Brauchen wir heute noch Parteien?

Eine Untersuchung ihrer Funktionen und deren Übernahme durch die Zivilgesellschaft


Hausarbeit, 2016

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Funktionen von Parteien
2.1 Ulrich von Alemann
2.2 Klaus Detterbeck

3. Zivilgesellschaft
3.1 Definition
3.2 Funktionen

4. Analyse - Zivilgesellschaft als Ersatz der Parteien?

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Modern democracy is unthinkable save in terms of political parties“

(Schattschneider 1942: 1)

Parteien sind seit jeher prägend für politische Systeme, sodass die heutigen Demokratien ohne sie kaum vorstellbar wären. Und doch hat unlängst ein Prozess eingesetzt der diese Machtposition der Parteien zu untergraben scheint. Von Politikverdrossenheit ist die Rede, von Mitgliederschwund und von Erosion oder Zerfall der großen Parteien. Im schlimmsten Fall sogar davon, dass Parteien Heute gar keinen Unterschied mehr machen. Und vor allem in der Öffentlichkeit und unter den Bürgern herrscht immer mehr Skepsis gegenüber denen, die seit Jahrzehnten die politische Bühne prägen. Auf den Punkt gebracht: Es gibt immer mehr Beweise dafür, dass die Rolle der Parteien in fortgeschrittenen Demokratien der Industriestaaten nicht mehr dieselbe zu seinen scheint (vgl. Dalton/ Wattenberg 2002: 3).

Immer mehr treten dagegen zivilgesellschaftliche Alternativen in den Vordergrund, welche die Parteien in Bezug auf ihre ursprünglichen Funktionen zu ersetzen schei- nen. Interessengruppen, Initiativen, Bürgerbewegungen und Vereine sind überall zu finden und werden immer präsenter (vgl. Dalton/ Wattenberg 2002: 4). Egal wofür man sich einsetzen möchte, es gibt zahlreiche Möglichkeiten. Und das Wichtigste - die ei- gene Stimme wird tatsächlich wahrgenommen. Daher stellt sich nun die Frage, ob wir Parteien heute überhaupt noch brauchen. Diese kann aus zahlreichen Blickwinkeln der Parteienforschung beleuchtet werden, da dieses Feld der Forschung als äußerst Facettenreich gilt. In er vorliegenden Arbeit soll die Frage aber aus einer normativen Perspektive betrachtet werden. Es soll daher auf die eigentlichen Funktionen von po- litischen Parteien eingegangen werden und ob diese durch die Zivilgesellschaft über- nommen wurden.

Die Forschungsfrage: „Brauchen wir heute noch Parteien?“, soll nun innerhalb von drei Schritten beantwortet werden. Zunächst wird herausgearbeitet welche Funktionen den Parteien von der wissenschaftlichen Literatur zugeschrieben werden. Hierzu werden verschiedene Funktionskataloge vorgestellt. Dann soll näher auf die Definition und die Funktionen der Zivilgesellschaft selbst eingegangen werden, bevor dann in einer Ana- lyse untersucht werden soll, ob die Funktionen der Parteien durch die Zivilgesellschaft übernommen worden sind und ob wir somit keine Parteien mehr brauchen.

2. Funktionen von Parteien

Um die dieser Analyse zu Grunde liegende Frage, ob wir heute noch Parteien benöti- gen, beantworten zu können, muss zunächst einmal herausgearbeitet werden warum Parteien überhaupt existieren, also was genau ihre Funktionen und Aufgaben sind.

