Sequenzanalyse von Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut"


Hausarbeit, 2004

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Narrativer Aufbau des Ausschnittes

3. Analyse der visuellen Elemente
3.1 Kamera und Montage
3.2 Licht, Farbe und Raum

4. Analyse der auditiven Elemente

5. Dr. William Harford
5.1 Begegnung mit den Schülern
5.2 Begegnung mit Domino

6. Betrachtung des Ausschnittes im Filmzusammenhang

7. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Videoverzeichnis

1. Einleitung

Stanley Kubricks letzter Film, Eyes Wide Shut, erzählt mittels einer stilistisch fein ausgearbeiteten Episodenstruktur von der mysteriösen erotischen Odyssee des Protagonisten Dr. William Harford (Tom Cruise). Kubrick orientiert sich dabei zusammen mit Co-Autor Frederic Raphael weitgehend werkgetreu an der Romanvorlage „Traumnovelle“ von Arthur Schnitzler. Allerdings transferiert er die Story aus dem Wien vor der Zeit des Ersten Weltkrieges, nach New York ans Ende des 20. Jahrhunderts.

Die vorliegende Arbeit analysiert einen Ausschnitt, in dem sich Dr. Harford auf nächtliche Entdeckungsreise begibt. Es kommt dabei zu zwei Begegnungen: mit einer Gruppe von Schülern[1] und mit einer Prostituierten. Nach einer Untersuchung das narrativen Aufbaus, lassen sich die darin auffälligen visuellen und auditiven Elemente analysieren und in ihrer Bedeutungskonstitution erfassen. Anschließend werden Mimik, Gestik und Proxemik von Dr. Harford näher betrachtet, da diese hier eine charakterisierende Funktion erfüllen.

Anhand der daraus resultierenden Ergebnisse ist es möglich, die Bedeutung des Ausschnittes im filmischen Gesamtzusammenhang zu betrachten und auf weitere Aspekte einzugehen, auf die das Augenmerk gelenkt wird.

2. Narrativer Aufbau des Ausschnittes

Nach dem Besuch bei einem verstorbenen Patienten begibt sich Dr. William Harford durch die nächtlichen Straßen Manhattans auf den vermeintlichen Heimweg. Er durchläuft dabei diverse Stationen, die sein sexuelles Empfinden irritieren.

Der Ausschnitt lässt sich in zwei Sequenzen einteilen, jeweils durch einen Kamerablick aus leichter Aufsicht auf eine Kreuzung New Yorks eingeleitet.

In der ersten Sequenz beobachtet Harford ein Paar, welches angeregt küssend an einer Hauswand steht. Dies erinnert ihn an das vorherige Gespräch mit seiner Frau Alice (Nicole Kidman), in dem diese ihm von den Verlockungen durch einen Marineoffizier beichtet. Dr. Harford stellt sich nun Alice beim Liebesspiel mit diesem Offizier vor. Wütend erregt hierüber, schlägt er beide Hände zusammen.

Als Harford um eine Ecke biegt, begegnet er sechs Schülern, welche ihn aufs Äußerste zu provozieren versuchen. Sie beschimpfen ihn in derben Sprüchen als homosexuell und stoßen ihn zur Seite an ein Auto. Harford sieht sich nunmehr nicht nur in der Integrität seiner Ehe bedroht, sondern auch in seiner eigenen Sexualität angegriffen und herausgefordert.

Anschließend beginnt die zweite Sequenz, in welcher Harford an einer Kreuzung die Prostituierte Domino trifft. Domino fragt ihn zunächst nach der Uhrzeit und leitet ihn daraufhin zu ihrem Haus. Während sie dem verunsicherten Harford ihre Dienste anbietet, schafft sie es schließlich ihn zu überreden und führt ihn in ihre Wohnung. Nachdem ein Preis vereinbart wurde, kommt es zu einem Kuss, der durch einen Telefonanruf von Alice Harford unterbrochen wird. Alice sitzt in der Küche, isst, raucht, sieht Fernsehen und wartet auf die Heimkehr ihres Mannes. William Harford fühlt sich durch den Anruf ermahnt und bricht die Situation mit Domino ab, bezahlt diese aber trotzdem.

3. Analyse der visuellen Elemente

3.1 Kamera und Montage

Die Kamera verfolgt Harford nicht, sie begleitet ihn. Sie fährt zunächst seitlich neben ihm mit und zeigt dann aus Harfords subjektiver Sicht das beobachtete Liebespaar. Harfords darauffolgende, in schwarz-weiß gefilmte Gedanken an Alice und den Marineoffizier erinnern auch durch die fixierte Kameraeinstellung an einen voyeuristischen Blick durch ein Schlüsselloch, an dem Harford nun unfreiwillig teilhat. Anschließend setzt die Kamera ihre dezent beobachtende Begleitung fort. Es dominiert in der ersten Sequenz die Halbtotale auf Brusthöhe, welche einen klaren Überblick über das Geschehen liefert.

