Ist Europa auf dem Weg zu einer gemeinsamen Identität?


Hausarbeit, 2004

13 Seiten, Note: ohne Note


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Identitätsbegriff
2.1 Allgemeine Definition von Identität
2.2 Identität nach Göran Therborn

3. Europäische Identität vs. nationale Identität
3.1 Unterschiede zwischen europäischer und nationaler Identität nach Hartmut Kaelble
3.2 Die Vielfalt der europäischen Identitäten

4. Die Entstehung einer europäischen Identität
4.1 Die Verbundenheit europäischer Staaten mit dem Kontinent
4.2 Braucht Europa eine europäische Identität?

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit dem Vertrag von Maastricht im Jahre 1992 gibt es die Europäische Union, eine Wirtschaftsgemeinschaft, der mittlerweile 25 Mitgliedstaaten angehören.[1] 2002 wurde durch die Einführung des Euro zusätzlich die Währungsunion realisiert, und im Juni 2004 haben die EU-Staaten sogar ein gemeinsames Europäisches Parlament gewählt. Europa stellt also sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene eine Einheit dar. Doch so einheitlich das Konzept Europa auch sein mag, kann man gleichzeitig auch von einer gemeinsamen europäischen Identität sprechen? Fühlen sich die Menschen in den einzelnen Mitgliedstaaten als Europäer oder identifizieren sie sich nach wie vor in erster Linie mit den Regionen oder Ländern, in denen sie leben?

Auch Göran Therborn versucht, in seinem Werk „Die Gesellschaften Europas von 1945-2000. Ein soziologischer Vergleich“ diesen Fragen nachzugehen. In dem Kapitel „Identitätsfragen“ gibt er zunächst einen allgemeinen Überblick über den Begriff „Identität“ und geht im Folgenden darauf ein, wie sich eine kollektive europäische Identität entwickelt hat und wie eben diese in öffentlichen Ritualen zum Ausdruck kommt. Des Weiteren beschäftigt sich Hartmut Kaelble in seinem Text „Das europäische Selbstverständnis und die europäische Öffentlichkeit im 19. und 20. Jahrhundert“ damit, worin die Unterschiede zwischen einer nationalen und einer europäischen Identität liegen und welche Arten einer europäischen Identität in den letzten Jahrzehnten in Europa aufgetreten sind.

Die hier vorliegende Arbeit versucht, die Unterschiede und Parallelen dieser beiden Texte herauszustellen und geht schließlich unter Einbezug des Textes „Die Entstehung einer europäischen Identität: Konflikte und Probleme“ von Martin Kohli der Frage nach, ob eine kollektive europäische Identität in der EU überhaupt notwendig ist oder ob ein starkes einheitliches Interesse und die Verfolgung gemeinsamer Ziele ausreichen.

2. Der Identitätsbegriff

2.1 Allgemeine Definition von Identität

„Die Identität eines Menschen (oder einer Sache) ist die Summe der Merkmale, anhand derer wir uns (sie sich) von anderen unterscheiden.“[2]

Bei dieser Definition wird deutlich, dass die Identität einer Person nicht ausschließlich von dieser selbst ausgeht, sondern sich vielmehr aus der Abgrenzung eines Individuums von seinem sozialen Umfeld ergibt.

Die Europäische Identität ist weitaus vielschichtiger und fordert eine Betrachtungsweise sowohl aus politischer, als auch aus kultureller Perspektive. Offiziell tauchte der Begriff erstmals im Jahre 1973 in der politischen Agenda der Europäischen Union auf. Das gemeinsame Erbe, die Bürgerrechte und die parlamentarische Demokratie der einzelnen Mitgliedsstaaten sind grundlegende Voraussetzungen für eine gemeinsame Zukunft, die trotz der nationalen Vielfalt angestrebt wird.[3] Auch die Kultur spielt durch ihre geistigen und emotionalen Erfahrungen eine besondere und wesentliche Rolle. Als kulturelle Identität wird das Selbstverständnis eines Individuums, einer Gruppe oder Nation hinsichtlich ihrer Werte, Fähigkeiten und Gewohnheiten bezeichnet, wobei zwischen der sozialen (Familie, Klasse, ethnische Minderheit) und regionalen Ebene (bayerische, deutsche, europäische Kultur) differenziert werden muss.[4]

