Kommunikationsmitteln innerhalb der Forschungs- und Lehrbetriebe hielt es der deutsche Gesetzgeber zudem für nötig, die seitens der EU Richtlinie eingeräumte Handlungsfreiheit für eine urheberrechtliche Ausnahmeregelung in diesem Bereich zu nutzen.[45] So ist nach dem novellierten deutschen Urheberrecht die elektronische Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke geringen Umfangs, zu kleinen Teilen, sowie aus Zeitungen und Zeitschriften innerhalb eines abgegrenzten Personenkreises für Unterricht und Forschung zulässig (§52a Abs. 1 UrhG).[46] Auch die Umgehung technischer Maßnahmen zur Inanspruchnahme dieser Regelung wird durch §95b legitimiert. Einer entsprechenden Nutzung muss dann allerdings nach §52a Abs. 1 eine angemessene Vergütung gegenüberstehen, die zumeist in Form von Pauschalabgaben durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht wird.[47] Die Brisanz dieser Ausnahmeregelung vom urheberrechtlichen Grundsatz des exklusiven Verwertungsrecht ergibt sich aus der Einfachheit der Erstellung und Verbreitung einer Kopie in elektronischen Medien. So sahen viele Urheber in Anbetracht der besonderen Popularität von Tauschbörsen und Kopierpraktiken in Bildungseinrichtungen die Gefahr, dass massenhafte Duplikate einer einzelnen Werkskopie durch den Ausnahmeparagraphen legitimiert würden.[48] Eine Auslegung, der das Justizministerium mit der Betonung des abgegrenzten Personenkreises deutlich entgegentrat, aber dennoch in §52a eine genaue Beobachtung der Regelung bis Ende 2006 vereinbarte, um deren Praxistauglichkeit besser beurteilen zu können.[49]

Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch

Genau wie im beschriebenen wissenschaftlichen Bereich besteht auch im Privatbereich der in den deutschen Grundgesetzartikeln 5 (Informationsfreiheit) und 14 (Eigentumsschutz) ausgedrückte Konflikt zwischen freier Informationsbeschaffung und Eigentumsschutz der Urheber.[50] Um die Balance dieser beiden Interessen herzustellen, gesteht §53 des deutschen Urheberrechts seit jeher Konsumenten urheberrechtlich geschützter Werke die Möglichkeit zu, gegen angemessene Entlohnung der Urheber Kopien für den privaten Gebrauch herzustellen. Eine Ausnahmeregelung, die es, wie durch die EU Richtlinie vorgegeben, ebenso im digitalen Kontext zu erhalten galt.[51] Die Neufassung des §53 postuliert dementsprechend auch weiterhin die Rechtmäßigkeit der einzelnen Vervielfältigung eines Werkes zum privaten Gebrauch, knüpft diese Regelung allerdings an umfangreiche Einschränkungen. So ist gemäß §53 Abs. 1 die Erstellung einer Privatkopie grundsätzlich nur erlaubt, wenn sie von einer legal erworbenen Vorlage stammt. Hierbei soll im Besonderen die Kettenvervielfältigung duplizierter Tonträger eingedämmt werden.[52] Gleichzeitig wird so die Weiterverbreitung privat erstellter Kopien über illegale Internet-Tauschbörsen in zweifacher Hinsicht verboten. Einerseits verlässt die Kopie hierbei die private Sphäre und andererseits entstammt jede weitere Kopie, die über das Netzwerk weiter getauscht wird, nicht mehr einer legalen Quelle.[53]

Eine wesentliche Fragestellung, zu der das Gesetz auch in seiner neuen Form nur unzureichend Stellung nimmt, ist die Durchsetzung der Erstellung einer Privatkopie gegen technische Schutzmaßnahmen. Während zum einen ausdrücklich das Recht zur Anfertigung solcher Kopien postuliert wird, wird zum anderen die Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen selbst dann untersagt, wenn dies allein der Erstellung einer legalen Privatkopie dient. Um diesen Widerspruch aufzulösen, werden in §95b entsprechende Ausnahmeregeln definiert, die unter anderem eine Umgehung im Fall von Privatkopien legitimieren. Umfangreiche Prämissen und unklare Um­setzungsrichtlinien verhindern jedoch eine effektive Ausübung dieses Um­gehungsrechtes, so dass vielfach bereits vom Ende der privaten Kopie im Informationszeitalter gesprochen wird.[54]

Auch die Bundesregierung hat hier entsprechenden Handlungsbedarf erkannt und beabsichtigt dieses Konfliktfeld im Rahmen einer zweiten Reformstufe (Korb 2) deutlicher zu regeln.[55] Während Branchenverbände auf die vollständige Abschaffung der digitalen Privatkopie drängen,[56] bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber hier eine Regelung finden wird, die die Balance des analogen Zeitalters auch im digitalen Bereich wiederherstellt.

