Entwicklung der Banken- und Finanzkrise. Wie haben die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland auf die Krise reagiert?


Bachelorarbeit, 2012

99 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Vorgehensweise

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Die Nachfragepolitik
2.1.1 Die IS-Kurve
2.1.2 Die LM-Kurve
2.1.3 Die IS-LM-Kurve
2.1.4 Das Multiplikatorprinzip
2.2 Die Angebotspolitik
2.3 Abschließender Vergleich
2.3.1 Kritikpunkte der Angebotspolitik
2.3.2 Kritikpunkte der Nachfragepolitik
2.3.3 Der Maastrichter Vertrag
2.3.3.1 Fazit zum Maastrichter Vertrag

3 Die Banken- und Finanzkrise - Von der Immobilienkrise bis zur Finanzkrise
3.1 Auslöser der Banken- und Finanzkrise
3.1.1 Die Entstehung der Subprime-Krise
3.1.1.1 Die Leitzinspolitik der US-Notenbank Fed
3.1.1.1.1Hätte Keynes die Leitzinspolitik der US-Notenbank Fed unterstützt?
3.1.1.2 Die fehlerhafte Kreditvergabe der Banken und die Rolle der US- Notenbank Fed
3.1.2 Von der Subprime-Krise zur Finanzkrise
3.1.2.1 Forderungsabgesicherte Wertpapiere
3.1.2.1.1 Der Ablauf einer Verbriefung mittels einer Zweckgesellschaft
3.1.2.2 Credit Default Swaps
3.1.2.3 Die Rolle der Ratingagenturen
3.2 Folgen der Banken- und Finanzkrise
3.2.1 Vertrauenskrise der Banken

4 Maßnahmen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland zur Bewältigung der Krise
4.1 Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland
4.1.1 Das erste und zweite Konjunkturprogramm
4.1.2 Der Rettungsschirm für Unternehmen
4.2 Maßnahmen der Europäischen Union
4.2.1 Das Konjunkturprogramm der Europäischen Union
4.2.2 Das Notfallprogramm der Europäischen Union
4.3 Keynes zu den Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union
4.4 Maßnahmen zur Verhinderung künftiger Finanz- und Wirtschaftskrisen
4.4.1 Abschied der Niedrigzinspolitik
4.4.2 Schaffung von mehr Transparenz im Bankenwesen
4.4.3 Verschärfte Vorschriften für den Verbriefungsmarkt

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Konsumfunktion, eigene Abbildung

Abbildung 2: Gleichgewichtseinkommen, eigene Abbildung

Abbildung 3: Investitionskurve, eigene Abbildung

Abbildung 4: Gleichgewicht am Geldmarkt, eigene Abbildung

Abbildung 5: das Grundmodell der Keynesianischen Theorie, eigene Abbildung

Abbildung 6: Geldpolitik im Grundmodell, eigene Abbildung

Abbildung 7: Fiskalpolitik in der Liquiditätsfalle, eigene Abbildung

Abbildung 8: Multiplikatoreffekt, eigene Abbildung

Abbildung 9: Fiskalpolitik und IS/LM-Gleichgewicht, eigene Abbildung

Abbildung 10: Defizitquote in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2010, eigene Abbildung

Abbildung 11: Schuldenstandsquote zum nominalen Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2010, eigene Abbildung

Abbildung 12: Historische Kursdaten für DAX

Abbildung 13: Historische Kursdaten für Dow Jones

Abbildung 14: Entwicklung des Leitzinses

Abbildung 15: Entwicklung der Immobilienpreise-Case Shiller-Hauspreisindex, eigene Abbildung

Abbildung 16: TED-Spread

Abbildung 17: Subprime-Neugeschäfte USA

Abbildung 18: Hypothekendarlehen nach ihrer Verzinsung, eigene Abbildung

Abbildung 19: Anteil variabler Hypothekenkredite am Gesamtvolumen

Abbildung 20: Anzahl verkaufter Immobilien in Millionen

Abbildung 21: Immobilienpreise

Abbildung 22: Untergliederung der ABS, eigene Abbildung

Abbildung 23: Verbriefung von Hypothekendarlehen, eigene Abbildung

Abbildung 24: Prinzip der Tranchierung, eigene Abbildung

Abbildung 25: Konstruktion eines Credit Default Swaps (CDS), eigene Abbildung

Abbildung 26: Marktanteile der Rating-Agenturen, eigene Abbildung

Abbildung 27: Auftragseingänge in der Automobilindustrie

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Multiplikatorprinzip

Tabelle 2: Maßnahmen der Angebots- und Nachfragepolitik

Tabelle 3: Staatsverschuldung zum 31.12.2010

Tabelle 4: Rechenbeispiel

Tabelle 5: Rechenbeispiel

Tabelle 6: S&P Länder-Rating, Stand 7.11.2011

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

"Theorien sind wie Schraubenzieher. Die passen auch nicht in jede Schraube, und so helfen nicht alle Theorien in allen Situationen."

Peter Bofinger

Im Januar 2009 gab der damalige US - Vizepräsident Dick Cheney der Nachrichten- agentur Associated Press ein Interview. Er wurde unter anderem gefragt, warum sei- ne Regierung nicht in der Lage gewesen sei, die größte Finanzkrise seit der Welt- wirtschaftskrise der 1930er Jahre vorauszusehen. Seine Antwort: „Niemand war klug genug, das zu durchschauen. Das hat niemand kommen sehen.“ Mit dieser Ein- schätzung stand Cheney nicht alleine da. Viele Wirtschaftsweisen und Politiker ant- worteten mit derselben rhetorischen Frage: Wer hätte das vorhersehen können?1 Jedoch fehlte es nicht an fundierten Warnungen, aber die Bankvorstände überhörten sie und Regulierer und Politiker nahmen sie nicht ernst. So schrieb beispielsweise der Ökonomieprofessor Robert Shiller, in seinem Buch „Irrational Exuberance“, dass die Hauspreise in den USA „sehr abnormal“ aussähen und dass ein weiterer Anstieg einen Preiseinbruch und eine weltweite Rezession auslösen könne.2 Der ehemalige Chefvolkswirt der Dresdner Bank, Kurt Richebächer, schrieb schon im Jahr 2001: „Der neue Immobilienboom ist eine weitere, sich rasch aufblähende Blase, genährt von den gleichen lockeren Finanzpraktiken, die auch die Aktienmarktblase genährt haben.“3 Im Jahr 2005 erklärte die Wall-Street-Legende James Grant, dass die No- tenbank der Vereinigten Staaten mit ihrer Zinspolitik zu einem Großteil dazu beiget- ragen habe, eine der größten Kreditblasen der Finanzgeschichte entstehen zu las- sen.4

