Zensur in Deutschland von der 48er Revolution bis zum 1. Weltkrieg


Seminararbeit, 2001

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Von der Revolution bis zur Reichsgründung 1871
2.1 Ergebnisse der 48er Revolution
2.2 Das Pressegesetz vom 12.05.1851
2.3 Das Bundespressegesetz von 1854
2.4 Beginn der Bismarck-Ära

3 Das Reich von 1871: Reichspressegesetz, Kulturkampf- Gesetzgebung und Sozialistengesetz (1871-1890)

4 Zensur in der Wilhelminischen Zeit 1890 – 1914
4.1 Theaterzensur
4.2 Kunst und Kultur
4.3 Malerei
4.4 Literatur

5 Zensur zu Beginn des 20. Jahrhunderts

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang: Handout des Referates zum Thema

1 Einleitung

„Wenn ich der Presse die Zügel locker ließe, würde ich keine drei Monate im Besitz der Macht bleiben.“[1]

Diese Worte stammen von dem Französischen Feldherren Napoleon und stehen stellvertretend für ganze Generationen von Machthabern, die sich über Jahrhunderte hinweg vor der Presse fürchteten. Zeugen hierfür sind die harten Verfolgungen, denen sich Schriften über Jahrtausende hinweg ausgesetzt sahen. Von den Bücherverfolgungen im antiken Athen über die Inquisition bis zum Mai 1933 waren Schriften oft Opfer harter Verfolgungen. Doch obwohl diese Geschichte mehr als ein Jahrtausend umfaßt, sind die Gründe immer die gleichen geblieben: es sind politische, theologische und moralische - lediglich die Schwerpunkte der Verfolgung haben sich gewandelt. „Im Gegensatz zu den Jahrhunderten zuvor spielten im 19. Jahrhundert religiöse Schriften als Gegenstand von Zensur und Unterdrückung zunächst kaum mehr eine Rolle.“[2] Dafür kamen neue Zensurrichtlinien hinzu. Die Gründe für ein Verbot waren nun häufiger moralischer oder politischer Natur. Ich möchte im Folgenden versuchen, die Geschichte der Zensur von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg näher zu beleuchten. Es wird zu zeigen sein, daß es für die deutsche Geschichte charakteristisch ist, daß „Zensur in der Regel gestützt auf geltendes Recht ausgeübt“[3] wurde. Somit muß sich eine Arbeit, die sich mit dem Verbot von Schriften auf deutschem Boden befaßt, hauptsächlich mit einem Stück Rechtsgeschichte beschäftigen.

2 Von der Revolution bis zur Reichsgründung 1871

2.1 Ergebnisse der 48er Revolution

Die Forderung nach Pressefreiheit ist keineswegs neu. Sie gehörte bereits zu den Hauptzielen der oppositionellen Kräfte der 48er Revolution, und sie wurde unter dem Druck der Aufständischen auch relativ schnell gewährt. Bereits am 14. März 1848 wurde in Österreich die Zensur aufgehoben, am 17. März in Preußen. Als im September 1848 das Paulskirchenparlament die „Grundrechte des Deutschen Volkes“ verkündete, enthielten diese in ihrem Katalogs erstmals auch eine garantierte Pressefreiheit. 1849 hieß es in Artikel 4 der „Verfassung des Deutschen Reiches“: „Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen ... aufgehoben werden.”

Doch die hier angekündigte Freiheit war leider nur von kurzer Dauer. Im März 1849 hatte die Reaktion gesiegt, das Paulskirchenparlament wurde aufgelöst. Das Grundrecht auf Pressefreiheit blieb zwar weiterhin auf dem Papier bestehen, wurde aber mehr und mehr im Zuge der einsetzenden Reaktion eingeschränkt. In der preußischen Verfassung von 1850 hieß es bereits wieder: „Die Zensur darf nicht aufgehoben werden”.

2.2 Das Pressegesetz vom 12.05.1851

Obwohl es also keineswegs bei der erkämpften Freiheit von 1849 blieb, war die wiedereinsetzende Zensur kein völliger Rückschritt in die alte Zeit, denn vor der Revolution hatte es eine Präventivzensur gegeben. Diese Vorzensur wurde im Zuge der Revolution nicht wieder eingeführt und es gab auch keine Wiederaufnahme der staatlichen Zensur, zumindest nicht auf dem Papier. Aber schon in der Reaktionszeit der 50er Jahre wurde die Kontrolle der öffentlichen Meinung im Bereich des Deutschen Bundes von behördlicher Seite wieder praktiziert, „ohne daß die Regierungen daran dachten, die Präventivzensur des Vormärz wieder einzuführen“[4].

