Die Umverteilung knapper Ressourcen - eine unternehmensethische Entscheidung


Seminararbeit, 2004

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ausgangssituation und Fragestellung
2.1. Situation der Pflege in Deutschland
2.2. Fallbeschreibung
2.3. Ethische Fragestellung

3. Methodik der ethischen Entscheidungsfindung

4. Informationssammlung
4.1. Praktisch relevante Informationen
4.1.1. Hintergrund
4.1.2. Gesetzliche und private Krankenkassen in Deutschland
4.1.3. Meinung und Sichtweise der Betroffenen im Sauerbruch-Krankenhaus
4.1.3.1. Sichtweise der Patienten im Sauerbruch-Krankenhaus
4.1.3.2. Sichtweise des Personals im Sauerbruch-Krankenhaus
4.1.3.3. Sichtweise der Krankenhausleitung als Vertreter der Institution
4.1.3.4. Soziales Umfeld
4.2. Grundlagen für die ethische Bewertung
4.2.1. Ethische Theorieansätze
4.2.2. Ethische Grundpositionen
4.2.2.1. Deontologie
4.2.2.2. Teleologie
4.2.2.3. Auswahl der ethischen Grundposition
4.2.3. Ethische Prinzipien
4.2.3.1. Die Fünf Prinzipien der Verantwortungsethik
4.2.3.2. Prinzip der Achtung vor dem Wert des Lebens
4.2.3.3. Prinzip des Guten und des Richtigen
4.2.3.4. Prinzip der Gerechtigkeit und Fairness
4.2.3.5. Prinzip der Wahrheit und Ehrlichkeit
4.2.3.6. Prinzip der individuellen Freiheit und Selbstbestimmung

5. Darstellung der Handlungsalternativen und deren Bewertung
5.1. Handlungsalternativen
5.1.1. Einrichtung der geplanten Privatstation
5.1.2. Vermehrte Aufnahme von Privatpatienten ohne Einrichtung einer Privatstation
5.1.3. Keine Veränderung
5.1.4. Suche nach anderen Möglichkeiten bei der Finanzierung

6. Vergleichende ethische Bewertung der Handlungsalternativen, Entscheidung

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Überleben von Krankenhäusern hängt heute in erster Linie von seiner Wirtschaftlichkeit ab. Es sind nicht wenige Häuser, die von Insolvenz bedroht sind. Das Sauerbruch-Krankenhaus, um das es in diesem Fall geht, kämpft seit 3 Jahren um sein Bestehen. Aus diesem Grunde wird nach Wegen gesucht, um die wirtschaftliche Situation des Hauses zu verbessern.

Im vorliegenden Fall entscheidet sich die Krankenhausleitung für die Einrichtung einer Privatstation mit Hotelcharakter, um durch die Behandlung von Privatpatienten deutlich höhere Einnahmen zu erzielen. Der Mehrbedarf an Personal soll durch eine Umverteilung des vorhandenen Personals gedeckt werden.

Diese ökonomisch begründete Unternehmensentscheidung stößt bei dem Pflegepersonal auf Widerspruch. Nach deren Ansicht käme es somit zu einer offenen Zwei-Klassenbehandlung, die ethisch nicht zu rechtfertigen sei. Das Hauptproblem dabei, so argumentieren sie, sei neben der ungleichen Gewährung von Mehrleistungen, die damit verbundene Umverteilung von ohnehin schon sehr knappen Ressourcen zugunsten einer kleinen Gruppe. Somit würde es aus ökonomischen Gründen zu einer Ungleichbehandlung von Menschen kommen.

Vom Unternehmen ist nun eine Lösung gefragt, die ökonomisch ebenso wie moralisch akzeptabel ist.

2. Ausgangssituation und Fragestellung

2.1. Situation der Pflege in Deutschland

Die demografische Entwicklung in Deutschland wird von steigender Lebenserwartung und sinkender Geburtenrate charakterisiert. Folge ist, dass die Zahl der Beitragszahler sinkt und gleichzeitig immer mehr alte, multimorbide Menschen versorgt werden müssen. Die Kosten steigen rasant an[1]. So lagen die Kosten im Jahr 2003 mit 250 Mrd. Euro etwa doppelt so hoch wie 1985[2]. Um die Kosten einzugrenzen, wurden von der Regierung Sparmaßnahmen beschlossen. So wurde im Juni 2003 ein Sparpaket verabschiedet, dass 2004 zu einer Kostenentlastung von 10 Mrd. Euro führen soll[3].