Nouriel Roubini, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der New York University war ebenfalls einer der wenigen, die frühzeitig eine bevorstehende Krise hervor sa- hen. Während einer Rede am 7.September 2006 vor dem Internationalen Währungs- fonds in Washington D.C. prophezeite Roubini, dass die Wirtschaft der Vereinigten Staaten in absehbarer Zukunft einen noch nie da gewesenen Einbruch auf dem Im- mobilienmarkt, einen heftigen Ölpreisschock und eine deutliche Verschlechterung des Konsumklimas erleben, die unweigerlich in eine tiefe Rezession münden wird. Roubini fügte hinzu, dass Hausbesitzer bald nicht mehr in der Lage wären, ihre Hypothekenzinsen zu bezahlen. Trete dies ein, komme das gesamte Finanzsystem zum Erliegen, da mit diesen Hypotheken besicherte Wertpapiere im Wert von Billionen von US-Dollar verfielen. Der anstehende Zusammenbruch des Immobilienmarktes könne die strukturellen Probleme im Finanzwesen zutage fördern. Außerdem könne eine Krise ausgelöst werden, die Hedge-Fonds, Investmentbanken und staatlich ge- förderte Bausparkassen zu Fall bringen könnte. Schließlich bewahrheiteten sich Roubinis Prophezeiungen. Jedoch entwickelte er seine Prognose weiter. Roubini prognostizierte eine schwere Kreditkrise, die Haushalte, Unternehmen und in beson- ders dramatischer Weise das Finanzwesen betreffen würde. Vor dem Zusammen- bruch von Bear Stearns sagte er ebenfalls vorher, dass zwei große Investmentban- ken die Krise nicht überleben und die übrigen ihre Unabhängigkeit verlieren würden. Bear Stearns war einige Monate später Geschichte. Lehman Brothers hatte Konkurs angemeldet. Merrill Lynch wurde später von der Bank of America übernommen, wäh- rend Morgan Stanley und Goldman Sachs in Bankholdinggesellschaften umgewan- delt wurden. Roubini sah ebenfalls die Globale Ausweitung der Krise früher als die meisten anderen Beobachter voraus. Er prognostizierte, die noch hypothetische Strukturkrise werde sich zu einer Finanzepidemie ausweiten und die schlimmste weltweite Rezession seit Jahrzehnten auslösen.5

Als Reaktion auf die Krise hatten viele Regierungen ihre Haushaltsdefizite massiv erhöht und versuchten somit die Wirtschaft zu beruhigen. Zur Jahreswende 2009/2010, als die Angst vor einer neuen Depression - wie sie bereits in den 30er Jahren bestand - wich, begannen sich die Finanzmärkte jedoch um etwas anderes Sorgen zu machen. Die Therapie schien schlimmer zu werden als die Krankheit. Die Frage war nun, ob die Anhäufung der Staatsschulden jemals getilgt werden könne. Deutschland und andere Länder gaben mehrere Milliarden Euro aus, um der Krise Herr zu werden. Länder wie Griechenland wirtschafteten schon seit Jahren schlecht und haben nun ein hohes Haushaltsdefizit. Folglich zeigen Kapitalmärkte kein Inter- esse mehr an Staatsanleihen von hoch verschuldeten Ländern wie Griechenland. Die Staatsschulden sind somit nicht mehr finanzierbar. Nun ist Griechenland ge- zwungen, um Hilfe von außen zu rufen. Somit gab unter anderem die Europäische Union und der Internationale Währungsfond (IWF) ein Rettungspaket in Aussicht. Die Bedingungen für Griechenland waren jedoch sehr hoch. Es wurden Einschnitte in einem brutalen und massiven Umfang gefordert, ein Ende der so genannten Kultur des leichten Geldes und ein schockierender Angriff auf den Lebensstandard der Normalbevölkerung.6

Wirtschaftswissenschaftler geben auf die Frage, warum es zu Wirtschaftskrisen kommt, unterschiedliche Antworten. Manche sind der Auffassung, es handele sich um eine logische Konsequenz von staatlichen Eingriffen in den Markt. Andere jedoch sind von der Theorie überzeugt, es komme zu Krisen, weil der Staat nicht entschie- den genug eingreife.7

„Was wir dringend brauchen, um ökonomische Stabilität und Wirtschaftswachstum zu erreichen, ist eine Rückführung des staatlichen Einflusses.“

Milton Friedman

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise hat innerhalb kürzester Zeit zu einer „Wiedergeburt“ von Keynes und seiner Lehren geführt. Sogar Ökonomen und Regierungen, die die keynesianische Wirtschaftspolitik bisher ablehnten, beziehen sich nun wieder auf John Maynard Keynes. Keynes‘ Theorie war im Wesentlichen eine Reaktion auf die 1929 einsetzende Wirtschaftskrise. Sie beruht auf der Annahme, dass eine rasche Zinssenkung und eine antizyklische Fiskalpolitik die angemessene Antwort auf die große Depression der 1930er Jahre darstellt.8

1.1 Zielsetzung

Diese Ausarbeitung dient der Darstellung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Nach Darstellung der Immobilienkrise in den USA bis hin zu einer weltweiten Finanzkrise soll die Frage beantwortet werden, ob die Bundesrepublik Deutschland und die Eu- ropäische Union angemessen auf die Krise reagiert haben. Um diese Frage zu be- antworten werden die Maßnahmen beschrieben, welche die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union zur Überwindung der Krise unternommen haben. Zunächst wird jedoch auf die Rolle des ehemaligen Wirtschaftswissenschaft- lers John Maynard Keynes in Bezug auf die aktuelle Finanz- und Wirtschaftkrise ein- gegangen. Zu Beginn werden daher Keynes‘ Ansichten und Denkweisen zur Thema- tik und mit der dazu konkurrierenden Denkweise der Angebotspolitik verglichen. Im Verlauf der Ausarbeitung wird immer wieder versucht diese Theorien mit der Banken- und Finanzkrise zu verbinden. Dabei wird kritisch hinterfragt, ob die Theorien des ehemaligen Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes auf die heutige Situa- tion anwendbar sind, oder ob sie bereits Anwendung gefunden haben. Schließlich stellt sich abschließend die Frage, ob seitens der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland angemessen auf die Krise reagiert wurde und ob Keynes‘ Theorien sinnvoll sind.