Als Harford gegen das Auto gestoßen wird, geht - nach einem unsichtbaren Schnitt in die Halbnahe - die Kamera stets leicht verzögert mit Harford mit. Die Montage suggeriert weiterhin stets den fließenden Übergang der Wahrnehmungen Harfords, hier allerdings ohne die subjektive Sicht. Es wird somit ebenso aus der objektiven Kameraperspektive die subjektive Betrachtungsweise Harfords wiedergegeben: zögernd, unsicher, diskret.

Dies wird auch durch das Verhältnis von Handlungs- und Blickachse hervorgehoben. Zunächst wird Harford seitlich gezeigt, die Handlung findet parallel zur Bildfläche statt. Als er sich in seiner Aggression steigert und die Hände zusammenschlägt, liegen Handlungs- und Blickachse frontal aufeinander. Harford geht auf die Kamera zu, die sich von ihm in gleicher Geschwindigkeit entfernt. Sowie er der Kamera entgegen kommt, geht er auf das Treffen mit den Schülern zu. Als er um die Ecke biegt, sind beide Achsen immer noch deckungsgleich, allerdings wendet sich Harford nun von der Kamera ab, die ihm mit konstantem Abstand folgt. Es gibt keinen Ausweg mehr, der Zuschauer wird zusammen mit Harford in die Situation hineingezogen.

Eine ähnliche Herangehensweise ist in verkürzter Form bei der Begegnung mit Domino zu beobachten, die zunächst durch die offene Bildkomposition gestützt wird. Hier wird Harford durch eine fließend dynamische innere Montage und den unsichtbaren Schnitt immer tiefer in den Strudel der nächtlichen Ereignisse hineingesogen.

Nachdem es sich Harford und Domino in der Wohnung bequem gemacht haben ist im weiteren Verlauf der Schnitt besonders augenfällig. Zunächst wird der Kuss zwischen Domino und Harford weich eingeleitet. Als Alice und William Harford telefonieren, wird stets der jeweils Sprechende eingeblendet. Alices blaue Küche kontrastiert Dominos rötliches Schlafzimmer. Es herrscht ein ungewöhnlich harter Schnitt, als die erotische Situation zwischen Harford und Alice unterbrochen und damit beendet wird.

3.2 Licht, Farbe und Raum

Licht, Farbe und Raum spielen in Eyes Wide Shut eine besondere Rolle. Kubrick bemüht sich eines sehr authentischen Beleuchtungsstils[2], weshalb die nächtlichen Straßen im Normallicht der Straßen- und Schaufensterbeleuchtung klar erkennbar sind. Durch die Harford begleitende Kameraführung lässt sich der filmische Raum, das nächtliche Manhattan, deutlich erschließen. Auch die Raumtiefe wird in der zweiten wie in der ersten Sequenz durch die ruhige Kameraführung etabliert. Der ziellose Harford wird in seinen oberflächlichen Begegnungen auf der Straße hervorgehoben.

Der entscheidende Faktor sind die Farben, in welche die Orte des Geschehens getaucht sind. Es dominieren hierbei Rot und Blau, wie auch die im gesamten Filmgeschehen immer wieder präsente bunte Weihnachtsbeleuchtung. So geht Harford an vielen blauen Türen vorbei, das Stadtbild ist von roten und blauen Jalousien geprägt. Harford und Domino treffen sich vor einem Farbladen, dessen Aufschrift „PAINTS“ grell hinter ihnen leuchtet. Schließlich steht Harford mit Domino vor ihrer großen roten Haustür. Während des Telefongespräches mit Alice bildet der Schnitt in Alices kalte blaue Küche einen Gegenpol zu den warmen roten Tönen von Dominos Wohnung.

[...]


[1] Bezeichnung „Schüler“ entnommen aus Kubrick 1999.

[2] Siehe Kilb 1999, 239.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Sequenzanalyse von Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut"
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Filmwissenschaft)
Veranstaltung
Filmanalyse
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V32451
ISBN (eBook)
9783638331685
ISBN (Buch)
9783638761277
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sequenzanalyse von Stanley Kubricks Eyes Wide Shut. Die Analyse fokussiert insbesondere Farben, Ton und Proxemik (von Tom Cruise) und untersucht deren Bedeutung von zwei Sequenzen ausgehend für den gesamten Film.
Schlagworte
Sequenzanalyse, Stanley, Kubricks, Eyes, Wide, Shut, Filmanalyse
Arbeit zitieren
Julius Pöhnert (Autor:in), 2004, Sequenzanalyse von Stanley Kubricks "Eyes Wide Shut", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32451

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