Die Parteienforschung ist ein sehr weites und stark diskutiertes Feld. Schon allein die Frage danach, was der Begriff Partei überhaupt bedeutet, führt dabei zu zahlreichen Definitionen und verschiedene Begriffsbestimmungen. Es erweist sich als schwierig eine exakte und allgemeingültige Erklärung des Begriffs zu finden (vgl. Alemann 2003: 9). Und auch bei der Bestimmung ihrer Funktionen, lassen sich in der Parteienliteratur erneut unzählige Definitionen der charakteristischen Funktionen von Parteien finden. Das Problem liegt darin, dass es sich bei dieser Frage, um eine Frage normativer Natur handelt. Ihre Beantwortung ist folglich verbunden mit der funktionalistischen und sys- temtheoretischen Gedankenwelt. Deshalb ergeben sich zahlreiche Bedeutungen die diesem Begriff zugeschrieben und von Forschern auf ganz unterschiedliche Weise in die Literatur aufgenommen werden (vgl. Wiesendahl 1980: 184f.). So entstanden über die Jahrzehnte hinweg verschiedene Funktionskataloge mit zahlreichen Angaben über die verschiedenen Parteifunktionen.

Elmar Wiesendahl zum Beispiel stellte in seinem 1980 veröffentlichten Werk: „Parteien und Demokratie - Eine soziologische Analyse paradigmatischer Ansätze der Partei- enforschung.“, eine weitrechende Untersuchung zu Parteien, Demokratietheorie und Parteien in der Demokratie an. Natürlich widmete er sich in diesem Zusammenhang auch der Analyse von Parteifunktionen. Durch die Untersuchung von 28 Quellen aus der Parteienliteratur von verschiedenen Wissenschaftlern die Untersuchungen zu den Funktionen von Parteien anstellten, filtert er so 18 Funktionen heraus, die Parteien als zugeschrieben werden. Zu diese 18 Funktionen zählen unter anderem: „Elitenauslese, -rekrutierung; Willensbildung; Meinungsbildung; Regierungsbildung; Legitimation; In- teressenaggregation; Systemerhaltung oder Propaganda“ (Alemann 2003: 211 f.). Doch die Untersuchung dieser 18 Funktionen würde zum einen den Rahmen dieser Arbeit sprengen und zum anderen erscheint es sinnvoller Funktionskataloge zu ver- wenden, die jünger sind und somit unter Umständen schon eher an die Gesellschaft von heute angepasst.

2.1 Ulrich von Alemann

Der erste Autor, dessen Funktionskatalog untersucht werden soll, ist Ulrich von Ale- mann mit seinem Ansatz aus dem Jahr 2003. Dieser greift in seiner Untersuchung verschiedene Funktionskataloge auf und verknüpft diese zu einem überschaubaren eigenen Funktionskatalog. Für Aleman ist es hier besonders wichtig, dass sein Funk- tionskatalog sowohl die normativ theoretische Komponente beinhaltet, als auch einen Bezug zu eher empirisch- orientierter Theoriebildung (vgl. Alemann 2003: 209). Insge- samt listet Alemann sieben Parteifunktionen auf: Partizipation, Transmission, Selek- tion, Integration, Sozialisation, Selbstregulation und Legitimation, anhand derer er die Aktionsform von Parteien näher beleuchtet (vgl. Alemann 2003: 212 f.).

Die sieben Parteifunktionen werden von Alemann in zwei Kategorien eingeteilt. So gibt es zunächst die konventionellen Funktionen die aus der Systemperspektive „von oben“ betrachtet werden. Hier ist die Transmissionsfunktion zu nennen. Diese bezeichnet, dass Parteien die Aufgabe zukommt gesellschaftliche Interessen in politisches Han- deln umzuwandeln. So werden durch Parteien Interessen aggregiert und zu Hand- lungsalternativen umgeformt, was vor allem zu Wahlkampfzeiten von Bedeutung ist (vgl. Alemann 2003: 213). Des Weiteren die Funktion der Selektion, welche gleichzu- setzen ist mit der Funktion der Elitenrekrutierung. Parteien besitzen ein Monopol auf die Nominierung der Mandatsträger und stellen so das Regierungspersonal. Innerhalb der Selektionsfunktion sind Parteien nach Alemann somit als Interessengruppen in ei- gener Sache zu verstehen Allerdings kann politisches Personal durchaus auch durch Verbände oder Interessengruppen gestellt werden (vgl. Alemann 2003: 214-215).