1.2 Vorgehensweise

Im ersten Teil der Ausarbeitung werden die Theorien des Ökonomen John Maynard Keynes zur Bewältigung einer Wirtschaftskrise erläutert. Untersuchungsbestandteil sind hier die von Keynes unterstützte Nachfragepolitik und die im Gegensatz dazu stehende Angebotspolitik. Speziell die keynesianische Theorie wird im weiteren Ver- lauf in Kapitel drei und vier immer wieder, mit Absicht diese Ansichten auf die aktuel- le Krise zu beziehen, thematisiert. Es stellt sich in den Kapiteln immer wieder die Frage: Wie wurde auf bestimmte Ereignisse während der Krise reagiert und wie hätte im Gegensatz dazu Keynes nach seinen Auslegungen gehandelt? Sind gegebenen- falls Parallelen erkennbar? Untersuchungsbestandteil in Kapitel 2 ist ebenfalls der Maastrichter Vertrag.

Im zweiten Teil der Ausarbeitung soll die zeitliche Entwicklung der Transition der Im- mobilienkrise in den USA in eine weltweite Finanzkrise beschrieben werden. Dieses Kapitel soll dem Leser einen ersten Überblick über die Immobilienkrise, bis hin zur Finanzkrise verschaffen und bereits gezielt die Auslöser, Ursachen und Folgen der Krise beschreiben.

Im dritten Teil werden die Maßnahmen der Europäischen Union und der Bundesre- publik Deutschland zur Bewältigung der Krise erläutert. Untersuchungsbestandteil sind außerdem weitere Vorschläge, die zur Verhinderung zukünftiger Krisen beitra- gen können.

Zum Ende der Ausarbeitung werden sämtliche Punkte zusammengefasst und durch ein Fazit abgeschlossen. Es soll nun die Frage geklärt werden, ob die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union angemessen auf die Krise reagiert haben. In diesem Zusammenhang wird auch nochmals diskutiert, ob Keynes‘ Maßnahmen zur Bekämpfung von Wirtschaftskrisen sinnvoll sind oder ob andere Maßnahmen sinnvoller wären. Es stellt sich ebenfalls die Frage, ob eine Währungsunion, so wie sie heute besteht eine Zukunft hat.

2 Theoretische Grundlagen

Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise führte innerhalb kürzester Zeit zu einer „Wiedergeburt“ von Keynes und seiner Lehren.9 Aufgrund dessen beschäftigt sich das folgende Kapitel unter anderem mit den Theorien des Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes.

John Maynard Keynes, geboren am 05.06.1883 in Cambridge war ein britischer Ökonom und Politiker. Berühmtheit erlangte er hauptsächlich durch sein Buch „The General Theory of Employment, Interest and Money“. Grundlage des Buches war die große Depression von 1929-1932. In seinem Buch gab Keynes neue Antworten auf eine drängende Frage zu jener Zeit: Wie kann die Wirtschaftspolitik eine Krise über- winden, wie jene der jahrelangen Großen Depression, die dem Kurssturz von 1929 gefolgt war? Keynes revolutionierte in seinem Buch die bis dahin gängigen Theorien von Adam Smith und David Ricardo. Smith und Ricardo waren bisher davon ausge- gangen, dass in einer Krise die Löhne sinken und das Unternehmer aufgrund der niedrigeren Kosten für Arbeit und Kapital wieder produzieren, also auch wieder Leute einstellen. Außerdem besagte das von Jean-Baptiste Say formulierte Theorem, dass jedes Gut zu jeder Zeit seinen Abnehmer finde.10

Keynes‘ Theorien behaupteten jedoch, dass ein Unternehmer nur dann produziere, wenn er der Meinung sei, seine Güter auch absetzen zu können. Schließlich ent- scheide nicht das Angebot, ob Unternehmen investieren sondern die Nachfrage. In- vestieren Unternehmen jedoch aufgrund geringer Nachfrage nicht genug, so müsse nach Keynes der Staat als Investor auftreten und für Nachfrage nach Gütern und Ar- beitskräften sorgen, um die Wirtschaft zu beleben. Der Staat solle daher mit dem Bau von Straßen, Schulen oder Wohnungen für Arbeit und Einkommen sorgen. Außer- dem solle eine Niedrigzinspolitik die Wirtschaft wieder ankurbeln. Im Gegensatz zur bisherigen Schule war Keynes außerdem der Meinung, dass in wirtschaftlich schlechteren Zeiten die Sparneigung zunehme und dadurch den Nachfrageausfall verstärke. Schrumpfende Nachfrage sei auch die Folge dessen, wenn Löhne gekürzt und Arbeitnehmer entlassen werden. Die Anpassung von Preisen und Löhnen erfol- ge außerdem nur sehr langsam. Keynes behauptete zudem, dass wirtschaftliche Entscheidungen nicht nur durch mathematische Berechnungen, sondern auch impul- siv getroffen werden und von äußeren Ereignissen geprägt sind. In anderen Worten waren Entscheidungen somit unsicher und willkürlich.11 Nach Keynes sind die Unter- nehmer die entscheidenden Akteure in kapitalistischen Volkswirtschaften, da sie ihre zukunftsgerichteten Entscheidungen unter Unsicherheit treffen müssen. Im Gegen- satz zu Produktions- und Beschäftigungsentscheidungen werden Investitionsent- scheidungen langfristig getroffen. Keynes setzte sich auch mit der Unterscheidung zwischen „Unternehmer“ und dem „Spekulanten“ auseinander, welche eine mögliche negative Rolle in Finanzmärkten einnehmen können.12 Mit seinen Annahmen stoß Keynes besonders in der zu dieser Zeit jüngeren Generation auf große Resonanz. Mit dem Keynesianismus bildete sich schließlich eine neue Richtung der National- ökonomie.13

Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang der Keynesianismus auch der Durchbruch. In- dustrieländer steuerten nun ihre Ökonomien mittels Steuer-, Ausgaben- und Zinspoli- tik. Kritiker behaupteten oftmals, seine Theorien seien zu kurzfristig. Keynes entgeg- nete dem mit dem inzwischen legendären Satz: „In the long run we are all dead“ („Langfristig sind wir alle tot“). Als in den siebziger Jahren zu Zeiten der Ölkrise je- doch seine Theorien versagten wurde es still um Keynes.14 Durch die Wahl von Mar- garet Thatcher 1979 in Großbritannien und Ronald Reagan 1981 in den USA setzte sich der Liberalismus schließlich langsam wieder durch.15 „Liberalismus beschreibt eine Weltanschauung, die das Recht auf Freiheit, Eigenverantwortung sowie freie Entfaltung der einzelnen Person in den Mittelpunkt stellt (Individualismus) und eine Kontrolle oder Bevormundung des Einzelnen durch staatliche Einrichtungen vermin- dern bzw. verhindern will [V].“16 Nun jedoch erlebt Keynes seine „Wiedergeburt“. Industrieländer initiieren ein Ankurbelungsprogramm, Banken werden unter staatli- cher Kontrolle gestellt und Notenbanken helfen im Sinne von Keynes die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Der Liberalismus, welcher der Welt neben hohen Wachstumsra- ten und Wohlstand auch die größte Krise seit 1929 beschert hat, tritt in den Hinter- grund.17

Aufgrund seiner Lehren hat Keynes bis heute die ökonomische Wissenschaft in zwei Lager gespalten, die sich im Wesentlichen um die Frage streiten wem im Falle des Ungleichgewichts in der Wirtschaft unter die Arme gegriffen werden müsse: Der Nachfrageseite, was die Keynesianer befürworten, oder der Angebotsseite.18 Einer zu Keynes‘ Zeiten größten Wiedersacher war Milton Friedman. Friedman war Befür- worter einer Denkrichtung, die unter dem Namen Monetarismus bekannt ist. Fried- man behauptete, dass eine Instabilität einer Volkswirtschaft über die Fluktuationen in der Geldmenge erklärt werden könne. Im Gegensatz zu Keynes, der der Meinung war, dass die Weltwirtschaftskrise durch den Zusammenbruch der Nachfrage ausge- löst worden war, behauptete Friedman, dass der Grund vielmehr in den fehlenden Einlagen und Reserven der Banken lag. Ausländische Investoren hoben ihre Erspar- nisse ab, was zur Folge hatte, dass Banken ihre Zahlungen einstellen mussten. Demnach war der Einbruch der Geldmenge die Ursache für den Rückgang der Nach- frage. Friedman sprach sich prinzipiell gegen eine staatliche Intervention, vor allem der von Keynes geforderten Konjunkturprogramme, aus. Jedoch war er auch der An- sicht, dass der Rückgang der Geldmenge durch eine Zinssenkung der Notenbanken hätte verhindert werden können.19

Um ein Verständnis über mögliche wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur zu erhalten, werden im folgenden Verlauf die Nachfrage- und Angebotspolitik erklärt und verglichen. Der Schwerpunkt richtet sich hierbei auf die von Keynes unterstützte Nachfragepolitik.

2.1 Die Nachfragepolitik

Keynes entwickelte in seinem Buch „The General Theory of Employment, Interest and Money“ eine Theorie der Ursachen für Arbeitslosigkeit und des wirtschaftlichen Abschwungs. Er legte in seinem Buch unter anderem dar, wie Investitionen der Un- ternehmen und der Konsum der Haushalte angeregt werden, wie die Zentralbanken Einfluss auf das Geld und die Zinssätze nehmen und weshalb die Wirtschaft in eini- gen Ländern wächst und in anderen stagniert. Ferner behauptete Keynes, dass eine gezielte Fiskal- und Geldpolitik des Staates sich auf die Wirtschaftsleistung auswirkt und somit den Problemen der Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen entgegensteuern kann. Keynes geht davon aus, dass Unternehmen freie Kapazitäten besitzen. Das Credo der Keynesianer ist, dass eine Unterauslastung der Unternehmen auf fehlen- de Nachfrage zurückzuführen ist. Grundsätzlich ist es jedoch schwierig herauszufin- den, ob die Minderproduktion durch die fehlende Nachfrage zurückzuführen ist. Es könnte schließlich auch sein, dass die Konkurrenz preiswerter ist oder dass ein Un- ternehmen ein Qualitäts- oder Imageproblem hat.20

Das Prinzip der keynesianischen Theorie lässt sich am Besten anhand des IS-LM- Modells erklären. Im Wesentlichen stellt das IS-LM-Diagramm zwei Kurven dar, welche jeweils einen Markt zeigen.21 Sowohl die IS-Kurve als auch die LM-Kurve werden im folgenden Kapitel erklärt.

