Der Regenwald als Kulturlandschaft. Auswirkungen der Entwaldung auf die indigenen Völker Indonesiens


Diplomarbeit, 2013

107 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG
1.1 EINFÜHRUNG
1.1.1 Thematik und Eingrenzung
1.1.2 Methodik und Aufbau
1.2 BEGRIFFSDEFINITIONEN
1.2.1 Indigene Völker
1.2.2 Marginalisierung
1.2.3 Kolonialismus - Neokolonialismus - Postkolonialismus
1.2.4 Globale Erderwärmung
1.2.5 El Ni ñ o Southern Oscillation (ENSO)
1.2.6 Biodiversität
1.2.7 Primärwald

2. INDONESIEN
2.1 GESCHICHTLICHER HINTERGRUND
2.2 POLITISCHE UND MENSCHENRECHTLICHE SITUATION
2.3 KLIMATISCHE BEDINGUNGEN
2.4 INDIGENE VÖLKER
2.4.1 Masyarakat Adat
2.4.2 Globale Unterschiede indigener Zusammenschlüsse

3. DIE ENTWALDUNG DES REGENWALDES
3.1 GESCHICHTE DER BRANDRODUNGEN
3.2 URSACHEN DER ENTWALDUNG
3.2.1 Palmölanbau
3.2.1.1 Nahrungsmittel und Industrie
3.2.1.2 Energetische Nutzung
3.2.2 Holzgewinnung
3.3 KLIMATISCHE UND ÖKOLOGISCHE FOLGEN

4. DER REGENWALD ALS KULTURLANDSCHAFT: NEOKOLONIALE PRAXIS UND MARGINALISIERUNG INDIGENER VÖLKER
4.1 PALMÖL UND BODENSCHÄTZE VERSUS ACHTUNG INDIGENER LANDRECHTE
4.2 ERZEUGUNG EINES ABHÄNGIGKEITSVERHÄLTNISSES
4.3 ZERSTÖRUNG DER INDIGENEN KULTUR
4.4 AUSWIRKUNGEN AUF ERNÄHRUNG UND GESUNDHEIT
4.5 KONFLIKTE INDIGENER VÖLKER
4.5.1 Horizontale Konflikte
4.5.2 Vertikale Konflikte
4.6 KLIMAVERÄNDERUNGEN UND DEREN FOLGEN FÜR DIE INDIGENEN

5. LÖSUNGSANSÄTZE UND PERSPEKTIVEN
5.1 NACHHALTIGKEIT UND NACHHALTIGES WIRTSCHAFTEN IN INDONESIEN
5.1.1 Alternativen zur Entwaldung
5.1.2 Zertifizierung: Forest Stewardship Council (FSC) und Roundtable On Sustainable Palmoil (RSPO)
5.1.3 Wald- und Klimaschutz: Reducing Emissions from Deforestation and Degradation (REDD)
5.2 INDIGENE VÖLKER UND BIOLOGISCHE VIELFALT: DIE BIODIVERSITÄTSKONVENTION ALS BRÜCKENSCHLAG?
5.3 DER SCHUTZ DER RECHTE INDIGENER VÖLKER
5.3.1 Deklaration der Vereinten Nationen zu den Rechten indigener Völker
5.3.2 International Labour Organization - Konvention Nr
5.3.3 Nationale und internationale NROs als Sprachrohr der Indigenen
5.3.4 Indigene Kräfte, das Adat und seine Chancen

6. FAZIT

7. LITERATURVERZEICHNIS
7.1 PRIMÄRLITERATUR
7.2 SEKUNDÄRLITERATUR
7.3 INTERVIEWS
7.4 INTERNETQUELLEN

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„ Die Menschen [... ] haben das Recht auf ein gesundes und produktives Leben im Einklang mit der Natur. “ (Grundsatz 1, Rio Deklaration, 1992)1

1. Einleitung

1.1 Einführung

1.1.1 Thematik und Eingrenzung

Der Regenwald Indonesiens ist einer der artenreichsten weltweit und wird von etwa 40-45 Millionen Menschen, den indigenen Völkern 2, bewohnt oder zumindest als Einkommensquelle benutzt. Gleichzeitig wird der Wald so schnell wie in keinem anderen Land der Welt vernichtet. Dieser Zustand ist u.a. dem seit Jahren anhaltenden Palmölboom zuzuschreiben; denn aufgrund der großen Nachfrage nach Palmöl möchte das indonesische Landwirtschaftsministerium die Produktion durch eine massive Expansion der Anbauflächen steigern. Millionen Hektar Wald sollen Platz für weitere Palmölplantagen machen und damit verschwinden auch die letzten großen Urwaldgebiete der Erde. Für die indigenen Völker bedeutet dieser Umstand den Verlust ihres Lebensraumes. Mit Unterstützung korrupter Behörden und des Militärs drängen die Palmöl vertreibenden Unternehmen die Ureinwohner zum Verkauf ihres Landes und schrecken nicht davor zurück, sie bei Nicht-Einwilligung und Konflikten einzuschüchtern, zu vertreiben oder gar verfolgen zu lassen. Die Marginalisierung indigener Völker in Indonesien scheint noch lange nicht überwunden zu sein.

Indonesien ist hierbei jedoch keine Ausnahme: Allein im vergangenen Jahrzehnt haben die indigenen Völker mehrere Dutzend Millionen Hektar Land weltweit verloren. Die staatlichen Stellen der betroffenen Länder haben das Land, ohne das Mitwissen der Ureinwohner, an Investoren verpachtet oder veräußert. Meistens handelt es sich hierbei um Staaten, die in den Vereinten Nationen zwar feierlich die Rechte der Indigenen anerkannt haben, in der Praxis jedoch deren Land- und Besitzrechte leugnen. Die durch indigene Völker bewohnten Flächen werden als unbewohnt, herrenlos und ungenutzt deklariert und werden somit ohne Bedenken verpachtet.3 Für die indigenen Gemeinschaften sind solche Landrechtskonflikte nichts Unbekanntes; seit Beginn des Kolonialismus vor mehr als 500 Jahren kämpfen sie schon für die Anerkennung ihrer traditionellen Landrechte. Trotzdem haben die Landverluste im 21. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreicht und sind für die Ureinwohner nicht mehr auszugleichen.

Der Landraub bedeutet für sie nicht nur die Zerstörung ihrer wirtschaftlichen Lebensgrundlage, sondern auch ihrer Kultur, ihrer Gesellschaft und ihres Glaubens und damit letztlich auch ihrer Identität. „Für die meisten indigenen Völker stellt sich daher nun die Überlebensfrage. Entweder müssen sie sich der Mehrheitsgesellschaft anpassen und ihre traditionelle Form der Bewirtschaftung ihres Landes aufgeben oder Auseinandersetzungen um fruchtbares Weide- und Ackerland werden in noch stärkerem Maße zunehmen“4, erklärt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV).

Sowohl die Waldrodungen als auch der Anbau von Palmölplantagen haben nicht nur Auswirkungen auf die indigene Bevölkerung; das Klima und das Ökosystem sind ebenso davon betroffen. Der indonesische Staat ist auch aufgrund der Brandrodungen zum drittgrößten CO2- Verursacher weltweit aufgestiegen. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Palmöl versucht die indonesische Regierung immer größere Flächen für den Anbau zur Verfügung zu stellen und dadurch gleichzeitig mehr Devisen ins Land zu holen. Die klimatischen und ökologischen Folgen werden dabei leider nicht ausreichend betrachtet. In der Klimadebatte erscheinen wiederum die indigenen Völker als diejenigen Bevölkerungsgruppen, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind. In dem vierten Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaveränderungen (IPCC) und in Untersuchungen von Umweltorganisationen wie der International Union for Conservation of Nature (IUCN) konnte nachgewiesen werden, dass gerade die indigene Bevölkerung in der Arktis, in den tropischen Wäldern sowie in den Hochgebirgs- und Küstenregionen besonders unter dem Klimawandel leiden, da sie die sogenannten „fragilen Ökosysteme“ bewohnen. Die Natur an sich stellt dabei nicht das größte Problem dar, sondern vielmehr das gesellschaftliche Verhältnis zu ihr. Für die Indigenen Indonesiens spielt das Ökosystem eine tragende Rolle, daher wollen sie es vornehmlich schützen.