2.2 Identität nach Göran Therborn

Göran Therborn beschreibt den Begriff „Identität“ als eine Kombination aus „Selbigkeit“ und „Andersheit“. Mit „Selbigkeit“ ist hier das Individuum oder die Gruppe an sich gemeint, welche sich auf Grund von Gemeinsamkeiten und gleichen Werten mit dem Kollektiv identifizieren. Die „Andersheit“ legt die Grenzen eines Kollektivs fest, d.h. sie beschreibt, inwiefern sich die Mitglieder des Kollektivs von ihrem sozialen Umfeld unterscheiden. Laut Therborn handelt es sich bei der Identitätsbildung um einen fortwährenden Prozess, der sich aus drei wesentlichen Komponenten zusammensetzt: Unterscheidung, Ausbildung eines Selbstbezugs oder Selbstbildes sowie Anerkennung durch andere.

Unterscheidung trägt insofern zum Prozess der Identitätsbildung bei, dass bei einer deutlicheren Wahrnehmung der Außenwelt die eigene Identität klarer und ausgeprägter erscheint. Therborn bezeichnet diesen Vorgang als die „Erfahrung eines Anderen“ und die damit einhergehende „Entdeckung eines Selbst“.[5]

Mit der Ausbildung eines Selbstbezuges oder Selbstbildes meint Therborn das Ergebnis eines Prozesses, in dem sich das Individuum bewusst und unbewusst an anderen orientiert und in ein Kollektiv integriert. Das Zusammengehörigkeitsgefühl kollektiver Identitäten ist oft durch eine gemeinsame Abstammung oder gemeinsame Kompetenzen und Fähigkeiten gestärkt und wird mit der Durchführung bestimmter Rituale aufrechterhalten.

Aber nicht nur die Festlegung der Grenzen zur Außenwelt und der Entdeckung ihrer Unterschiede sind bei der Identitätsbildung von Bedeutung, sie müssen auch von anderen anerkannt werden, wie z.B. die staatliche Anerkennung bestimmter Personen, welche über besondere Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen.[6]

Zusammenfassend kann man sagen, dass laut Therborn eine Theorie der Identitätsbildung also „nach den Schlüsselmomenten der Unterscheidung fragen [sollte], nach Angebot von und Nachfrage nach Bezugsbildern sowie nach positiver und negativer Anerkennung.“

Sind die drei Voraussetzungen gegeben und ein Individuum wird sich seiner eigenen Identität bewusst, so hat diese drei wesentliche Auswirkungen: Sie bildet eine Quelle der individuellen Werte und Normen, legt den Spielraum der eigenen Rationalität fest und bestimmt die Reichweite und den Umfang der geltenden Normen.

Spricht Göran Therborn von der europäischen Identität, so muss diese klar von den Identitäten der Europäer abgegrenzt werden. Die Identitäten der Europäer beschreiben hier die Vielzahl von Identifikationen eines Europäers, sei es auf sozialer, territorialer, politischer oder religiöser Ebene. Die europäische Identität ist nur eine davon, hier identifizieren sie sich mit dem Kontinent Europa.[7]

[...]


[1] vgl. Weidenfeld, W., Wessels, W. (Hg.): Europa von A bis Z, S. 41

[2] http://www.net-lexikon.de/Identitaet.html

[3] vgl. http://die-neue-ordnung.de/Nr22000/AR.html

[4] vgl. http://www.adastra.at/cultura/macht/kulturelle_identitaet.htm

[5] vgl. Therborn, G.: Die Gesellschaften Europas 1945-2000. Ein soziologischer Vergleich, S. 237ff.

[6] vgl. ebd. S. 239ff.

[7] vgl. ebd. S. 242ff.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Ist Europa auf dem Weg zu einer gemeinsamen Identität?
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Note
ohne Note
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V32355
ISBN (eBook)
9783638330992
ISBN (Buch)
9783656561033
Dateigröße
486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europa, Identität
Arbeit zitieren
Mareike Schumacher (Autor:in), 2004, Ist Europa auf dem Weg zu einer gemeinsamen Identität?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32355

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