Über allem stand jederzeit die Auffassung der Behörden, daß die Presse vor allem für den Staat gefährlich sei und daß gewöhnliche Strafgesetze zur Eindämmung der Gefahr nicht genügten. Das Land Preußen übernahm die Vorreiterrolle und erließ am 12.5.1851 ein neues Gesetz über die Presse. Hier wird bestätigt, wie besonders der Journalismus als staatsgefährdendes Element behandelt wurde.

Dieses Pressegesetz von 1851 bestand aus mehreren Teilen:

1. Konzessionszwang: Damit wurde der Herausgeber einer Zeitung verpflichtet, eine Erlaubnis zur Betriebseröffnung bei Behörden einzuholen. Außerdem mußte schon bei einer Zeitungsgründung eine Kaution hinterlegt werden, die als Unterpfand für später zu zahlende Strafgelder galt.
2. Ordnung der Presse: Diese Regelung betraf die tägliche Ablieferung des Pflichtexemplars jedes Druckerzeugnisses an die Polizeibehörde, die mittelbar als Zensor fungierte.
3. Von dem Strafverfahren: In diesem Teil wurde ausgeführt, welche Möglichkeiten des Einschreitens der Polizei und den Gerichten gegen die verschiedenen Preßvergehen in die Hand gegeben waren. Beispielsweise erhielt die Polizeibehörde in § 29 die Befugnis zur Beschlagnahmung, wenn der Inhalt eines Druckerzeugnisses als strafbar angesehen wurde. Allerdings konnte auch die Polizei nicht willkürlich beschlagnahmen, sie mußte Gründe nennen und innerhalb von 24 Stunden der Staatsanwaltschaft ein Protokoll vorlegen. Daraufhin entschied eine gerichtliche Untersuchung innerhalb von acht Tagen über eine eventuelle Wiederfreigabe.

Wichtig ist an diesem Punkt anzumerken, daß es somit zumindest auf dem Papier einen rechtlichen Rahmen, also einen Schutz der Verleger etc. vor polizeilicher Willkür gab. Fraglich bleibt allerdings der Nutzen für die Praxis, denn nach acht Tagen war das Druckobjekt meist schon sehr veraltet. Außerdem gab es in der Praxis so oft Streitigkeiten zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizeibehörde über eine Wiederfreigabe, daß das Justizministerium schließlich anwies, von dem Freigaberecht keinen Gebrauch mehr zu machen.

Noch schlimmer als die gültigen Verordnungen und Gesetze selbst war zusätzlich mancherorts ihre Auslegung seitens der Bürokratie. Beispielsweise in Preußen wurden Redaktionsmitglieder nicht nur zur Entgegennahme von Verwarnungen, sondern auch für Vorwarnungen auf das Polizeipräsidium bestellt, wie etwa bei Beginn des Krimkrieges 1853. Den Zeitungen wurde diesbezüglich untersagt, Einfluß auf Entscheidungen in schwebenden politischen Fragen zu nehmen. Außerdem wurde die Besprechung militärischer Angelegenheiten gänzlich untersagt. Bei einer Nichteinhaltung drohte schon im Vorhinein ein Konzessionsentzug. Im Ergebnis bedeutete das, daß nun die Polizei und die Verwaltung die Pressekontrolle übernahmen, wo vorher der Zensor der kompetente Mann war. Lediglich die abschließende Entscheidung lag nach wie vor bei den Gerichten, aber diese war ohnehin oft nur noch Formsache.

2.3 Das Bundespressegesetz von 1854

Dieses soeben beschriebene Pressegesetz von 1851 galt allerdings vorrangig für Preußen und wurde auch nur auf diesem Gebiet mit wirklicher Härte durchgesetzt. „Dieser anarchische Zustand erschien dem seit 18. November 1848 amtierenden Polizeipräsidenten von Hinkeldey alsbald unstatthaft“[5]. Hinkeldey erwartete von den „preußischen Organen allein keine durchschlagende Wirkung“[6] und strebte daher eine „gemeinsame Verabredung beim Bundestage” an. Die Innenpolitik war zwar laut geltendem Recht eigentlich Sache der Länder, aber schon die Karlsbader Beschlüsse hatten den Erfolg einer engen Zusammenarbeit der Länder demonstriert. Im Ergebnis dieser vereinheitlichenden Bestrebungen wurde 1854 das Bundespressegesetz verabschiedet, durch das „Angriffe auf Grundlagen des Staates ..., der Regierungen und des Oberhauptes eines fremden Staates”[7] künftig im gesamten Bundesgebiet mit Strafen bedroht wurden.