Die vorliegende Diplomarbeit möchte den Zusammenhang der Entwaldung und ihrer vielfältigen Auswirkungen auf die indigenen Völker Indonesiens untersuchen. Einige Initiativen und Programme zur Lösung der genannten Probleme indigener Gruppen sollen dabei näher betrachtet und kontrovers diskutiert werden. Das Thema dieser Arbeit kann als sehr umfassend und interdisziplinär beschrieben werden. Im Rahmen einer Diplomarbeit kann daher nicht die ganze Komplexität des Sachverhalts mit all ihren Bedingungen, Ursachen und Folgen berücksichtigt werden. Dennoch besteht der Anspruch, eine möglichst genaue Darstellung der spezifischen Problemsituationen indigener Völker zu schildern, sowie Ansätze verschiedener Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, mit denen die momentane Lage eventuell verbessert werden könnte. So wie die Dekade der Indigenen Völker (1995-2004) sich u.a. das Ziel setzte, die Probleme der Indigenen zu verbreiten, möchte die vorliegende Arbeit einen ähnlichen Beitrag leisten.

1.1.2 Methodik und Aufbau

Der Grundgedanke des Themas dieser Diplomarbeit entstand im Rahmen des empirischen Praktikums „ Klimawandel “ bei Professor Dieter Mans an der Goethe Universität in Frankfurt im Jahre 2008 und 2009. Die empirische Arbeit behandelte damals die Zusammenhänge der Lebenssituation indigener Völker und dem Klimawandel in Indonesien und Alaska. Der Schwerpunkt der vorliegenden Diplomarbeit liegt in der Betrachtung indigener Völker Indonesiens und der Auswirkungen des Holzeinschlags und Palmölanbaus auf diese. Der Klimawandel als zusätzliches erschwerendes Phänomen soll aufgrund einer umfassenden Darstellung indigener Lebensumstände Beachtung finden, jedoch nicht als Fokus dieser Arbeit angesehen werden. Das empirische Praktikum kann somit als Grundbaustein der Diplomarbeit gelten, wobei die Schwerpunktsetzung eine andere ist. Neben der komparativen Literaturrecherche wird auch hier eine empirische Komponente in Form von teilstrukturierten Experteninterviews berücksichtigt. Um die auf detaillierter Literaturrecherche beruhende Arbeit um die Daten und Meinungen aus verschiedenen Perspektiven zu erweitern, wurden die in 2008 und 2009 geführten Interviews mit drei Experten erneut bearbeitet, kategorisiert und ausgewertet, da sie immer noch als valide erachtet werden können und viele Aspekte dieser Arbeit mit einbeziehen. Die Experten sind Thomas Brose, der Geschäftsführer des Klima- Bündnisses in Frankfurt am Main, Marianne Klute, Umweltreferentin von Watch Indonesia! in Berlin und Asienreferent Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen. Die qualitativen Experteninterviews dienen als ergänzende, empirische Daten und sollen einen Zugang zu den Standpunkten der sich mit der Thematik befassenden Organisationen GfbV und Watch Indonesia! sowie dem Verein Klima-Bündnis ermöglichen.5 Dieses methodische Vorgehen wurde gewählt, um dem Leser6 einen breiten Überblick über den aktuellen Stand sowohl der Forschung und der Literatur, als auch der Denkweise und Praxis der Nichtregierungsorganisationen (NRO) bzw. des genannten Vereins zum Thema zu verschaffen.

Das Experteninterview dient dazu, den Zusammenhang von allgemeinen gesellschaftlichen Strukturen, organisatorischen Kontextbedingungen und individuellen Optionen zu erschließen sowie zukünftig Steuerungsaufgaben abzuschätzen. Gegenstand sind Wissensbestände im Sinne von Erfahrungsregeln, die das Funktionieren von sozialen Systemen (von bürokratischen Organisationen bis zu Projektinitiativen) bestimmen. Der Befragte wird in seiner Funktion als Experte für ein bestimmtes Handlungsfeld und als Repräsentant einer Gruppe interviewt. Dabei ist es wichtig zu klären und zu wissen, wer als Experte gilt. Ein Experte ist jemand, der über ein klares und abrufbares Wissen auf einem abgegrenzten Gebiet verfügt und der Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung (Maßnahme) trägt.7 Des Weiteren hat er einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen bzw. Entscheidungsprozesse, auch wenn diese abhängig von seinem Forschungsinteresse sind. „Die Experteninterviews haben [...] die Aufgabe, dem Forscher das besondere Wissen der in die Situation und Prozesse involvierten Menschen zugänglich zu machen.“8 Die Aufgabe des Leitfadens ist dabei die Begrenzung der Erhebung auf das Expertenwissen, mit dem Ziel, das Wissen und die Erfahrungen der ExpertInnen möglichst umfassend zu rekonstruieren. Allerdings geschieht dies anhand eines Leitfadens mit vorgegebenen Themen und vorher überlegten Fragen an die Experten.9 Bei der Auswertung des Datenmaterials gilt es, im Vergleich der erhobenen Interviewtexte, das überindividuell Gemeinsame herauszuarbeiten. Die Grundlage hierfür bietet das transkribierte Tonband.

Nachdem das erste Kapitel in die Thematik der vorliegenden Arbeit eingeführt und das methodische Vorgehen vorgestellt hat sowie einige relevante Begriffe definiert wurden, soll das zweite Kapitel einen Einblick in das Land Indonesien gewähren. Dazu gehören sowohl die Geschichte Indonesiens und die der indigenen Völker, als auch die Einführung in die politische und menschenrechtliche Lage vor Ort. Die klimatischen Bedingungen des Landes sollen hier ebenfalls kurz dargestellt werden, um ein besseres Verständnis des Zusammenhangs von Klima und Entwaldung zu erlangen und somit auch einen leichteren Zugang zum dritten Kapitel zu finden. Dieses beschäftigt sich mit der Entwaldung des indonesischen Regenwaldes, sowie seinen Ursachen und Folgen auf die Umwelt und das Klima. Im vierten Kapitel werden die Auswirkungen der Entwaldung und Enteignung des Lebensraumes auf die indigenen Völker betrachtet. Dabei geht es insbesondere um die Verletzung indigener Rechte und den damit einhergehenden Problemen. Das fünfte Kapitel diskutiert mögliche Lösungen im Rahmen von Konzepten der nachhaltigen Wirtschaft, aber auch in Bezug auf den Schutz und die Wahrung indigener Rechte. Auf der Grundlage einer interdisziplinären Betrachtungsweise werden diese Lösungsansätze, soweit möglich, überprüft werden. Das abschließende Fazit fasst die in dieser Arbeit getätigten Überlegungen kurz zusammen und versucht mögliche Weiterentwicklungen des Sachverhaltes aufzuzeigen.

Neben den transkribierten und der Arbeit angehängten drei Interviews werden die Quellen durch thematisch eingeordnete Fachliteratur, Zeitschriftenartikel aus unterschiedlichen Disziplinen, Internetquellen und ausgehändigtes Material der Experten ergänzt.

1.2 Begriffsdefinitionen

1.2.1 Indigene Völker

Weltweit zählen unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 250 und 350 Mio. Menschen zu den indigenen Völkern, auch autochthone Bevölkerungen genannt, und stellen damit rund fünf Prozent der Weltbevölkerung.10 Die Anzahl der dabei zu unterscheidenden Völker wird auf 4000 bis 500011 geschätzt, die auf etwa 70 Staaten der Welt verteilt sind. Die meisten von ihnen leben „in den Peripherien von Nationalstaaten und sind sozioökonomischen und politischen Marginalisierungsprozessen unterworfen“12. Erst nachdem nordamerikanische Indigene in den 1970er Jahren bei der UNO einen Protest gegen die Unterdrückung ihres Volkes überreichten, setzte allmählich eine Sensibilisierung für die Probleme indigener Völker ein. Das Jahr 1993 wurde zum „ International Year of the World ´ s Indigenous People “ ausgerufen, 1995 bis 2004 galt als die Dekade der Indigenen und der 9. August wurde ferner zum „ Internationalen Tag der indigenen Völker “ erklärt.13 Neben zunehmenden internationalen Kooperationen und dem Ausbau indigener Netzwerke wurde 2007 die „ UN Declaration on the Rights of Indigenous Peoples “ 14 von 143 Staaten ratifiziert und ein „ Permanentes Forum für indigene Angelegenheiten “ etabliert. In der Konvention Nr. 169 der International Labour Organization (ILO) definiert Artikel 1 die Indigenen als:

1. „ eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern,
2. Völker, die als Eingeborene gelten, „ weil sie von Bevölkerungsgruppen abstammen, die in dem Land oder in einem geographischen Gebiet, zu dem das Land gehört, zur Zeit der Eroberung oder Kolonialisierung oder der Festlegung der gegenwärtigen Staatsgrenzen ansässig waren und die, unbeschadet ihrer Rechtsstellung, einige oder alle ihrer traditionellen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Einrichtungen beibehalten “ , und bei denen
3. das „ Gefühl der Eingeborenen- oder Stammeszugehörigkeit [...] als ein grundlegendes Kriterium für die Bestimmung der Gruppen anzusehen “ ist. Weiterhin
4. unterscheiden sie sich von anderen Teilen der nationalen Gesellschaft durch ihre sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Ihre Stellung ist entweder ganz oder teilweise durch ihre eigenen Bräuche, Ü berlieferungen oder Sonderrechte geregelt. “ 15

Nach Daes, der ehemaligen Vizepräsidentin der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen (UN) über indigene Gemeinschaften, können sie dadurch charakterisiert werden, dass sie:

1. „ bezüglich des Wohnens und Nutzens eines gegebenen Landgebietes zeitliche Priorität genießen,
2. eine Marginalisierung, Enteignung, Exklusion oder Diskriminierung erfahren haben oder immer noch erfahren,
3. ihre kulturelle Verschiedenheit, in Bezug auf die Sprache, die soziale Organisation, die Religion und spirituellen Werte sowie die Produktionsweise u.a., weiterführen möchten, und
4. sich selbst als indigen identifizieren und durch andere Gruppen oder die Staatsbehörden als sich unterscheidendes Kollektiv angesehen werden wollen “ 16.

„Zu den zentralen Forderungen indigener Völker zählen [...] die Gewährung grundlegender Menschen-, Land- und Selbstbestimmungs- wie Selbstverwaltungsrechte einschließlich der Möglichkeit nationaler Selbstständigkeit, d.h. der Anerkennung als souveräne Nationen.“17 Diese Forderungen werden von nur wenigen Staaten anerkannt sowie respektiert.

1.2.2 Marginalisierung

Die Marginalisierung stellt einen Prozess dar, bei dem Menschen bzw. Bevölkerungen an den Rand der Gesellschaft gedrängt und damit zu „Randgruppen“ werden. Die Ursachen der Marginalisierung können vielfältig sein, gehen aber im politischen Kontext häufig mit einem Landraub einher. Dabei werden Menschen von ihrem Land vertrieben und enteignet. Insbesondere im Falle von fehlenden Eigentumstiteln müssen die betroffenen Gesellschaften „dem Druck mächtiger und einflussreicher Akteure weichen“18. In extremen Fällen kann die Marginalisierung dazu führen, dass die Betroffenen in Slums verenden und dabei verhungern.

1.2.3 Kolonialismus - Neokolonialismus - Postkolonialismus

Der Begriff des „Kolonialismus“ bezeichnet erstens ein Herrschaftsverhältnis, das den Anspruch auf ein „fremdes“ Gebiet mit einschließt. Des Weiteren ist der Kolonialismus durch die Fremdherrschaft gekennzeichnet, welche wiederum dadurch charakterisiert ist, dass „kolonisierende und kolonisierte Gesellschaften unterschiedliche soziale Ordnungen aufweisen und auf eine je eigene Geschichte zurückblicken“19. Die Kolonisatoren haben hierbei die Vorstellung, dass beide Gesellschaften durch einen unterschiedlichen Entwicklungsstand voneinander getrennt sind, wobei sie von ihrer eigenen „kulturellen Höherwertigkeit“20 überzeugt sind. Als die Hochphase der kolonialen Weltordnung gilt die Zeit zwischen etwa 1880 und 1960. Allerdings reicht sie in ihren strukturellen Auswirkungen noch in die Gegenwart hinein (Neokolonialismus). „Diese Phase knüpfte in vielerlei Hinsicht an frühere Epochen an; im britischen Indien, im französischen Algerien, im niederländischen Indonesien und an vielen anderen Orten war koloniale Herrschaft nicht neu“.21

Der Begriff „Neokolonialismus“ soll zum Ausdruck bringen, dass die Dekolonisation nicht diese asymmetrischen Herrschaftsbeziehungen beendet hat. „Sie haben und hatten zum Teil immer noch Bestand, wenn auch in veränderter Form“22, erklärt Wendt. Neokolonialistische Züge lassen sich beispielsweise auch in der Politik Großbritanniens und Frankreichs erkennen. „Beide Staaten entließen ihre ehemaligen Kolonien ab den 1960er Jahren zwar formal in die politische Unabhängigkeit, behielten dennoch ihre Ideologie einer kulturellen Assimilation oder Bindung bei und beuteten die Länder auch weiterhin systematisch aus“23, schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Folglich wird das wirtschaftliche und politische System mancher Staaten trotz der formalen Souveränität immer noch von außen gesteuert. Ziai erklärt, dass Auslandsinvestitionen unter solchen Bedingungen nicht zur Entwicklung, sondern zur Abhängigkeit und Ausbeutung dieser Staaten führen. Damit werde die Kluft zwischen armen und reichen Ländern immer größer.24

Viele dieser Aspekte konnten dank der Anregungen der Postcolonial Studies ins Zentrum der Kolonialgeschichtsschreibung gerückt werden. Die Forschungsrichtung geht davon aus, dass der Kolonialismus nicht aufgrund formaler Unabhängigkeitserklärungen vorbei sei und zielt auf eine kritische Reflexion immer noch anhaltender eurozentrischer Annahmen.25 „Post-kolonial er- schöpft sich nicht in einem zeitlichen „danach“, beschreibt nicht einfach die Situation nach dem formalen Ende kolonialer Herrschaft. Postkoloniale Kritik zielt auch [...] auf die Dekonstruktion und Überwindung zentraler Annahmen des kolonialen Diskurses.“26

1.2.4 Globale Erderwärmung

Mit dem Begriff „Globale Erderwärmung“ meint man den Anstieg der durchschnittlichen Temperatur in den meisten Teilen der Welt.27 Die Jahre 2001 bis 2010 wurden als das wärmste bisherige Jahrzehnt gemessen.28 Insgesamt konnte aufgrund der Messdaten aus aller Welt nachgewiesen werden, dass die mittlere Temperatur in den letzten hundert Jahren deutlich angestiegen ist.29 Eine Ursache des Temperaturanstiegs wird, einigen Forschern zufolge, in der gesteigerten Emissionsrate des sogenannten Treibhausgases gesehen.30 Die Erderwärmung wird daher zum Teil durch die Produktion von Treibhausgasen, insbesondere Kohlenstoffdioxid und Methan, verursacht.31 Der UN World Meterological Organization zufolge sei der Abbau fossiler Energien, wie Kohle, Erdöl und Erdgas als zentraler Ursachenkomplex der globalen Erderwärmung anzusehen.32 „Gerade die Freisetzung fossiler Kohlenstoffe gilt als wichtiger Faktor für die beobachtete globale Klimaerwärmung“33, bestätigt Siegert. Als mittlerweile wissenschaftlich gesichert gilt, dass die Erderwärmung bzw. der Klimawandel zum großen Anteil durch den Menschen verursacht werden. Das von der UN eingesetzte Intergovernmental Panel On Climate Change (IPCC) veröffentlichte 2007 ihren vierten Staatsbericht, indem sie die anthropogen verursachte Erhöhung der erdnah gemessenen globalen Durchschnittstemperatur bestätigen konnten.34 „Auf Naturereignisse wie Erdbeben, Tsunamis oder Vulkanausbrüche hat der Mensch [hingegen] keinen Einfluss. Zum Anstieg der Schadenshäufigkeit tragen aber auch Naturereignisse bei, die ganz oder teilweise anthropogen bedingt sind, beispielsweise Stürme, Extremniederschläge oder Hochwasser.“35