Urheberrechtliche Pauschalabgaben

Im Allgemeinen dienen urheberrechtliche Pauschalabgaben, wie bereits angedeutet, der angemessenen Entlohnung der Urheberrechtsinhaber, falls technische Geräte für die Erstellung nicht genehmigungspflichtiger Kopien genutzt werden können.[57]

Die Abgaben werden seitens der Kollektionsgesellschaften unmittelbar von den Herstellern erhoben und preislich an den Kunden weitergegeben. Gemäß festgelegter Verteilungsschlüssel werden diese dann an die Autoren und Rechteinhaber ausgezahlt.[58]

In Punkt 38 ihrer Präambel betont nun die EU Richtline 2001/29/EG, dass vom Urheber nicht autorisierte digitale Kopien für den privaten bzw. wissenschaftlichen Gebrauch eine weitere Verbreitung und eine größere wirtschaftliche Bedeutung erlangen werden als ihre analogen Pendants.[59] Dementsprechend wurde den Mitgliedsstaaten nahe gelegt, diesen Unterschied in die Konzeption ihrer urheberrechtlichen Pauschalabgaben mit einzubeziehen und entsprechende Regelungen anzupassen bzw. selbige durch effektivere Abgabensysteme zu ersetzen. Der EU Empfehlung trat der deutsche Gesetzgeber entgegen und bestätigte die Rechtmäßigkeit der pauschalen Urhebergebühren.[60] Das Urheberrecht blieb entgegen den Forderungen der EU und der Industrie in diesem Punkt unverändert.

Gleichzeitig formiert sich aber innerhalb der Industrie Widerstand gegen das bestehende Abgabensystem. Während Urheberverbände angesichts der überhand nehmenden digitalen Privatkopien eine Anhebung der pauschalen Abgaben fordern,[61] wehrt sich die Herstellerindustrie vehement gegen diese Forderungen und unterstützt die individuelle Abrechnung urheberrechtlicher Abgaben durch DRM Systeme.[62] Hierbei würden keine pauschalen Geräteabgaben mehr erhoben, sondern nur die urheberrechtlichen Abgaben zwischen Nutzer und Urheber abgerechnet, die dieser tatsächlich verursacht. Studien im Auftrag der industriellen Branchenverbände sehen durch die Anhebung pauschaler Abgaben gar die europäische Wettbewerbsfähigkeit bedroht und fordern die EU und deren Mitgliedsstaaten dazu auf, sich für die gerechtere, individuelle Abrechnung über DRM Systeme einzusetzen.[63] Eine Forderung, die die zukünftige Bedeutung von DRM Systemen unterstreicht und bereits von politischen Vertretern aufgegriffen wurde, um im Rahmen der zweiten Reformstufe des Urheberrechts (Korb 2) diskutiert zu werden.[64]

Während die dargestellten reformierten Elemente des Urheberrechts im Wesentlichen einen funktionierenden Primärmarkt urheberrechtlich geschützter Güter sicherstellen sollen, bildet der so genannte Erschöpfungsgrundsatz des deutschen Urheberrechts das Fundament für einen funktionierenden Sekundärmarkt. Neben einer konzeptionellen Darstellung gilt es im folgenden Kapitel zu klären, ob dieser Grundsatz auch für digitale Güter gilt und somit im Sinne dieser Arbeit die Entstehung eines Sekundärmarktes für digitale Musik ermöglicht.

3.3. Der Erschöpfungsgrundsatz im deutschen Urheberrecht

Der Erschöpfungsgrundsatz ist im deutschten Urheberrecht innerhalb des Paragraphen 17 Abs. 2 definiert. Dieser besagt, dass einmal mit Zustimmung des Urhebers ausgebrachte Vervielfältigungsstücke eines urheberrechtlich geschützten Werkes ohne Zustimmung des Urhebers weiterveräußert werden dürfen. Das exklusive Verbreitungsrecht des Urhebers gemäß §17 Abs. 1 erschöpft sich somit für jedes Werkexemplar nach dessen Ausbringung. So wird der Handel urheberrechtlich geschützter Güter auf Sekundärmärkten überhaupt erst möglich. Lediglich die gewerbliche Vermietung wird von diesem Grundsatz ausgeschlossen.