Die Pflege als die größte Berufsgruppe im Krankenhaus (40%)[4], ist besonders stark von Sparmaßnahmen betroffen[5]. Stellenabbau und Leistungsverdichtung durch die Erhöhung der Fallzahlen und verkürzte Liegezeiten prägen derzeit das Bild der Pflege. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes Wiesbaden gab es 1999 ca. 6400 Betten (=1,1%) weniger als im Jahr zuvor, gleichzeitig stieg die Zahl der Fälle stieg um 369000 (=2,3%). Die Verweildauer eines Patienten sank von durchschnittlich 10,7 Tagen (1998) auf 10,3 Tage (1999)[6] und 9,8 Tage im Jahr 2001.[7]

Dem sich aus dem erhöhten Arbeitsaufkommen ergebenden Mehrbedarf an Pflegepersonal wurde nicht Rechnung getragen. Die Pflege konnte dies auch nicht argumentativ einfordern, da es kaum akzeptierte Berechnungsgrundlagen gibt. 1992 wurde die Pflegepersonalregelung (PPR) als Instrument für die Berechnung des Pflegepersonalbedarfs eingeführt. Sie löste, als Reaktion auf den damaligen Pflegenotstand, die 1969 erstellten Personal-Anhaltszahlen ab. Bis einschließlich 1995 konnten auf dieser Grundlage ca. 21000 neue Stellen geschaffen werden[8]. Daraus lässt sich schließen, dass dies mindestens 21000 Stellen waren, die zuvor fehlten. 1996 wurde die PPR aus Kostengründen wieder außer Kraft gesetzt. Es setzte, das ist statistisch belegt, sofort ein Personalabbau ein, der bis heute anhält. Im Sektor

Krankenhaus wurden in den vergangenen 5 Jahren 5,2% der Stellen in der Pflege abgebaut. Die Zahl der Vollkräfte ist ungefähr so hoch wie vor der Einführung der PPR.[9] Ludger Risse, Mitglied des Pflegerates Nordrhein-Westfalen, sprach davon, dass durch die Leistungsverdichtung und gleichzeitige Abnahme der Stellen inzwischen wieder ein Pflegepersonal-Patienten-Verhältnis erreicht ist, das dem aus dem Jahr 1969 entspricht.[10]

Der Mangel an personellen Ressourcen ist durch Rationalisierung[11] nicht mehr auszugleichen. Statt dessen kommt es, wenn auch versteckt, zur Rationierung[12]. Hierzu Ludger Risse vom Pflegerat NRW: „Organisationsreserven sind längst ausgeschöpft. Die Rationierung von Pflegeleistungen ist somit unausweichlich, wenngleich sie eher heimlich und versteckt stattfindet. Welche Klinik würde gern zugeben, dass sie im Grunde nur für etwa 80 - 85% der Patienten Personal vorhält und somit zumindest rechnerisch jeder fünfte Patient gar nicht mehr versorgt werden kann?“[13]

Diese vorwiegend implizite Rationierung „... bezieht sich auf die Vorenthaltung oder Nichtdurchführung von notwendigen Maßnahmen aufgrund eines Mangels an zeitlichen, personellen und/ oder fachlichen Ressourcen...“, bei der „... eine offizielle Regelung fehlt, die behandelnde Person muss selbst entscheiden.“[14]

Folge für das Personal ist Erschöpfung, Burn-out-Syndrom und eine hohe Krankheitsrate. Aus dem jüngsten Gesundheitsreport der DAK geht hervor, dass Menschen, die im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen arbeiten, davon besonders häufig betroffen sind[15]. In Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und der DAK wurde eine Studie erstellt zu den Arbeitsbelastungen und ihren Auswirkungen auf Befindlichkeit und Arbeitsunfähigkeiten der Beschäftigten in der Pflege. Hier wurde eine Zunahme der psychosomatischen und psychiatrischen Erkrankungen bei Pflegepersonal gegenüber anderen Versicherten ermittelt[16].