2.1.1 Die IS-Kurve

Die IS-Kurve zeigt den Gütermarkt und die LM-Kurve den Geldmarkt. „Die IS-Kurve zeigt, bei welchen Kombinationen von Zins und Inlandsprodukt (Nationaleinkommen) Gleichgewicht auf dem Gütermarkt herrscht.“22 Das „I“ in IS-Kurve steht für Investitionen und das „S“ für Sparen.23

Die Nachfrage nach Konsumgütern hat verschiedene Einflussgrößen, wie zum Beispiel der Zinssatz für Konsumentenkredite, Zinssätze für verschiedene Anlageformen von Ersparnissen, das Vermögen der privaten Haushalte, Einkommenserwartungen, tatsächliche und erwartete Entwicklung der Konsumgüterpreise. Vorerst bleiben diese Faktoren jedoch unberücksichtigt, da die einzig bedeutsame und kurzfristig veränderbare Variable dieser Größen das Realeinkommen ist.24

Eine wichtige Annahme der von Keynes unterstützten Nachfragepolitik ist, dass die private Konsumnachfrage (C) vor allem vom verfügbaren Einkommen (Y) der Haushalte abhängt.25

Konsumfunktion:26

1 C=C(Y)-Konsumfunktion

Ferner wird unterstellt, dass sich das Güterangebot immer an der Güternachfrage orientiert. Demnach wird eine steigende Güternachfrage durch eine höhere Produkti- on des Produktes befriedigt. Im Gegensatz dazu passt sich die Produktion nach un- ten an, wenn die Nachfrage sinkt. Betrachtet man das Einkommen ohne die Existenz von Einkommensteuern und staatlichen Transfers, so gilt: Je höher das Einkommen der Haushalte, desto höher ist ihr Konsum.27 Eine Konsumfunktion könnte hierbei wie folgt aussehen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1 Konsumfunktion, eigene Abbildung28

Die Konsumausgaben nehmen hierbei mit dem Einkommen nur unterproportional zu. Keynes nennt dies ein „fundamentales psychologisches Gesetz“. Das Sparen (S) wird bestimmt als Differenz von Einkommen (Y) und Konsumausgaben (C).29

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2 Gleichgewichtseinkommen, eigene Abbildung30

Aus Abbildung 2 ergibt sich, je größer das Einkommen, desto größer sind auch die Ersparnisse. Im Falle eines Rückgangs des Einkommens gingen nach Keynes auch die Ersparnisse zurück.31 Entscheidet sich ein Konsument mehr zu sparen, bei einem gegebenen Einkommen (Y) wird folglich der Konsum vermindert und die Ersparnisse steigen an. Die niedrigere Konsumnachfrage lässt die Produktion und das Gleichge- wichtseinkommen sinken. Konsumenten sparen hier bei jedem Einkommensniveau mehr, das heißt die Ersparnisse nehmen zu. Da jedoch gleichzeitig das Einkommen sinkt, reduzieren sich auch die Ersparnisse. Dieser Mechanismus wurde von Keynes auch Sparparadoxon genannt.32

Neben der Konsumnachfrage ist außerdem die Investitionsnachfrage eine wichtige Komponente. Dabei sind der Zinssatz und die effektive Nachfrage die wichtigen Determinanten.33 Hierbei gilt in der Investitionsfunktion folgendes:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3 Investitionskurve, eigene Abbildung34

Steigt der Zins (i), so sind Investitionen (I) teurer. Reagieren Investitionen sehr stark auf Veränderungen auf das Zinsniveau, wirkt sich dies auf die Investitionskurve mit einer flacheren Darstellung aus. Ein Rückgang der Investitionen durch eine Anhe- bung der Zinssätze hat ebenso Folgen auf das Einkommen, denn durch den Rück- gang der Investitionen wird nicht mehr produziert und demnach die Güternachfrage der Konsumenten nicht befriedigt. Folglich steigt auch das Einkommensniveau nicht.

Also sind Investitionen negativ vom Zins abhängig.35 Investitionen sind jedoch nach Keynes nur schwer prognostizierbar, da sie von vielen gegenwartsbezogenen und zukunftsorientierten Einflussgrößen abhängen, wie zum Beispiel die Absatzlage, Ka- pazitätsauslastung, Auftragslage, Zinsniveau und der Unternehmergewinn. Zusätz- lich spielen technische Neuerungen und allgemeiner Investitionsdruck, allgemeine ökonomische Rahmenbedingungen sowie psychologische Faktoren eine Rolle. Der Zinssatz und die effektive Nachfrage waren für Keynes jedoch die wichtigsten Ein- flussgrößen.36

Zusammenfassend lassen sich in einer IS-Kurve daher folgende Abhängigkeiten unterstellen:37

a. der Faktor Sparen (S) in Abhängigkeit vom Einkommen (Y) (Abbildung 2)
b. Abhängigkeit von Investitionen (I) auf Basis der Zinsen (i) = (Ii) (Abbildung 3)
c. Gleichsetzen von Investition und Sparen(S)= (I=S), genauer: I(i) = S(Y)

2.1.2 Die LM-Kurve

Der Geldmarkt (LM-Kurve) befindet sich dann im Gleichgewicht, wenn die Geldnachfrage der Bürger dem Geldangebot der Zentralbank entspricht.38 Das „L“ steht für Liquiditätsnachfrage, das „M“ für Geldangebot. Das Gleichgewicht am Gütermarkt lässt sich anhand einer Formel wie folgt darstellen:39

1 LT(Y) + LS(i) = MS

LS = Spekulationskasse

LT = Transaktionskasse

MS = Geldangebot

Die gesamte Geldnachfrage setzt sich aus Geldnachfrage zu Transaktions- und Spekulationszwecken zusammen und muss im Gleichgewicht mit dem Geldangebot übereinstimmen.40 Die Gleichgewichtsbedingung lässt sich in der folgenden Abbildung graphisch darstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.4 Gleichgewicht am Geldmarkt, eigene Abbildung41

In Punkt P würden Wirtschaftssubjekte keine Spekulationskasse halten. In diesem Punkt betrüge die Transaktionsnachfrage 250 und würde mit dem Geldangebot übereinstimmen. Das komplette Gegenteil wäre im Punkt P` der Fall. Hier entspräche die Spekulationsnachfrage dem Geldangebot. In Punkt Q halten Wirtschaftssubjekte sowohl Transaktions- als auch Spekulationskasse. Hier stimmt das Geldangebot mit 250 mit der Spekulationskassennachfrage in Höhe von 100 und der Transaktions- kassennachfrage in Höhe von 150 überein. Auch für alle anderen Punkte auf der Ge- rade gilt: Geldangebot = Geldnachfrage. Der Punkt R zeigt eine Überschussnachfra- ge nach Geld. Hier möchten Wirtschaftssubjekte 250 zu Transaktions- und 150 zu Spekulationszwecken halten. Ein Gleichgewicht würde hier bei einem Geldangebot von 400 herrschen.42