Mit dem Bundespressegesetz wurden dem Staat außerdem folgende acht Instrumente zur Einschränkung der Pressefreiheit in die Hand gegeben:

1. Solidarhaftung: Der Zugriff des Staates galt nicht mehr nur bezüglich der Druckschrift, sondern auch auf Personen und zwar allen an der Herstellung und am Vertrieb beteiligten, also dem Verfasser, Herausgeber, Verleger, Drucker, Verbreiter etc. Doch jede dieser Personen konnte einer möglichen Strafe entgehen, indem sie eine in dieser Rangfolge vor ihr genannte anzeigt. Diese Klausel war also nichts weiter als eine offene Aufforderung zur Denunziation.
2. Belegexemplar: Eine Ausgabe jeder Zeitung mußte bei der zuständigen Polizeibehörde abgeliefert werden.
3. Konzessionsentzug: Fortan entschied eine Verwaltungsbehörde über einen möglichen Konzessionsentzug von Buchhändlern etc., nicht mehr wie zuvor ein Gericht.
4. Kaution und Debitentzug: Für jegliche periodische Druckschriften politischen Inhalts mußten Kautionen hinterlegt werden, wenn der Herausgeber diese verweigerte, konnte ihm das Postdebit entzogen werden.
5. Verbot auswärtiger Schriften: Für ein Verbot von Schriften aus anderen Bundesländern benötigte man lediglich einen Beschluß des Innenministeriums, ein Gerichtsverfahren mußte nicht stattfinden.
6. Flächenweite Fahndung: Nach besonders verpönten Schriften konnten nun großflächig gefahndet werden und nicht mehr nur innerhalb einzelner Bundesländer.
7. Strafverfolgung auswärtiger Schriftsteller und Redakteure: Verfolgte Schriftsteller konnten sich nun auch in anderen Bundesländern nicht mehr sicher fühlen bzw. von da aus veröffentlichen, da die Fahndung fortan flächendeckend verlief.
8. Kontrolle des Hausierhandels:

Es war nicht mehr so unproblematisch wie zuvor, verpönte Schriften einfach in Haustürgeschäften abzusetzen.[8]

[...]


[1] Hier zitiert nach: Jipp, Karl-Ernst: Medien, Mächte, Meinungen. Eine Sammlung von Zitaten über Medien und Gesellschaft, Journalisten und Politiker, Leser und Verleger, Macht und Moral, Pressefreiheit und Zensur, Multimedia und Zukunft, Stuttgart: Berthelsen-Verlag, 1998, S.151.

[2] Eisenhardt, Ulrich: "Wandlungen von Zweck und Methoden der Zensur im 18. und 19. Jahrhundert", in: Göpfert, Herbert G. u. Weyrauch, Erdmann (Hrsg.): “Unmoralisch an sich...”. Zensur im 18. Und 19. Jahrhundert, In: “Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens”, Band 13, Wiesbaden: Harrassowitz, 1988, S. 22.

[3] Ebd., S. 1.

[4] Fischer, Heinz-Dietrich (Hrsg.): Deutsche Kommunikationskontrolle des 15. bis 20. Jahrhunderts, München, Saur, 1982, S. 14.

[5] Houben, H. H.: Der ewige Zensor, Konberg/Ts.: Athenäum Verlag, 1978, S. 103.

[6] Fischer, Heinz-Dietrich (Hrsg.): Deutsche Kommunikationskontrolle des 15. bis 20. Jahrhunderts, München, Saur, 1982, S. 14.

[7] hier zitiert nach: Fischer, Heinz-Dietrich (Hrsg.): Deutsche Kommunikationskontrolle des 15. bis 20. Jahrhunderts, München, Saur, 1982, S. 123.

[8] zu den Instrumenten vgl.: Siemann, Wolfgang: "Von der offenen zur mittelbaren Kontrolle. Der Wandel in der deutschen Preßgesetzgebung und Zensurpraxis des 19. Jahrhunderts, in: Göpfert, Herbert G. u. Weyrauch, Erdmann (Hrsg.): “Unmoralisch an sich...”. Zensur im 18. Und 19. Jahrhundert, In: “Wolfenbütteler Schriften zur Geschichte des Buchwesens”, Band 13, Wiesbaden: Harrassowitz, 1988, S. 298.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Zensur in Deutschland von der 48er Revolution bis zum 1. Weltkrieg
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar: Kommunikationskontrolle in Europa
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V3250
ISBN (eBook)
9783638119719
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Inklusive Referatshandout.
Schlagworte
Zensur, Deutschland, Revolution, Weltkrieg, Seminar, Kommunikationskontrolle, Europa
Arbeit zitieren
Jana Lippmann (Autor:in), 2001, Zensur in Deutschland von der 48er Revolution bis zum 1. Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3250

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