Die Motivation einen solchen Paragraphen in das Urheberrecht mit aufzunehmen liegt im Eigentumsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) begründet. Während das Ur­heberrecht zwar dem Urheber die exklusive Befugnis zur faktischen Weitergabe eines Werk­exemplares zuspricht, unterliegt die durch den Nutzer erworbene Kopie als Sache gleichzeitig auch dem Eigentums­recht des BGB. Eigentum ist hierin aber als frei veräußerliches Eigentum definiert. Der so entstehende Konflikt wird durch den Erschöpfungsgrundsatz aufgehoben, indem die­ser ein freies Veräußerungsrecht des Werk­exemplares nach der ersten Verbreitung durch den Urheber durchsetzt. Auch das Entgeltrecht des Urhebers ist so auf die erste Veräußerung einer Werkskopie beschränkt.[65]

Neben der Stärkung der nutzerseitigen Gebrauchsrechte an einem erworbenen Werkexemplar fördert der Erschöpfungsgrundsatz darüber hinaus positive gesamtwirtschaftliche Entwicklungen. So wird durch das Aufkommen von Gebrauchtgütermärkten und der im Vergleich zu Primärmärkten günstigeren Preisstruktur ein breiterer Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken geschaffen. Gleichzeitig fördert der Erschöpfungsgrundsatz den Erhalt und die Nutzung eines urheberrechtlichen Werkes, sollte der Urheber dessen Vertrieb auslaufen lassen, zeitlich beschränken oder aktiv beenden wollen. Die Vertriebsmöglichkeit gebrauchter Werkexemplare sichert hier den Verbleib und die fortdauernde Zirkulation des ausgebrachten Wissens unter der Bevölkerung. Darüber hinaus schützt die Erschöpfung des Verbreitungsrechtes die Anonymität und Privatsphäre der Nutzer, da auf klassischen Sekundärmärkten wegen der entfallenden Entgeltpflicht gegenüber dem Urheber keinerlei Details über den Zweitkäufer des Gebrauchtgutes an den Urheber zurückfließen.[66]

Trotz der dargestellten positiven Effekte besitzt der Erschöpfungsgrundsatz aus juristi­scher Sicht keinen zwingenden Charakter. Dies bedeutet, dass der Urheber dem Nutzer nicht zwingend unter Einschränkung seines exklusiven Verbreitungsrechtes ein Weiter­veräußerungsrecht gewähren muss. Vielmehr sind individuelle vertragsrechtliche Ver­einbarungen, die ein Weiterveräußerungsrecht ausschlie­ßen, rechtlich zulässig. Eine gesetzliche Option, die vorwiegend im Bereich digitaler Güter im Rahmen individueller Lizenzverträge zwischen Urheber und Nutzer ausgeübt wird.[67]

Hierbei gehen Urheber digitaler Güter dazu über, an die Stelle des urheberrechtlich abgesicherten Verkaufes einer Werkskopie einen privatrechtlichen Lizenzvertrag zu setzen. Unter Ausschluss des Urheberrechts schließen hier der Nutzer und der Urheber des Werkes einen individuellen Nutzungsvertrag. Der Nutzer erwirbt somit durch den Kauf lediglich das ihm vertraglich zugesicherte Nutzungsrecht an der Kopie. Was dieses Nutzungsrecht beinhaltet ist innerhalb des geschlossenen Vertrages explizit festgelegt. Der Weiterverkauf ist hierbei in der Regel untersagt.[68]

Eine zentrale Motivation durch Lizenzverträge das Urheberrecht zu umgehen und Weiterveräußerungsrechte auszuschließen, ergibt sich aus der leichten Kopierbarkeit digitaler Güter und dem daraus resultierenden Problem eine Ausschließbarkeit des Konsums herzustellen. So würde beim Weiterverkauf eines ungeschützten digitalen Gutes lediglich ein Duplikat der rechtmäßig erworbenen Kopie veräußert. Eine nicht tolerierbare Handlungsfreiheit, die es von Seiten der Urheber notwendig macht, das hierin unpräzise Urheberrecht hinter ein flexibles Vertragsrecht zurückzudrängen.[69]

Es stellt sich also die Frage, inwiefern das Urheberrecht mit seinem an ausschließbaren, körperlichen Objekten orientierten Erschöpfungsgrundsatz überhaupt für öffentliche, digitale Güter gelten kann? Die Meinungen in der Literatur hierzu sind gespalten.