Doch wann steigt die Geldnachfrage und wann sinkt sie? Dem Modell nach ist die Geldnachfrage vom Zins und dem Einkommen abhängig. Die Geldnachfrage steigt bei Steigerung des Einkommens. Bei einer Steigerung des Zinses hingegen sinkt die Geldnachfrage und die Kurve würde sich nach unten verschieben, da das Geld nun relativ teurer wird. Hierbei wird das Geldangebot von der Zentralbank bestimmt. Bleibt das Geldangebot gleich, so sinken das Volkseinkommen und damit auch die Geldnachfrage. Die Geldnachfrage wird kleiner als das Geldangebot. Damit Men schen genauso viel Geld halten können bei niedrigeren Einkommen muss der Zins gesenkt werden. Zusammenfassend lassen sich in einer LM-Kurve folgende Abhängigkeiten unterstellen:43

a. Geldnachfrage in Abhängigkeit vom Zins (hoher Zins = geringere Geldnach- frage)
b. Geldnachfrage in Abhängigkeit vom Einkommen (hohes Einkommen = stei- gende Geldnachfrage)
c. Geldangebot in Abhängigkeit von der Zentralbank

2.1.3 Die IS-LM-Kurve

Die IS-Kurve und die LM-Kurve ergeben zusammen die IS-LM-Kurve. Bei diesem Modell werden beispielsweise Steuererhöhungen oder Zinsveränderungen erkennbar.44 Im Schnittpunkt dieser beiden Kurven befindet sich das volkswirtschaftliche Gleichgewicht. Wenn ebenso viele Güter angeboten wie nachgefragt werden befindet sich der Gütermarkt (IS-Kurve) im Gleichgewicht. Dies ist nur der Fall, wenn die Investitionen den Ersparnissen entsprechen. Die Investitionen wiederum hängen vom Zins ab. Investitionen sind umso teurer, je höher der Zins ist.45

Zusammenfassend ist festzuhalten:

Der Geldmarkt (LM-Kurve) befindet sich dann im Gleichgewicht, wenn die Geldnachfrage der Bürger dem Geldangebot der Zentralbank entspricht. Der Gütermarkt (ISKurve) befindet sich dann im Gleichgewicht, wenn die Güternachfrage der Bürger dem Güterangebot entspricht. Abbildung 5 zeigt zunächst das Grundmodell der ISLM-Kurve. Auf der IS Kurve gilt hierbei: Investition = Ersparnis, während auf der LMKurve Geldnachfrage = reales Geldangebot gilt. Um das Gleichgewicht der Wirtschaft zu wahren muss beides erfüllt sein. Das Gleichgewicht ist dort gegeben, wo sich LM-Kurve und IS-Kurve schneiden.46

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.5 das Grundmodell der Keynesianischen Theorie, eigene Abbildung47

Abbildung 6 zeigt, dass das Geldeinkommen steigt, wenn die Zentralbank die Zinsen senkt.48

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.6 Geldpolitik im Grundmodell, eigene Abbildung49

Indem der Staat jedoch seine Ausgaben/Investitionen steigert, kann er das Volkseinkommen erhöhen, falls Zinssenkungen nicht mehr wirken. Dieser Effekt beschreibt die Liquiditätsfalle in Abbildung 7. Dies ist der Fall, wenn alle geplanten Ersparnisse in Bargeld oder unverzinsliche Sichtguthaben gehalten werden.50

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.7 Fiskalpolitik in der Liquiditätsfalle, eigene Abbildung51

2.1.4 Das Multiplikatorprinzip

Haben Zinssenkungen, wie in Abbildung 7 ersichtlich, keine Wirkung mehr so soll nach Keynes der Staat mit Investitionen eingreifen. Diese Maßnahmen des Staates lassen sich gut anhand des Multiplikatorprinzips erläutern. Anhand des Multiplikatorprinzips kann man gut erkennen, wie sich die Nachfrage nach Gütern bei einer Erhöhung der Staatsausgaben auswirkt. Hierbei gehen wir im folgenden Beispiel von einer Grenzkonsumneigung von 0,75 aus. Demnach muss die Grenzsparneigung 0,25 betragen, da Konsumneigung und Sparneigung sich zu 1 addieren.52

Tabelle 1: Multiplikatorprinzip53

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Werden demnach die Staatsausgaben um einen bestimmten Betrag erhöht, so er- höht sich die Gesamtnachfrage nicht um denselben Betrag, sondern um einen noch größeren Betrag. Dies ist dadurch begründet, dass das Multiplikatoprinzip in mehre- ren Stufen abläuft. Zu Beginn führt eine Erhöhung der Staatsausgaben zu einer gleich großen Erhöhung des Einkommens (Investitionen 12,5 und Erhöhtes Einkom- men 12,5). Da die Haushalte ihren Konsum am Einkommen orientieren und dieses gestiegen ist, werden sie mehr Güter nachfragen (12,5*0,75=9,38). Die Unternehmen befriedigen die erhöhte Nachfrage, wodurch Produktion und Einkommen (12,5+9,38=21,88) erneut steigen. Da angenommen wird, dass ein Teil des zusätzli- chen Einkommens gespart wird setzt sich dieser Prozess in immer kleineren Schrit- ten, bis ein neues, höheres Gleichgewichtseinkommen erreicht wird, fort. Es wird je- doch vorausgesetzt, dass die Erhöhung der Staatsausgaben nicht nur über eine Pe- riode erfolgt, sondern über mehrere. Eine nicht dauerhafte Erhöhung führt nur zu ei- ner kurzen Erhöhung der Produktion und des Einkommens. Langfristig betrachtet bleibt das Einkommen konstant. In diesem Beispiel blieben Steuern und staatliche Transfers unberücksichtigt. Anhand der folgenden Abbildung zeigt sich, dass der Anstoßeffekt durch eine Erhöhung der Staatsausgaben für Güter und Dienste die IS- Kurve nach rechts verschiebt. Diese Rechtsverschiebung entspricht dabei dem Mul- tiplikatoreffekt.54