1.2.5 El Niño Southern Oscillation (ENSO)

Den Begriff „ El Ni ñ o “ prägte ein peruanischer Fischer und meinte damit die alle paar Jahre wiederkehrende Meereserwärmung zur Weihnachtszeit, die das Ende der Fischeraktivität bedeutete. Während der „El Niño stricto sensu“, das Erwärmen des Ostpazifik, als warmer ENSO Event bezeichnet wird, heißt das gegenteilige Ereignis, nämlich das Abkühlen des Ostpazifik, „ La Ni ñ a “ bzw. ein kalter ENSO Event In Folge des ENSO ist die Regensaison in vielen Teilen Südostasiens und in Australien unüblich trocken, was schließlich zur Dürre führt. Der kalte ENSO wiederum ist durch den steigenden Niederschlag gekennzeichnet. Meistens folgt nach einem warmen ENSO ein kalter, allerdings können auch zwei warme ENSOs hintereinander folgen. Solche „doppelten“ ENSOs können destruktive Auswirkungen auf Länder wie Indonesien haben. Etwa 90 Prozent der extremen Trockenzeit werden mit dem ENSO in Verbindung gebracht, während 80 Prozent der ENSOs mit Dürreperioden einhergehen. Daher produzieren nicht alle ENSOs Dürren und nicht alle Dürren sind Produkte des ENSOs.36

1.2.6 Biodiversität

Biodiversität wird als die Variabilität lebender Organismen jeglicher Herkunft37 oder auch als biologische Vielfalt definiert. Sie umfasst die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten, die genetische Vielfalt innerhalb der Arten und die Vielfalt der Ökosysteme.38 Die Biodiversität gilt als Voraussetzung für das Gleichgewicht in Natur und Landwirtschaft. „Außerdem bildet sie unsere natürliche Existenzgrundlage: Unsere verschiedenen Nahrungsmittel, aber auch zahlreiche Baumaterialien, Kleidungsstoffe oder Energiequellen sind ein Bestandteil der Biodiversität“39, so das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Biodiversität sind demnach von entscheidender Bedeutung, um die Gesundheits-, Nahrungs- und andere Bedürfnisse der Erdbevölkerung zu befriedigen und gleichzeitig die Gesundheit und Stabilität der Ökosysteme unserer Welt zu schützen.40 Auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio 1992 wurde das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) beschlossen, welches den „Schutz der Biodiversität als übergeordnetes Naturschutzziel in den Vordergrund“41 rückt. Der Rückgang der globalen Biodiversität hat sich als eine der wichtigsten ökologischen Gefahren des 21. Jahrhunderts herausgestellt.42

1.2.7 Primärwald

Unter dem Begriff „Primärwald“ versteht man einen Wald, der noch nie forstwirtschaftlich genutzt wurde, sondern sich nur unter dem Einfluss natürlicher Störungen und im Rahmen natürlicher Prozesse entwickelt hat. Als Primärwald gelten Wälder mit einheimischen Baumarten ohne sichtbare Zeichen menschlicher Eingriffe und ohne nennenswerte Störungen der ökologischen Vorgänge. Allerdings werden auch die Wälder, „die in nicht erheblicher Weise von indigenen oder lokalen Bevölkerungsgruppen genutzt werden, deren traditionelle Lebensweisen für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von Bedeutung sind“, als Primärwälder definiert.43

2. Indonesien

2.1 Geschichtlicher Hintergrund

Zwischen dem 8. und 14. Jahrhundert erstreckte sich das buddhistische Reich Srivijaya entlang der Handelsroute zwischen Indien und China. Dabei übte es eine „lose Lehnsherrschaft über Teile Malaysias, Borneos und des westlichen Javas aus“44. Das Königreich Majapahit hingegen hatte seine Wurzeln auf Java und erstreckte sich zwischen dem späten 13. und dem frühen 16. Jahrhundert über Teile von Sumatra, Malaysia, Bali und Borneo. Diese beiden Königreiche werden von der indonesischen Bevölkerung als „indigene Grundlage der modernen Grenzen“45 ihres Staates angesehen. Mit dem Ziel, den katholischen Glauben in Südostasien zu verbreiten, errichteten die Portugiesen Anfang des 16. Jahrhunderts die ersten missionarischen Stützpunkte in Indonesien.46 Nach fast 100-jähriger portugiesischer Dominanz setzten sich im ausklingenden 16. Jahrhundert die Niederländer als Kolonialherren Indonesiens durch. Der indonesische Widerstand gegen die niederländische Herrschaft war sehr ausgeprägt, es fehlte jedoch an einem strategischen und koordinierten Vorgehen. Kriege in Westsumatra, Java und Aceh forderten im 19. Jahrhundert viele Menschenleben. Die Niederlande dehnten schließlich, ausgehend von Java, ihren Machtbereich auf den gesamten indonesischen Archipel aus; lediglich in Aceh setzte sich der Widerstand fort. Mit ihrer Strategie, bestimmte Gruppierungen der Bevölkerung Indonesiens zu privilegieren, „legten die Niederländer den Grundstein für eine bis in die heutige Zeit nachwirkende Spaltung der Gesellschaft“47, so Porchet. Andererseits verhalf gerade die Politisierung der ethnischen und sozialen Diversität „einer ersten Generation von Nationalisten zu einem kollektiven indonesischen Bewusstsein“48. Die führenden Köpfe der nationalen Bewegung Achmed Sukarno und Mohammad Hatta gründeten 1927 die Nationale Partei Indonesiens (PNI) und verweigerten eine Zusammenarbeit mit der niederländischen Kolonialregierung. Dafür wurden sie stark reglementiert und mussten ins Exil gehen. Im Zuge des Zweiten Weltkriegs marschierten die Japaner 1941 in Indonesien ein und bezwangen die Niederländer, woraufhin Sukarno und Hatta mit den Japanern kooperierten und eine gemeinsame Regierung anführten. Nach der Niederlage der Japaner 1945 riefen Sukarno und Hatta die Republik Indonesien (Indonesisch: Indonesia) aus und erklärten damit die Unabhängigkeit von den Niederlanden. In einem erneuten Versuch Indonesien zu annektieren, eroberten die Niederländer 1947/48 Teile Indonesiens und nahmen die führenden Köpfe der indonesischen Regierung fest. Das Militär Indonesiens kämpfte jedoch autonom weiter und besiegte das niederländische Heer ohne zivile politische Führung. Aus diesem Kampf und seiner selbst erwählten Rolle als Verteidiger der Nation, „leitete das Militär später die Berechtigung ab, auch im politischen Leben des Landes eine bedeutende Rolle einzunehmen.“49 Nach der endgültigen Unabhängigkeit erlebte der junge Staat eine Zeit, die durch viele Aufstände und Unruhen geprägt war und der Entwicklung einer stabilen demokratischen Regierung im Weg stand. 1965 kam es unter General Haji Mohamed Suharto zu einem Putschversuch, bei dem er Sukarno letztendlich zur Niederlage seines Amtes zwang und selbst die Regierungsmacht übernahm. Der Diktator veranlasste in der Folge ein Massaker an fast einer Million tatsächlicher und vermeintlicher Anhänger der Kommunistischen Partei (PKI)50, welches zu einem der schlimmsten Massenmorde des 20. Jahrhunderts gezählt werden kann, jedoch bis heute weder von der indonesischen Regierung als Genozid anerkannt wird noch in jeglicher Form aufgearbeitet wurde51. Bis 1996 gab es in Indonesien, u.a. weil unter Suharto nur drei politische Parteien zugelassen waren, keine Opposition, die eine reale Chance gehabt hätte die Regierung zu stellen. Erst nach dem wirtschaftlichen Absturz Indonesiens im Zuge der Asienkrise 1997 kam es, angeführt von Studenten und der ärmeren Bevölkerung, zu ersten Protesten. Die politische Elite Jakartas wandte sich schließlich gegen Suharto, der 1998 nach 32-jähriger Amtszeit und Diktatur zurücktrat. Im Oktober 1999 wurde Abdurraham Wahid, Führer der größten muslimischen Organisation in Indonesien, erster frei gewählter Staatspräsident des Landes. Dieser Machtwechsel stand unter dem Motto einer Reformpolitik (Reformasi) Indonesiens. Zwei Jahre später ersetzte ihn seine Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri, die Tochter des Staatsgründers Sukarno. Im Jahre 2004 fanden erstmals offizielle Präsidentschaftswahlen statt, wobei der frühere General Susilo Bambang Yudhoyono durch eine Stichwahl die Mehrheit erreichte. Mit Yudhoyono wählte das indonesische Volk einen Mann, „der unter Suharto als hochrangiger General in der Armee gedient hatte“52. Nach Porchet haben einige Faktoren, die eine erneute Stabilität der indonesischen Wirtschaft und die zunehmende Demokratisierung bedrohen, „ihre Wurzeln in der bewegten Geschichte des Landes“53.