Reese, sowie Miller und Feigenbaum schließen die Geltung des Erschöpfungsgrundsatzes im Bereich digitaler Güter aus. Sie argumentieren, dass es eine Weiterveräußerung nur unter Zugeständnis eines Vervielfältigungsrechtes an den Nutzer möglich ist, weil eine Weitergabe nur in Kopie und nie exklusiv erfolgen kann. Da die Urheber nicht bereit sind ihr Vervielfältigungsrecht zu teilen, verhindert somit die mangelnde Ausschließbarkeit eine digitale Erschöpfung.[70]

In den Erwägungsgründen der EU Richtlinie 2001/29/EG wird die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf Online-Dienste ebenfalls grundsätzlich abgelehnt, da die Online Übertragung eines digitalen Gutes keine Verbreitung, sondern eine öffentliche Wiedergabe ohne Bindung an ein physisches Trägermedium ist. Entsprechend gilt der auf die Verbreitung beschränkte Erschöpfungsgrundsatz nicht.[71]

Knies als Befürworter eines digitalen Erschöpfungsgrundsatzes erkennt diese Einordnung zwar grundsätzlich an, verdeutlicht jedoch deren Problematik anhand des Beispieles digitaler Musik. So sind sich eine online erworbene Musikdatei und eine CD als deren physische Repräsentation zu ähnlich, um eine Differenzierung zwischen Verbreitung und öffentlicher Wiedergabe zu rechtfertigen. Gleichzeitig muss die Verkehrsfähigkeit online erworbener Musikdateien gewährleistet bleiben. Denn genau wie beim Kauf eines körperlichen Vervielfältigungsstückes hat der Erwerber auch beim Kauf einer elektronischen Kopie großes Interesse daran, diese nach Belieben weiterveräußern zu dürfen. Ein wachsender Online-Musikmarkt wird diese Forderung weiter verschärfen und die digitale Erschöpfung zu einer notwendigen Marktvoraussetzung machen.[72]

Knies’ Darstellung macht deutlich, dass im Musikbereich aus Marktakzeptanzgründen ein Weiterveräußerungsrecht analog der CD hergestellt werden muss. Ob dieses Veräußerungsrecht allerdings auf dem urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz oder auf privatrechtlichen Lizenzverträgen beruht, ist hierbei unwesentlich. Für beide Fälle bilden technische Hilfsmittel in Form von DRM Systemen die Basis, um die Ausschließbarkeit des digitalen Gutes Musik herzustellen. Ist diese gewährleistet, so können auf lizenzrechtlicher und urheberrechtlicher Basis Weiterverbreitungsrechte eingeräumt werden und ein Sekundärmarkt für digitale Güter entstehen.[73]

Das folgende Kapitel erarbeitet die ökonomischen Eigenschaften und Anforderungen an einen solchen DRM gestützten Sekundärmarkt für das digitale Gebrauchsgut Musik.

4 Sekundärmärkte für digitale Gebrauchsgüter

4.1. Definition Sekundärmarkt

Ein Sekundärmarkt stellt einen klassischen Marktplatz dar, auf dem im Rahmen von Angebot und Nachfrage Güter gehandelt werden, der originäre Produzent der angebotenen Güter aber nicht als Marktteilnehmer auftritt. In Abgrenzung zu einem Primärmarkt, wo der Hersteller als Anbieter direkt oder über Absatzmittler fabrikneue Güter an die Nachfrager verkauft, besteht die Warenstruktur auf einem Sekundärmarkt ausschließlich aus Gütern, die bereits mindestens einen Vorbesitzer hatten. Die Marktteilnehmer nehmen hier situationsabhängig die Rolle des Anbieters bzw. Nachfragers an.[74]

Sekundärmärkte können sowohl auf Waren-, als auch auf Finanzmärkten entstehen. Hierbei unterscheiden sich jedoch die grundlegenden Eigenschaften der gehandelten Güter sowie die Motivationsgründe der Marktteilnehmer, diese Produkte auf einem Sekundärmarkt zu handeln. Die folgenden Kapitel 4.2 und 4.3 beleuchten die unterschiedlichen Facetten dieser beiden Arten von Sekundärmärkten, bevor Kapitel 4.4 einzelne Elemente davon zu einem neuen, für diese Arbeit zentralen Modell zusammenfügt.

4.2. Sekundärmärkte tangibler Gebrauchsgüter

4.2.1. Gütertypologien und Motivationsgründe

Ein tangibles Gebrauchsgut lässt sich anhand seiner begrifflichen Namensbestandteile eindeutig in die Typologie klassischer Wirtschaftsgüter einordnen.