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.8 Multiplikatoreffekt, eigene Abbildung55

Berücksichtigt man eine Einkommensteuer, so ist nun das Nettoeinkommen, also das Einkommen nach Abzug der Steuern relevant für den Konsum der Haushalte. Han- delt es sich bei dieser Steuer um eine Pauschalsteuer, so muss das Einkommen ge- nau um eben diesen Betrag zunehmen, damit ein Haushalt dasselbe Nettoeinkom- men wie vor der Steuer hat. Dies wiederum ist nötig, um denselben Konsum tätigen zu können wie vor der Steuererhebung. Steigt demnach das Einkommen um 100 bei einem Steuersatz von 10 Prozent, so nimmt das verfügbare Einkommen nur um 90 zu. Auf Basis des Multiplikatoreffekts steigen der Konsum, die Produktion und das Einkommen in den darauffolgenden Perioden geringfügiger an. Ebenso wie die Ein- kommensteuer würde auch eine erhöhte Sparneigung der Konsumenten für eine Verringerung des Multiplikatoreffekts sorgen.56 Abbildung 9 zeigt anhand des keyne- sianischen Kreuzes, wie sich der Anstoßeffekt durch Erhöhung der Staatsausgaben für Güter und Dienste auswirkt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.9 Fiskalpolitik und IS/LM-Gleichgewicht, eigene Abbildung57

Eine Zunahme des Einkommens hat wiederum Auswirkungen auf den Geldmarkt (Spillover-Effekt), denn zur Bewältigung des höheren Inlandsproduktes wird nun oh- ne simultane Geldmengensteigerung mehr Transaktionskasse benötigt. Dies ge- schieht durch ein erhöhtes Angebot von Wertpapieren. Ein erhöhtes Wertpapieran- gebot kann nur durch einen höheren Zins untergebracht werden. Ein erhöhtes Zins- niveau hat wiederum Rückwirkungen auf den Gütermarkt, da zu einem höheren Zins private Investitionen teurer werden. Dieser Verdrängungseffekt privater Nachfrage durch staatliche Nachfrage wird auch „Crowding-out-Effekt“ genannt.58

2.2 Die Angebotspolitik

Im Gegensatz zur Nachfragepolitik setzt sich die Angebotspolitik (Supply-Side Eco- nomics) das Ziel, die staatlichen Eingriffe zu vermindern und durch Reglementierun- gen die unternehmerische Initiative zu fördern. Ferner soll die Lenkungsfunktion des Marktes wiederhergestellt werden. Durch einen Rückzug des Staates aus dem Wirt- schaftsleben soll ebenso die Leistungsbereitschaft der Bürger erhöht werden.59

Dabei richtet sich die Angebotspolitik nach dem Grundsatz das Geld knapp zu halten. Sie entstand aus dem Monetarismus, dessen Hauptvertreter der US-Amerikaner Mil- ton Friedman war. Der Monetarismus entstand als kritische Reaktion auf den Keyne- sianismus. Der Monetarismus hält, im Gegensatz zum Keynesianismus, die Fiskalpo- litik sowie sonstige fallweise beziehungsweise punktuelle staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsablauf zur wirtschaftspolitischen Gestaltung für ungeeignet. Es wird eher eine längerfristige Geldmengenpolitik empfohlen. Dabei ist sie immer darauf bedacht eine inflationsvermeidende Geldpolitik zu suggerieren.60 Friedmans Theorie wird ebenfalls dem Neoliberalsimus zugeordnet, dieser stellt eine ausgeglichenere Varian- te zum Liberalismus dar. Der Neoliberalismus steht zwar für eine freiheitliche Markt- wirtschaft mit freier Preisbildung, Wettbewerbs- und Gewerbefreiheit, jedoch sind auch minimale Eingriffe des Staates, wie die Verhinderung von Monopolen und Kar- tellen, Ausgleiche bei Konjunkturschwankungen und sozialer Ausgleich vorgese- hen.61 Die Angebotspolitik stellt eine Weiterentwicklung des Monetarismus dar. Sie könnte als „Monetarismus plus“ bezeichnet werden. Neben Friedman setzt die Ange- botspolitik insbesondere auf Schumpeter. Schumpeter behauptete, dass der dynami- sche Unternehmer die Aufgabe habe, Substitutionsmöglichkeiten für knappe Res- sourcen zu erschließen, Produkt- und Verfahrensinnovationen zu forcieren und somit für eine Erweiterung der Angebotsmöglichkeiten zu sorgen. Deshalb solle der Staat Maßnahmen fördern, die diese unternehmerischen Aktivitäten unterstützen.62 Im Kern führt die Angebotspolitik auf das Saysche Theorem zurück (Jean-Baptiste Say, 1903). Das Buch „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Ge- ldes“ (Keynes, 2006) beinhaltet jedoch eine Gegendarstellung des Sayschen Theo- rems.63 Say behauptet, dass sich jedes Angebot seine Nachfrage selbst schaffe und bekräftigt somit die Grundzüge des Liberalismus.64 Keynes ist hier anderer Meinung. Wäre dies der Fall, so Keynes, dann würde auch der Wettbewerb unter den Unter nehmern immer zu einer Ausdehnung der Beschäftigung führen, bis das Angebot der Produktion nicht mehr elastisch ist. Dies bedeutet, dass eine Veränderung im Ange- bot der Produktion keine Auswirkungen mehr auf die Nachfrage hat.65 Nach Say gibt es folglich keine Nachfrage- oder Angebotsüberhänge. Die Wirtschaft befinde sich immer im Gleichgewicht. Durch die Erzeugung von Gütern wird Nachfrage geschaf- fen, die dem Angebot entspräche. Einzige Voraussetzung sind Konkurrenz und fle- xible Preise. Flexible Preise unterstellen jedoch, dass Arbeitnehmer ihre Löhne ge- gebenenfalls nach unten anpassen sollen. Außerdem sind Preise oftmals über einen längeren Zeitraum vertraglich geregelt und können deswegen nicht ständig an die Marktverhältnisse angepasst werden. Deshalb ging Keynes von starren Preisen aus. Ein Kritikpunkt von flexiblen Preisen ist außerdem, dass sinkende Einkommen zu sinkender Nachfrage führen. Zusätzlich müsse ein Mindestlohn abgeschafft wer- den.66 Das Saysche Theorem stützt sich hauptsächlich auf zwei Punkte:67