2.2 Politische und menschenrechtliche Situation

Mit etwa 242 Millionen54 Einwohnern verteilt auf 17.000 Inseln, ist Indonesien der größte Inselstaat und der viertgrößte Staat der Erde.55 Die Hauptstadt Jakarta liegt auf der Insel Java, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung56 Indonesiens, auch aufgrund des fruchtbaren Bodens, lebt. Dies hat in Indonesien zu einem starken Fortschrittsgefälle zwischen den jeweiligen Inselgruppen geführt. Daher organisierte die Regierung 1969 eine „Umsiedlungskampagne“57: das sogenannte Transmigrationsprojekt (Transmigrasi), bei dem Familien aus Java, Madura und Bali58 auf weniger bevölkerte Inseln, wie Borneo, Sumatra, Sulawesi und Westpapua (Irian Jaya), umgesiedelt wurden. Zwischen 1980 und 1986 wurden dabei etwa 2 Millionen Menschen transmigriert.59 Das Projekt versuchte mit enormem Aufwand das Problem der regionalen Überbevölkerung zu lösen, führte jedoch zu vielen Konflikten und teilweise sogar kämpferischen Zusammenstößen mit der heimischen Bevölkerung.60

Der Human Development Index (HDI), der die Entwicklung einer Gesellschaft misst und dabei die Faktoren Gesundheit, Bildung und Kaufkraft berücksichtigt, liegt in Indonesien aktuell bei einem mittleren Wert61 von 0.629 Punkten62 und belegt Platz 121 von 187 Ländern. Damit zählt das Land zu den sogenannten „Entwicklungsländern“, eine heterogene Gruppe von Ländern, von denen angenommen wird, dass sie Kernmerkmale, wie Armut und „Unterentwicklung“ (gemessen am Pro-Kopf-Einkommen und wirtschaftlichen Wachstumsraten) teilen.63 Das größte Entwicklungshindernis Indonesiens sieht Keller in der Korruption: „[...] sie macht die Anstrengungen der Armutsbekämpfung zunichte, sie sorgt dafür, dass das Land für Auslandsinvestitionen unattraktiv bleibt, sie behindert Reformen im Justizsystem ebenso wie bei Polizei und Militär.“64 Auch Porchet ist der Ansicht, dass die Entwicklung zu einer „Demokratie auf einem hohen qualitativen Niveau“65 nicht erfolgen kann, solange die Korruption nicht effektiv gemindert und der Schutz demokratischer Rechte und Freiheiten nur unzureichend gewährleistet wird. Andererseits sei das seit 2004 bestehende Wahlrecht als eine Machtzunahme des indonesischen Volkes anzusehen. Weiterhin erkannte Indonesien 2006 sowohl den „Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte als auch den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen“66 an. Die Stärkung der bürgerlichen Rechte nach dem Sturz Suhartos können zwar als ein zentrales Element in den Demokratisierungsbestrebungen des Staates angesehen werden67, verhindern jedoch nicht, dass weiterhin Menschenrechtsverletzungen unbestraft bleiben und Eingriffe in die Meinungs- und Religionsfreiheit weiterhin Bestand haben.68 Das Militär nimmt auch heute noch eine wichtige Rolle in der Politik Indonesiens ein. Es zeigt „eine extensive Präsenz und einen weitreichenden Einfluss in den politischen Parteien, dem Parlament und der zivilen Bürokratie sowie [...] in der Geschäftswelt.“69 Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärt im Länderbericht Indonesien 2012: „Impunity for members of Indonesia’s security forces remains a serious concern, with no civilian jurisdiction over soldiers who commit serious human rights abuses.“70 In Papua kommt es beispielsweise bereits seit mehreren Jahren zu beträchtlichen Menschenrechtsverletzungen gegen die indigene Bevölkerung71 durch das indonesische Militär. „Neben den Chinesen sind auch andere ethnische Minoritäten immer wieder Opfer namhafter Diskriminierungen“72, erläutert Porchet. In West- und Mittelkalimantan (Borneo) kam es zu brutalen Auseinandersetzungen zwischen den einheimischen Dayaks und Malayen auf der einen und den zugewanderten Maduresen auf der anderen Seite.73 Auch die Religionsfreiheit ist in Indonesien stark eingeschränkt. Wer offiziell keiner Religion angehört, gilt meist automatisch als Kommunist, was Jahrzehnte lang ein lebensgefährliches Stigma war. Heute sei es jedoch leichter Atheist zu sein, schreibt Kampschulte: „Allerdings darf es keine atheistischen Organisationen, Publikationen oder Propaganda geben. Sie widersprechen nach herrschender Meinung der Verfassung.“74 Aus der Perspektive der Menschenrechte existieren in Indonesien viele Mankos; für Delius ist das Land daher ein „demokratischer Staat mit ganz vielen Abers“75. Klute beschreibt die indonesische Politik als eine der Macht und des Geldes, anstelle einer Politik, „die auf Programmen oder Konzepten basiert“76.

Es haben sich bereits mehrere Gruppen und Organisationen gebildet, die versuchen, „die Achtung der Menschenrechte zu fördern und zu überwachen. Allerdings sehen sich die Aktivisten dieser Gruppierungen immer wieder Missbräuchen und Störungen ihrer Arbeit gegenüber“77 ausgesetzt. 2012 berichtet Human Rights Watch von 100 Aktivisten in Papua und den Molukken, die aufgrund der Äußerung ihrer politischen Ansichten und friedlicher Demonstrationen mit separatistischen Flaggen verhaftet wurden.78 Zwischen Januar und März 2013 wurden allein 27 Fälle von Folterungen von Papua-Aktivisten durch die indonesischen Sicherheitskräfte bekannt.79 Nicht umsonst braucht man für die Einreise nach West-Papua eine besondere polizeiliche Erlaubnis und Journalisten ist die Einreise seit 2003 sogar völlig untersagt worden. „Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen und verschiedene Staaten haben Indonesien nachdrücklich aufgefordert, die Einschränkungen der freien Berichterstattung aufzuheben“80, erklärt die GfbV. Die offensiv proklamierten Menschenrechte der „Reform- Politik“, so Mertes, würden nicht genügend in die Praxis umgesetzt: „Symbolisch dafür steht der Giftmord an Said Thalib Munir, Indonesiens bekanntestem Menschenrechtsaktivisten, im September 2004. Die weiterhin nicht unabhängige Justiz sowie der Sicherheitsapparat haben es geschafft, die Aufklärung dieses Verbrechens niederzuschlagen.“81 Genauso ungesühnt bleiben die Menschenrechtsverletzungen unter Suharto. Eine Aufarbeitung sei allerdings unbedingt von Nöten, um eine erfolgreiche Zukunft Indonesiens anzugehen, meint Porchet.82