Der Begriff tangibel macht hierbei deutlich, dass derartige Güter greifbare Nominalgüter darstellen, die sich von ihrem Wesen her ausschließen. Die Rivalität im Konsum ist daher im Gegensatz zu digitalen Gütern jederzeit gegeben und ermöglicht den Handel tangibler Gebrauchsgüter auf Sekundärgütermärkten.[75]

Als Gebrauchsgüter werden darüber hinaus diejenigen Güter bezeichnet, die in ihrer vom Hersteller originär zugedachten Funktion eine mehrmalige Nutzungsmöglichkeit zulassen. Wie häufig diese Nutzungsmöglichkeit in der Lebensdauer eines Produktes in Anspruch genommen wird, hängt von drei wesentlichen Faktoren ab:[76]

Hierbei ist zum einen der körperliche Werteverzehr materieller Güter zu nennen, der mit zunehmender Nutzungsdauer das Produkt unbrauchbar macht. Aus der maximalen Nutzungsdauer ergibt sich so die technische Lebensdauer des Gutes. Ist diese erreicht, so kann das Gut nur noch unter Ansatz seines Schrottwertes auf einem Sekundärmarkt veräußert werden. Die Motivation, ein solches Gut noch zu veräußern, besteht in der Vermeidung von Entsorgungskosten bzw. der Erzielung eines möglichen Sammlerwertes.[77]

Während die technische Lebensdauer durch Instandhaltungsmaßnahmen verlängert werden kann, wird die marktliche Lebensdauer eines Gebrauchsgutes extern durch die Gesamtheit aller Anbieter- und Nachfragerdispositionen bestimmt. Der technische Fortschritt bestimmt hierbei, ob ein noch voll funktionsfähiges Gut durch ein funktionsmäßig überlegenes frühzeitig ersetzt wird. Diese auch als geplante physische Veralterung bezeichnete Substitution führt in der Folge zu einem gesteigerten Angebot auf dem Gebrauchtgütermarkt, da die ausgemusterten Produkte noch nicht das Ende ihrer technischen Lebensdauer erreicht haben. Im Falle der geplanten physischen Veralterung bestimmen also technische Weiterentwicklungen und damit verbundene Funktions- und Produktivitätsvorteile das Angebot auf dem Sekundärmarkt für tangible Gebrauchsgüter. Die Motivation, ein solches vorzeitig ausrangiertes Produkt auf einem Sekundärmarkt zu verkaufen, liegt in der Absicht begründet, mindestens seinen veranschlagten Restwert als Kaufpreis zu erzielen.[78]

Der dritte wesentliche Aspekt, der die Nutzungsdauer und damit das Sekundärmarktangebot tangibler Gebrauchsgüter bestimmt, ist deren geplante psychische Veralterung. Genau wie die physische Veralterung, führt auch die psychische dazu, dass noch gebrauchsfähige Güter durch neue ersetzt werden. Die Substitution beruht hierbei jedoch nicht auf den funktionalen Aspekten des Produktkerns, sondern dem ideell-kulturellen Nutzen eines Gutes. Es veraltet also in einem subjektiv modischen Sinn, der von Konsument zu Konsument unterschiedlich ausgeprägt ist. Durch dieses auch als Entwertung bezeichnete Phänomen entsteht ein Sekundärmarkt typischer Modegüter, die in der Regel nur aus Gründen der persönlichen Sättigung weiterveräußert werden. Da die technische und marktliche Lebensdauer oft noch sehr hoch zu veranschlagen ist, erzielen aus Gründen der psychischen Veralterung veräußerte Produkte einen vergleichsweise hohen Sekundärmarktpreis.[79]

4.2.2. Markttypologien

Im Bereich der Markttypologien lassen sich Sekundärmärkte tangibler Gebrauchsgüter in zwei grundsätzliche Bereiche gliedern. Dies ist einerseits der Weiterverkauf an eine institutionalisierte Handelsstufe und andererseits der direkte Verkauf mittelbar oder unmittelbar an den nächsten Nutzer.[80]

Der Weiterverkauf an eine institutionalisierte Handelsstufe beinhaltet in seinem Kern die vollständige Eigentumsübertragung des gebrauchten Gutes vom Nutzer an die jeweilige Institution. Typische Instanzen dieses Markttyps finden sich im Second-Hand Handel oder im Rahmen von Gebrauchtwarenverkäufen der Hersteller. Klassisches Beispiel für letzteres bildet die Autoindustrie mit der Inzahlungnahme und dem anschließenden Verkauf gebrauchter Kundenfahrzeuge. In beiden Fällen ist allerdings ein bestehendes Filialnetz unabdingbare Voraussetzung für einen erfolgreichen Vertrieb.[81]

Ein direkter Verkauf an den nächsten Nutzer macht dagegen ein solches Vertriebsnetz in der Regel überflüssig. Lediglich auf Kommission handelnde Zwischenhändler können hier zwischen den direkten Verkauf von privat an privat treten. Eine Kosten-Nutzen Analyse bestimmt hierbei, ob der Einsatz eines Kommissionärs für den Restwert und dem damit zu erwartenden Erlös des Gebrauchtgutes lohnenswert erscheint. Unabhängig vom Einsatz eines Kommissionärs bildet der direkte Verkauf von Nutzer zu Nutzer den am weitesten verbreiteten Sekundärmarkttyp und findet sich vor allem auf klassischen Marktveranstaltungen wie Trödelmärkten, privaten Automärkten oder Auktionshäusern wieder. Gerade letztere haben durch das Aufkommen des Internets den Schritt in die Informationsgesellschaft geschafft und werden auch als Marktplatz für den Handel digitaler Güter in Zukunft eine signifikante Rolle spielen. Außerhalb von Marktveranstaltungen findet die Anbahnung des Gebrauchtgüterverkaufs von privat an privat darüber hinaus vielfach über Inserate oder persönliche Kontakte statt.[82]