Die Folgen für die Patienten sind, dass ihren Bedürfnissen nicht in ausreichendem Maße nachgekommen werden kann. In einer amerikanischen Studie, die ca. 6 Mio. Patienten umfasste, wurde eine signifikante Abhängigkeit der Komplikationsrate von der Ausstattung im Pflegedienst nachgewiesen. Als Hauptursache wurde die häufig nicht rechtzeitige Erkennung bzw. Behandlung von Komplikationen genannt.

2.2. Fallbeschreibung

Das Sauerbruch-Krankenhaus ist ein 80 Jahre altes Kiezkrankenhaus in einer Großstadt. Es hat 5 chirurgische und 5 Innere Abteilungen mit insgesamt 300 Betten. Das Haus wurde vor 5 Jahren privatisiert. Nach der Einführung der DRGs sanken die Einnahmen des Hauses und es wird zum Ende des Jahres zum dritten Mal in Folge ein negatives Wirtschaftergebnis erwartet.

Der Chefarzt der Chirurgie legte der Geschäftsführung einen Vorschlag vor, nach dem die Bilanz durch die Einrichtung einer Privatstation ausgeglichen werden könnte.

Hierbei soll die Station Hotelcharakter haben und dementsprechend eingerichtet werden. Gleichzeitig ist beabsichtigt, den Privatpatienten eine „exzellente medizinische und pflegerische Behandlung“ zuteil werden zu lassen, beispielsweise durch die Verdopplung des Stellenschlüssels des Pflegepersonals.

Für das 80jährige Haus bedeutet das, umfangreiche Umbauten bei den in der Regel vorhandenen 4-5 Bettzimmern durchzuführen, da auf den Stationen jeweils nur ein Einzelzimmer zur Verfügung steht. Toiletten und Duschen befinden sich am Ende des Flurs. Geplant sind 1-2 Bett-Zimmer mit Telefon-, Internet- und TV-Anschluss. Die Kosten für den Umbau, so wurde berechnet, würden zum einen aus den geplanten Mehreinnahmen und zum anderen durch die Schließung der hauseigenen Patientenbibliothek gedeckt werden.

In seinem Vorschlag wurde jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass man schon im Vorfeld klare Aufnahmebedingungen definieren müsse, die auch das Leistungsspektrum betreffen.. Beispielsweise können alte, schwerstpflegebedürftige Patienten auf diese Station nicht aufgenommen werden, weil mit ihnen nach DRG kein Gewinn zu erwarten sei.

Der Träger des Hauses ist mit dem Vorschlag einverstanden und beschließt daraufhin die Umwandlung einer chirurgischen Station mit 30 Betten in eine Privatstation. Da aufgrund der drohenden Insolvenz des Trägers kein zusätzliches Pflegepersonal eingestellt werden kann, soll der zusätzliche Bedarf gedeckt werden, indem Schwestern und Pfleger von den Stationen die Möglichkeit bekommen, sich dort zu bewerben.

Die Frage der ärztlichen Betreuung ist noch nicht geklärt, das es hier aufgrund der neuen Gesetzgebung, die Bereitschaftszeit betreffend, noch einige Unklarheiten gibt.

Die Pflegedienstleitung ist mit dem Vorschlag nicht einverstanden und verweist auf die ohnehin schon sehr angespannte Lage im Pflegebereich. Es wird sehr deutlich gesagt, dass man aufgrund Personalmangels z.T. nicht mehr in der Lage ist, eine würdige Pflege zu gewährleisten. Es bestünde kein Spielraum, Personal von den „normalen“ Stationen abzugeben. Dies würde zu Lasten eines Teils der Patienten und des Personals gehen und sei weder arbeitstechnisch, noch ethisch zu rechtfertigen.

2.3. Ethische Fragestellung

In diesem Fall lassen sich zwei ethische Fragestellungen erkennen:

- Ist es ethisch zu vertreten, knappe finanzielle und personelle Ressourcen aus dem betriebswirtschaftlichen Grund der drohenden Insolvenz zugunsten besser zahlender Patienten zu verteilen?