2.3 Klimatische Bedingungen

Durch seine Lage am Äquator weist Indonesien ein relativ gleichmäßiges Klima auf. Die Regenzeit dauert normalerweise von Oktober bis April, die Trockenzeit von Mai bis September. Aufgrund der klimatischen Bedingungen konnte sich hier eines der weltweit größten Regenwaldgebiete entwickeln. Auf den Inseln Sumatra, Borneo, Papua, Westjava, Sulawesi und den Molukken herrscht ein immer tropisches Klima. Auf den kleinen Sundainseln, dem übrigen Java sowie den Aruinseln bestimmt der Monsun das Klima. Die Temperaturen sind über das ganze Jahr hinweg gleichbleibend hoch, tägliche Schwankungen von 6 bis 12 C können jedoch auftreten. Der Nordostmonsun ist vorwiegend trocken, so dass während des Wintermonsuns Trockenzeit herrscht. Der Südwestmonsun nimmt dagegen über dem warmen Meer Feuchtigkeit auf und bringt hohe Niederschläge und Überschwemmungen.83 Obwohl sich das Staatsgebiet Indonesiens über eine große Fläche erstreckt, sind die regionalen Unterschiede weniger groß als angenommen. Die klimabedingten Katastrophen haben in ganz Südostasien im Hinblick auf Anzahl und Intensität zugenommen. Der Weltrisikoindex, der von der United Nations University (UNU) und einigen Entwicklungshilfeorganisationen entwickelt wurde, belegt, dass gerade südostasiatische Staaten von Naturkatastrophen, wie z.B. Erdbeben, Wirbelstürmen oder dem Anstieg des Meeresspiegels besonders stark betroffen sind.84 Indonesien belegt dabei Rang 28 von insgesamt 173 Staaten; somit fällt das Katastrophenrisiko hier geringer aus als in den benachbarten Staaten, wie den Philippinen (Rang 3), Ost-Timor (Rang 7) oder Papua-Neuguinea (Rang 12), ist aber dennoch als hoch einzustufen.85 In den letzten Jahren wurde Indonesien immer wieder von Naturkatastrophen heimgesucht. In 2004 zerstörte ein Tsunami große Teile der Provinz Aceh auf Sumatra und forderte mehr als 200.000 Todesopfer. Im November 2005 ereigneten sich weitere flutartige Überschwemmungen in Langkat, wobei 103 Menschen ums Leben kamen und weitere Hundert vermisst wurden.86 2006 gab es in Yogyakarta ein Erdbeben der Stärke 6 und im Jahre 2007 war der Vulkan „ Anak Krakatau “ stark aktiv. Im Herbst 2010 ist Mekapi, der aktivste Vulkan Indonesiens, erneut ausgebrochen. Der sogenannte Sundabogen mit den Inseln Sumatra, Java und den Sundainseln liegt auf „der tektonischen Plattengrenze zwischen der eurasiatischen und der indisch-ozeanischen Platte“87, daher kommt es hier häufiger zu Vulkanausbrüchen oder Erdbeben. Auch in Zukunft werden erhebliche Auswirkungen des Klimawandels für das Inselreich mit seinen dicht besiedelten Küstenregionen prognostiziert.88 In Indonesien wird bereits ein relativ moderater Temperaturanstieg beobachtet. Zwischen 1990 und 2007 hat die Jahresdurchschnittstemperatur um ca. 0,3°C zugenommen.89 Die verschiedenen Szenarien des IPCC-Berichtes lassen pro Dekade einen weiteren Temperaturanstieg zwischen 0,1°C und 0,3°C erwarten90, was wiederum u.a. zu einer Erhöhung des Meeresspiegels und damit einhergehenden Überschwemmungen, aber auch weiteren negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, führen könnte. Bei einer Erhöhung der mittleren globalen Temperaturen um 1-2°C wird ein drastischer Verlust an Biodiversität prognostiziert.91 Zusätzliche bedrohliche Veränderungen werden bei den Niederschlägen erwartet. Unter Wissenschaftlern herrscht weitgehend Einigkeit, dass der Klimawandel in Indonesien zu längeren Trockenzeiten führt und die Regenzeiten zwar kürzer, dafür aber intensiver werden. Pro Jahr werden zwei bis drei Prozent mehr Niederschläge erwartet.92 Lange Trockenzeiten und Dürreperioden bergen, in Kombination mit intensiveren Regenfällen, die Gefahr von Überschwemmungen. Infolgedessen rechnet man mit einem Anstieg von Durchfallerkrankungen und Infektionskrankheiten, wie Malaria und Denguefieber, da deren Überträger im Wasser ideale Bedingungen für ihre Fortpflanzung und ihren Lebensraum vorfinden können. Hinzu kommt, dass sich auch Beginn und Ende sowohl der Trocken- als auch der Regenzeit extrem verschoben haben. Seit den 1960er Jahren ist in einigen Regionen eine Verschiebung um bis zu 60 Tage zu verzeichnen93, eine Tatsache, die Klute von Watch Indonesia! durch eigene Beobachtungen bestätigen kann: „[…] der Klimawandel so als globales Phänomen, führt auch dazu, dass die Monsune sich verschieben, also die zwei Jahreszeiten, dass diese Regelmäßigkeit seit zehn bis fünfzehn Jahren irgendwo fehlt.“94 Einige Umweltwissenschaftler sind sich jedoch unsicher, inwieweit die globale Erderwärmung einen direkten Zusammenhang mit den Wetterbedingungen aufweist. Im Allgemeinen könne man jedoch davon ausgehen, dass sich El Niño mit steigender Temperatur häufen wird, meint Boomgard.95

Ein weiteres Problem stellen die Ausdehnungen von Städten und der Bau zahlreicher neuer Hochhäuser dar. Dafür werde, so Klute, bis in forensische Schichten gebohrt, „um an das Wasser dieser Schichten zu kommen und dann kommt es zum Vakuum, sozusagen zu Brüchen, also, dann sinkt die Stadt durch beides ab. Also, einmal durch den Anstieg des Meeresspiegels, durch die Klimaerwärmung und auf der anderen Seite durch die Mega-Stadtentwicklung.“96 Boomgard erklärt den Anstieg des Meeresspiegels als eine der entschiedensten Konsequenzen der globalen Erwärmung auf die Regionen in Südostasien. Der Autor sieht hierbei auch den Zusammenhang mit dem Schmelzen der polaren Eisschichten, wie z.B. auf Grönland. Diese Tatsache impliziert, so Boomgard, dass viele Küstengebiete überflutet werden und kleinere Inseln eventuell komplett verschwinden. Auch die Hauptstadt Jakarta ist direkt davon betroffen, denn sie liegt nur knapp über dem Meeresspiegel. Innerhalb von zwei Jahren versinke Jakarta zwischen 22 und 75 cm, so der PEACE-Bericht von 2007.97 „It is not unlikely that cities built in low-lying coastal areas, such as Jakarta, will be experiencing increased flooding, and eventually might have to be evacuated“98, schreibt Boomgard. Der IPCC-Bericht sagte 2007 ebenfalls einen Anstieg des Meeresspiegels um rund 3 cm pro Dekade voraus. Falls dieser Trend andauern sollte, hätte das auf Indonesien, mit seinen rund 17.000 Inseln und circa 80.000 km Küstenlinie, katastrophale Auswirkungen. Bis zum Jahr 2030 könnte der Archipel dadurch rund 2.000 tief liegende Inseln verlieren.99 Ein Artikel der Zeitung „ The Jakarta Post “ prophezeite 2007, dass bis zum Jahr 2050 160 km² der Fläche Jakartas unter Wasser liegen werden. „Etwa 60% des indonesischen Territoriums sind Küstengebiete. Wenn sich Indonesien nicht sofort auf den Klimawandel einstellt, wird er für die dort lebenden Menschen katastrophale Folgen haben“100, warnt Pantoro Tri Kuswardono von der indonesischen Umweltschutzorganisation Wahana Lingkungan Hidup Indonesia (WAHLI).

„Fachleute warnen, dass diese Katastrophen nicht allein der Regenzeit zuzuschreiben sind. Sie sind Signale, dass die Natur die schwerwiegenden Eingriffe nicht mehr ausgleichen kann. Jeder tropische Regenguss kann zum alles mitreißenden Wasserfall werden, wenn der vom Wald entblößte und erodierte Boden die Wassermassen nicht fassen kann“101, erklärt Klute. Die indonesische Bevölkerung leide daher nicht nur unter den direkten Folgen des Klimawandels, so Watch Indonesia!, sondern auch unter der massiven Entwaldung, die als eine der wichtigsten Ursachen für den Klimawandel gesehen werde.102 Aufgrund der Abholzung des Waldes, aus zum größten Teil wirtschaftlichen Gründen103 und die damit verbundenen Wald- und Torfmoorbrände ist Indonesien inzwischen der weltweit drittgrößte Verursacher von Kohlenstoffdioxidemissio- nen.