Analog zu den hier dargestellten klassischen Verkaufstransaktionen gebrauchter Güter sind in Anlehnung daran auf Sekundärmärkten jedoch auch andere Vorgänge denkbar. So kann ein gebrauchtes Gut auch verschenkt werden, was im Wesentlichen einem unentgeltlichen Verkauf gleichzusetzen ist. Lediglich der Einsatz von Märkten oder Absatzmittlern erscheint hier bei einem Preis von Null wenig sinnvoll. Auch der entgeltliche oder unentgeltliche Verleih, der in seinem Wesen einem zeitlich begrenzten Verkauf bzw. einer zeitlich begrenzen Schenkung entspricht, stellt eine gültige und stark verbreitete Sekundärmarkttransaktion für tangible Gebrauchsgüter dar. Im Gegensatz dazu werden im Folgenden nun Sekundärmärkte intangibler Anlagegüter beschrieben.

[...]


[1] Vgl. IFPI (2002), S. 9.

[2] Vgl. RAINE, et al. (2004), S. 4; WILKENS (2003a).

[3] Vgl. KURI (2003a); KURI (2003b).

[4] Vgl. HALDERMAN (2002).

[5] Vgl. PETER (2002), S. 20-21; LAU (2004).

[6] Vgl. RAINE, et al. (2004), S. 1.

[7] Vgl. RUMP (2003), S. 3-4.

[8] Vgl. ROSENBLATT (2004).

[9] Vgl. KURI (2003b).

[10] Beispiel aus dem Jahr 2003 ist der Amerikaner George Hotelling, dem das Auktionieren eines bei iTunes erworbenen Musikstückes bei eBay untersagt wurde. eBay argumentierte auf Basis seiner „Downloadable Media Policy“, dass der Verkauf von Musik und Videos, die über Tauschbörsen ausgetauscht werden, aus urheberrechtlichen Gründen verboten ist. Trotzdem iTunes den Weiterver-
kauf der erworbenen Musikstücke nicht explizit untersagte, war eine Veräußerung mangels einer Infrastruktur, die das Prinzip der ausschließlichen Nutzung der Musikdatei hätte sicherstellen können, nicht möglich. Vgl. WILKENS (2003b); WILKENS (2003c).

[11] Der Gesetzesvorschlag des US Senators Brownback betont analog die Bedeutung eines solchen Wie- derverkaufs und sieht den Einsatz von DRM Systemen als Prämisse. Vgl. BROWNBACK (2003), S. 9.

[12] LUXEM (2001), S. 24.

[13] Vgl. ZERDICK et al. (1999), S. 149; SHAPIRO/ VARIAN (1999), S. 3; VARIAN (1998), S. 3; CHOI et al. (1997), S. 62.

[14] Vgl. LUXEM (2001), S. 15; STELZER (2000), S. 836-837.

[15] In diesem Kontext sei im Softwarebereich die regelmäßige Updatepolitik der Hersteller erwähnt. Im Musikbereich sind beispielsweise schnelllebige CD Veröffentlichungen parallel zu TV Shows von einem solch raschen, zeitlichen Nutzenverzehr betroffen.

[16] Vgl. STÄHLER (2001), S. 184; CHOI et al. (1997), S. 70-72; LUXEM (2001), S. 24-25.

[17] Vgl. CHOI et al. (1997), S. 72-73; LUXEM (2001), S. 25.

[18] Vgl. CHOI et al. (1997), S. 73-74; STELZER (2000), S. 837-838; STÄHLER (2001), S. 187-188; BAKOS/ BRYNJOLFSSON (1999), S. 1616.

[19] Vgl. KOTKAMP (2000), S. 8.

[20] Vgl. KOTKAMP (2000), S. 8; ZERDICK et al. (1999), S. 163-165; FRITZ/ WAGNER (2001), S. 648-649; STELZER (2000), S. 837-838; SHAPIRO/ VARIAN (1999), S. 21; IFPI (2003c).

[21] Vgl. KLODT (2001), S. 9; KOTKAMP (2000), S. 8; SCHODER (2001), S. 6.

[22] Vgl. KOTKAMP (2000), S. 8.