Die Funktion der Integration steht in enger Verbindung mit den bisher genannten Funk- tionen. So führt zum Beispiel die Transmission als Artikulation verschiedener Interes- sen der Gesellschaft zu einer Integration. Somit kommt Parteien innerhalb der Integ- rationsfunktion die Aufgabe zu, die Vielfältigkeit der Gesellschaft auf eine Linie zu brin- gen, um so Gruppenhandlungen zu ermöglichen (vgl. Alemann 2003: 215). Die letzte Funktion innerhalb der ersten Kategorie ist die der Legitimation, welche ebenfalls stark mit den anderen Parteifunktionen zusammenhängt. Da Parteien Transmission, Selektion oder Integration erst möglich machen, wird letztendlich die Legitimation des politischen Systems selbst ermöglicht (vgl. Alemann 2003: 217). Durch die Ermöglichung von Partizipation oder Wahlen tragen Parteien folglich zu einer Systemstabilisierung bei, als welche die Legitimation schließlich verstanden werden kann (vgl. Alemann 2003: 217).

Hinzu kommen nun die drei Funktionen der zweiten Kategorie, welche den einzelnen Bürger „von unten“ betrachten. Als erstes sollte hier die Partizipationsfunktion vorge- stellt werden. Diese bietet Bürgern die Möglichkeit, sich über den Wahlvorgang hinaus, politisch zu beteiligen. Folglich können Bürger als Parteimitglieder sogar bei der No- minierung von Kandidaten Einfluss nehmen (vgl. Alemann 2003: 213). Weiter führt Alemann die Funktion der Sozialisation auf. Parteien können hier als eine Art „Lernort“ verstanden werden, indem junge Menschen das demokratische System kennenlernen und von Beginn an lernen, Aufgaben innerhalb einer Partei zu übernehmen (vgl. Ale- mann 2013: 216). Allerdings schränkt er selbst die Weitreiche dieser Funktion ein, da nur gut 5% der Wahlbevölkerung auch tatsächlich Mitglied in einer politischen Partei sind (vgl. Alemann 2013: 216). Als letzte Funktion nennt Alemann nun die Selbstregu- lation, welche die starke Selbstbezüglichkeit von Parteien bezeichnet. So spielt das Innenleben der Parteien eine große Rolle und sie setzten sich neben den politischen Gegnern zu großen Teilen mit sich selbst auseinander. Die eigene Organisation und Vorgänge in dieser haben somit stets eine wichtige Position (vgl. Alemann 2003: 216).

2.2 Klaus Detterbeck

Im Folgenden soll nun der Funktionskatalog von Klaus Detterbeck aus dem Jahr 2011 vorgestellt werden. Detterbeck nennt in diesem sechs Funktionen politischer Parteien, welche in eine repräsentative und eine governmentale Kategorie eingeteilt werden. Somit kann unterschieden werden zwischen Funktionserwartungen an Parteien durch die Gesellschaft und Aufgaben der Parteien auf der Staats- oder Systemebene (vgl Detterbeck 2011: 23 f.). Dies erscheint plausibel, da Parteien sich laut Detterbeck ge- nau zwischen den Ebenen Gesellschaft und Staat befinden, somit tief in beiden ver- ankert sind und die Sphären miteinander verbinden (vgl. Detterbeck 2011: 23-24).

Die erste Funktion innerhalb der Kategorie der repräsentativen Funktionen ist dem- nach die Interessenvertretung. Parteien sollen hier in ihrem sozialen Umfeld Interes- sen vertreten, aggregieren und artikulieren. So werden Einzelinteressen gebündelt und es entstehen explizite politische Forderungen und Handlungsvorschläge.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Brauchen wir heute noch Parteien?
Untertitel
Eine Untersuchung ihrer Funktionen und deren Übernahme durch die Zivilgesellschaft
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Veranstaltung
Proseminar: Einführung in die Theorie und Empirie der Parteienforschung
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
20
Katalognummer
V323147
ISBN (eBook)
9783668222809
ISBN (Buch)
9783668222816
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
politische Systeme, Parteien, Politik, Zivilgesellschaft, Funktion, Demokratie
Arbeit zitieren
Franziska Wegener (Autor:in), 2016, Brauchen wir heute noch Parteien?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323147

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