2.4 Indigene Völker

2.4.1 Masyarakat Adat

In internationalen Vereinbarungen, wie der Generalversammlung der Vereinten Nationen, hat sich Indonesien dagegen gewehrt, den Begriff des „Indigenen“ genau zu definieren.104 Denn nicht jeder, der von anderen als Indigener betrachtet wird, möchte auch selbst als indigen angesehen werden.105 Daher ist es eine „Frage der Eigendefinition“106 und wer sich selbst als indigen begreift und bezeichnet, sollte zu dieser Kategorie gezählt werden. „Aber da sie ihn [den Begriff „indigen“] schon mal selbst benutzen, ist das wichtigste Kriterium erfüllt, dass man sie als Indigene betrachten kann“107, erklärt Klute. In Indonesien können v.a. diejenigen Menschen als „indigen“ gelten, die über ein „ Adat “ verfügen. Übersetzt bedeutet der Begriff „Gewohnheiten“ oder „Bräuche“ und soll das „Gewohnheitsrecht“ der indigenen Bevölkerung bezeichnen.108 Das Adat ist ferner ein traditionelles Gerüst verschiedener Ethnien und wurde aus Religion, Kultur, Erbe und mythischen Vorstellungen, „aber auch mit rechtsverbindlichen Beziehungen, ein Gerüst von […] Sitten und Gebräuchen“109 gebildet. Jede Ethnie hat ihr eigenes Adat, auch die Menschen, die als „modern“ gelten und zunächst nicht als Indigene erkannt werden, besitzt ebenso ein Adat.110 In Indonesien unterscheidet man zwischen dem Adat bzw. der lokalen Tradition und dem „ masyarakat adat “, der lokalen Gemeinde oder Gemeinschaft.111 Kosel zufolge wurde der Begriff des masyarakat adat explizit als ein Äquivalent zum englischen Wort „ indigenous peoples “ gewählt. „The term signifies communities that live according to their own traditional rules and values (adat). Although of Arabic origin the usage of the word adat in the national discourse is emotionally highly charged as it stands for everything that is believed to be originally Indonesian.“112 Die indonesische Organisation Aliansi Masyarakat Adat Nusantara (AMAN), auf Deutsch die „Allianz der Indigenen“, beschreibt masyarakat adat als: „communities that have an inherited origin, having inhabited a certain territory for generations, and have their own system of values and ideology as well as economic, political, cultural and social systems and their own territory“.113

Die meisten indigenen Völker leben entweder direkt im Wald oder ernähren sich hauptsächlich von ihm. In Indonesien wird die Zahl dieser Menschen laut GfbV und Watch Indonesia! auf etwa 40114 bis 45 Millionen115 geschätzt116, was einem Viertel der Bevölkerung des indonesischen Archipels entsprechen würde. Die indigenen Völker Indonesiens sind sehr unterschiedlich im Hinblick auf ihren Lebensraum bzw. die Insel, auf der sie leben, und im Hinblick auf ihre Lebensweise und auf welche Art sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Zu ihnen zählen beispielsweise Jäger und Sammler, Wanderfeldbauern, Ackerbauern u.a. Es gibt verschiedene Typen von Indigenen und diverse Adats und Kulturen, so beispielsweise die Dajak-Ethnien in Borneo, zu denen etwa fünf Millionen Menschen gezählt werden können, oder die Papua, darunter sehr viele Sammler und Jäger, die nur noch ungefähr eine Million Menschen zählen. Sie alle haben eine intensive Beziehung zum Land und zu ihrem Territorium. Dieses ist für sie mit Kontinuität und Identität verknüpft und somit auch mit ihrer Herkunft und Geschichte verbunden. Die Zugangsrechte zu Land und zu den natürlichen Ressourcen des Waldes wurden früher ebenfalls über das Adat, das lokale Gewohnheitsrecht der Dorfgemeinschaften, geregelt. Bis heute existieren dort jedoch unterschiedlich ausgeprägte Adat-Regeln zur Ressourcen- nutzung.117

Die Abholzung der Wälder zugunsten von Palmölplantagen und der Holzindustrie hat jedoch dazu geführt, dass viele indigene Völker ihre Heimat und ihre heiligen Stätten verlieren. Delius behauptet, dass dies einen enormen Wandel für diese Menschen bedeutet und fragt daraufhin "was von ihrer Identität noch übrig bleibt“118, da ihr Lebensgebiet ihre gesamte Lebensgrundlage darstellt. „Wenn sie kein anerkanntes rechtliches Gebiet haben, dann überleben sie nicht“119, erläutert Brose im Interview. Daher sei die rechtliche Anerkennung ihrer Gebiete das erste politische Ziel der Indigenen. „Dann kommen andere Forderungen der Nutzung, der Unterstützung usw., aber das ist die Grundlage ihrer gesamten politischen Arbeit. Ohne rechtlich anerkanntes Gebiet können sie nicht überleben, haben keine Chance, werden vertrieben.“120 Doch auch wenn sie über eine rechtliche Anerkennung ihrer Gebiete verfügen, kam und kommt es immer wieder zu Problemen mit den abholzenden und Palmöl- anbauenden Unternehmen, der Industrie, dem Militär oder den Transmigranten.121

2.4.2 Globale Unterschiede indigener Zusammenschlüsse

Brose erklärt, dass die Indigenen Lateinamerikas, aber auch anderer Länder, seit Jahrzehnten dafür gekämpft haben, dass im internationalen Bereich ein „s“ an den Begriff „indigenous“ angefügt wird.122 Zwischen dem Begriff „indigenous people“ und „indigenous peoples“ herrscht ein wesentlicher Unterschied, da der erstgenannte Begriff eine individuelle Person meint, während der andere eine Gruppe bezeichnet. „Und die Indigenen haben gefordert, dass es „peoples“ heißt, weil das eben die indigenen Gruppen sind.“123 Derartige Zusammenschlüsse indigener Bewegungen sind im indonesischen Archipel eher selten. Der Einigungsprozess unter den indigenen Völkern in Indonesien ist nicht so fortgeschritten, wie in anderen Ländern, wie Brasilien, Peru und Kolumbien, erklärt Delius. Dadurch, dass die Indigenen nicht „effektiv organisiert“ sind, sei es schwer, ihre Haltung zu bestimmten Problemfeldern zu artikulieren und als NRO mit ihnen zusammenzuarbeiten.124 In Amazonien, so Delius, gäbe es Zusammenschlüsse der indigenen Bevölkerungen, die klare Forderungen stellen können, da sie besser organisiert seien. Auch Brose ist der Ansicht, dass die „politische Sensibilisierung und politische Aktivität“ in Lateinamerika stärker sei als in Afrika oder Asien. Die politische Arbeit der Coordinadora de las Organizaciones Ind í genas de la cuenca Amaz ó nica (COICA) als Dachverband aller indigenen Organisationen in Amazonien ist sehr intensiv und stark auf allen Ebenen, so der Experte im Interview. In Indonesien haben die Indigenen Schwierigkeiten, eine gemeinsame Position zu finden „und die dann nach außen hin zu tragen“125. Allerdings sei an dieser Stelle zu ergänzen, dass auch die indigenen Völker Amazoniens sehr heterogen sein können und daher nicht zu vereinheitlichen sind. Lediglich die politische Aktivität weist eventuell eine stärkere Form auf, als die der Indigenen anderer Kontinente, was jedoch nicht bedeutet, dass sie als eine Gruppe mit einem einheitlichen Standpunkt gelten können. Trotzdem haben sie es geschafft, einen Dachverband wie den COICA zu gründen, um ihre jeweiligen Forderungen zu formulieren; eine Tatsache, die die Indigenen in Indonesien noch nicht vollziehen konnten. Die Ursache kann sicherlich z.T. im Transmigrationsprogramm der Regierung gefunden werden, welches auch die Intention hatte, die indigenen Völker zu „vermischen“. Es bleibt jedoch fraglich, ob die Ureinwohner Indonesiens ohne die Umsiedlung eher zu einer gemeinsamen Stellungnahme gefunden hätten. Der Staat an sich mit seinen tausenden von Inseln macht es schwierig genug, Zusammenschlüsse zu gründen und gemeinsame Forderungen zu stellen. Ein weiterer Unterschied und damit auch ein potentielles Problem der indigenen Gemeinschaften in Indonesien sei, dass ihre Belange nicht auf genügend Interesse sowohl im eigenen Land als auch im internationalen Bereich stoßen: „[...] wer interessiert sich für Indonesien und Indonesiens Wälder?“126, fragt Delius. Im Vergleich zu Amazonien denkt im Zusammenhang mit Wäldern kaum jemand in Europa an Indonesien „und das ist schon ein riesen Problem“127, so der Asienreferent der GfbV.

[...]


1 Rio Erklärung über Umwelt und Entwicklung 1992. Online. URL: http://www.un.org/depts/german/conf/agenda21/rio.pdf

2 In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe „indigene Völker“, „indigene Bevölkerung(en)“, „indigene Gemeinschaften“ „indigene Gruppen“ oder „Ureinwohner“ als gleichbedeutend benutzt

3 Vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) 2012, S.3

4 GfbV 2012, S.4

5 Die teilstrukturierten Experteninterviews werden der Arbeit angehängt und als weitere wissenschaftliche Quellen in die Arbeit integriert.