[23] Vgl. KLODT (2001), S. 6,8; LUXEM (2001), S. 28; KOTKAMP (2000), S. 8; ZERDICK et al. (1999), S. 155; FRITZ/ WAGNER (2001), S. 648; SHAPIRO/ VARIAN (1999), S. 45.

[24] Vgl. STELZER (2000), S. 840; KOTKAMP (2000), S. 10; ZERDICK et al. (1999), S. 160.

[25] Nur RealNetworks versucht dem mit seinem Multiformatplayer zu entgegnen. Vgl. BORLAND (2004).

[26] Vgl. ZHANG (2002), S. 10; KLODT (2001), S. 6-7; KOTKAMP (2000), S. 10; VARIAN (1998), S. 6;
BECHTOLD (2002a), S. 222.

[27] Für eine vollständige Beschreibung der einzelnen Kategorien vgl. LUXEM (2001), S. 26-33.

[28] Vgl. Wertentwicklung und Sekundärmarktrelevanz im Kontext der Nicht-Abnutzbarkeit (Kapitel 2.1).

[29] Vgl. iTunes, das nur zehnmaliges Brennen einer Spielliste erlaubt (HESS/ VON WALTER (2003), S. 542).

[30] Vgl. Erfahrungsgüter (Kapitel 2.2)

[31] Vgl. DREIER/ NOLTE (2003), S. 481-482; MILLER/ FEIGENBAUM (2002), S. 234;
CHOI et al. (1997), S. 185.

[32] Vgl. DREIER/ NOLTE (2003), S. 483-487.

[33] Vgl. REINBOTHE (2003), S. 408-409; Für eine ausführliche Erörterung der Beweggründe für die Richt-
linie vgl. Präambel EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2001), S. 10-15.

[34] Vgl. REINBOTHE (2003), S. 411-412; GOLDMANN (2003), S. 507-510; DUSOLLIER (2003), S. 463;

EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2001), S. 16-17.

[35] Vgl. EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2001), S. 18.

[36] Vgl. REINBOTHE (2003), S. 410; BUNDESMINISTERIUM DER JUSTIZ (2003a).

[37] Vgl. DREIER/ NOLTE (2003), S. 492.

[38] Vgl. GRELL (2003).

[39] Vgl. KNIES (2003); DREIER/ NOLTE (2003), S. 497.

[40] Vgl. DREIER/ NOLTE (2003), S. 497; Vgl. Nutzungsrechtedefinition durch Metadaten in Kapitel 5.2.2.2.

[41] Vgl. BAHR (2003), S. 5; Hier ist erst im Rahmen der „EU Richtlinie zur Durchsetzung der Interessen der Verwerter geistigen Eigentums“ eine strafrechtliche Verfolgung vorgesehen. Vgl. KURI (2003g); WILKENS (2003h).

[42] Vgl. „Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch“ in diesem Kapitel.

[43] Vgl. HOFFMANN • EITLE (2003).

[44] Während der Branchenverband IFPI in der Folge der Gesetzesverabschiedung im Rahmen groß ange- legter Klagewellen gegen die Hersteller von Kopierschutz entfernenden Programmen vorging, stellte der Hersteller S.A.D. im Rahmen eines juristischen Gutachtens die Vereinbarkeit der entsprechenden Paragraphen des Urheberrechts mit dem deutschen Verfassungsrecht in Frage. Während eine Verfas- sungsklage im Ergebnis dieses Gutachtens ausgeschlossen wurde, legitimiert es dennoch den weite- ren Vertrieb der vorläufig vom Markt genommenen Umgehungsprogramme. Ein Schluss auf Basis dessen S.A.D. im Dezember 2003 den Vertrieb seiner Programme in der ursprünglichen Form wieder aufnahm. Auch Microsoft sah sich mit seinem Betriebssystem Windows unbeabsichtigt dem Vorwurf ausgesetzt es würde gegen §95a verstoßen. Beide Fälle verdeutlichen die Diskrepanz zwischen klarem theoretischen Anspruch und praktischer Umsetzung des gesetzlichen Verbotes. Vgl. IFPI (2003a); IFPI (2003b); JURRAN (2003a); JURRAN (2003b); KURI (2003d); MINHARDT (2003).

[45] Vgl. Kapitel 3.2.1; EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2001), S. 16.

[46] Vgl. BÖHM (2003), S. 521.

[47] Vgl. „Urheberrechtliche Pauschalabgaben“ in diesem Kapitel; BÖHM (2003), S. 523.

[48] Vgl. WILKENS (2003d);WILKENS (2003e).

[49] Vgl. GÜNNEWIG (2003), S. 543-544.

[50] Vgl. PRIVATKOPIE.NET (2002); ROSENBLATT et al. (2002), S. 44.