- Wird in diesem Fall der Mensch als Mittel zum Zweck benutzt?

3. Methodik der ethischen Entscheidungsfindung

Bei der ethischen Entscheidungsfindung orientiert sich das Problemlösungsmodell am Pflegeprozess (Information – Planung – Durchführung - Bewertung) und ist folgendermaßen systematisch und schrittweise aufgebaut:

1. Sammlung von praktischen und theoretischen Informationen,
2. Darstellung der möglichen Handlungsalternativen und deren Bewertung
3. vergleichende ethische Bewertung, Entscheidung
4. Bewertung und Fazit.[17]

4. Informationssammlung

Bei der Informationssammlung werden alle für den Fall relevanten, praktischen Informationen beschrieben. Dies sind

- der Hintergrund des Problems,
- die beiden Krankenkassensysteme in Deutschland, und
- die Sichtweise der von der Entscheidung betroffenen Gruppen

Anschließend werden die

- ethische Grundposition und die ethischen Prinzipien

vor deren Hintergrund die ethische Entscheidung getroffen wird, herausgearbeitet und begründet.

[...]


[1] der Grundgedanke des Solidarprinzips der Krankenversicherung beruht auf der Annahme, dass Einnahmen und Ausgaben die Balance halten

[2] Bericht TH Karlsruhe in: www.phmon.de

[3] vgl. . Baratta M., Der Fischer Weltalmanach S. 293

[4] vgl. Müller M.L. Pflegemanagement in der Offensive in: Krankenhaus Umschau 9/2001 S 726

[5] vgl. Vahlpahl B., Veränderungen der Rahmenbedingungen für die Pflege in: BALK INFO Jan 2002

[6] vgl. Werner Schell 3.12.2000 in:
http://www.gesetzeskunde.de/Rechtsalmanach/ Krankenhausrecht/statistik99.htm

[7] vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland in http://www.destatis.de 7.7.2004

[8] vgl. Peretzki-Leid U., Pflegenotstand- und kein Ende in Sicht? In: Die Schwester Der Pfleger. 42.Jahrgang 2/03, S.155

[9] vgl. Perspektiven 2/2002information des deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung in: http://www,dip-home.de/perspektiven/perspektiven2-02.pdf

[10] vgl. Pressemeldung Pflegerat NRW 12.3.2003 in: http://www.aekno.de/htmljava/b/buendnismeldung.aspid=18 7.7.2004

[11] Rationalisierung: Einsatz der Mittel wird optimiert wird, die Leistungsqualität bleibt jedoch gleich. Notwendige medizinische und pflegerische Maßnahmen sind nicht betroffen. Vgl. Implizite Rationierung in der Pflege- Eine Realität? In: http://www.oegkv.at/4-1/kon04/don/schubert.pdf 7.7.2004

[12] Rationierung: etablierte, als wirksam erwiesene pflegerische Leistungen/ Maßnahmen werden verweigert/ vorenthalten werden. Vgl. Implizite Rationierung in der Pflege- Eine Realität? In: ebda.7.7.2004

[13] vgl. Pressemeldung Pflegerat NRW 12.3.2003 in: http://www.aekno.de/htmljava/b/buendnismeldung.aspid=18 7.7.2004

[14] vgl. Implizite Rationierung in der Pflege- Eine Realität? In:
http://www.oegkv.at/4-1/kon04/don/schubert.pdf 7.7.2004

[15] Pflege &Management April 2003 S.22

[16] Die Schwester Der Pfleger 42. Jahrg. 2/03

[17] vgl.:Wetteck R. Am Bett ist alles anders , LIT VERLAG Münster 2001, S.64

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Umverteilung knapper Ressourcen - eine unternehmensethische Entscheidung
Hochschule
Evangelische Hochschule Berlin  (Studiengang Pflegemanagement)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V32471
ISBN (eBook)
9783638331814
ISBN (Buch)
9783638731669
Dateigröße
535 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umverteilung, Ressourcen, Entscheidung
Arbeit zitieren
Antje Lüth (Autor:in), 2004, Die Umverteilung knapper Ressourcen - eine unternehmensethische Entscheidung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32471

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