6 Aufgrund einer erleichterten Lesbarkeit werde ich darauf verzichten, sowohl die männliche als auch die weibliche Sprachform zu verwenden. Deswegen werden alle verwendeten Personenbezeichnungen für beide Geschlechter gelten.

7 Vgl. Gäser; Laudel 2010, S.11ff.

8 Ebd., S.13

9 Vgl. Ebd., S.42

10 BMZ 2010-2013. Online. URL:

http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/themen/menschenrechte/allgemeine_menschenrechte/hintergrund/blickpun kt_indigene.html

11 Vgl. Kraas 2002, S.9

12 Ebd., S.8

13 Vgl. Ebd., S.12

14 Siehe Unterkapitel 5.3.1 Deklaration der Vereinten Nationen zu den Rechten indigener Völker

15 ILO-Konvention 169. Online. URL: http://www.ilo169.de/index.php?option=content&task=view&id=20&Itemid=31

16 Stosiek 2012, S.29

17 Kraas 2002, S.11

18 Schneider et al. 2012, S.9

19 Conrad 2012, S.3

20 Osterhammel 2012, S. 21.

21 Conrad 2012, S.4

22 Wendt 2007, S.17

23 Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) 2005. Online. URL: http://www.bpb.de/internationales/afrika/afrika/59086/neokolonialismus

24 Vgl. Ziai 2012, S.24

25 Vgl. Conrad 2012, S.7

26 Ebd.

27 Vgl. Rahmstorf; Schellnhuber 2007, S.29

28 Vgl. Schneider et al. 2012, S.18

29 Vgl. Rahmstorf; Schellnhuber 2007, S.36

30 Vgl. Boomgaard 2007, S.102

31 Vgl. Ebd., S.322f.

32 Vgl. Schneider et al. 2012, S.18

33 Siegert 2004, S.29

34 Vgl. Schneider et al. 2012, S.18

35 Ebd., S.5f.

36 Vgl. Boomgaard 2007, S.100f.

37 Vgl. Milad et al. 2012, S.24

38 Vgl. BMZ 2010-2013. Online. URL: http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/themen/umwelt/biodiversitaet/index.html

39 Ebd.

40 Vgl. Aachener Stiftung Kathy Beys 2012. Online. URL: http://www.nachhaltigkeit.info/artikel/artenschutzkonvention_949.htm

41 Milad et al. 2012, S.24

42 Elbehri et al. 2013, S.72

43 Vgl. FAO 2001. Online: URL: http://www.fao.org/documents/show_cdr.asp?url_file= /DOCREP/005/Y4171E/Y4171E11.html

44 Porchet 2008, S.153f.

45 Ebd.

46 Vgl. Ebd., S.153f.

47 Ebd. S.155

48 Ebd.

49 Porchet 2008, S.156

50 Vgl. Mertes 2007, S.16

51 Vgl. Mertes 2007, S.16; Vgl. Oppenheimer 2011, Film.„The Act of Killing“

52 Porchet 2008, S.159

53 Ebd., S.153

54 Vgl. Statistisches Bundesamt 2012 Online. URL: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Internationales/Laenderprofile/Indonesien2012.pdf?__blob=p ublicationFile

55 Vgl. Mertes 2007, S.19

56 Vgl. Auswärtiges Amt 2013. Online. URL: http://www.auswaertiges- amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Indonesien_node.html

57 Mertes 2007, S.17

58 Vgl. ebd.

59 Vgl. Thiele 1993, S.11

60 Siehe Unterkapitel 4.5 Konflikte indigener Völker

61 hoher HDI (0,8 bis 1,0), mittlerer HDI (0,5 bis 0,8), niedriger HDI (kleiner als 0,5) In: Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) 2008. Online. URL: http://www.bpb.de/gesellschaft/staedte/megastaedte/64733/hd

62 Vgl. UNDP 2013. Online. URL: http://hdrstats.undp.org/en/countries/profiles/idn.html

63 Vgl. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2010-2013. Online. URL: http://www.bmz.de/de/service/glossar/E/entwicklungsland.html

64 Keller 2007, S.71

65 Porchet 2008, S.488

66 Ebd., S.302

67 Vgl. Ebd., S.484

68 Vgl. Human Rights Watch 2013. Online. URL: https://www.hrw.org/sites/default/files/wr2013_web.pdf

69 Porchet 2008, S.260

70 Human Rights Watch 2012, S.2. Online. URL: http://www.hrw.org/sites/default/files/related_material/indonesia_2012.pdf

71 Siehe Unterkapitel 2.4 Indigene Völker

72 Porchet 2008, S.314

73 Vgl. Kampschulte 2001, S.22

74 Ebd., S.6

75 Vgl. Delius Interview 2009, S.1

76 Klute Interview 2008, S.5

77 Porchet 2008, S.314

78 Vgl. Human Rights Watch 2012, S.1. Online. URL: http://www.hrw.org/world-report/2013/country- chapters/indonesia http://www.hrw.org/sites/default/files/related_material/indonesia_2012.pdf

79 Vgl. GfbV 2013. Online. URL: http://www.gfbv.de/pressemit.php?id=3436

80 Ebd.

81 Mertes 2007, S.18

82 Vgl. Porchet 2008, S.318

83 Vgl. Schneider et al. 2012, S.5

84 Vgl. Ebd., S.6

85 Vgl. Bündnis Entwicklung Hilft/ UNU 2011, S.64

86 Vgl. Stern 2007, S.315

87 Gebhardt 2011, S.6

88 Vgl. Keller 2007, S.72

89 Vgl. PT Pelangi Energi Abadi Citra Enviro (PEACE) 2007, S.41

90 Vgl. Ebd., S.40

91 Vgl. Rahmstorf; Schellnhuber 2007, S.75f.; Vgl. Stern 2007, S.93

92 Vgl. PEACE 2007, S.48

93 Vgl. Ebd., S.42f.

94 Klute Interview 2008, S.22

95 Vgl. Boomgaard 2007, S.323

96 Klute Interview 2008, S.24

97 Vgl. PEACE. 2007, S.50

98 Boomgaard 2007, S.323

99 Vgl. PEACE 2007, S.49

100 Watch Indonesia! 2008. Online. URL: http://home.snafu.de/watchin/II_2_08/Torry.htm

101 Klute 2004. Online. URL: http://home.snafu.de/watchin/II_1_04/katastrophen.htm

102 Vgl. Watch Indonesia! 2008. Online. URL: http://home.snafu.de/watchin/II_2_08/Torry.htm

103 Siehe Kapitel 3. Die Entwaldung des Regenwaldes

104 Vgl. Klute Interview 2008, S.2

105 Vgl. Delius Interview 2009, S.22

106 Ebd., S.19

107 Klute Interview 2008, S.2

108 Vgl. Kaiser 1996, S.12

109 Klute Interview 2008, S.2

110 Vgl. Ebd.

111 Vgl. Kosel 2006, S.175

112 Kosel 2006, S.180

113 Ebd., S.181

114 Vgl. GfbV 2012, S.6

115 Vgl. Klute Interview 2008, S.3

116 Diese Zahl kann, aufgrund der weiter oben bereits erwähnten schwierigen Vereinheitlichung der Indigenen in Indonesien, nicht eindeutig verifiziert werden.

117 Vgl. Koch et al. 2012, S.205

118 Delius Interview 2009, S.19

119 Brose Interview 2008, S.9

120 Ebd., S.9f.

121 Siehe Kapitel 4. Der Regenwald als Kulturlandschaft: Ein problematischer Lebensraum

122 Vgl. Brose Interview 2008, S.11

123 Ebd.

124 Vgl. Delius Interview 2009, S.3

125 Ebd.

126 Delius Interview 2009, S.5

127 Ebd.

Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
Der Regenwald als Kulturlandschaft. Auswirkungen der Entwaldung auf die indigenen Völker Indonesiens
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
107
Katalognummer
V323265
ISBN (eBook)
9783668241541
ISBN (Buch)
9783668241558
Dateigröße
904 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
regenwald, kulturlandschaft, auswirkungen, entwaldung, völker, indonesiens
Arbeit zitieren
Dipl. Päd. Sanda Saric (Autor:in), 2013, Der Regenwald als Kulturlandschaft. Auswirkungen der Entwaldung auf die indigenen Völker Indonesiens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323265

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