[51] Vgl. HINZE (2003), S. 3; GROSS (2003), S. 15.

[52] Gemäß statistischen Angaben der Bundesfachkommission Innovation & Information des Wirtschafts- rates der CDU haben bereits ein Viertel aller duplizierten CDs ihrerseits illegale Kopien als Quelle. Vgl. ZIEGLER (2003); KURI (2003e).

[53] Vgl. EBELING (2003a).

[54] Vgl. DIETL (2003); DREIER/ NOLTE (2003), S. 498; EBELING (2003).

[55] Vgl. WILKENS (2003f); BUNDESMINISTERIUM DER JUSTIZ (2003b).

[56] Vgl. POSTINETT (2003), S.15; IFPI (2003d); IFPI (2003e), S. 2.

[57] Vgl. BECHTOLD (2003), S. 615.

[58] Vgl. ULMER-EILFORT (2003), S. 450, 452.

[59] Vgl. EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2001), S. 13.

[60] Vgl. ULMER-EILFORT (2003), S. 458.

[61] Vgl. GEMA (2003); POSTINETT (2003), S. 15.

[62] Vgl. BITKOM (2003a); DAMBECK (2002); POSTINETT (2003), S.15.

[63] Vgl. WILKENS (2003g); BUSINESS SOFTWARE ALLIANCE (2003a), S. 3-5; KREMPL (2002), S. 32.

[64] Vgl. KURI (2003f); STIELER (2003); BUNDESMINISTERIUM DER JUSTIZ (2003b).

[65] Vgl. BERGER (2001), S. 412-414; CHOI et al. (1997), S. 196.

[66] Vgl. REESE (2003), S. 584-586, 592-610.

[67] Vgl. CHOI et al. (1997), S. 197; BERGER (2001) S. 417-418.

[68] Vgl. SIETMANN (2002), S. 12; BECHTOLD (2002a), S. 221-222; REESE (2003), S. 614.

[69] Vgl. MILLER/ FEIGENBAUM (2002), S. 238-239.

[70] Vgl. REESE (2003), S. 612; MILLER/ FEIGENBAUM (2002), S. 239.

[71] Vgl. EUROPÄISCHES PARLAMENT UND RAT DER EUROPÄISCHEN UNION (2001), S. 12.

[72] Vgl. KNIES (2002), S. 316-317.

[73] Ob dieser Sekundärmarkt auf vertragsrechtlicher Seite real entsteht, hängt vom Willen der Urheber ab entgegen eigener Verkaufsabsichten einen Konkurrenzmarkt zuzulassen. Es ist aufgrund des Markter- folges lockerer DRM Plattformen aber damit zu rechnen, dass die Möglichkeit der Weiterveräußerung einen zusätzlichen Kundenmehrwert und damit Wettbewerbsvorteil für die Vertriebsplattform schafft. Daher scheint auch unter primärmarktlichen Erwägungen die Einräumung einer lizenzrechtlichen Wei-
terveräußerungsmöglichkeit sinnvoll. Vgl. auch WELZEL (2002), S.141-145.

[74] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 35,49-50; REESE (2003), S. 586.

[75] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 10.

[76] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 11, 50.

[77] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 13-16, 41.

[78] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 14-16, 20-21, 38, 48.

[79] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 22, 24, 39, 48.

[80] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 50.

[81] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 51-52, 57-60.

[82] Vgl. GEBHARDT (1986), S. 50, 52-57, 60-62.

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Sekundärmärkte für Digitale Musik: Anforderungen an eine Infrastruktur auf Basis von Digital Rights Management
Hochschule
European Business School - Internationale Universität Schloß Reichartshausen Oestrich-Winkel  (Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
92
Katalognummer
V32631
ISBN (eBook)
9783638333054
Dateigröße
881 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit erörtert die Möglichkeit eines privaten Weiterverkaufs von digitalen Musikdateien unter Berücksichtigung geltenden Urheberrechts. Sie erläutert hierzu die Eigenschaften eines Sekundärmarktes für digitale Medien. Darüber hinaus beschreibt sie als Grundlage für ein solches Sekundärmarktmodell das geltende deutsche Urheberrecht. Im Hauptteil werden Eigenschaften und Instrumente von Digital Rights Management (DRM) intensiv diskutiert und dann 2 technische Sekundärmarktmodelle entwickelt.
Schlagworte
Sekundärmärkte, Digitale, Musik, Anforderungen, Infrastruktur, Basis, Digital, Rights, Management
Arbeit zitieren
Tim Claus (Autor:in), 2004, Sekundärmärkte für Digitale Musik: Anforderungen an eine Infrastruktur auf Basis von Digital Rights Management, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32631

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