a. Jeder Produktion entspricht ein in gleicher Höhe geschaffenes Einkommen. Jedoch ist nicht sichergestellt, dass das komplette Einkommen für Güterkäufe verwendet wird. Nur, wenn das Einkommen der Güternachfrage gleichzuset- zen ist, entspricht die Nachfrage dem Angebot.
b. Um dieses Gleichgewicht herstellen zu können, nutzen Anhänger des Say- schen Theorems den Zinssatz. Wird das komplette Einkommen nicht ausge- geben, wird es gespart. Es gibt dabei zwei Arten des Sparens:

i. Das Geld wir zur Bank gebracht oder
ii. Das gesparte Geld wird gehortet

Wird das gesparte Geld bei einer Bank angelegt, so verleiht es die Bank wiederum an Kunden weiter, die dieses geliehene Geld investieren möchten. Daher wird dieser Teil des gesparten Geldes nachfragewirksam. Wird das gesparte Geld jedoch gehor- tet wird es nicht nachfragewirksam. Die klassischen Theorien gingen jedoch trotzdem davon aus, dass das Saysche Theorem seine Gültigkeit hat, da der durch die Hor- tung niedrigere Geldpreis einen Anreiz bietet, das Geld wieder auszugeben. Dadurch stelle sich wieder ein Gleichgewicht her, was zur Vollbeschäftigung führe.68

[...]


1 Vgl. Roubini/Mihm (2010), Seite 9

2 Vgl. Handelsblatt Nr. 074 (2010), Seite 22

3 Handelsblatt Nr. 074 (2010), Seite 22

4 Vgl. Roubini/Mihm (2010), Seite 11-12

5 Vgl. ebd. Seite 9-11

6 Vgl. Lynn (2011), Seite 10-11

7 Vgl. Roubini/Mihm (2010), Seite 59

8 Vgl. Hagemann (2009), Seite 8

9 Vgl. Hagemann (2009), Seite 8

10 Vgl. Hesse (2003), Seite 179-180

11 Vgl. Hesse (2003), Seite 180 und Basler Zeitung (2009), Seite 17 und Roubini/Mihm (2010), Seite 72

12 Vgl. Hagemann (2009), Seite 9

13 Vgl. Hesse (2003), Seite 180

14 Vgl. Basler Zeitung (2009), Seite 17

15 Vgl. brand eins Wirtschaftsmagazin (2009)

16 Vgl. bpb online (2009)

17 Vgl. Basler Zeitung (2009), Seite 17

18 Vgl. Hesse (2003), Seite 180 und Basler Zeitung (2009), Seite 17

19 Vgl. Roubini/Mihm (2010), Seite 72-74

20 Vgl. Shakhray (2007), Seite 2-3

21 Vgl. FAZ online (2009) A

22 Vgl. ebd.

23 Vgl. makroo online (2011) A

24 Vgl. Shakhray (2007), Seite 3

25 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 306

26 Vgl. Shakhray (2007), Seite 3

27 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 305-310

28 Konsumfunktion, In Anlehnung an Shakhray (2007), Seite 14

29 Vgl. Shakhray (2007), Seite 3

30 Gleichgewichtseinkommen, In Anlehnung an Shakhray (2007), Seite 18

31 Vgl. FAZ online (2009) A

32 Vgl. VWL online online (2007)

33 Vgl. Shakhray (2007), Seite 4

34 Investitionskurve, In Anlehnung an Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 318

35 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 314-320

36 Vgl. Shakhray (2007), Seite 4

37 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 314-318

38 Vgl. FAZ online (2009) A

39 Vgl. makroo online (2011) B

40 Vgl. ebd.

41 Gleichgewicht am Geldmarkt, In Anlehnung an makroo online (2011) B

42 Vgl. makroo online (2011) B

43 Vgl. FAZ online (2009) A

44 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 332-336

45 Vgl. FAZ online (2009) A

46 Vgl. ebd.

47 das Grundmodell der Keynesianischen Theorie, In Anlehnung an FAZ online (2009) A

48 Vgl. FAZ online (2009) A

49 Geldpolitik im Grundmodell, In Anlehnung an Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 328

50 Vgl. Bofinger (2011), Seite 395-396

51 Fiskalpolitik in der Liquiditätsfalle, In Anlehnung an FAZ online (2009) A

52 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 309-311 und Shakhray (2007), Seite 5

53 Multiplikatorprinzip, In Anlehnung an Shakhray (2007), Seite 7

54 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 309-314, 327

55 Multiplikatoreffekt, In Anlehnung an Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 327-328

56 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 314-318

57 Fiskalpolitik und IS/LM-Gleichgewicht, In Anlehnung an Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 327

58 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 327-328

59 Vgl. Sperber (2009), Seite 203

60 Vgl. Wirtschaftslexikon24 online (2010) A

61 Vgl. Focus Money online Nr. 50 (2006)

62 Vgl. Spahn (1986), 253-258

63 Vgl. Keynes (2006), Seite 23

64 Vgl. Focus-Money (2006), Seite 70-72

65 Vgl. Keynes (2006), Seite 22-23

66 Vgl. Die Zeit Nr. 46 (2003)

67 Vgl. Baßeler/Heinrich/Utecht (2006), Seite 300

68 Vgl. ebd.

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Entwicklung der Banken- und Finanzkrise. Wie haben die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland auf die Krise reagiert?
Hochschule
Hochschule Offenburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
99
Katalognummer
V323205
ISBN (eBook)
9783668226166
ISBN (Buch)
9783668226173
Dateigröße
1203 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Finanzkrise, Bankenkrise, Immobilienblase, Fed, US Notenbank, Maastricht Vertrag
Arbeit zitieren
Jonas Josef (Autor:in), 2012, Entwicklung der Banken- und Finanzkrise. Wie haben die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland auf die Krise reagiert?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323205

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